VfGH vom 24.11.2017, A6/2017

VfGH vom 24.11.2017, A6/2017

Leitsatz

Stattgabe der Klage eines Gemeindebeamten auf Rückerstattung der für die postalische Zusendung der Pensionsabrechnung einbehaltenen Beträge mangels gesetzlicher Grundlage; Unzulässigkeit einer Aufrechnung

Spruch

Die Stadt Innsbruck ist schuldig, dem Kläger zuhanden seines Rechtsvertreters den Betrag von € 4,14 samt 4 % Zinsen seit (Klagseinbringung) sowie die mit € 323,90 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.Klage und Vorverfahren

1.Der Kläger steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Innsbruck (im Folgenden: die beklagte Partei) und befindet sich seit in Ruhestand. Gestützt auf Art 137 B-VG begehrt der Kläger, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, dem Kläger den Betrag von € 4,14 samt 4 % Zinsen seit Klagseinbringung sowie den Ersatz der verzeichneten Prozesskosten zuhanden seines Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die beklagte Partei habe ohne gesetzliche Grundlage im Zeitraum von bis den Betrag von € 4,14 vom Ruhebezug des Klägers als "ABO Verdienstabr." (Position 918) einbehalten. Der Kläger erklärt weiters, er habe sich nicht mit dem Abzug von € 1,38 pro Monat (für den genannten Zeitraum sohin € 4,14) für eine postalische Zusendung der Pensionsabrechnung einverstanden erklärt. Die beklagte Partei habe dem Kläger nicht die gesetzliche Grundlage für das Einbehalten des Abzugsposten "ABO Verdienstabr." (Position 918) nennen können. Die Einbehaltung sei daher ohne Rechtsgrundlage erfolgt und habe zu einer unrechtmäßigen Bereicherung der beklagten Partei geführt. Der Anspruch sei weder vor einem ordentlichen Gericht noch vor einer Verwaltungsbehörde geltend zu machen, weshalb die Klage gemäß Art 137 B-VG zulässig sei.

2. Die beklagte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Klage beantragt wird. Dem geltend gemachten Anspruch wird im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten:

Die Klage gemäß Art 137 B-VG sei unzulässig, da es sich bei dem – tatsächlich für die Monate Oktober bis Dezember 2016 einbehaltenen – Betrag von € 4,14 um einen mit der Ausfertigung der Bezugsnachweise verbundenen Aufwand und nicht mit dem Bezug als solchen in Zusammenhang stehenden Anspruch der beklagten Partei handle. Der für die postalische Zusendung der Pensionsabrechnung anfallende Aufwand von monatlich € 1,38 dürfe im Aufrechnungswege in Abzug gebracht werden. Gesetzliche Bestimmungen über die Notwendigkeit von monatlichen Bezugsabrechnungen von Ruhebezügen (und Aktivbezügen) gebe es – im Gegensatz zu privatrechtlichen Dienstverhältnissen (§2f AVRAG) – keine. Die beklagte Partei habe allen Beamten des Ruhestandes angeboten, die monatlichen Bezugsnachweise elektronisch zur Verfügung zu stellen und zusätzlich einmal jährlich einen Pensionsnachweis schriftlich zuzustellen (jeweils kostenlos). Allenfalls gewünschte monatliche postalisch zu versendende Pensionsnachweise würden lediglich gegen Bezahlung von € 1,38 pro Monat und unter Gegenverrechnung im Rahmen des Ruhebezuges erfolgen. Im Zeitraum (Beginn des Ruhestandes des Klägers) bis sei die Übermittlung der Ruhebezugsnachweise ausschließlich in elektronischer Weise erfolgt. Mit Ende August 2016 hätte der Kläger eine monatliche postalische Bezugsabrechnung bei der beklagten Partei begehrt, woraufhin diese den Kläger ausdrücklich auf die fehlende Verpflichtung der postalischen Zusendung, den Kostenersatz von € 1,38 pro Bezugsnachweis sowie auf die alternative elektronische Zustellung hingewiesen habe. Die beklagte Partei erklärt weiters, der Kläger habe sich trotz Missfallen mit dem Abzug von € 1,38 pro postalisch zugestelltem Bezugsnachweis explizit einverstanden erklärt. Daraufhin wurden von der beklagten Partei die Bezugsnachweise von Oktober bis Dezember 2016 dem Kläger postalisch zugestellt und monatlich € 1,38 im Zuge einer Gegenverrechnung hinweislich in Abzug gebracht (Gestionsentgelt). Das wirtschaftliche Erfordernis des Einbehaltens von € 1,38 wäre im Wesentlichen durch die anfallenden Druckkosten für die Erstellung, der Verwaltung und mit postalischen Kosten begründet.

