OGH vom 30.08.2007, 8ObS16/07x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva Pernt und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Wolfgang B*****, vertreten durch Dr. Stephan Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei IAF-Service GmbH, *****, wegen EUR 14.938,33 Insolvenz-Ausfallgeld, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 32/06a-18, mit dem infolge Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 47 Cgs 129/05g-14, teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird in seinem Punkt II aufgehoben und insoweit in der Sache selbst das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt.
Die klagende Partei hat ihre Kosten des Berufungsverfahrens sowie des Rekursverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom bis sowie vom bis als Restaurator bei einem Denkmalpfleger beschäftigt, über dessen Vermögen über Antrag des Klägers mit Beschluss vom das Schuldenregulierungsverfahrens mangels Kostendeckung nicht eröffnet wurde.
Bereits im März 2004 hatte der Kläger gegen den Denkmalpfleger beim Arbeits- und Sozialgericht eine Klage eingebracht, in der er sich darauf stützte, dass er von Juli 2002 bis November 2002 und vom Mai 2003 bis Ende August 2003 in einem Dienstverhältnis gestanden sei und ihm daraus noch restliche EUR 9.657,16 sA zustünden. In diesem Verfahren schloss der Kläger am einen gerichtlichen Vergleich, in dem die Streitteile festhielten, dass der Kläger vom 1. 7. bis sowie vom bis als Vorarbeiter und Restaurator in einem Dienstverhältnis stand. Die in diesem Verfahren eingeklagten Entgelte für den Zeitraum vom bis und vom bis von insgesamt EUR 9.657,16 wurden von dem damals Beklagten zur Gänze übernommen zuzüglich Prozesskosten. Es wurde auch festgehalten, dass sich der damals Beklagte durch Zahlung eines Beitrages von EUR 6.000,-- und Prozesskosten von EUR 1.960,56 bis spätestens befreien kann.
Schon im September 2004 betrieb der Kläger die Exekution und stellte weiters den für den Beschluss vom über die mangelnde Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens maßgeblichen Antrag. Im Rahmen der Beschäftigungsverhältnisse war ein Stundenlohn von EUR 16,-- vereinbart wobei für die Zeit vom bis noch EUR 9.407,16 unberechtigt aushaften, für die Zeit vom 1. 5. bis noch EUR 250,--. In der Zeit zwischen 1. 5. bis war der Kläger vom Gemeinschuldner auch zur Sozialversicherung angemeldet worden.
Mit seinem Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld begehrt der Kläger Insolvenz-Ausfallgeld für laufendes Entgelt vom bis und bis samt Zinsen und Kosten und stützt sich darauf, dass sein erstes Dienstverhältnis vom bis und sein zweites Dienstverhältnis vom bis gedauert habe und daraus diese Beträge offen seien. Die Beklagte hat diesen Antrag mit Bescheid vom abgelehnt und sich im Wesentlichen darauf gestützt, dass es sich um ein atypisches bzw sittenwidriges und nicht gesichertes Dienstverhältnis gehandelt habe, da der Kläger ein zweites Dienstverhältnis eingegangen sei, obwohl aus dem ersten Dienstverhältnis erhebliche Entgeltrückstände bestanden hätten. Außerdem sei die Sicherung hinsichtlich des ersten Dienstverhältnisses nicht gegeben, da sich der Stichtag für die Frist nach § 3 Abs 1 IESG ab dem Ende des zweiten Dienstverhältnisses berechne.
