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VfGH vom 23.09.2003, A6/03

VfGH vom 23.09.2003, A6/03

Sammlungsnummer

16950

Leitsatz

Zuspruch von Verzugszinsen für die verspätete Ausbezahlung von Geldaushilfen zur Sicherung des Lebensbedarfs nach dem Wiener Sozialhilfegesetz; Kostenzuspruch aufgrund rechtzeitiger Einschränkung des Klagebegehrens nach Zahlung der Kapitalbeträge

Spruch

I. Den Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 und 2 ZPO wird stattgegeben.

II. Das Land Wien ist schuldig, dem Kläger zu Handen seines Rechtsvertreters

a) 4 vH Zinsen

aus EUR 73,88 vom bis (A7/03),

aus EUR 124,90 vom bis (A8/03) und

aus EUR 74,92 vom bis (A6/03) sowie

b) die mit insgesamt EUR 493,82 bestimmten Prozesskosten

zu bezahlen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Wiener Landesregierung hatte dem Kläger mit im Instanzenzug ergangenen Bescheiden

a) vom , MA 15-II-J 6/2003, MA 15-II-J 10/2003, MA 15-II-J 15/2003 und MA 15-II-J 16/2003, zugestellt am , (A7/03)

b) vom , MA 15-II-J 20/2003, zugestellt am , (A8/03) sowie

c) vom , MA 15-II-J 36/2003, zugestellt am , (A6/03)

nach den Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG), LGBl. Nr. 11/1973 idgF, jeweils eine Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensbedarfs in Höhe von

a) EUR 81,83,

b) EUR 1149,-- (unter Anrechnung des am mit mündlich verkündetem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien - MA 12 zuerkannten und dem Kläger ausbezahlten Betrags in Höhe von EUR 1024,10) bzw.

c) EUR 1163,92 (unter Anrechnung des am mit mündlich verkündetem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien - MA 12 zuerkannten und dem Kläger ausbezahlten Betrags in Höhe von EUR 1089,--)

gewährt.

2. Die vorliegenden, auf Art 137 B-VG gestützten Klagen - beim Verfassungsgerichtshof am eingelangt - begehren, das Land Wien schuldig zu erkennen, dem Kläger

a) den Betrag von EUR 73,88 samt 4 vH Zinsen seit , (A7/03)

b) den Betrag von EUR 124,90 samt 4 vH Zinsen seit (A8/03) sowie

c) den Betrag von EUR 74,92 samt 4 vH Zinsen seit (A6/03)

sowie jeweils die Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründend wird dazu ua. ausgeführt, der Kläger habe die beklagte Partei am 15. Mai, 3. Juni bzw. unter Setzung einer Frist von vierzehn Tagen aufgefordert, die offenen Beträge auf ein von ihm bekanntgegebenes Bankkonto zu überweisen. Diese Fristen seien am 29. Mai, 17. Juni bzw. ergebnislos verstrichen, sodass dem Kläger seit 30. Mai, 18. Juni bzw. zudem Verzugszinsen gebührten.

3. Das Land Wien erstattete mit Schreiben vom eine Gegenschrift, worin die kostenpflichtige Abweisung der Klagen beantragt wird. Dazu heißt es, die in Rede stehenden Beträge seien dem Kläger bereits am , sohin vor Erhebung der vorliegenden Klagen am , überwiesen worden.

4. Mit Schriftsätzen vom schränkte der Kläger seine Begehren auf Zinsen (jeweils bis ) sowie auf Ersatz der Prozesskosten ein und bestritt - unter der Rubrik "vorbereitender Schriftsatz" - unter Hinweis auf einen in Kopie beigelegten Kontoauszug das Vorbringen des beklagten Landes, die geschuldeten Beträge bereits vor Klagserhebung bezahlt zu haben: Die Beträge seien vielmehr erst am (Valutadatum) auf dem vom Kläger bekanntgegebenen Bankkonto eingelangt.

II. Da die Voraussetzungen des § 63 Abs 1 ZPO (§35 Abs 1 VfGG) vorliegen, war den Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe "im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 und 2 ZPO" stattzugeben.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen (vgl. mwN) - Klagen erwogen:

1. Wenn das Gesetz - wie hier - nicht anderes bestimmt, sind nach der ständigen, mit VfSlg. 28/1919 beginnenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch bei öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen Verzugszinsen zu entrichten, und zwar ab dem Zeitpunkt des Verzuges (vgl. zB auch VfSlg. 3909/1961, 5079/1965, 6924/1972, 10.498/1985, 10.889/1986, 11.064/1986 uva.).

