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VfGH vom 28.09.1992, B796/91

VfGH vom 28.09.1992, B796/91

Sammlungsnummer

13144

Leitsatz

Aufhebung des Bescheides über die Versagung einer Baubewilligung wegen Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter infolge Aufhebung des eine Voraussetzung für die Zuständigkeit der Bauoberbehörde für Wien bildenden rechtskräftigen Bescheides über eine Ausnahmebewilligung gemäß § 69 Wr BauO 1930 durch den Verfassungsgerichtshof

Spruch

Die Beschwerdeführerinnen sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Die Stadt Wien ist schuldig, den Beschwerdeführerinnen zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 15.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit dem im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom wies die Bauoberbehörde für Wien den Antrag der Beschwerdeführerinnen auf nachträgliche Bewilligung der Abweichung von einem näher bezeichneten, bescheidmäßig bewilligten Bauvorhaben gemäß §§70 und 71 BauO f Wien ab und begründete dies im wesentlichen damit, daß das Bauvorhaben in Widerspruch zum Flächenwidmungs- und Bebauungsplan PD Nr. 6020 stehe und mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom der Antrag auf eine Ausnahmebewilligung gemäß § 69 Abs 1 BauO f Wien abgewiesen worden war. Der Bescheid der Bauoberbehörde vom ist Gegenstand der vorliegenden Verfassungsgerichtshofbeschwerde.

II. Die Beschwerde ist begründet.

1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde insbesondere dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 9696/1983).

Mit dem heute gefällten Erkenntnis B104/91 hob der Verfassungsgerichtshof den in der Begründung des bekämpften Bescheides bezogenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerinnen auf Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften abgewiesen worden war, wegen Anwendung des als verfassungswidrig aufgehobenen § 69 Abs 1 BauO f Wien auf (zur Aufhebung dieser Gesetzesbestimmung s. , G178/90). Die Aufhebung des die Ausnahmebewilligung versagenden Bescheides vom durch den Verfassungsgerichtshof bewirkte, daß das (Bau-)Verfahren wieder in jenes Stadium zurücktrat, in dem es sich vor der Erlassung dieses Bescheides befunden hatte (§87 Abs 2 VerfGG).

Daraus folgt die Unzuständigkeit der Bauoberbehörde für Wien zur Erlassung des nun angefochtenen Berufungsbescheides, mit dem die Baubewilligung versagt wurde: Gemäß § 69 Abs 6 BauO f Wien darf "vor Rechtskraft der Bewilligung der erforderlichen unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften ... eine Baubewilligung nicht erteilt werden". Da die Bauoberbehörde für Wien den über die Baubewilligung absprechenden Bescheid in der - nach dem eben Gesagten - objektiv unrichtigen Annahme erließ, daß der (nunmehr durch den Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bescheid) über die begehrte Ausnahmebewilligung gemäß § 69 BauO f Wien in Rechtskraft erwachsen war, nahm sie sohin eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit zu einer Sachentscheidung in Anspruch und verletzte damit das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Beschwerdeführerinnen auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Der bekämpfte Bescheid war daher aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von S 2.500 enthalten.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Fundstelle(n):
BAAAE-09198