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OGH vom 24.04.1990, 10ObS54/90

OGH vom 24.04.1990, 10ObS54/90

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.-Ing. Walter Holzer (AG) und Mag. Karl Dirschmied (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gertrude R***, Pensionistin, 1110 Wien, Ehamgasse 8/5/14, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei P*** DER A***,

1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr. Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 31 Rs 215/89-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 8 Cgs 2/88-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin zu ihrer Alterspension ab eine Ausgleichszulage in der gesetzlichen Höhe zu gewähren, abgewiesen wird.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom wurde der Klägerin nach ihrem am verstorbenen Ehegatten Emmerich K*** eine Witwenpension ab in Höhe von monatlich S 3.289,90 brutto gewährt. Am beantragte die Klägerin die Witwenabfertigung gemäß § 265 ASVG; sie habe am Wlodizimierz R*** geheiratet. Mit Bescheid vom wurde der Klägerin infolge Wiederverehelichung eine Abfertigung in Höhe von S 142.103,50 zuerkannt und nach Einbehalt eines Betrages von S 7.650,40 für eine offene Gehaltsexekution und eines weiteren Betrages von S 9.063,60 für Gegenverrechnung mit einem Überbezug für Oktober 1986 ein Betrag von S 125.389,50 im Oktober 1986 ausbezahlt. Die Klägerin erhielt von ihrem zweiten Ehegatten keine Unterhaltszahlungen, er weigerte sich schon ab Eheschließung, eine Haushaltsgemeinschaft mit der Klägerin aufzunehmen und kam ab Dezember 1986 nicht einmal mehr in Form von Besuchen zu ihr. Die Ehe wurde mit Urteil vom aus dem Verschulden des Ehegatten geschieden; dessen Aufenthalt ist unbekannt. Die Klägerin hat die ihr ausbezahlte Abfertigung zur Rückzahlung von Schulden und für den notwendigen Lebensunterhalt nach und nach aufgebraucht. Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde ihr nach Erreichung des 60. Lebensjahres ab eine Alterspension in Höhe von monatlich S 2.722,30 netto zuerkannt. Ein Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszulage wurde mit Bescheid vom mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin müsse sich eine Unterhaltsleistung des geschiedenen Gatten von S 7.920,-- anrechnen lassen. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin keine Klage.

Am ersuchte sie neuerlich um Zuerkennung der Ausgleichszulage. Da der geschiedene Gatte nach wie vor unbekannten Aufenthaltes ist, konnte die Klägerin trotz Erwirkung einer einstweiligen Verfügung auf monatliche Unterhaltsleistungen bisher keine Unterhaltsansprüche gegen ihn realisieren. Die Verfolgung des Unterhaltsanspruches gegenüber dem geschiedenen Gatten ist offenbar aussichtslos.

Mit Bescheid vom wurde der zuletzt genannte Antrag der Klägerin auf Zuerkennung der Ausgleichszulage wieder mit der Begründung abgelehnt, daß auf Grund einer anzunehmenden Unterhaltsleistung des geschiedenen Ehegatten die Summe der maßgebenden Einkünfte der Klägerin den Richtsatz von S 4.868,-- übersteigen. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin fristgerecht Klage.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung dieser Klage, zuletzt mit der Begründung, daß die im Oktober 1986 zur Auszahlung gelangte Abfertigung der Witwenpension gemäß § 265 ASVG bei der Prüfung des Ausgleichszulagenanspruches berücksichtigt werden müsse. Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab eine Ausgleichszulage von S 1.954,90 brutto monatlich unter Berücksichtigung der jeweiligen Erhöhungen zum Jahresersten nach den Bestimmungen des Pensionsanpassungsgesetzes zu gewähren. Zwar falle die Abfertigung der Witwenpension nicht in die Ausnahmeregelung des § 292 Abs. 4 ASVG, doch sei eine Verpflichtung zur Anrechnung auch aus den Abs. 1 bis 3 dieser Gesetzesstelle nicht zu entnehmen. Berücksichtige man, daß die Abfertigung der Witwenpension etwa ein Jahr vor Antragstellung auf Ausgleichszulage erfolgt sei, so könne bei der Berechnung des Nettoeinkommens der Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Ausgleichszulage nicht die Abfertigung der Witwenpension einbezogen werden. Für eine Auflösung der auf einmal ausbezahlten Abfertigung in monatliche Leistungen entsprechend der Berechnung ihrer Höhe biete das Gesetz keine Deckung. Sonst müßten auch Schenkungsbeträge oder im Erbweg erlangte Beträge auf einen längeren Zeitraum verteilt werden, wobei für die Bemessung dieses Zeitraumes überhaupt kein Anhaltspunkt bestünde. Nach der Entscheidung SSV-NF 2/48 sei eine Abfertigung bei Ermittlung des Anspruches auf Ausgleichszulage nicht zu berücksichtigen.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Im Ausgleichszulagenrecht fänden sich keine Anhaltspunkte für eine unterschiedliche rechtliche Behandlung einer Abfertigung der Witwenpension und einer Abfertigung aus einem Dienstverhältnis.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil von der beklagten Partei erhobene, auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestütze Revision ist berechtigt.

