VfGH vom 25.11.2002, B792/02

VfGH vom 25.11.2002, B792/02

Sammlungsnummer

16703

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Nichtigerklärung einer Vergabeentscheidung wegen Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Bewerber und der gebotenen Sorgfaltspflicht bei Prüfung der Angebote

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Salzburger Festspielfonds hat als Auftraggeber die "Generalplanerleistungen für den Umbau des Kleinen Festspielhauses" ausgeschrieben. Für die Vergabe dieses Dienstleistungsauftrages war ein zweistufiges Verhandlungsverfahren vorgesehen.

Die nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof beschwerdeführenden Parteien wurden - neben vier anderen Bewerbern - zur Angebotsabgabe aufgefordert und nahmen am Verhandlungsverfahren zweiter Stufe teil. Nachdem mit Schreiben vom an sämtliche Bieter die Mitteilung ergangen war, dass der Salzburger Festspielfonds beabsichtige, ihnen den Zuschlag zu erteilen, wandte sich ein Mitbewerber an das Bundesvergabeamt (BVA), das mit Bescheid vom die Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers für nichtig erklärte.

Seine Entscheidung begründet das BVA, soweit dies im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen von Relevanz ist, wie folgt:

"Soweit die mitbeteiligte Partei [d.s. die nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof beschwerdeführenden Gesellschaften] ausführt, dass dem Antragsteller durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Zuschlagsentscheidung ohnehin kein Schaden droht, weil er selbst vom Vergabeverfahren auszuschließen sei, weil er an Vorarbeiten zur Ausschreibung iSv § 16 Abs 4 BVergG teilgenommen habe, ist folgendes festzuhalten:

§ 16 Abs 4 BVergG sieht vor, dass Unternehmer[,] die an den Vorarbeiten für eine Ausschreibung unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind, von der Teilnahme am Wettbewerb um diese Leistung auszuschließen sind, es sei denn, dass auf ihre Beteiligung in begründeten Sonderfällen nicht verzichtet werden kann. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist dieser Ausschlusstatbestand jedoch nur dann erfüllt, wenn der Bieter durch seine vorarbeitende Tätigkeit spezifische Vorkenntnisse des Sachverhalts erwirbt, die ihm einen Wettbewerbsvorteil entstehen lassen, wenn also die Beteiligung an Vorarbeiten zu einer relevanten Beeinträchtigung der Wettbewerbsposition geführt hat (vgl. ).

Nun trifft es zwar zu, dass der Antragsteller Vorarbeiten für die Ausschreibung geleistet hat, weil er an einem Gutachtenverfahren 1986 teilgenommen hat und eine Machbarkeitsstudie 1999 erstellt hat, deren Ergebnisse in die Vorgaben für die künstlerische Gestaltung des Umbaus eingeflossen sind (vgl. insbesondere die Vorgaben der Ausschreibungsunterlage hinsichtlich der Verkürzung des Zuschauerraumes, der Platzanzahl und der Festlegung von sogenannten 'Tabuzonen'). Diese Beteiligung an den Vorarbeiten zur Ausschreibung hat dem Antragsteller jedoch keinen relevanten Wettbewerbsvorteil verschafft. Ob eine Beteiligung an den Vorarbeiten einem Bieter relevante Wettbewerbsvorteile verschaffen kann, kann nur unter Berücksichtigung von Art und Gegenstand des zur Vergabe stehenden Auftrages beurteilt werden. Inhalt der antragsgegenständlichen Vergabe sind nun nicht etwa detaillierte Planungsarbeiten, sondern vielmehr das Erstellen eines Lösungsvorschlages für die spätere Generalplanung. Kern der für die Angebotslegung zu bewältigenden Aufgabenstellung ist daher die Ausarbeitung einer architektonisch-künstlerischen Idee. Bei dieser Aufgabenstellung könnte ein Zeitvorsprung hinsichtlich der Kenntnis der Vorgaben des Bauherren nur dann einen relevanten Wettbewerbsvorteil vermitteln, wenn den übrigen Bietern nicht genügend Zeit ab Kenntnis von den architektonischen Vorgaben des Bauherrn zur Verfügung gestanden ist, um ihre architektonisch-künstlerische Idee zu entwickeln. Da sämtlichen Bietern ein Zeitraum von mehr als 60 Tagen ab Kenntnis der architektonischen Vorgaben in der Ausschreibungsunterlage zur Erarbeitung ihres Lösungsvorschlag[s] zur Verfügung stand und kein einziger Bieter, einschließlich der mitbeteiligten Partei, mehr Zeit zur Erarbeitung ihres Lösungsvorschlages gefordert hat, ist davon auszugehen, dass die den Bietern zur Verfügung stehende Zeitspanne ausreichend war. Zudem hat der Auftraggeber sämtlichen Bietern die Ergebnisse der Vorarbeiten zur Ausschreibung (Planungen auf Grund der Vorstudien) zur Verfügung gestellt. Ferner ist zu bedenken, dass auch der Antragsteller erst ab Erhalt der Ausschreibungsunterlage davon ausgehen konnte, dass seine künstlerischen Überlegungen tatsächlich in gewissem Ausmaß in bindende Vorgaben des Bauherrn eingeflossen sind. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass sämtlichen Bietern ausreichend Zeit zur Erstellung ihrer architektonisch-künstlerischen Entwürfe zur Verfügung stand und die Vorarbeiten des Antragstellers diesem keinen relevanten Wettbewerbsvorteil verschafft haben. Der Ausschlusstatbestand des § 16 Abs 4 BVergG ist daher nicht erfüllt."