Mit der hier maßgeblichen Klage begehrt der Kläger Insolvenz-Ausfallgeld nunmehr nur noch für das Dienstverhältnis vom Juli 2002 bis zuzüglich Kosten, lässt aber die Abweisung hinsichtlich der Zeit von Mai 2003 bis unbekämpft. Es stützt sich darauf, dass das zweite Vertragsverhältnis tatsächlich nicht nach dem IESG gesichert sei und macht geltend, dass daher die Rückrechnung der 6-Monatsfrist nach § 3a Abs 1 IESG nur vom Ende des ersten Dienstverhältnisses zu berechnen sei. Auch sei doch schon im Vorverfahren strittig gewesen, ob das zweite Rechtsverhältnis überhaupt ein Dienstverhältnis sei und hätten die Entgeltansprüche daraus auch nur einen geringen Betrag im Verhältnis zum Gesamtbetrag ausgemacht. Es sei daher zu prüfen, ob das zweite Vertragsverhältnis ein echtes Dienstverhältnis gewesen sei oder nicht. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, es habe sich um zwei Arbeitsverhältnisse gehandelt. Dies ergebe sich sowohl aus dem Vorbringen des Klägers als auch aus dem Vergleichsabschluss. Im Ergebnis sei von einer sittenwidrigen Überwälzung des Finanzierungsrisikos auszugehen, da der Kläger bei der neuerlichen Arbeitsaufnahme schon erhebliche Entgeltansprüche aus dem ersten Arbeitsverhältnis offen gehabt habe und auch keinerlei Anstrengung zu deren Einbringung unternommen habe. Weiters sei die Begrenzung des Sicherungszeitraumes im Sinne des § 3a Abs 1 IESG zu beachten. Dass das zweite Arbeitsverhältnis eine rechtlich unzulässige Überwälzung des Finanzierungsrisiko beabsichtigt habe, ändere daran nichts.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging rechtlich zusammenfasst davon aus, dass unter Beachtung der zeitlichen Begrenzung des § 3a Abs 1 IESG nur die Ansprüche aus dem letzten Arbeitsverhältnis gesichert sein könnte, jedenfalls nicht die aus dem ersten Arbeitsverhältnis vom 1. 7. bis . Dabei sei auch davon auszugehen, dass der Kläger ja selbst gegenüber der Beklagten seine Ansprüche aus dem zweiten Arbeitsverhältnis geltend gemacht habe.
Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung einen das Verfahren und das Urteil hinsichtlich eines Teilbetrages von EUR 94,02 als nichtig auf, da insoweit gar keine Geltendmachung im Verwaltungsverfahren erfolgt sei. Im Übrigen gab es der Berufung Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens an das Erstgericht zurück. Es ging dabei davon aus, dass es noch erforderlich wäre, Feststellungen zu der tatsächlichen Ausgestaltung des zwischen dem Kläger und dem Denkmalschützer bestehenden zweiten Vertragsverhältnisses vom 1. 5. bis zu treffen. Nur dann könne beurteilt werden, ob dies tatsächlich ein echtes Arbeitsverhältnis dargestellt habe oder nicht etwa vielleicht einen Werkvertrag. Sollte es sich aber bloß um einen Werkvertrag gehandelt haben, so wäre ja zu Gunsten des Klägers die 6-Monatsfrist nur ab Ende des ersten Arbeitsverhältnisses zu rechnen und lägen seine Ansprüche innerhalb des Sicherungszeitraumes. Beweispflichtig dafür, dass auch das Rechtsverhältnis des Klägers vom 1. 5. bis ein Arbeitsverhältnis gewesen sei, sei die Beklagte.
Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, da fraglich sei, ob eine Bindung an den Antrag im Verwaltungsverfahren auch insoweit bestehe. Davon sei nach Ansicht des Berufungsgerichtes nicht auszugehen, da die Entgeltansprüche ja nur aus dem ersten Arbeitsverhältnis geltend gemacht würden. Auch bei einer bloßen Anmeldung aus dem ersten Arbeitsverhältnis wäre es ja der Beklagten freigestanden, das zweite Arbeitsverhältnis als anspruchsvernichtenden Umstand zu berücksichtigen.
