VfGH vom 10.12.2015, A4/2014

VfGH vom 10.12.2015, A4/2014

Leitsatz

Feststellung des Bestehens des Klagsanspruches des Bundes gegen das Land Burgenland auf Ersatz der Kosten für den Vollzug der Schubhaft außerhalb des Burgenlandes dem Grunde nach zu Recht durch Zwischenerkenntnis; Kosten von der mit dem Burgenland getroffenen Verwaltungsvereinbarung für die Errichtung von Schubhafträumen in einem bestimmten Gebäude nicht erfasst; keine Verjährung

Spruch

I. Das Klagebegehren besteht dem Grunde nach zu Recht.

II. Die Entscheidung über die Höhe des Klagsanspruches und über die Verfahrenskosten bleibt dem Enderkenntnis vorbehalten.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Klage und Vorverfahren

1. Gestützt auf Art 137 B VG begehrt die klagende "Republik Österreich" (gemeint: der Bund), das Land Burgenland schuldig zu erkennen, den Betrag von € 1.068.124,26 samt 4 % Zinsen seit sowie den Ersatz der Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründend wird dazu – nach Wiedergabe der Bestimmung des § 67 Abs 6 des Bundesgesetzes über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG) in der im Zeitraum bis geltenden Fassung – im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

1.1. Die Bezirksverwaltungsbehörden des Landes Burgenland hätten im Zeitraum vom bis zum insgesamt 1352 Schubhäftlinge in Räumen von Bundespolizeidirektionen außerhalb des Burgenlandes und im Verwaltungsarrest Bludenz untergebracht. Diese Personen seien in Summe 45.158 Tage angehalten worden. Die Kosten pro Person und Tag der Unterbringung würden (iVm § 16 AnhO, § 54d VStG und § 32 StVG) laut Verordnung BGBl II 388/1997 € 22,40 für die Zeit vom 1. Jänner bis zum , laut Verordnung BGBl II 405/1998 € 23,34 für die Zeit vom 1. Jänner bis zum und laut Verordnung BGBl II 477/1999 € 23,89 für die Zeit vom 1. Jänner bis zum betragen, woraus sich der Klagsbetrag errechne. Der Kläger habe die Beklagte mehrmals zum Kostenersatz aufgefordert, das Land Burgenland habe die Zahlung jedoch abgelehnt.

1.2. Zur Durchsetzung der vorliegenden Ansprüche des Bundes sei weder eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben, noch ein Verwaltungsverfahren vorgesehen, sodass gemäß Art 137 B VG die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes gegeben sei.

2. Die beklagte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu die kostenpflichtige Abweisung der Klage beantragt und dem geltend gemachten Anspruch wie folgt entgegengetreten wird:

2.1. Zur Ausgangslage des vorliegenden Verfahrens sei auszuführen, dass die Beklagte in den späten 1990er-Jahren das landeseigene, ehemalige WIFI-Gebäude in Eisenstadt zum Zweck der Unterbringung von Schubhäftlingen mit erheblichem finanziellen Aufwand (rund € 654.000,–) renoviert und adaptiert habe. In diesem Zusammenhang sei zwischen dem Bund (Bundesministerium für Inneres) und dem Land Burgenland am für den Zeitraum vom bis zum eine Vereinbarung über die Errichtung, die Erhaltung und den Betrieb von Hafträumlichkeiten im Burgenland geschlossen worden. Diese Vereinbarung habe auf den Vorgaben des damals in Geltung stehenden § 67 FrG betreffend die Kostentragung für die Errichtung, die Erhaltung und den Betrieb der Hafträume für Schubhäftlinge basiert. Punkt IV. Abs 2 der Vereinbarung laute: "Für Schubhäftlinge und Verwaltungsarrestanten der Burgenländischen Bezirkshauptmannschaften findet ab Inbetriebnahme des vertragsgegenständlichen Gebäudes kein weiterer Kostenersatz statt."

