OGH vom 28.05.1997, 9ObA77/97g

OGH vom 28.05.1997, 9ObA77/97g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und Dr.Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag.Gerhard Puschner und Univ.Prof.Dr.Walter Schrammel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Inge K*****, Kammerschauspielerin, ***** vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl. Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich (Österreichischer Bundestheaterverband, Goethegasse 1, 1010 Wien), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 305/96s-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 3 Cga 234/95t-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Das Begehren, es werde festgestellt, daß der Bühnendienstvertrag zwischen der Klägerin und der beklagten Partei bis zum Ablauf der Spielzeit 1996/1997 ungelöst weiter besteht, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.588,-- bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin enthalten S 40,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist ferner schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.162,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin stellt das im Spruch genannte Feststellungsbegehren. Sie sei als Schauspielerin verpflichtet und gehöre überdies dem Betriebsrat des künstlerischen Personals des Burgtheaters an, dessen konstituierende Sitzung am stattgefunden habe. Die Klägerin habe das 65. Lebensjahr am vollendet. Nach § 2a Abs 3 des Bundestheaterpensionsgesetzes (BThPG) scheide der Bundestheaterbedienstete des künstlerischen Personals mit Ablauf des Spieljahres von Gesetzes wegen aus dem Dienstverhältnis aus, das im 65. Jahr nach dem Jahre der Geburt endet. Gemäß § 2 a Abs 4 des BThPG könne aus künstlerischen oder betrieblichen Gründen der Fortbestand des Dienstverhältnisses über diese Altersgrenze hinaus vertraglich vereinbart werden. Dies sei bis zur Spielzeit 1994/1995 geschehen. Nunmehr weigere sich das Bundesministerium für Finanzen, das derartigen Verlängerungen zustimmen müsse, den Antrag auf Fortbestand des Dienstverhältnisses zu genehmigen.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Da das Bundesministerium für Finanzen die Zustimmung zur Verlängerung des Dienstverhältnisses über die Altersgrenze verweigert habe, sei eine Verlängerung des Dienstverhältnisses gesetzlich ausgeschlossen. § 2 a Abs 4 BThPG sei eine lex specialis und eine restriktiv anzuwendende Ausnahmeregelung, der durch die generellen Normen des Arbeitsverfassungsgesetzes, sohin auch durch § 133 ArbVG nicht derogiert werde.

Außer Streit steht, daß mit der Klägerin ein Bühnendienstvertrag als Schauspielerin bestanden hat, daß auf diesen Vertrag die Bestimmungen des Bundestheaterpensionsgesetzes Anwendung finden und daß die Klägerin dem Betriebsrat des künstlerischen Personals des Burgtheaters angehört, dessen konstituierende Stitzung am stattgefunden hat. Zusätzlich stellte das Erstgericht noch fest, daß die Klägerin am geboren ist, zwischen der Klägerin und der Direktion des Burgtheaters im August 1988 ein Bühnendienstvertrag abgeschlossen wurde, der vorerst für die Vertragsdauer vom bis gegolten hat, sich zufolge einer Verlängerungsklausel um je ein Jahr mangels anderer Vereinbarung verlängert hat. Mit Schreiben vom stimmte der Bundesminister für Finanzen der Verlängerung des Bühnendienstvertrages der Klägerin über die Altersgrenze hinaus zu. Daraufhin wurde der Klägerin vom Österreichischen Bundestheaterverband mitgeteilt, daß sie auch in der Spielzeit 1993/1994 weiterhin in einem aktiven Dienstverhältnis zum Burgtheater stehe. Mit einer Einsichtsbemerkung vom teilte der Bundesminister für Finanzen über den Antrag auf Verlängerung des Dienstverhältnisses der Klägerin mit, daß "der dortigen Begründung auf Fortbestand des Dienstverhältnisses nicht gefolgt" werden könne und begründete diese Bezugnahme damit, daß wegen der äußerst geringen Anzahl von Auftritten der Klägerin künstlerische oder betriebliche Gründe, die einen Fortbestand des Dienstverhältnisses über die Altersgrenze hinaus rechtfertigen würden, nicht erkennbar seien. Es sei auch die Mitgliedschaft zum Betriebsrat kein Grund, das Dienstverhältnis zu verlängern.