II.Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. Die pensionsrechtlichen Bestimmungen des Innsbrucker Gemeindebeamtengesetzes 1970, LGBl 44 idF LGBl 84/2016, lauten – auszugsweise – wie folgt:

"VII. ABSCHNITT

PENSIONSRECHTLICHE BESTIMMUNGEN

§51

Pensionsansprüche

(1) Pensionsansprüche sind alle Leistungen, auf die der Beamte und seine Hinterbliebenen und Angehörigen nach den Bestimmungen dieses Abschnittes Anspruch haben.

(2) Auf die Pensionsansprüche der Beamten und ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen ist, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt wird, der 3. Abschnitt des Landesbeamtengesetzes 1998 nach Maßgabe der Abs 3 bis 9 sinngemäß anzuwenden.

(3) Die Pensionsansprüche bestehen gegenüber der Stadt Innsbruck.

[…]"

2. Der 3. Abschnitt des Tiroler Landesbeamtengesetzes 1998, LGBl 65, lautet – auszugsweise – wie folgt:

"2. Unterabschnitt

Ruhebezug des Beamten

§19

Ruhebezug

Der Ruhegenuss und die übrigen dem Beamten nach diesem Abschnitt gebührenden monatlich wiederkehrenden Geldleistungen (Kinderzurechnungsbetrag, Ergänzungszulage, Kaufkraftausgleichszulage, Folgekostenzuschuss, Nebengebührenzulage) mit Ausnahme der Kinderzulage bilden zusammen den Ruhebezug."

III.Erwägungen

1.Zur Zulässigkeit der Klage

Gemäß Art 137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Der Kläger macht einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen die Stadt Innsbruck geltend, dessen Wurzel im öffentlichen Recht liegt: Ihm gebührt auf Grund seines öffentlichen-rechtlichen Dienstverhältnisses zur beklagten Partei ein Ruhebezug, der bescheidmäßig zuerkannt wurde und hinsichtlich seiner Höhe ziffernmäßig feststeht. Von diesem Bezug hielt die beklagte Partei im Zeitraum Oktober bis Dezember 2016 insgesamt einen Betrag von € 4,14 als "ABO Verdienstabr." (Position 918) ein. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Ausbezahlung dieses Betrages (und nicht etwa die Entscheidung über die Gebührlichkeit des ruhebezugsrechtlichen Anspruches, vgl. VfSlg 3259/1957 sowie zuletzt etwa VfSlg 18.649/2008 mwN). Der Anspruch auf Ausbezahlung der Bezüge ist öffentlich-rechtlicher Natur, über ihn ist nicht im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden. Der klagsweise geltend gemachte Anspruch ist aber auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen, weil keine gesetzliche Bestimmung besteht, die in solchen Fällen eine Verwaltungsbehörde zur Entscheidung beruft.

Da im Verfahren auch sonst kein Prozesshindernis hervorgekommen ist, erweist sich die Klage insgesamt als zulässig.

2.In der Sache

2.1.Die Klage ist begründet.

2.2.Auf Grund des Vorbringens der Parteien und der vorgelegten Unterlagen geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem maßgeblichen Sachverhalt aus:

Der Kläger steht seit in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur beklagten Partei und befindet sich seit im Ruhestand. Die beklagte Partei hat in dem vom Kläger relevierten Zeitraum ( bis ) von dessen Ruhebezug mit dem Abzugsposten "ABO Verdienstabr." (Position 918) zusammengerechnet € 4,14 einbehalten. Auf Antrag des Klägers vom auf Rückerstattung (inklusive Barauslagen für Einschreibebrief) teilte das Stadtmagistrat Innsbruck im Wesentlichen mit, dass dem Kläger bereits in einem Telefongespräch der Abzug erklärt worden wäre und dieser sich damit einverstanden erklärt hätte. Am wiederholte der Kläger u.a. sein Begehren auf Rückerstattung der zwischen Oktober und Dezember 2016 monatlich einbehaltenen € 1,38 durch die beklagte Partei.