Nettoeinkommen iS des § 292 Abs. 1 und 2 ASVG ist nach dessen Abs. 3, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Nach § 265 Abs. 1 ASVG gebührt der Bezieherin (dem Bezieher) einer Witwen(Witwer)pension, von einer hier nicht gegebenen Ausnahme abgesehen, eine Abfertigung in der Höhe des 35-fachen der Witwen(Witwer)pension, auf die sie (er) im Zeitpunkt der Schließung der neuen Ehe Anspruch gehabt hat, einschließlich eines Hilflosenzuschusses und ausschließlich einer Ausgleichszulage, die in diesem Zeitpunkt gebührt haben. Wird die neue Ehe durch den Tod des Ehegatten, durch Scheidung oder durch Aufhebung aufgelöst, oder wird die neue Ehe für nichtig erklärt, so lebt der Anspruch auf die Witwen(Witwer)pension unter bestimmten Voraussetzungen wieder auf (§ 265 Abs. 2 ASVG). Der Anspruch lebt in der unter Bedachtnahme auf § 108 h ASVG sich ergebenden Höhe mit dem der Antragstellung folgenden Monatsersten, frühestens jedoch mit dem Monatsersten wieder auf, der dem Ablauf von zweieinhalb Jahren nach dem seinerzeitigen Erlöschen des Anspruches folgt (§ 265 Abs. 3 ASVG). Ähnliche Regeln bestehen nach § 215 a ASVG für die Abfertigung und das Wiederaufleben der Witwen(Witwer)rente. In diesen Abfertigungsfällen werden Personen, deren Anspruch auf die laufende Leistung der Witwen(Witwer)rente bzw. -pension mit der Verheiratung nach § 100 Abs. 1 ASVG erloschen ist, eine Leistung gewährt. Diese Leistung ist zwar nach § 104 Abs. 3 ASVG als einmalige Geldleistung binnen zwei Wochen nach der Feststellung der Anspruchsberechtigung auszuzahlen, gebührt aber - wie oben dargelegt - in der Höhe des 35-fachen Monatsbetrages der Pension (Rente), auf die sie (er) im Zeitpunkt der Schließung der neuen Ehe Anspruch gehabt hat. Daraus, daß diese Abfertigung ein Vielfaches der erloschenen Pension (Rente) ist, aber auch, daß der Anspruch auf diese erloschenen Leistungen frühestens mit dem Monatsersten wieder auflebt, der dem Ablauf von zweieinhalb Jahren (das sind 30 Kalendermonate plus 5 Sonderzahlungsmonate) nach dem seinerzeitigen Erlöschen des Anspruches folgt, zeigt sich deutlich, daß es sich bei der Abfertiugng eigentlich um eine die neue Ehe erleichternde Kapitalabfindung eines Rentenanspruches für zweieinhalb Jahre handelt (, 10 Ob S 94/89). Während der Bezieher einer laufenden Pension oder Rente, also einer wiederkehrenden Leistung, nur jeweils über die einzelne Pension (Rente) verfügen kann, kann der Empfänger einer mit einem Kapitalbetrag abgefundenen Pension (Rente) sofort über den gesamten kapitalisierten Betrag verfügen, erhält diesen daher für die gesamte Zeit des Pensions (Renten-)

Laufes vorausgezahlt.

