VfGH vom 09.10.1996, a4/95
Sammlungsnummer
14636
Leitsatz
Passive Klagslegitimation des Bundes im Fall einer Klage auf Rückforderung des infolge Bestrafung wegen Übertretung des AuslBG entrichteten Strafbetrags nach Aufhebung des Strafbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof gegeben; keine Beseitigung der passiven Klagslegitimation durch Ausgliederung des Arbeitsmarktservice aus der Bundesverwaltung durch das ArbeitsmarktserviceG; keine passive Klagslegitimation des Bundes in Ansehung des Verfahrenskostenbeitrags; teilweise Stattgabe der infolge Rückzahlung des Strafbetrags und Verfahrenskostenbeitrags auf Prozeßkosten eingeschränkten Klage
Spruch
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) ist schuldig, dem Kläger zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 7.793,66 bestimmten Prozeßkosten sowie S 408,-- an Gerichtskosten (Bundesstempelmarken) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. In seiner auf Art 137 B-VG gestützten, zunächst gegen den Bundesminister für Arbeit und Soziales gerichteten Klage vom begehrt der Kläger, der mit Schriftsatz vom die Bezeichnung der beklagten Partei auf Bund präzisiert hat, die Fällung des Urteiles, die beklagte Partei sei schuldig, ihm den Betrag von S 80.000,-- samt 4 % Zinsen seit dem sowie die Kosten dieses Rechtsstreites binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Der Kläger bringt vor, daß er mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom wegen vier Verwaltungsübertretungen nach dem § 28 Ausländerbeschäftigungsgesetz (im folgenden: AuslBG) zur Zahlung einer Geldstrafe von insgesamt S 80.000,-- sowie eines Kostenbeitrages von S 8.000,-- (für das erstinstanzliche Verfahren) verurteilt worden sei. Den Kostenbeitrag habe er sofort bezahlt. Hinsichtlich der Geldstrafe sei ihm mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom die Bezahlung in zehn Teilbeträgen bewilligt worden. Bislang habe er S 72.000,-- des Strafbetrages entrichtet. Insgesamt sei von ihm ein Betrag von S 80.000,-- bezahlt worden.
Am habe der Verwaltungsgerichtshof den Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Mit Brief vom habe der Kläger den Bundesminister für Arbeit und Soziales zur Rückzahlung des zu Unrecht eingehobenen Betrages aufgefordert und eine Frist zum Einlangen auf dem Konto seines Vertreters bis längstens gesetzt. Innerhalb dieser Frist sei jedoch keine Zahlung geleistet worden.
2. Der durch den Bundesminister für Arbeit und Soziales vertretene Bund hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher er die Abweisung des Klagebegehrens mangels passiver Klagslegitimation bzw. infolge Klaglosstellung sowie den Zuspruch verzeichneter Kosten begehrt.
Begründend wird vorgebracht, daß dem Begehren auf Refundierung des entrichteten Kostenbeitrages von S 8.000,-- und der bislang bezahlten S 72.000,-- der Geldstrafe aufgrund der seit geltenden Rechtslage nicht habe entsprochen werden können. Ursprünglich seien Eingänge aus nach dem AuslBG verhängten Geldstrafen dem Reservefonds gemäß dem § 64 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (im folgenden: AlVG) zugeflossen. Gemäß dem seit dem geltenden § 28 Abs 3 AuslBG idF BGBl. Nr. 314/1994 erhalte das Arbeitsmarktservice aufgrund des AuslBG verhängte Geldstrafen. Gemäß § 1 Abs 1 des Arbeitsmarktservicegesetzes (im folgenden: AMSG), BGBl. Nr. 313/1994, sei das Arbeitsmarktservice ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit. Gemäß § 62 Abs 1 leg.cit. sei das Arbeitsmarktservice Rechtsnachfolger des Fonds der Arbeitsmarktverwaltung und des Bundes, soweit dieser für Zwecke der Arbeitsmarktverwaltung Rechte erworben habe bzw. Pflichten eingegangen sei. Da der Fonds der Arbeitsmarktverwaltung somit im Wege der Rechtsnachfolge vom Bund auf das Arbeitsmarktservice übergegangen sei, sei die passive Klagslegitimation des Bundes im vorliegenden Fall nicht gegeben. Außerdem habe die Bundesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice die Überweisung des Betrages von S 80.000,-- mittlerweile veranlaßt. Die Überweisung sei am durchgeführt worden. Der Klagstitel der Bereicherung bestehe daher nicht mehr.