1.1. Es ist gesetzlich nicht geregelt, wie nach dem WSHG gewährte Leistungen dem Begünstigten auszubezahlen sind. Im vorliegenden Fall kann es jedoch dahingestellt bleiben, ob es sich bei den dem Kläger zuerkannten Beträgen um Hol- oder Schickschulden handelt:

Gemäß § 905 Abs 2 ABGB sind Geldzahlungen (unter der Voraussetzung, dass Erfüllungsort der zugrunde liegenden Verbindlichkeit der Wohnsitz bzw. der Ort der Niederlassung des Schuldners ist) - im Zweifel - auf Gefahr und Kosten des Schuldners dem Gläubiger an dessen Wohnsitz (Niederlassung) zu "übermachen", dh. zu übersenden; es handelt sich um Schickschulden (vgl. OGH RZ 1965, 82; SZ 38/100, 50/151, 71/129 ua.). Eine taugliche Übersendungsart ist - zumindest, wenn, wie vorliegend, Einverständnis über diese Zahlungsart besteht - die Einzahlung (Überweisung) auf ein Konto des Gläubigers.

Rechtzeitig erfolgt die Zahlung einer Geldschuld, die auch dann Schickschuld bleibt, wenn die Zahlung auf ein Bankkonto zu erfolgen hat, wenn - bei bargeldloser Überweisung - der Überweisungsauftrag spätestens am Fälligkeitstag beim kontoführenden Institut einlangt (zB OGH SZ 57/160 mwN). Unerheblich ist, wann der sonach angewiesene Betrag dem Gläubigerkonto gutgeschrieben wird. Die Rechtzeitigkeit der Zahlung steht aber immer unter der Bedingung des Einlangens der Kontogutschrift (zB OGH SZ 50/151).

Allein die - nach dem soeben Gesagten - rechtzeitige Zahlung wirkt auf den Überweisungstag zurück; ein Verzug des Schuldners ist demgegenüber erst mit Einlangen des geschuldeten Betrags auf dem Konto des Gläubigers (Datum der Wertstellung) beendet (zB OGH SZ 46/6).

1.2. Die der beklagten Partei vom Kläger am 15. Mai, 3. Juni bzw. jeweils gesetzte Nachfrist von vierzehn Tagen ist als angemessen anzusehen. Die beklagte Partei wäre somit allein dann nicht in Verzug geraten, wenn sie spätestens am jeweiligen Fälligkeitstag - dh. am 29. Mai, 17. Juni bzw. - den Überweisungsauftrag an den Kläger erteilt hätte.

Die Anweisung an die Bank ist indes jeweils erst am erfolgt, sodass sich die beklagte Partei mit Ablauf des 29. Mai, 17. Juni bzw. in Verzug befunden hat. Nach dem vorhin Gesagten konnte erst das Einlangen der geschuldeten Beträge auf dem Konto des Gläubigers den Verzug beenden.

Wie der Kläger dargetan hat, sind die geschuldeten Beträge dem von ihm bekanntgegebenen Bankkonto jeweils erst am gutgeschrieben worden. Verzugszinsen waren sohin - im Sinne der Klagebegehren - ab 30. Mai, 18. Juni bzw. jeweils bis zuzusprechen.

2. Der Kläger hat seine Klagen zu Recht erhoben und nach Zahlung der Kapitalbeträge rechtzeitig eingeschränkt; es waren ihm daher die Prozesskosten zu ersetzen. Die dem Kläger gebührenden Kosten waren gemäß § 41 iVm § 35 Abs 1 VfGG und § 41 Abs 2 ZPO nach dem RATG, BGBl. Nr. 189/1969 idgF, auszumessen.

Die Klagen waren gemäß TP3 C mit insgesamt EUR 215,80 zu honorieren, die - als Repliken zu wertenden - "vorbereitenden Schriftsätze", ausgehend von der Hälfte des ursprünglichen Streitwertes (vgl. § 12 Abs 3 iVm Abs 4 lita RATG), gemäß TP2 (vgl. ; , A143/02) mit insgesamt EUR 41,40. In den zugesprochenen Kosten sind weiters 60 vH Einheitssatz (EUR 154,32) sowie 20 vH Umsatzsteuer (EUR 82,30) enthalten.

Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen.

3. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.