2.3.Diese Sachverhaltsfeststellung gründet – im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch – insbesondere auf folgender Beweiswürdigung: Die vom Kläger behauptete Tatsache der Einbehaltung bestimmter Beträge von den Monatsbezügen des Klägers durch die beklagte Partei sowie des Zeitraumes ihrer Einbehaltung wurde von der beklagten Partei in der Gegenschrift ausdrücklich zugestanden und bedarf keines weiteren Beweises (vgl. § 266 Abs 1 ZPO). Die Höhe der einbehaltenen Beträge wurde vom Kläger glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt und von der beklagten Partei nicht bestritten. Der Verfassungsgerichtshof erachtet daher die vom Kläger behauptete Höhe des geltend gemachten Anspruches als erwiesen (vgl. die §§177, 178, 239 und 267 ZPO).

2.4.Die Einbehaltung (von Teilen) öffentlich-rechtlicher Bezüge ist nur zulässig, wenn es hiefür eine gesetzliche Grundlage gibt (vgl. VfSlg 9477/1982, 18.649/2008; ). Im vorliegenden Fall ist – von der beklagten Partei unbestritten – keine gesetzliche Grundlage ersichtlich, auf die sich der Abzug von € 1,38 monatlich für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2016 stützen könnte.

2.5.Soweit die beklagte Partei einwendet, dass es sich bei den Abzügen "(…) um mit Ausfertigung der Bezugsnachweise verbundenen Aufwandes (handelt) und nicht mit dem Bezug als solche in Zusammenhang stehende Ansprüche der bP, welche im Aufrechnungswege in Abzug gebracht werden, und nicht um aus primären Anspruchseinschränkungen resultierende Kürzungen der beamtendienstrechtlich bzw. dienstrechtlich zustehenden Ruhebezüge", ist darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich zwar auch öffentlich-rechtliche Ansprüche durch Aufrechnung erlöschen können (vgl. VfSlg 17.662/2005). In einem Verfahren nach Art 137 B-VG ist eine Kompensation mit Ansprüchen aber unzulässig, die ihrerseits nicht Gegenstand einer Klage nach Art 137 B-VG sein können (vgl. VfSlg 15.174/1998, 14.618/1996), es sei denn, die Gegenansprüche wurden bereits rechtskräftig zuerkannt (vgl. VfSlg 16.784/2003).

Eine Aufrechnung mit öffentlich-rechtlichen Ansprüchen ist u.a. unter der Voraussetzung einer auf Rechtsgrundlage beruhenden und rechtskräftig festgestellten Gegenforderung zulässig, die im vorliegenden Fall jedoch nicht vorliegt.

Soweit die beklagte Partei aber vermeinen sollte, dass sich der Abzug auf eine privatrechtliche Vereinbarung mit dem Kläger stützt, ist sie darauf hinzuweisen, dass die damit behauptete in Betracht kommende Gegenforderung als zivilrechtliche Forderung zu qualifizieren wäre, über die im ordentliche Rechtsweg zu erkennen wäre (vgl. VfSlg 14.618/1996, 15.820/2000).

2.6.Die Einbehaltung von insgesamt € 4,14 durch die beklagte Partei war folglich rechtswidrig.

2.7.Dem Kläger ist daher von der beklagten Partei ein Betrag in der begehrten Höhe zurückzuerstatten. Stattzugeben ist auch dem – nicht bestrittenen –Zinsbegehren ab dem Zeitpunkt der Klagseinbringung (vgl. VfSlg 18.649/2008 mwN).

IV.Ergebnis

1.Der geltend gemachte Anspruch besteht dem Grunde und der Höhe nach zu Recht; der Klage ist daher stattzugeben.

2.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3.Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 35 Abs 1 VfGG und § 41 Abs 2 ZPO. In den zugesprochenen Kosten sind 60 % Einheitssatz (§23 Abs 3 RATG), Umsatzsteuer in Höhe von € 13,98 und der Ersatz der Eingabengebühr (€ 240,–) enthalten.

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ECLI:
ECLI:AT:VFGH:2017:A6.2017
Schlagworte:
VfGH / Klagen, Dienstrecht, Ruhegenuss

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