OGH vom 24.06.2020, 10ObS53/20x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Prutsch Partner Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Alterspension und Überbezug, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Rs 2/20s21, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Reduktion der monatlichen Pensionsleistung nach der vom Kläger (geboren ***** 1951) beantragten Umwandlung der dem ihm ab zuerkannten Invaliditätspension in eine Alterspension ab April 2018.
2. Maßgeblich für die Zuerkennung der Invaliditätspension waren (unstrittig) die § 261 und 261a ASVG in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl 1996/201. Die Leistungen aus den Versicherungsfällen des Alters und der verminderten Erwerbsfähigkeit bestanden nach § 261 Abs 1 ASVG aus dem Steigerungsbetrag als Prozentsatz der Gesamtbemessungsgrundlage, wobei bei Invaliditätspensionen ein Zurechnungszuschlag iSd § 261a ASVG gebührte. Bei Inanspruchnahme einer Leistung vor Vollendung des 61. Lebensjahres durch (hier relevant) Männer war der Steigerungsbetrag nach § 261 Abs 3 Z 2 ASVG um einen Prozentsatz zu vermindern. Nach § 261a Abs 1 ASVG gebührte bei der Invaliditätspension zum Steigerungsbetrag ein Zurechnungszuschlag, wenn der Stichtag vor der Vollendung des 56. Lebensjahres lag. Dieser Zurechnungszuschlag durfte nach § 261a Abs 2 ASVG zusammen mit dem Steigerungsbetrag 60 % der höchsten zur Anwendung kommenden Bemessungsgrundlage nicht übersteigen.
3. Unstrittig ist – betreffend die 1999 zugesprochene Invaliditätspension – das Ausmaß des Steigerungsbetrags, des Zurechnungszuschlags sowie des Minderungsprozentsatzes. Einziger Streitpunkt ist die Frage, ob die gewährte Invaliditätspension tatsächlich nach § 261 Abs 3 Z 2 ASVG vermindert wurde (so das Berufungsgericht) oder nicht (so der Kläger). Ein damals nicht erfolgter Abschlag schließt nach Auffassung des Klägers die Reduktion der Pensionsleistung bei Zuspruch der begehrten Alterspension aus.
4. Die dazu referierte Entscheidung 10 ObS 4/17m(SSV-NF 31/18, RIS-Justiz RS0131333) nützt seinem Standpunkt nicht. In diesem Fall hatte die Versicherte nämlich eine Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Erwerbsfähigkeit (Berufsunfähigkeitspension) ab entsprechend der zu diesem Stichtag geltenden Rechtslage ungekürzt (demnach ohne einen Abschlag) bezogen.
5. Im hier zu beurteilenden Fall musste entsprechend den klaren gesetzlichen Vorgaben der Steigerungsbetrag durch den Abschlag aufgrund des früheren Pensionsantritts (§ 261 Abs 3 Z 2 ASVG) reduziert und dann um den Zurechnungszuschlag erhöht werden. Die Addition des verringerten Steigerungsbetrags und des Zurechnungszuschlags ergab im Fall des Klägers mehr als 60 %, weshalb der Steigerungsbetrag nach § 261a Abs 2 ASVG auf diese Grenze zu reduzieren war. Wäre für die Berechnung der Begrenzung des Steigerungsbetrags mit 60 % immer nur die Addition von unvermindertem Steigerungsbetrag und Zuschlag maßgeblich, wäre ein Antritt der Invaliditätspension vor Erreichung des in § 261 Abs 3 Z 2 ASVG genannten Alters in allen Fällen, in denen der Steigerungsbetrag samt Zuschlag zufolge § 261a Abs 2 ASVG auf 60 % zu reduzieren ist, ohne Bedeutung.
6. In diesem Sinn ist das Berufungsgericht – auf Tatsachenebene, wenn auch disloziert in der rechtlichen Beurteilung – davon ausgegangen, dass die Invaliditätspension entgegen der Meinung des Klägers nicht nur „hypothetisch“, sondern (entsprechend der damals geltenden Rechtslage) tatsächlich um einen Abschlag wegen des vorzeitigen Pensionsantritts gemindert worden war.
7. Gegenstand ist nicht der Entzug einer Leistung, sondern die Gewährung einer anderen, vom Kläger beantragten Pensionsleistung. Die in der Revision zitierte Rechtsprechung über die wesentliche Änderung der Verhältnisse als Voraussetzung für den Leistungsentzug (RS0083884; RS0106704) ist nicht relevant.
8. Nach § 107 Abs 1 ASVG hat der Versicherungsträger zu Unrecht erbrachte Geldleistungen zurückzufordern, wenn der Zahlungsempfänger erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Hat ein Zahlungsempfänger einen im Gesetz vorgesehenen Rückforderungstatbestand verwirklicht, kann er sich nicht mehr auf Gutgläubigkeit berufen (RS0114485).
9. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde der Kläger vor Erlassung des Bescheids mehrfach nachdrücklich auf die geringere Höhe der Alterspension hingewiesen, ebenso auf die Möglichkeit, den Antrag auf Umwandlung der Invaliditätspension in eine Alterspension zurückzuziehen, was er verweigerte. Die Differenz zwischen Invaliditäts- und Alterspension wurde ihm mitgeteilt. Soweit die Revision mit fehlender Kenntnis von den Folgen der beantragten Umwandlung argumentiert, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00053.20X.0624.000 |
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