OGH vom 22.06.2022, 13Os36/22a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. SetzHummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Fischer in der Strafsache gegen * A* und weitere Angeklagte wegen Verbrechen der vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel nach § 173 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * Al* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 144 Hv 46/21x229, sowie über die Beschwerde des Angeklagten Al* gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Al* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * Al* des Verbrechens der vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel nach § 173 Abs 1 StGB (B) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (D 4) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – vom bis zum in W*
(B) einen Sprengstoff als Sprengmittel zur Explosion gebracht und dadurch eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) eines anderen herbeigeführt, indem er in einer städtischen Geschäftsstraße mit einem pyrotechnischen Knallkörper „No. 1“ mit 100 Gramm Effektsatz, entsprechend der Kategorie F4 (US 10, § 11 Z 4 PyroTG 2010), einen Metallmistkübel sprengte, wodurch zumindest sieben Personen, die sich im Gefahrenradius befanden, durch die Druckwelle und umherfliegende Metallteile an ihrer Gesundheit konkret gefährdet wurden.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Al*.
[4] Indem die Mängelrüge (Z 5) die Konstatierungen zur Herbeiführung der konkreten Personengefährdung (US 10 f) als offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) kritisiert, übergeht sie deren Ableitung aus den nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung in dieser vorgeführten (ON 228 S 36 f) Videoaufzeichnungen sowie aus den Angaben des Mitangeklagten * Abd* (US 18 ff) und orientiert sich solcherart nicht an der Gesamtheit der diesbezüglichen Entscheidungsgründe (siehe aber RISJustiz RS0119370).
[5] Selbiges gilt für den (teils nominell verfehlt aus Z 10 vorgetragenen) Vorwurf offenbar unzureichender Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 11). Denn diese leitete das Erstgericht – von der Rüge übergangen – (insbesondere) aus dem durch die Videoaufzeichnungen dokumentierten äußeren Tatgeschehen, aus der vom Angeklagten Al* verwendeten Wortwahl („Dynamit“) und aus dessen Wahrnehmung einer zuvor durch den Angeklagten Abd* durchgeführten Sprengung eines Mistkübels und deren Folgen ab (US 20 ff).
[6] Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) Feststellungen zur konkreten Gefährdung von Personen vermisst, dabei aber die dazu getroffenen Konstatierungen in ihrer Gesamtheit (US 10 f, 21 und 28 f) übergeht, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RISJustiz RS0099810).
[7] Das Erstgericht stellte in subjektiver Hinsicht fest, dass es Al* beim Einwerfen des entzündeten pyrotechnischen Artikels in den Metallmistkübel darauf ankam, „einen Sprengstoff als Sprengmittel zur Explosion zu bringen und dadurch den Mistkübel zu sprengen“, wobei er es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, „dadurch eine konkrete Gefahr für Leib und Leben – in Form von (schweren) Körperverletzungen – der umstehenden zumindest sieben Personen durch herumfliegende Metallteile herbeizuführen“ (US 11).
[8] Welche darüber hinausgehenden Konstatierungen zur subjektiven Tatseite zur Subsumtion nach § 173 Abs 1 StGB erforderlich sein sollten (siehe dazu Murschetz in WK2 StGB § 173 Rz 6; Reindl-Krauskopf in WK2 StGB § 5 Rz 26 und Rz 34 ff), erklärt die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht. Damit entzieht sie sich einer inhaltlichen Erledigung (RISJustiz RS0095939). Indem die Beschwerde aus dem solcherart substratlos behaupteten Konstatierungsdefizit die rechtliche Beurteilung nach § 174 Abs 1 StGB ableitet, entfernt sie sich von den dargestellten Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 11, siehe aber erneut RISJustiz RS0099810).
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[10] Über die Berufung und die Beschwerde hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00036.22A.0622.000 |
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