OGH vom 26.01.2018, 8Ob86/17f

OGH vom 26.01.2018, 8Ob86/17f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin I***** K*****, vertreten durch Dr. Christoph Naske, Rechtsanwalt in Wien, über den Revisionsrekurs der Insolvenzverwalterin (mit beschränktem Geschäftskreis) Dr. Ulla Reisch, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 46 R 165/17f-56, mit dem der Rekurs der Insolvenzverwalterin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom , GZ 31 S 143/16f-41, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird in Ansehung der Zurückweisung des Rekurses der Insolvenzverwalterin aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über das Rechtsmittel unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Die Revisionsrekurswerberin wurde im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zur Insolvenzverwalterin mit dem beschränkten Geschäftskreis (§ 190 Abs 2 IO) der Verwaltung und allfälligen Verwertung einer Liegenschaft sowie zur Prüfung allfälliger Ansprüche gegen deren früheren Eigentümer aus dem Kaufvertrag bestellt.

Die ehemalige Betriebsliegenschaft ist mit Pfandrechten in den Verkehrswert weit übersteigendem Ausmaß belastet. Darüber hinaus wurde eine Kontaminierung des Bodens festgestellt, deren Entsorgungskosten voraussichtlich den Verkehrswert übersteigen würden. Die Insolvenzverwalterin stellte daher den Antrag auf Ausscheidung der Liegenschaft gemäß § 119 Abs 5 IO.

Mit Beschluss des vom wurde die Liegenschaft aus der Insolvenzmasse ausgeschieden und der Schuldnerin zur freien Verfügung überlassen.

Das wies die gegen diesen Beschluss erhobenen Rechtsmittel der Insolvenzverwalterin und einer Gläubigerin zurück und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig.

Die Insolvenzverwalterin sei zwar aktiv rekurslegitimiert, es fehle ihr jedoch die für einen Rechtsmittelerfolg erforderliche formelle Beschwer, weil das Erstgericht ihrem Antrag stattgegeben habe. Von einzelnen Gläubigern könne der Ausscheidungsbeschluss nach § 119 Abs 5 IO überhaupt nicht bekämpft werden.

Gegen die Zurückweisung des Rekurses der Insolvenzverwalterin richtet sich der mit dem Antrag auf Abänderung, hilfsweise Aufhebung der Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Es kommt im Insolvenzverfahren grundsätzlich demjenigen ein Rekursrecht zu, der durch eine Entscheidung in einem Recht verletzt ist. Dem Insolvenzverwalter steht jedenfalls ein Rekursrecht zu, soweit er konkret gemeinsame Interessen der Insolvenzgläubiger gegenüber Einzelinteressen eines Gläubigers zu vertreten hat (RIS-Justiz RS0065135 [T34]). Dieser Grundsatz gilt auch für die Bewilligung der Überlassung eines Massebestandteils nach § 119 Abs 5 IO, zumal die tatsächlichen Voraussetzungen dafür vom Insolvenzgericht amtswegig zu erheben und festzustellen sind (8 Ob 60/13a; Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger, InsR4§ 119 IO Rz 207).

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es dem Insolvenzverwalter möglich sein muss, im Interesse der Gläubigergemeinschaft die Schmälerung der Masse durch eine auf unrichtigen Voraussetzungen beruhende Gerichtsentscheidung selbst dann zu bekämpfen, wenn er sie ursprünglich selbst beantragt hat (Kodek aaO Rz 215; Riel in Konecny/Schubert, InsG § 119 IO Rz 62; RIS-Justiz RS0128987 = 8 Ob 60/13a). Innerhalb der Grenzen der beschränkten Neuerungserlaubnis nach § 260 Abs 2 IO steht es ihm frei, auch Argumente vorzutragen, die von seinem erstinstanzlichen Vorbringen abweichen.

2. Die Insolvenzverwalterin hat in ihrem Rekurs vorgebracht, dass ihr nach den Anträgen auf Ausscheidung der Liegenschaft, aber noch vor dem erstinstanzlichen Beschluss vom , zwei Angebote für die Liegenschaft gelegt worden seien, ein weiteres Angebot sei am abgegeben worden. Darüber hinaus habe die Schuldnerin eine Nutzungsvereinbarung über die Liegenschaft geschlossen, aus der Erlöse in die Masse fließen würden. Würde die Liegenschaft in der Masse belassen, wäre mit einer Erhöhung der Quote der Gläubiger zu rechnen.

Nach § 260 Abs 2 IO können in Rekursen neue Tatsachen, soweit sie bereits zur Zeit der Beschlussfassung entstanden waren, und neue Beweismittel angeführt werden. Das Rekursvorbringen über die geänderte Werthaltigkeit der vom Erstgericht ausgeschiedenen Liegenschaft war danach zulässig.

3. Die Zurückweisung des Revisionsrekurses der Insolvenzverwalterin beruhte auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung, sodass der angefochtene Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht die meritorische Entscheidung über das Rechtsmittel aufzutragen war.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00086.17F.0126.000

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.