Während für die Beklagte zu dieser Thematik seit der Vertragsunterzeichnung im Jahr 1998 wohlverstanden gewesen sei, dass damit ein Kostenersatz des Landes Burgenland für außerhalb des Burgenlandes in Vollzug befindliche Schubhäftlinge und Verwaltungsarrestanten an den Bund für den Vertragszeitraum ausgeschlossen sei, habe der Kläger – nicht während der vertraglichen Geltung der Vereinbarung ( bis ), sondern erst nach deren Ablauf – ab Mai 2001 plötzlich die Ansicht vertreten, dass nur jene im genannten Gebäude untergebrachten Schubhäftlinge und Verwaltungsarrestanten burgenländischer Bezirksverwaltungsbehörden von der Kostenersatzpflicht ausgenommen sein sollten. Die klagende Partei habe (in den Jahren 2001, 2003 und 2004) in mehreren entsprechenden Schreiben Ansprüche in der eingeklagten Höhe beim Land Burgenland geltend gemacht und auch eine Klagsführung beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 137 B VG angedroht. Abgesehen von den erst ab 2001 divergierenden Ansichten zum Inhalt der Vereinbarung vom sei die erhobene Forderung niemals ausreichend belegt worden, sondern sei nur einmal eine rudimentäre und keinesfalls nachvollziehbare Forderungsaufstellung beigelegt worden (aus dieser sei nicht hervorgegangen, für welche Personen die Kostenersätze in Rechnung gestellt werden sollten). Seit dem letzten Anspruchsschreiben vom seien die konkreten Forderungen des Bundes beim Land Burgenland nicht mehr betrieben worden, weil die klagende Partei eine Klagsführung wohl selbst für aussichtslos gehalten habe. Erst ein Jahrzehnt später habe der Bund die angeblich zu Recht bestehende Forderung wiederum "fällig" gestellt und sie zum Gegenstand der nunmehrigen Klagsführung vor dem Verfassungsgerichtshof gemacht.

2.2. Die Klage sei aus folgenden Gründen zurückzuweisen: Die zitierten Bestimmungen des § 67 Abs 5 und 6 FrG hätten in einer Gesamtsystematik ausschließlich die die Schubhaft betreffenden Einrichtungen sowie die Erhaltung und den Betrieb der Hafträume sowie die Kostentragung dafür zum Gegenstand und seien zur Gänze als dispositives Recht dahingehend zu qualifizieren, dass die "betroffenen Gebietskörperschaften" iSd § 67 Abs 5 leg.cit. (somit jedenfalls Bund und Länder) von ihnen durch Vereinbarung abweichen könnten.

Unzweifelhaft sei Gegenstand der Vereinbarung vom die Privatwirtschaftsverwaltung. Die Errichtung eines Gebäudes – mag dieses auch der Hoheitsverwaltung dienen – sei eine Maßnahme der Privatwirtschaftsverwaltung. Nichts anderes könne argumento a maiori ad minus im vorliegenden Fall gelten, in dem ein Gebäude adaptiert und instand gesetzt worden sei und dann die Kosten des laufenden Betriebes getragen worden seien.

Die genannte Vereinbarung enthalte keine ausdrückliche Bezugnahme auf Art 15a B VG, vielmehr werde in Punkt V. Abs 4 eine Gerichtsstandvereinbarung gemäß § 104 JN getroffen, die obsolet wäre, wenn man bei Vertragsabschluss von der Anwendbarkeit der genannten Verfassungsbestimmung ausgegangen wäre, weil in diesem Fall jedenfalls der Verfassungsgerichtshof zur Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche aus der Vereinbarung zuständig wäre. Ferner sei es niemals zu einer – wenn auch nach herrschender Lehre bloß Informationsfunktion aufweisenden – Kundmachung bzw. Verlautbarung der vorliegenden Vereinbarung im Landesgesetzblatt gekommen, welche gemäß § 2 Abs 1 litc Bgld. VerlautbarungsG 1990 vorzunehmen gewesen wäre. Bei Vertragsabschluss seien das Land Burgenland und der Bund von einer ganz allgemeinen zivilrechtlichen Vereinbarung im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung ausgegangen (und nicht von einer Vereinbarung nach Art 15a B VG). Auch aus dem Begriff "Verwaltungsvereinbarung" in § 67 Abs 5 FrG sei nichts für die von der klagenden Partei offenbar zumindest implizit ihrer Klage zugrunde gelegte Ansicht zu gewinnen, es handle sich um einen Fall des Art 15a B VG, weil eine Verwaltungsvereinbarung gerade kein Gliedstaatsvertrag sei.