Mit Schreiben vom teilte der Österreichische Bundestheaterverband der Klägerin mit, daß das Bundesministerium für Finanzen den Antrag auf Fortbestand des Dienstverhältnisses "nunmehr endgültig" abgelehnt habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es vertrat die Rechtsauffassung, daß ab der Wahl der Klägerin in den Betriebsrat die zwingende Bestimmung des § 133 Abs 3 ArbVG anzuwenden sei, wonach das Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitgliedes, wenn dieses dem künstlerischen Personal angehöre, "ohne dessen Zustimmung nicht vor Ablauf der Spielzeit ende, innerhalb der die Tätigkeitsdauer des Betriebsrat endet". Diese Bestimmung sei auf Theaterunternehmungen im Sinne des § 1 Abs 1 Schauspielgesetz anzuwenden. Für ein Mitglied des Betriebsrates des künstlerischen Personals eines Theaterunternehmens gelte daher die Bestimmung des § 2 a Abs 3 BThPG nicht. Diese Bestimmung sei gegenüber § 133 Abs 3 ArbVG keine lex specialis, weil der Zweck des ArbVG die Regelung der Vertretung des Personals durch Betriebsräte und den Schutz dieser Funktion zum Inhalt habe, § 2 Abs 3 BThPG hingegen die Regelung des Eintrittes in den Ruhestand. Der Schutzzweck des § 133 Abs 3 ArbVG mache deutlich, daß diese Bestimmung gegenüber § 2 a Abs 3 BThPG einen Ausnahmetatbestand darstelle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß der Sinn der Bestimmung des § 133 Abs 3 ArbVG die funktionierende Belegschaftsvertretung sei. Das Dienstverhältnis eines Betriebsratsmitgliedes sei ex lege weiter gültig, weil es sonst wegen Zeitablaufs beendet wäre. Zwischen § 133 Abs 3 ArbVG und § 2 a BThPG bestünden Regelungsunterschiede, sodaß keine Derogation des § 133 Abs 3 ArbVG durch § 2 a BThPG stattgefunden habe. Das Ziel des Gesetzgebers, eine mehrere Jahre funktionierende Belegschaftsvertretung zu installieren, habe alle anderen Interessen untergeordnet, wie auch das Interesse des Dienstgebers, Mitglieder des künstlerischen Personals nach Erreichen der Altersgrenze pensionieren zu können. § 133 Abs 3 ArbVG führe ausdrücklich an, daß die Bestimmungen der §§ 62, 64, 120 bis 122 ArbVG unberührt bleiben. Wenn die Auffassung der beklagten Partei richtig wäre, hätte der Gesetzgeber eine Bestimmung schaffen müssen, wonach bei Pensionierung nach dem Bundestheaterpensionsgesetz das Betriebsratsmandat und Arbeitsverhältnis mit der Pensionierung enden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unabhängig von der Voraussetzung des § 46 Abs 1 schon deshalb nach § 46 Abs 3 ASGG zulässig, weil der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses strittig ist.

Die Revision ist auch berechtigt.

Die Frage, ob das am in Kraft getretene Bundestheaterpensionsgesetz (im folgenden BThPG) gegenüber dem Arbeitsverfassungsgesetz (im folgenden ArbVG) eine lex specialis ist, kann dahingehend beantwortet werden, daß hinsichtlich der Arbeitsverfassung das Arbeitsverfassungsgesetz jedenfalls das jüngere Gesetz ist und dieses eindeutig den Zweck verfolgt, die Fragen, welche die Arbeitsverfassung betreffen, umfassend und abschließend zu regeln, sodaß bestandene Sonderregelungen als aufgehoben angesehen werden müssen, soweit sie nicht ausdrücklich aufrechterhalten wurden (DRdA 1978, 139 [Hagen]). Ob die hier maßgebliche Bestimmung des § 2 a BThPG, die aber im wesentlichen der schon bisher geltenden Bestimmung des § 2 Abs 4 BThPG entspricht, erst mit BGBl 1976/688 eingefügt wurde, ist nicht von Bedeutung, weil damit keine arbeitsverfassungsrechtliche Regelung getroffen wurde, die im Verhältnis der Spezialität zu § 133 Abs 3 ArbVG steht. Die Frage ist nur, ob die in § 2 a Abs 3, 4 BThPG normierte ex lege (= automatische) Beendigung, die der 65-Lebensjahr-Pensionsklausel wie im übrigen öffentlichen Dienst entspricht (Steuxner/Ziehensack, FS Anwalt und Berater der Republik (1995) 267) mit der Bestimmung des § 133 Abs 3 ArbVG in Widerspruch steht. Diese Frage ist aber zu verneinen. Von einer Derogation des § 133 Abs 3 ArbVG durch § 2 a Abs 3, 4 BThPG kann keine Rede sein, weil diese Gesetzesbestimmungen weder im Verhältnis Generaltatbestand zu Spezialtatbestand stehen noch widersprechende Rechtssätze enthalten (Koziol/Welser, Grundriß10 I 10 mwN).

§ 133 Abs 3 ArbVG bestimmt, daß das Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds endet, wenn es dem künstlerischen Personal angehört, ohne seine Zustimmung nicht vor Ablauf der Spielzeit endet, innerhalb der die Tätigkeitsdauer des Betriebsrates endet. Die Bestimmungen der §§ 62, 64 sowie 120 bis 122 ArbVG bleiben unberührt.

Nach § 2 a Abs 3 BThPG scheidet ein Bundestheaterbediensteter des künstlerischen Personals mit Ablauf des Spieljahres, das im 65. Jahr nach dem Jahre seiner Geburt endet, aus dem Dienstverhältnis erfüllt er zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 3, tritt er in den dauernden Ruhestand. Nach Abs 4 kann der Fortbestand des Dienstverhältnisses über die Altersgrenze hinaus mit Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen auf jeweils ein Jahr, bei Schauspielern auf jeweils zwei Jahre vertraglich vereinbart werden.