Der gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und auch im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 3a IESG gebührt für laufendes Entgelt Insolvenz-Ausfallgeld nur für die letzten 6 Monate vor dem Stichtag oder, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag geendet hat, für das Entgelt, das in den letzten 6 Monaten vor dem arbeitsrechtlichen Ende fällig geworden ist. Geht man nun davon aus, dass die Arbeitsverhältnisse des Klägers erst am geendet habe, so wie dies auch in dem gerichtlichen Vergleich im Vorverfahren festgehalten wurde, so endet die 6-Monatsfrist bereits vor dem Ende des davor liegenden Arbeitsverhältnisses vom bis , sodass der Kläger daraus keine Ansprüche mehr geltend machen kann (vgl dazu RIS-Justiz RS0115885 = 8 ObS 154/01g = SSV-NF 156/136). Es stellt sich nun aber die Frage, ob der Kläger nunmehr überhaupt noch geltend machen kann, dass das zweite Beschäftigungsverhältnis kein Arbeitsverhältnis gewesen wäre.
In dem gerichtlichen Vergleich wird dieses eindeutig als Arbeitsverhältnis qualifiziert und festgehalten, dass der Kläger als Vorarbeiter und Restaurator in einem Dienstverhältnis stand. Unter Vorlage dieses gerichtlichen Vergleiches hat der Kläger diesen Anspruch auch seinem Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens zugrundegelegt. Weiters hat er in seinem Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld ausgeführt, dass in der Zeit vom bis ein Dienstverhältnis bestanden habe.
In seiner Klage hat er dies im Wesentlichen ebenfalls nicht substantiell in Abrede gestellt, sondern nur ausgeführt, dass es sich um eine „atypisches bzw sittenwidriges und daher überhaupt nicht nach dem IESG gesichertes Vertragsverhältnis„ gehandelt habe. Wesentlich ist nun, dass die Ansprüche nach § 3a Abs 1 IESG einheitlich zu beurteilen sind.
So hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass es dem Antragsteller nicht durch wiederholte Antragstellung freisteht die 6-Monatsfrist durch neuerlichen Eintritt eines der Tatbestände des § 6a Abs 1 IESG in Lauf zu setzen. Der Antragsteller kann auch nicht dadurch, dass er nur für ihn besonders günstige Teile von Arbeitsverhältnissen geltend macht, bewirken, dass die 6-Monatsfrist für ihn günstigere höhere Entgeltansprüche erfasst (vgl im Zusammenhang OGH 8 ObS 111/02k). In der Entscheidung zu 8 ObS 206/01d ist der Oberste Gerichtshof - ebenfalls im Zusammenhang mit der Qualifikation eines Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis - von der Bindung des Antragstellers an die Geltendmachung im Konkursverfahren ausgegangen.
Maßgeblich ist, dass es nach ständiger Rechtsprechung den Parteien nicht frei steht, im gerichtlichen Verfahren eine qualitative Änderung der Rechtsgrundlage vorzunehmen (vgl dazu die §§ 65, 67 und 86 ASGG insbesondere aber RIS-Justiz RS0103949 mit zahlreichen weiteren Nachweisen insb 8 ObS 12/05f). Genau eine solche qualitative Änderung ist aber auch darin zu sehen, wenn der Arbeitnehmer nunmehr die Ansprüche für bestimmte Monate als die letzten des „Arbeitsverhältnisses" geltend macht, während er sie im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde noch als Ansprüche geltend macht, die lange vor Ende des „letzten Arbeitsverhältnisses" liegen. Dementsprechend war dem Kläger eine Änderung gegenüber der Anmeldung im Verwaltungsverfahren versagt und hat das Erstgericht zutreffend das Klagebegehren abgewiesen. Aus Anlass des zulässigen Rekurses konnte daher der Oberste Gerichtshof bereits in der Sache selbst entscheiden und das erstgerichtliche Urteil wiederherstellen (vgl dazu auch Kodek in Rechberger ZPO2 § 519 Rz 24).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 ASGG.