Aus diesem Grund ist die bei der Feststellung des Anspruches auf eine Ausgleichszulage erforderliche zeitliche Übereinstimmung zwischen Pension und übrigen Einkünften (SSV-NF 2/48) in diesen Fällen nicht etwa nur im Monat der Auszahlung der Kapitalabfertigung gegeben; sie erstreckt sich vielmehr auf die gesamte Zeit, für die Witwen(Witwer)pension bzw. Rente kapitalisiert wurde (vgl. Teschner-Fürböck ASVG 45. ErgLfg. 1358 Anm. 14 zu § 265; Teschner in Tomandl, SV-System 4. ErgLfg. 402; ebenso OLG Wien SSV 25/139). Während dieses Zeitraumes ist davon auszugehen, daß der Pensionist im Zusammenhang mit der abgefundenen Pension (Rente) monatlich einen Betrag bezieht, der sich bei Teilung des Abfertigungsbetrages durch die bei seiner Ermittlung berücksichtigten Rentenmonate ergibt. Dadurch wird eine nicht zu rechtfertigende ausgleichszulagenrechtliche Besserstellung von Pensionisten mit abgefundenen Pensionsansprüchen gegenüber solchen mit gleichwertig laufenden Ansprüchen vermieden. Während dieses Einkommen bei der Feststellung des Anspruches auf Ausgleichszulage voll zu berücksichtigen, dh. der Pension zuzurechnen wäre, würde jenes unberücksichtigt bleiben. Das würde dem Zweck der Ausgleichszulage widersprechen, bei der es sich um keine Versicherungsleistung im engeren Sinn, sondern um eine Leistung mit Fürsorge(Sozialhilfe) charakter handelt, die das Existenzminimum des Pensionisten sichern soll (Teschner in Tomandl, SV-System 4. ErgLFg. 409; Tomandl, Grundriß des Österr. Sozialrechts4 Rz 193; SSV-NF 1/62, 2/48 ua). Die schon wiederholt zitierte Entscheidung SSV-NF 2/48 steht damit nicht im Widerspruch. Die dort zu beurteilende, einem Dienstnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses gebührende Abfertigung stellt nämlich auch dann, wenn sie z.B. nach § 23 Abs. 4 AngG teilweise in monatlichen, im voraus zahlbaren Teilbeträgen abgestattet oder nach § 23 a Abs. 2 AngG überhaupt in monatlichen Teilbeträgen bezahlt werden kann, keine laufende Rente dar, sondern einen mit der Beendigung des Dienstverhältnisses erworbenen Anspruch, so daß es an der zeitlichen Kongruenz mit den erst für die der Beendigung dieses Verhältnisses nachfolgenden Zeiträume zustehenden Ausgleichszulagen fehlt. Mit dem vorliegenden Fall vergleichbar ist aber jener, der der Entscheidung des erkennenden Senates vom , 10 Ob S 94/89 zugrundelag, und in der ausgesprochen wurde, daß eine dem Pensionisten nach Einstellung des zunächst als laufende monatliche Rente ausgezahlten Pensionszuschusses geleistete "Abfindung", bei der es sich um die Kapitalisierung des zuletzt ausgezahlten monatlichen Rentenbetrages für 28,35 Monate handelte, bei Ermittlung der Ausgleichszulage mit monatlichen Teilbeträgen entsprechend anzurechnen ist. Da es sich bei der Abfertigung der Witwenpension um die Kapitalabfindung eines Rentenanspruches für 2 1/2 Jahre handelt (in der naturgemäß auch 5 Sonderzahlungen enthalten sind), ist diese Kapitalabfindung aufgeteilt auf 30 Kalendermonate bei der Berechnung der Ausgleichszulage als Einkommen zu berücksichtigen. Weil aber gemäß § 292 Abs. 4 lit. c ASVG bei der Anwendung der Bestimmungen des § 292 Abs. 1 bis 3 (über die Anrechnung eines aus übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommens) die Renten(Pensions)sonderzahlungen aus der Sozialversicherung außer Betracht bleiben, ist auf den einzelnen Monat nur 1/35 des Abfertigungsbetrages anzurechnen.

Bei Feststellung des Anspruches der Klägerin auf Ausgleichszulage zu ihrer Alterspension ist daher davon auszugehen, daß sie vom an während eines bei Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch nicht abgelaufenen Zeitraumes eine Witwenpension von monatlich S 4.060,10 (1/35 der Abfertigungssumme) bezieht. Daraus folgt, daß der Richtsatz des § 293 Abs. 1 lit. a sublit. bb ASVG auch dann überschritten würde, wenn man die eben genannte Bruttopensionsleistung um die gesetzlich geregelten Abzüge verminderte (§ 292 Abs. 3 ASVG). Die Klägerin hat daher keinen Anspruch auf Ausgleichszulage.

In Stattgebung der Revision der beklagten Partei waren die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Eine Kostenentscheidung entfiel, weil Kosten nicht verzeichnet wurden.