3. Mit Schriftsatz vom schränkte der Kläger unter neuerlicher Verzeichnung von Kosten sein Begehren - unter ausdrücklicher Außerachtlassung der Zinsenforderung - auf die Zahlung der Kosten des vorliegenden Rechtsstreites binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution ein. Er führte aus, daß er seinen Anspruch gegenüber dem Arbeitsmarktservice in einem Verfahren gemäß Art 137 B-VG nicht geltend machen könne. Die Rechtsauffassung der beklagten Partei, sie sei passiv nicht legitimiert, würde folglich zu einer planwidrigen Lücke des Rechtsschutzsystems führen, welche dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen sei. Der Zufluß der Eingänge von nach dem AuslBG verhängten Geldstrafen habe mit der hoheitlichen Verhängung der Geldstrafen, welche in den Vollzugsbereich des Bundesministers für Arbeit und Soziales falle, nichts zu tun. Die Geldstrafen seien nicht vom Arbeitsmarktservice, sondern von Organen der beklagten Partei, im konkreten Fall vom Magistrat der Stadt Wien eingehoben worden. Die hoheitliche Rechtsbeziehung zwischen der beklagten Partei und dem Beschuldigten eines Verwaltungsstrafverfahrens werde nicht dadurch aufgelöst, daß die von der beklagten Partei eingehobenen Geldstrafen einer anderen Rechtsperson weitergeleitet werden. Ein Titel zur Rückforderung einer bezahlten Geldstrafe könne sohin nur gegenüber der beklagten Partei selbst bestehen, weshalb dieser auch die passive Klagslegitimation zukomme.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - auf Kosten eingeschränkte - Klage erwogen:
4.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist seine Zuständigkeit nach Art 137 B-VG in Ansehung von Ansprüchen auf Erstattung eines Strafbetrages nach Aufhebung des Strafbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof gegeben (vgl. VfSlg. 8812/1980, 9498/1982, 10495/1985, 12693/1991). An dieser Auffassung hält der Gerichtshof auch weiterhin fest.
4.2. Das - eingeschränkte - Klagebegehren ist auch zum Teil gerechtfertigt.
Das Verwaltungsstraferkenntnis, mit dem über den Kläger die Geldstrafe verhängt wurde, die, soweit sie bezahlt und gemeinsam mit einem gleichfalls entrichteten Verfahrenskostenbeitrag mit der vorliegenden Klage rückgefordert wurde, stützte sich in der Sache auf § 28 Abs 1 Z 1 lita iVm § 3 Abs 1 AuslBG. Die Vollziehung des AuslBG ist gemäß Art 10 Abs 1 Z 11 B-VG Bundessache; der Unabhängige Verwaltungssenat Wien ist bei der Erlassung des Strafbescheides vom sohin für den Bund tätig geworden. Da der Strafbetrag gemäß § 28 Abs 3 AuslBG in der zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltenden Fassung BGBl. Nr. 231/1988 dem - vom Bundesminister für Arbeit und Soziales nach außen zu vertretenden - "Reservefonds gemäß § 64 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977" (der seit der AlVG-Novelle BGBl. Nr. 681/1991 "Fonds der Arbeitsmarktverwaltung" heißt) zufloß, war der Bund einerseits zuständig, andererseits kam ihm der eingehobene Strafbetrag zunächst auch tatsächlich zu.