Das Schauspielgesetz geht von befristeten Bühnendienstverträgen als Normalfall aus, während für andere Arbeitnehmer unbefristete Arbeitsverträge die Regel sind. Um die Interessenvertretung für Betriebsratsmitglieder des künstlerischen Personals trotz ihrer arbeitsrechtlichen Besonderheit sicherzustellen, normiert § 133 Abs 3 ArbVG bei "berufsüblicherweise" nur auf bestimmte Dauer abgeschlossenen Arbeitsverhältnissen die Hemmung des Ablaufes der Befristung. Die Bestimmungen über die vorzeitige Beendigung der Tätigkeitsdauer des Betriebsrates (§ 62 ArbVG) und über das vorzeitige Ende der Mitgliedschaft zum Betriebsrat (§ 64 ArbVG) bleiben durch diese Bestimmung jedoch unberührt (Schwarz in Cerny/Schwarz/Trenner, ArbVG Band 4, 128). § 133 Abs 3 ArbVG nimmt damit nur auf berufsübliche befristete Bühnendienstverträge Bezug, sohin auf Verträge, deren Abschluß in der Willensfreiheit der Vertragspartner, sohin der Dienstgeber und des Bundestheaterbediensteten liegt und von beiden beeinflußbar sind.

§ 2 a Abs 3 BThPG beschränkt hingegen die Vertragsfreiheit der Vertragspartner, indem der Bundestheaterbedienstete automatisch mit Erreichung einer bestimmten Altersgrenze aus dem Dienstverhältnis ausscheidet und eine gesetzlich eingeräumte Verschiebung des ex lege eingetretenen Endes des Dienstverhältnisses (Hinausschieben der Ex-lege-Endigung) nur aus besonderen Gründen, sohin ausnahmsweise und nicht vom Bundestheaterverband als Dienstgeber allein vereinbart werden darf, sondern der Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen bedarf. Von einer für alle Bühnendienstverträge berufsüblichen Befristung kann in diesen Fällen nicht gesprochen werden.

Zweck des § 133 Abs 3 ArbVG ist die Sicherung der Mandatsausübung bei berufsüblicher Befristung von Arbeitsverhältnissen. Jedes Betriebsratsmitglied soll durch diese Schutzbestimmung in die Lage versetzt werden, seine Interessensvertretungsaufgabe wahrzunehmen, ohne arbeitsrechtliche Sanktionen durch den Arbeitgeber befürchten zu müssen. Diese können vor allem Kündigung, Entlassung oder auch eine Nichtverlängerung eines zulässigerweise geschlossenen befristeten Dienstverhältnisses sein (Schwarz in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, ArbVG Band 3, 383). Ein Sonderschutz des Betriebsratsmitglieds tritt bei einer Dienstnehmerkündigung, einem vorzeitigen Austritt oder dem Ende des Dienstverhältnisses aufgrund einer Vereinbarung oder Zeitablaufs nicht ein (Floretta in Floretta/Strasser, Kommz ArbVG, 816). Das Ausscheiden aus dem Betrieb bringt die Mitgliedschaft zum Betriebsrat nach § 64 Abs 1 Z 3 ArbVG zum Erlöschen, wobei es auf die Art der Beendigung nicht ankommt (Floretta aaO, 362).

Der Schutzzweck der Norm des § 133 Abs 3 ArbVG ist daher weder durch eine Ex-lege-Beendigung des Dienstverhältnisses noch durch eine, einen Ausnahmefall bildende, nicht vom Dienstgeber abhängige Zustimmung Dritter zum Fortbestand des Dienstverhältnisses über den Zeitpunkt der ex lege eingetretenen Beendigung des Dienstverhältnisses hinaus, die überdies nur aus besonderen künstlerischen oder betrieblichen Gründen erteilt werden kann und die nur ein Hinausschieben der ex lege Beendigung des Dienstverhältnisses bewirkt, ohne an dieser etwas zu ändern, beeinträchtigt.

Einer weiteren Bestimmung in § 133 Abs 3 ArbVG, daß das Betriebsratsmandat mit der Pensionierung ende, bedarf es somit nicht, weil die Ex-lege-Beendigung des Dienstverhältnisses nicht mit einer vom Dienstgeber nach § 2 a BThPG verfügbaren Pensionierung, die durchaus als Dienstgebersanktion für die Interessensvertretungswahrnehmung des Betriebsratsmitglieds aufgefaßt werden könnte, zu vergleichen ist.

Das für das Spieljahr 1994/1995 verlängerte Dienstverhältnis der Klägerin (Beil 4) ist nach den Feststellungen nicht verlängert worden, sodaß es ex lege mit Ende des Spieljahres endete, was aber zum Erlöschen des Betriebsratsmandats gemäß § 64 Abs 1 Z 3 ArbVG führen mußte.

Das Feststellungsbegehren ist daher nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.