Nach der zivilgerichtlichen Judikatur seien immer dann, wenn eine Gebietskörperschaft in Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben einen privatrechtlichen Vertrag eingehe, ihre Pflichten nach privatrechtlichen und nicht nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen zu beurteilen (OGH SZ 23/39). Für einen Streit zweier Schulerhalter wegen Feststellung der Eigentumsverhältnisse an einem Schulgebäude sei der Rechtsweg nach § 1 JN zulässig (OGH EvBl 1963/450). Die vorliegende Vereinbarung vom sei im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung geschlossen worden und daher nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts auszulegen. Für den in der Klage geltend gemachten Anspruch sei der ordentliche Rechtsweg gemäß § 1 JN zu beschreiten, die Einbringung einer Klage nach Art 137 B VG sei unzulässig.

2.3. Aus Gründen der prozessualen Vorsicht würden auch Ausführungen zum Nichtbestehen der Forderungen dem Grunde und der Höhe nach gemacht: Gerade wegen des eingangs erwähnten finanziellen Aufwandes von rund € 654.000,– für die Renovierung und Adaptierung eines landeseigenen Gebäudes (der von den anderen Bundesländern im Übrigen nicht getätigt würde) sei die in Rede stehende Vereinbarung vom abgeschlossen worden. Darin sei explizit geregelt worden, dass das Land Burgenland ab Inbetriebnahme des Schubhaftzentrums keine Kostenersätze für Schubhäftlinge und Verwaltungsarrestanten burgenländischer Bezirkshauptmannschaften zu leisten habe, die außerhalb des Burgenlandes untergebracht würden.

Demgegenüber habe § 67 Abs 5 FrG eine Pflicht vorgesehen, für jede Bezirksverwaltungsbehörde oder Bundespolizeidirektion eigene Hafträume zu unterhalten. Diese hätten also entweder für eine oder (aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis) für mehrere Behörden gemeinsam errichtet werden können. Die betroffenen Gebietskörperschaften seien nach der zitierten Ge-setzesbestimmung ermächtigt gewesen, Verwaltungsvereinbarungen zu treffen, die ihre Aufgaben bei der Errichtung, der Erhaltung und beim Betrieb der Hafträume sowie deren Kostentragung geregelt hätten. Dabei sei das Ausmaß der Inanspruchnahme der Hafträume zu berücksichtigen gewesen. Ferner habe § 67 Abs 6 leg.cit. vorgesehen, dass jene Behörden, die Kosten in vollem Umfang zu ersetzen hätten, deren verhängte Schubhaft in einem gerichtlichen Gefangenenhaus oder im Haftraum einer anderen Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde vollzogen worden sei. Die beiden genannten Absätze des § 67 FrG würden daher in einem untrennbaren systematischen Zusammenhang stehen, weil sich mögliche Vereinbarungen zwischen Gebietskörperschaften auf die Kostentragung für die Aufgaben bei der Errichtung, der Erhaltung und beim Betrieb von Hafträumen zur Gänze und somit auf den gemeinsamen Anwendungsbereich dieser beiden Bestimmungen bezogen hätten.