Mit dem zum Großteil am in Kraft getretenen AMSG (§78 leg.cit.) wurde das Arbeitsmarktservice als "Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit" (§1 Abs 1) eingerichtet, das gemäß § 62 Abs 1 leg.cit. der Rechtsnachfolger des Fonds der Arbeitsmarktverwaltung und des Bundes ist, soweit dieser für Zwecke der Arbeitsmarktverwaltung Rechte erworben hat bzw. Pflichten eingegangen ist. Die beklagte Partei interpretiert diese Änderung der Rechtslage dahin, daß die passive Klagslegitimation des Bundes in Ansehung von gemäß § 28 Abs 3 AuslBG idF BGBl. Nr. 231/1988 dem Reservefonds gemäß § 64 AlVG (dem Fonds der Arbeitsmarktverwaltung) zugeflossenen Strafbeträgen seit dem , dem Zeitpunkt also, in welchem das Arbeitsmarktservice die Rechtsnachfolge des genannten Fonds antrat, nicht mehr gegeben sei.
Die beklagte Partei ist mit dieser Auffassung nicht im Recht. In Ansehung des Strafbetrages - nicht aber hinsichtlich des Verfahrenskostenbeitrages (vgl. VfSlg. 13852/1994) - ist die passive Klagslegitimation des Bundes mit Einhebung dieses Strafbetrages entstanden, da der Bund nicht nur zur Verhängung einer Geldstrafe über den Kläger zuständig war, sondern ihm der eingehobene Strafbetrag auch wirklich zugekommen ist. Die passive Klagslegitimation des Bundes wurde auch durch die mit erfolgte Ausgliederung des Arbeitsmarktservice aus der Bundesverwaltung nicht beseitigt. Daß der Bund nämlich durch die Vorschrift des § 62 Abs 1 AMSG iVm § 1 leg.cit. einen ausgegliederten Rechtsträger zum Rechtsnachfolger eines ursprünglich vom Bundesminister für Arbeit und Soziales nach außen vertretenen Fonds macht, dem vom Bund vereinnahmte Strafbeträge zugeflossen sind, bedeutet nur, daß der Bund über ihm zugeflossene Gelder bzw. deren Verwaltung in einer bestimmten Weise disponiert hat. Diese Disposition ändert aber nichts daran, daß dem Bund über den von ihm verwalteten Fonds der Arbeitsmarktverwaltung der vom Kläger bezahlte Strafbetrag zugekommen ist. Damit bleibt der Bund in Ansehung eines darauf bezogenen Rückforderungsbegehrens passiv klagslegitimiert, auch wenn er - wie hier im Wege der gesetzlichen Ausgliederung - in bestimmter Weise über die eingehobene Geldstrafe bzw. den Fonds, dem diese zugeflossen ist, verfügt hat.
4.3. Die Rückzahlung von Straf- und Kostenbeitrag in Höhe von insgesamt S 80.000,-- erfolgte am . Die Zahlung wurde damit erst nach Ablauf der dem Bundesminister für Arbeit und Soziales gesetzten dreiwöchigen Frist - wie sich aus den vorgelegten Akten ergibt, langte bei ihm das eine Rückzahlung bis längstens begehrende Schreiben des Klägers am ein - und nach Einbringung der vorliegenden Klage geleistet. Der Kläger hat der Zahlung des Klagsbetrages durch Einschränkung auf Kosten Rechnung getragen. Da seine Klage begründet erhoben wurde, ist auch die Kostenersatzforderung gerechtfertigt (vgl. zB VfSlg. 10495/1985, 11039/1986), dies gemäß den §§41, 35 Abs 1 VerfGG iVm § 43 Abs 1 ZPO allerdings nur zu 8/10 von insgesamt S 9.742,08, da in Ansehung des bezahlten Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von S 8.000,-- das Land Wien, nicht aber der Bund passiv klagslegitimiert ist (vgl. VfSlg. 13852/1994).
In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 1.298,94 enthalten.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.