In der Sache selbst kam das BVA zum Ergebnis, dass der auftraggebende Fonds den Gleichbehandlungsgrundsatz durch Bewertung nicht vergleichbarer Angebote verletzt (§16 Abs 1 BVergG 1997) und bei der Prüfung der Angebote die gebotene Sorgfaltspflicht hinsichtlich der voraussichtlichen Kosten der Durchführung des Bauvorhabens nicht eingehalten habe (§47 Abs 4 leg.cit.).

2. a) Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde jener Gesellschaften, die der Salzburger Festspielfonds für den Zuschlag in Aussicht genommen hatte; sie erachten sich - ungeachtet des Umstandes, dass eine von ihnen eine ausländische juristische Person ist - durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt und beantragen dessen kostenpflichtige Aufhebung.

Die beschwerdeführenden Gesellschaften werfen dem BVA im Wesentlichen vor, ihr Vorbringen, wonach der Nachprüfungswerber wegen seiner ihm einen relevanten Informationsvorsprung verschaffenden Beteiligung an Vorarbeiten hätte ausgeschieden werden müssen, ignoriert zu haben und seine Entscheidung in diesem Punkt "begründungslos, jedenfalls aber ohne gesetzliche Grundlage," getroffen zu haben. Hinzu komme, dass der vom Auftraggeber herangezogene externe Berater in einem Naheverhältnis zu diesem Mitbewerber stehe und der von diesem erstellte, die Vergabeentscheidung (mit)tragende Prüfbericht verfehlt sei.

b) Das BVA legte die Verwaltungsakten vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Ebenso wenig haben die dem verfassungsgerichtlichen Verfahren beigezogenen Parteien, der auftraggebende Fonds und der vor dem BVA obsiegende Bewerber, von der ihnen gebotenen Möglichkeit, eine Äußerung abzugeben, Gebrauch gemacht.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. a) Obgleich eine der beschwerdeführenden Gesellschaften eine ausländische juristische Person (mit Sitz in Luxemburg) ist, kann sie sich im vorliegenden Fall gleich der anderen (mit Sitz in Österreich) auf das Gleichheitsrecht berufen. Ihr kommt nämlich die aus ArtI Abs 1 des BVG BGBl. 390/1973 abzuleitende, nicht auf physische Personen beschränkte verfassungsgesetzlich geschützte Rechtsposition auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander zu, welche nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch dann verletzt ist, wenn die belangte Behörde Willkür geübt hat (vgl. VfSlg. 14.516/1996, 14.699/1996, 15.074/1998 ua.). Angesichts dessen erübrigt sich hier eine genaue Untersuchung der Frage, ob sich die beschwerdeführende ausländische Gesellschaft unter Bedachtnahme auf gemeinschaftsrechtliche Verpflichtungen auf die durch Art 2 StGG und Art 7 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte oder auf den vom Nationalrat als verfassungsändernd genehmigten Art 4 des EWR-Abkommens, BGBl. 909/1993, berufen könnte, der im Anwendungsbereich dieses Abkommens "jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit" verbietet (so schon VfSlg. 15.668/1999).

b) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.337/1985, 11.436/1987).

2. Der Bescheid stützt sich - soweit er das Vorbringen der am Nachprüfungsverfahren beteiligten, nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof beschwerdeführenden Gesellschaften betreffend das (Nicht-)Ausscheiden ihres Mitbewerbers zum Gegenstand hat - auf § 16 Abs 4 BVergG 1997; ob der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung sind Bedenken weder vorgebracht worden noch aus Anlass dieses Verfahrens sonst entstanden (vgl. auch ).

Entgegen der Behauptung der beschwerdeführenden Gesellschaften hat sich die belangte Behörde - wie die unter Pkt. I.1. wiedergegebenen Bescheidausführungen zeigen - sehr wohl mit der Frage befasst, ob dem Nachprüfungswerber durch seine Teilnahme an einem Gutachterverfahren im Jahr 1986 und die Erstellung einer Machbarkeitsstudie im Jahr 1999 ein Informationsvorsprung erwachsen sei, der zu seinem Ausscheiden führen hätte müssen, und ihre Entscheidung plausibel und nachvollziehbar begründet. Auch mit ihren Ausführungen, wonach der die Vergabeentscheidung (mit-)tragende Prüfbericht eines vom auftraggebenden Fonds hinzugezogenen Beraters verfehlt sei und dieser externe Berater überdies in einem Naheverhältnis zum Nachprüfungswerber stehe, werden keine in die Verfassungssphäre reichenden Fehler des BVA geltend gemacht. Das BVA hat seine Entscheidung weder leichtfertig getroffen noch sonst Willkür geübt; ob das Verfahren in jeder Hinsicht rechtmäßig geführt wurde und die Entscheidung rechtsrichtig ist, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen; und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 10.565/1985, 10.659/1985, 12.697/1991).

3. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz hat sohin nicht stattgefunden.

Da das Verfahren auch nicht ergeben hat, dass die beschwerdeführenden Parteien in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten (insbesondere liegt im Zusammenhang mit der Frage des Ausscheidens eines Bieters ein dem hg. Erkenntnis , B707/00, vergleichbarer Fall nicht vor) oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.