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OGH vom 06.10.2005, 8ObS16/05v

OGH vom 06.10.2005, 8ObS16/05v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni und Dr. Christoph Kainz als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef S*****, vertreten durch Dr. Stefan Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei IAF Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 32.101,37 sA Insolvenz-Ausfallgeld, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 23 Rs 25/05f-11, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 47 Cgs 196/04h-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des erstgerichtlichen Verfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger war vom mit zahlreichen saisonbedingten Unterbrechungen bis bei der Gemeinschuldnerin, über deren Vermögen mit Beschluss vom das Konkursverfahren eröffnet worden war, beschäftigt. Nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag für eisen- und metallverarbeitendes Gewerbe sind Dienstzeiten in Betrieben des gleichen Unternehmens, die nicht länger als 90 Tage unterbrochen wurden, zusammenzurechnen. Der Kläger hat in den im Einzelnen festgestellten Zeiten zwischen den Arbeitsverhältnissen zur späteren Gemeinschuldnerin regelmäßig auch Arbeitslosengeld bezogen. Die Arbeitsverhältnisse endeten zumeist gegen Ende des Jahres und wurden dann Mitte bis Ende März - in den letzten Jahren eher sogar erst Mitte bis Ende April- zu im Einzelnen festgestellten Zeiten wieder begründet. Die letzte Unterbrechung dauerte vom bis .

Anlässlich der Unterbrechungen wurde der Kläger jeweils vollständig abgerechnet. Der Masseverwalter hat die vom Kläger im Konkurs angemeldeten EUR 35.140,37 anerkannt. Weiters hat das Erstgericht folgende Feststellungen getroffen:

„Die Gemeinschuldnerin bestätigte dem Kläger nach Konkursabwicklung am , dass ihm zugesichert wurde, dass trotz der Unterbrechung des Dienstverhältnisses für alle Ansprüche, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen (Abfertigung, Urlaubsanspruch, Kündigungsfrist, Entgeltfortzahlung) die Dienstzeiten vor und nach der Unterbrechung zusammengerechnet werden. Diese Vereinbarungen wurde alljährlich mündlich gemacht und zugesagt und galten für die Dauer der Beschäftigung bei der ..... . Es wurde auch jeweils eine Wiedereinstellung zu den alten Bedingungen zugesichert".

Mit seiner Klage begehrt der Kläger nicht näher aufgeschlüsselt EUR 32.101,37 an Insolvenz-Ausfallgeld. Er stützt dies im Wesentlichen darauf, dass die Beklagte bei der Berechnung des ihm zuerkannten Insolvenz-Ausfallgeldes bzw der Abweisung unberechtigt davon ausgehe, dass - insbesondere für die Abfertigung- die verschiedenen Dienstverhältnisse nicht zusammenzurechnen seien. Eine derartige Vorgangsweise sei auch sachlich gerechtfertigt und betriebsüblich gewesen.

Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dass die Unterbrechungen über die im Kollektivvertrag vorgesehene Zusammenrechnungsregel hinausgingen. Die Sicherung nach dem IESG umfasse auch nur die „gesetzlichen" Abfertigungsansprüche. Im Ergebnis sei hier von „echten" „Unterbrechungen" auszugehen, sodass eine Zusammenrechnung der Dienstverhältnisse für die Berechnung der Abfertigung über die Regelung des Kollektivvertrages hinaus nicht vorzunehmen sei. Dass es sich tatsächlich um Unterbrechungen gehandelt habe, ergebe sich auch aus dem Umstand, dass der Kläger ja Arbeitslosengeld bezogen habe. Aus der bloß behaupteten Zusage der jeweiligen Wiedereinstellung zu den alten Bedingungen sei noch keine Anrechnung der Dienstzeiten für die Abfertigung ableitbar. Im Ergebnis bestehe auch hier ohnehin eine kollektivvertragliche Regelung betreffend die Zusammenrechnung, sodass für eine weitere Besserstellung des Klägers durch eine zusätzliche Anrechnung kein Platz bleibe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging zusammengefasst davon aus, dass auch aus dem Bezug des Arbeitslosengeldes abzuleiten sei, dass es sich um tatsächliche „Unterbrechungen" gehandelt habe. Allein aus der Zusage der jeweiligen Wiedereinstellung zu den alten Bedingungen und der Abfertigung könne keine konkrete Anrechnungsvereinbarung abgeleitet werden, sondern es seien individuelle Zusicherungen „über die Toleranzgrenze des Kollektivvertrages hinaus."