Die Absätze 5 und 6 des § 67 leg.cit. seien daher in ihrer Gesamtheit zu verstehen, beide Bestimmungen seien als durch Verwaltungsvereinbarungen disponibles Recht zu qualifizieren. Auch der Kläger sei ursprünglich dieser Rechtsansicht gewesen und habe erst nach Vertragsende (konkret im Mai 2001) die Meinung vertreten, dass durch die Vereinbarung vom nur über § 67 Abs 5 FrG, nicht aber auch über § 67 Abs 6 leg.cit. disponiert worden sei. In den Jahren 2001, 2003 und 2004 seien Anspruchsschreiben über die nunmehrige Klagsforderung an das Land Burgenland gerichtet worden, die schon rechnerisch niemals ausreichend belegt worden sei (es sei nur einmal eine rudimentäre und keinesfalls nachvollziehbare Forderungsaufstellung beigelegt worden). Die Klagsforderung sei unklar (in der Klage sei einmal von € 1.068.124,26 und einmal von € 1.086.124,26 die Rede), die geforderten Beträge seien weder aufgeschlüsselt noch belegt, weshalb ausdrücklich die Unschlüssigkeit der Klage gerügt bzw. eingewendet werde. Zum Verhältnis von ergänzender Auslegung und dispositivem Recht sei ferner generell festzuhalten, dass der OGH von der Nachrangigkeit des dispositiven Rechts ausgehe, wenn seine Anwendung dem Vertragszweck und den Parteiinteressen zuwiderliefe. Bei richtiger rechtlicher Wertung sei weiters davon auszugehen, dass es § 67 Abs 5 FrG dem Land Burgenland jedenfalls auch erlaubt hätte, vom Bund eine maßgebliche finanzielle Beteiligung für die Renovierung bzw. Adaptierung des in Rede stehenden Gebäudes zu fordern. Somit sei der strittige Punkt IV. Abs 2 der Verwaltungsvereinbarung im Sinne der ergänzenden Interpretation und hinsichtlich der Frage des hypothetischen Parteienwillens dahingehend auszulegen, dass das Land Burgenland für den explizit definierten Zeitraum vom bis zum überhaupt keine Kostenersätze an den Bund zu leisten gehabt habe. Auch Punkt III. Abs 1 der Vereinbarung mache das erwähnte Gebäude bzw. dessen Adaptierung ausdrücklich zum Vertragsgegenstand.

Berücksichtige man ferner die Tatsache, dass das gesamte Schubhaftmanagement damals in der Hand des Bundes gelegen sei, hätte die Auslegung nach dem Verständnis des Klägers dazu führen müssen, dass es der Bund durch Aufnahme von Schubhäftlingen von Bundespolizeidirektionen anderer Länder in der Hand gehabt hätte, das in Rede stehende Objekt auszulasten und in weiterer Folge burgenländische Bezirksverwaltungsbehörden dazu gezwungen hätte, Hafträume anderer Behörden in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall hätte Punkt IV. Abs 2 der Vereinbarung de facto keine Gegenleistung für das Burgenland beinhaltet.

Außerdem müsse als ergänzendes Auslegungsmittel angeführt werden, dass der Bund die Vereinbarung während ihrer gesamten zweijährigen Laufzeit völlig unbeanstandet gelassen habe und erst 2001 plötzlich zur Ansicht gekommen sei, dass auf der Rechtsgrundlage des § 67 Abs 6 FrG Ansprüche an die beklagte Partei erhoben werden könnten. Seit dem letzten Anspruchsschreiben aus dem Jahr 2004 seien die konkreten Forderungen seitens des Bundes beim Land Burgenland nicht weiter betrieben worden, weil der Kläger eine Klagsführung wohl selbst richtigerweise für aussichtlos gehalten habe. Erst ein ganzes Jahrzehnt später (im Jahr 2014) habe der Bund die angeblich zu Recht bestehende Forderung wiederum "fällig" gestellt und sie zum Gegenstand der nunmehrigen Klagsführung vor dem Verfassungsgerichtshof gemacht.

Darüber hinaus habe der Bund auch nach Ablauf des Vertrages mit dem Land Burgenland in den Jahren 2001 und 2004 Folgevereinbarungen geschlossen. In diesen sei ganz selbstverständlich über die Kostentragungsregeln nach § 67 Abs 5 und 6 FrG disponiert und auch die Leistung eines monatlichen Nutzungsentgeltes für das in Rede stehende Objekt integriert worden. Es sei jeweils das gesamte Gebäude zu einem bestimmten Preis pro m 2 für die Innenräume und für den äußeren Bereich pro Monat angemietet worden. Der Bund habe jeweils sämtliche Betriebskosten bezahlen müssen, im Gegenzug dazu habe das Land Burgenland für alle "auswärts" untergebrachten Schubhäftlinge der Bezirkshauptmannschaften pro Tag einen bestimmten Preis zu bezahlen gehabt.

