OGH vom 06.04.2005, 9ObA77/04w

OGH vom 06.04.2005, 9ObA77/04w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Ladislav und Anton Beneder als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Roman U*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Bundesbahnen, Elisabethstraße 9, 1010 Wien, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen EUR 25.568,83 sA, über Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 42/04d-9, womit über Rekurs der klagenden Partei der Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 26 Cga 162/03p-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.315,08 (darin EUR 219,18 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Wurde eine Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen, dann ist der Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Beschluss des Rekursgerichts nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO zwar nicht jedenfalls unzulässig, nach § 528 Abs 1 ZPO allerdings nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist das Revisionsrekursgericht an den diesbezüglichen Ausspruch des Rekursgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die Zurückweisung eines Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nach § 528 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

Der Kläger behauptet in der Klage, dass die Beklagte der Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen nach § 311 ASVG einen Überweisungsbetrag zu zahlen habe, weil er mit Ablauf des in den dauernden Ruhestand versetzt worden sei, ohne dass ein Anspruch auf einen laufenden Ruhegenuss bestünde. Die Beklagte stehe fälschlich auf dem Standpunkt, keinen Überweisungsbetrag leisten zu müssen, weil der Kläger von ihr ohnehin eine Abfertigung nach §§ 31 f Bundesbahn-Besoldungsordnung erhalten habe. Es werde deshalb begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, für den Kläger an die Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen einen Überweisungsbetrag gemäß § 311 Abs 1 ASVG in der von ihr errechneten Höhe von EUR 25.568,83 zu zahlen. In eventu sei die Beklagte schuldig, dem Kläger EUR 25.568,83 zu zahlen; weiters möge festgestellt werden, dass die Beklagte schuldig sei, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die daraus resultieren, dass keine fristgerechte Überweisung des Überweisungsbetrags gemäß § 311 ASVG an die Versicherungsanstalt der Österreichischen Eisenbahnen erfolgt sei.

Ist ein Dienstnehmer aus einem nach dem ASVG pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis ausgeschieden oder scheidet er aus einem solchen Dienstverhältnis aus, ohne dass aus diesem ein Anspruch auf einen laufenden Ruhe(Versorgungs)genuss erwachsen ist und ohne dass ein außerordentlicher Ruhe(Versorgungs)genuss in der Höhe des normalmäßigen Ruhe(Versorgungs)genusses unwiderruflich gewährt wird, so hat der Dienstgeber, soweit nichts anderes bestimmt wird, dem Pensionsversicherungsträger, der aus dem Dienstverhältnis zuletzt zuständig gewesen wäre, einen Überweisungsbetrag zu leisten (§ 311 Abs 1 ASVG;Teschner in Tomandl, SV-System 2.4.8.3.). Diese Verpflichtung des Dienstgebers entfällt, wenn der Dienstnehmer beim Ausscheiden aus dem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis nach den Dienst- und Besoldungsvorschriften für seine laufenden Versorgungsansprüche entfertigt wurde (§ 311 Abs 3 lit c ASVG). In diesem Fall kann der Dienstnehmer oder sein anspruchsberechtigter Hinterbliebener innerhalb der im § 312 ASVG angegebenen Frist den Überweisungsbetrag an den Versicherungsträger leisten.

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagesachverhalt (die Klagebehauptungen) maßgebend. Entscheidend ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs. Es kommt darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben. Ob die Zivilgerichte zur Entscheidung berufen sind, ob der Rechtsweg (= Gerichtsweg) gegeben ist, hängt also davon ab, ob es sich um eine bürgerliche Rechtssache handelt und, falls ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, ob dieser nicht durch Gesetz ausdrücklich vor eine andere Behörde verwiesen wird (1 Ob 193/01s; RIS-Justiz RS0045584 ua).

Die Abgrenzung zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung richtet sich in erster Linie nach der positiv-rechtlichen Zuweisung durch den Gesetzgeber (Mayr in Rechberger, ZPO² Vor § 1 JN Rz 4). Eine solche liegt hier vor. Den Sozialversicherungsträgern als Verwaltungsbehörden sind nämlich die gemäß § 355 ASVG als Verwaltungssachen zugewiesenen Gebiete überantwortet. Es sind dies alle nicht gemäß § 354 ASVG (iVm § 65 ASGG) als Leistungssachen geltenden Angelegenheiten. Für sie ist der Rechtsweg ausgeschlossen. Hierher gehören nach § 355 Z 4 ASVG insbesondere Angelegenheiten der Überweisungen in der Pensionsversicherung bei Aufnahme in ein pensionsfreies Dienstverhältnis oder bei Ausscheiden aus einem solchen (Ballon in Fasching² I § 1 JN Rz 114). Die Frage, ob der Dienstgeber einen Überweisungsbetrag an den Pensionsversicherungsträger zu zahlen hat, ist daher kraft ausdrücklicher Anordnung in § 355 Z 4 ASVG eine Verwaltungssache und gehört nicht auf den Rechtsweg (vgl 9 ObA 121/91 ua). Die von den Vorinstanzen vorgenommene Zurückweisung des Hauptbegehrens wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs ist somit zu billigen. Aus dem Verweis des Revisionsrekurswerbers auf § 50 Abs 1 Z 1 ASGG ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Die dort aufgezählten Rechtsstreitgkeiten müssen, damit sie Arbeitsrechtssachen im Sinne dieser Bestimmung sind, bürgerliche Rechtsstreitigkeiten sein (Kuderna, ASGG² 300). Dies ist aber gerade beim Hauptbegehren des Klägers nicht der Fall, denn § 311 ASVG begründet eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Dienstgebers gegenüber dem Pensionsversicherungsträger. Nur auf diese stützt der Kläger sein Hauptbegehren. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656 ua).

Nach Lehre und Rechtsprechung besteht kein Zweifel an der Zulässigkeit eines Eventualbegehrens, das in der Klage oder während des Rechtsstreits gestellt werden kann (RIS-Justiz RS0037585 ua). Es darf aber stets nur eine innerprozessuale Bedingung sein, von deren Eintritt es abhängen soll, ob das Eventualbegehren überhaupt Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung wird. Als solche kommt in erster Linie und praktisch am häufigsten der Fall der Abweisung des Hauptbegehrens in Betracht, doch kann das Eventualbegehren auch (oder nur) für den Fall der Zurückweisung des Hauptbegehrens erhoben werden oder - seltener - sogar für den Fall der Stattgebung des Hauptbegehrens (6 Ob 543/91 mwN; 9 ObA 110/04y ua). Die Vorinstanzen gingen erkennbar davon aus, dass das Eventualbegehren nur für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens gestellt wurde - der hier nicht vorlag - und gingen demzufolge nicht weiter darauf ein. Diese Auslegung ist, ohne dass auf die in 6 Ob 543/91 aufgestellte Zweifelsregel eingegangen werden muss (vgl 9 ObA 39/03f), jedenfalls vertretbar, zumal das Eventualbegehren im vorliegenden Fall bereits vor der von der Beklagten erhobenen Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs gestellt wurde und danach vom Kläger kein weiteres Vorbringen zur Bedingung seines Eventualbegehrens erstattet wurde, wie überhaupt in erster Instanz auch kein inhaltliches Vorbringen zum Eventualbegehren erfolgte. Letztlich hängt die Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, denen in der Regel keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt. Die einzelfallbezogene Auslegung von Prozesserklärungen bildet daher ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042828 ua).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen (vgl RIS-Justiz RS0035962 ua).