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es folgerte rechtlich, dass „echte Unterbrechungen" und nicht bloß Karenzierungen vorliegen würden. Die Anrechnung der Vordienstzeiten sei auch unter Beachtung des § 3 Abs 3 IESG nicht beachtlich, weil entsprechend § 1 Abs 3 Z 2 lit b IESG Ansprüche, die auf einer Einzelvereinbarung beruhen, die in den letzten sechs Monaten vor der Eröffnung des Konkurses abgeschlossen wurden, soweit die Ansprüche über den durch Gesetz, Kollektivvertrag und Betriebsvereinbarung zustehenden Anspruch oder die betriebsübliche Entlohnung hinausgehen oder auf sonstigen Besserstellungen beruhen, wenn die höhere Entlohnung sachlich nicht gerechtfertigt ist, nicht gesichert sind. Die letztmalige Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses liege aber innerhalb der Sechsmonatsfrist vor Eröffnung der Konkurses und könne sich auch nicht auf einen rechtfertigenden Tatbestand im Sinne des § 1 Abs 3 Z 2 lit b IESG stützen.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als nicht zulässig.

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und auch berechtigt. Das Berufungsgericht hat nicht darauf Bedacht genommen, dass der Kläger ausdrücklich vorgebracht hat, dass es sich bei der Anrechnung um eine „betriebsübliche" Vorgangsweise gehandelt habe.

Unzutreffend ist die Revision allerdings insoweit, als sie davon ausgeht, dass das Berufungsgericht zugrundegelegt hätte, dass dem Kläger auch bei der Beendigung der früheren Arbeitsverhältnisse zur späteren Gemeinschuldnerin bereits die Abfertigungsansprüche ausbezahlt worden wären.

Es ist gemeinsam mit den Vorinstanzen davon auszugehen, dass hier tatsächlich Unterbrechungen und nicht bloß Karenzierungen des Arbeitsverhältnisses vorliegen. Hat der Oberste Gerichtshof doch bereits wiederholt ausgesprochen, dass insbesondere die Abrechnung und Abmeldung in der Absicht, den Bezug von Arbeitslosengeld zu ermöglichen, dafür spricht, dass hier tatsächlich eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses, also eine Beendigung vorlag und nicht bloß eine Karenzierung (vgl in diesem Sinne etwa oder ). Weiters entspricht es der ständigen Judikatur, dass durch das IESG nur der Anspruch auf die gesetzliche Abfertigung, nicht aber auf allfällige darüber hinaus gewährte freiwilligen Abfertigungen gesichert ist (vgl etw OGH 8 ObS 257/01d mwN; ferner Liebeg, Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz2 § 1 Rz 178 uva). Ein solcher von der Sicherung des Insolvenzentgeltsicherungsgesetzes ausgeschlossener Anspruch liegt aber nicht vor, wenn tatsächlich geleistete Vordienstzeiten für die Berechnung der Abfertigung bzw der anderen Beendigungsansprüche angerechnet werden. Sieht doch § 3 Abs 3 zweiter Satz IESG ausdrücklich vor, dass eine einzelvertragliche Anrechnung von Vordienstzeiten unter Bedachtnahme auf § 1 Abs 3 Z 2 IESG der Berechnung des Insolvenz-Ausfallgeldes zugrundezulegen ist, soweit es sich um die Anrechnung von tatsächlich geleisteten Beschäftigungszeiten handelt und diese auch nicht bereits bei früheren Beendigungsansprüchen berücksichtigt wurden (vgl dazu auch Liebeg aaO § 3 Rz 23 ff mzwN). In § 1 Abs 3 Z 2 IESG, auf die diese Bestimmung des § 3 Abs 3 IESG ausdrücklich als negative Voraussetzung verweist, wird ua festgelegt, dass Insolvenz-Ausfallgeld nicht für Ansprüche besteht, die auf Einzelvereinbarungen beruhen, die in den letzten sechs Monaten vor der Eröffnung des Konkurses abgeschlossen wurden. Dies gilt allerdings nur soweit die Ansprüche über den durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung zustehenden Anspruch oder die betriebsübliche Entlohnung hinausgehen oder auf sonstigen Besserstellungen beruhen, wenn die höhere Entlohnung sachlich nicht gerechtfertigt ist. Zielrichtung des § 1 Abs 3 Z 2 IESG ist es, zu verhindern, dass kurz vor Konkurseröffnung überhöhte, nicht betriebsübliche Entgeltansprüche zu Lasten des Insolvenz-Ausfallgeldfonds vereinbart werden (vgl dazu Liebeg aaO § 1 Rz 252 unter Hinweis auf die Erläuterungen der Regierungsvorlage, ähnlich Holzer/Reisner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4, 174). Eine in der 6-Monatsfrist gelegene Vereinbarung kann also sowohl dadurch gerechtfertigt werden, dass sie betriebsüblich ist als auch dadurch, dass eine „sachliche Rechtfertigung" vorliegt.

Nach den Behauptungen des Klägers war es im Betrieb der späteren Gemeinschuldnerin aber durchaus „betriebsüblich", den Arbeitnehmern jeweils die Dienstzeiten aus vorangegangenen, saisonal unterbrochenen Arbeitsverhältnisen anzurechnen. Die Vorinstanzen haben jedoch dazu keine Feststellungen getroffen.

Das Verfahren war dementsprechend zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 2 ASGG und 52 ZPO.