Die Anmietung der in Rede stehenden Räumlichkeiten in den oben genannten Folgeverträgen für den Zeitraum vom "" (gemeint wohl: ) bis würden im Umkehrschluss die Qualifizierung der Kostenersätze für die untergebrachten Schubhäftlinge in der Vereinbarung für den Zeitraum bis als Benützungsentgelte zulassen. Diese Kostenersätze seien tatsächlich für die Benützung durch andere als die die Schubhaft verhängenden Fremdenrechtsbehörden gemäß § 67 Abs 6 FrG angefallen.

Auf Grund der Anwendbarkeit der kurzen Verjährungsfrist (des § 1486 Z 4 und des § 1480 ABGB) von drei Jahren auf das geforderte Benützungsentgelt sei jedenfalls von der Verjährung der Forderung des Bundes auszugehen.

Abschließend werde aus Gründen der prozessualen Vorsicht die Aufrechnung des Aufwandes für die Renovierung und Adaptierung des in Rede stehenden Gebäudes iHv zumindest € 654.055,50 geltend gemacht (weitere Aufrechnungstitel sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach würden ausdrücklich vorbehalten werden).

3. In seiner daraufhin erstatteten Replik hält der Bund sein Klagebegehren aufrecht und führt aus, die Vereinbarung beziehe sich ausschließlich auf das in Rede stehende Gebäude. Die klagende Partei stütze ihre Klage aber ausdrücklich nicht auf diese (nicht nach Art 15a B VG abgeschlossene) Verwaltungsvereinbarung, sondern auf die klare Regelung des § 67 Abs 6 FrG. Die Absätze 5 und 6 des § 67 leg.cit. hätten keinen gemeinsamen Anwendungsbereich. § 67 Abs 5 zweiter Satz leg.cit. räume die Möglichkeit ein, dass Hafträume für mehrere Behörden gemeinsam errichtet würden. Die abzuschließenden Verwaltungsvereinbarungen würden sich auf solche für mehrere Behörden gemeinsam errichtete Hafträume beziehen, in den Vereinbarungen sei betreffend die Kostentragung das Ausmaß der Inanspruchnahme der Hafträume durch die Behörden zu berücksichtigen. Im Gegensatz dazu regle § 67 Abs 6 FrG den Kostenersatz bei Inanspruchnahme von Hafträumen einer anderen Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde, also nicht von "eigenen" und auch nicht gemäß § 67 Abs 5 leg.cit. gemeinsam errichteten Hafträumen. Weder Abs 5 noch Abs 6 des § 67 FrG würden es den Gebietskörperschaften erlauben, über die jeweilige Kostentragung frei zu disponieren. Nach § 67 Abs 5 leg.cit. sei bei der Regelung der Kostentragung das Ausmaß der Inanspruchnahme der Hafträume durch die Behörden zu berücksichtigen, im Falle des § 67 Abs 6 leg.cit. sei für eine zusätzliche Kostentragung auf Grund klarer gesetzlicher Anordnung kein Raum.

Punkt IV. Abs 2 der Vereinbarung werde zudem von der beklagten Partei – bewusst oder unbewusst – missinterpretiert: Vom Land Burgenland sei am ein Vereinbarungsvorschlag übermittelt worden, mit dem sich das Land neben der Bereitstellung des Gebäudes zur Durchführung der Adaptierung, der Ausstattung des Haftbereiches mit Mobiliar und der Übernahme der gebäudebezogenen Betriebskosten verpflichtet habe. Dieser Vorschlag sei vom Bundesministerium für Inneres in Anlehnung an die Verträge mit den Bundesländern Salzburg und Vorarlberg überarbeitet und am mit Vertretern des Landes besprochen worden. Strittig sei der Punkt der Essensversorgung der Häftlinge geblieben, für die das Land nicht habe aufkommen wollen, obwohl es einerseits keine Kostenersätze (gemäß der damaligen Verordnung des Bundesministers für Justiz S 308,40 pro Tag und Häftling) an den Bund leisten würde, und andererseits von den Behörden anderer Länder solche verlangen habe wollen. Der Innenminister sei ersucht worden, diesen strittigen Punkt mit dem Landeshauptmann zu erörtern, was am geschehen sei. Der Innenminister habe bei dieser Besprechung die Übernahme der Kosten für die Verpflegung der Schubhäftlinge durch den Bund zugesagt. Im Verwaltungsübereinkommen habe diese Vereinbarung im Punkt IV. Abs 2 ("Für Schubhäftlinge und Verwaltungsarrestanten der Burgenländischen Bezirkshauptmannschaften findet ab Inbetriebnahme des vertragsgegenständlichen Gebäudes kein weiterer Kostenersatz statt") ihren Niederschlag gefunden. Es sei damit klar, dass (auch) diese Passage nur die in dem in Rede stehenden Gebäude untergebrachten Schubhäftlinge betroffen habe.

