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OGH vom 14.09.2021, 11Os97/21f

OGH vom 14.09.2021, 11Os97/21f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vizthum als Schriftführerin in der Strafsache gegen Manfred H***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom , GZ 70 Hv 10/20w-91, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der Angeklagte Manfred H***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und nach § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

[2] Danach hat er am in D***** die durch die Einnahme von Beruhigungstabletten benommene Elena N***** vorsätzlich getötet, indem er sie nach Fesselung der Hände durch Verkleben des Mundes und der Nase mit Klebeband sowie Zudrücken im Kehlkopfbereich mit beiden Händen erstickte.

[3] Die Geschworenen haben die an sie gerichtete anklagekonforme Hauptfrage in Richtung des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB bejaht, die in Richtung des Verbrechens der Tötung auf Verlangen nach § 77 StGB gestellte Eventualfrage blieb demnach unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

[4] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5 und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[5] Der Verfahrensrüge (der Sache nach Z 13 erster Fall iVm Z 5; RIS-Justiz RS0118581 [T5]) zuwider wurden durch die Abweisung (ON 90 S 51) des Antrags auf Beiziehung eines – mit Blick auf das bereits durch einen der Hauptverhandlung beigezogenen (ON 89 S 3) psychiatrischen Sachverständigen erstattete Gutachten (ON 63) – weiteren Sachverständigen zum Beweis dafür, dass „H***** nicht an einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades leidet“ (ON 89 S 75), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

[6] Ein weiterer Sachverständiger ist im Strafverfahren nur dann beizuziehen, wenn das bereits vorliegende Gutachten mangelhaft im Sinn des § 127 Abs 3 erster Satz StPO ist und diese Bedenken durch nochmalige Befragung des bestellten Sachverständigen nicht behoben werden können. Ein aus § 345 Abs 1 Z 5 StPO garantiertes Überprüfungsrecht hinsichtlich eines bereits durchgeführten Sachverständigenbeweises hat der Beschwerdeführer demnach nur dann, wenn er in der Hauptverhandlung einen in § 127 Abs 3 erster Satz StPO angeführten Mangel von Befund oder Gutachten aufzeigt und das dort beschriebene Verbesserungsverfahren erfolglos bleibt (vgl RIS-Justiz RS0117263; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351).

[7] Mit dem Hinweis auf ein – ohnedies bereits im schriftlichen Gutachten erörtertes (vgl ON 63 S 19, 36 f) – im Verfahren AZ 40 Hv 58/06t des Landesgerichts Wiener Neustadt erstattetes psychiatrisches Gutachten vom 06, demzufolge (seinerzeit) beim Angeklagten keine geistige oder seelische Abartigkeit von höherem Grad vorlag und (damals) weitere mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen nicht zu befürchten waren, legte der Antrag nicht fundiert dar, dass der vorliegende Befund unbestimmt (dazu RIS-Justiz RS0127941) oder das Gutachten widersprüchlich oder sonst mangelhaft (dazu RIS-Justiz RS0127942) wäre. Somit wurde ein in § 127 Abs 3 StPO bezeichneter – durch Befragung nicht zu beseitigender (vgl Hinterhofer, WK-StPO § 127 Rz 30) – Mangel des psychiatrischen Gutachtens im mündlichen Beweisantrag nicht vorgebracht. Das bloße Verlangen einer Partei nach neuen Befunden und Gutachten, um die vom beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen erbrachten (im Sinn des § 127 Abs 3 StPO mängelfreien; zu abweichender Befundung und/oder Begutachtung zweier Sachverständiger vgl Hinterhofer, WK-StPO § 127 Rz 44 ff) Ergebnisse zu überprüfen, zielt auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS-Justiz RS0117263 [T10]).

[8] Die gegen die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB gerichtete Sanktionsrüge (Z 13) kritisiert die Heranziehung des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen (ON 63, ON 90 S 37 ff) als Erkenntnisgrundlage für die Konstatierung einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad im Tatzeitpunkt und dessen Einfluss auf die Anlasstat (§ 21 Abs 2 StGB). Indem sie sich in der Behauptung erschöpft, dieses Gutachten „widerspreche“ einem (vor rund 15 Jahren!) in einem anderen Verfahren eingeholten Gutachten, zeigt sie keinen aus (Z 13 erster Fall iVm) § 281 Abs 1 Z 5 oder 5a StPO (RIS-Justiz RS0118581 [T5]) beachtlichen Urteilsmangel auf. Überdies werden die Gutachtenserläuterungen in der Hauptverhandlung zu den angewandten Testverfahren (ON 90 S 43) ebenso ignoriert wie die Darlegungen zur zum Vorgutachten geänderten Nomenklatur sowie zur Entwicklung und Intensivierung des Krankheitsbildes beim Angeklagten (ON 90 S 45).

[9] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war daher die Nichtigkeitsbeschwerde bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1, 344 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2021:0110OS00097.21F.0914.000

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