Die klagende Partei stelle ihre Klage insofern richtig, als sie unter Punkt I. den Klagsbetrag von € 1.086.124,26 auf – wie im Urteilsbegehren beinhaltet – € 1.068.124,26 berichtige. Soweit die beklagte Partei die Klagsforderung als "nicht nachvollziehbar" bezeichne, sei festzuhalten, dass sie die Klagsforderung der Höhe nach (bis auf den Hinweis auf den der klagenden Partei unterlaufenen Zahlensturz) nicht konkret bestreite. Weder die in der Klage angeführte Anzahl der Schubhäftlinge, die von den Bezirksverwaltungsbehörden in Hafträumen von Bundespolizeidirektionen außerhalb des Burgenlandes und im Verwaltungsarrest Bludenz untergebracht gewesen seien, werde in Frage gestellt, noch die Unterbringungsdauer insgesamt. Für den Fall, dass die von der klagenden Partei angeführten Daten mit den Aufzeichnungen der Bezirksverwaltungsbehörden nicht übereinstimmen würden, werde eine Abklärung zwischen den Parteien wohl möglich sein.

Der Verfassungsgerichtshof vertrete in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Verjährung keine allgemeine, der österreichischen Rechtsordnung zugehörige Institution sei. Im öffentlichen Recht bestehe die Institution der Verjährung nur dort, wo das Gesetz dies ausdrücklich vorsehe. Bei den Verjährungsvorschriften des ABGB handle es sich um Rechtsgrundsätze des Privatrechts, die sich nicht ohne weiteres auf das öffentliche Recht übertragen ließen. Nur dann, wenn Vorschriften des öffentlichen Rechts ausdrücklich Verjährungsbestimmungen enthielten, dürfe bei Bedachtnahme auf § 7 ABGB ergänzungsweise auf die Verjährungsvorschriften des ABGB zurückgegriffen werden. Sehe aber die anzuwendende Vorschrift des öffentlichen Rechts dem Grunde nach eine Verjährung nicht vor, so sei eine analoge Anwendung der Verjährungsvorschriften des ABGB unzulässig. Soweit überblickbar bestünden keine Vorschriften, in denen eine Verjährung von Ansprüchen nach § 67 Abs 6 FrG vorgesehen sei.

4. In weiteren Schriftsätzen wies die klagende Partei darauf hin, dass das Bundesministerium für Inneres bei allen in Frage stehenden Dienststellen erhoben habe, welche Anzahl von Schubhäftlingen der Bezirksverwaltungsbehörden des Landes Burgenland auf welche Dauer untergebracht gewesen seien. Auf Grund der Rückmeldungen sei sodann die (beim Bund in Verstoß geratene und vom Land Burgenland als gemeinschaftliche Urkunde iSd § 304 ZPO vorgelegte) Forderungsaufstellung erstellt und der beklagten Partei im Jahr 2001 übermittelt worden, wobei diese von der Beklagten keineswegs als "nicht nachvollziehbar" bemängelt worden sei. Es sei auch nicht verlangt worden, anzuführen, für welche konkreten Personen die Kostenersätze begehrt würden. Diese Aufstellung sei auch geeignet gewesen, die ab dem erbrachten Leistungen abzurechnen. Aus einem übermittelten E-mailverkehr gehe hervor, dass Mittelpunkt der Differenzen zwischen den Parteien der Anspruch dem Grunde nach gewesen sei, während hinsichtlich der Höhe von beiden Seiten von einer einvernehmlichen Lösung ausgegangen worden sei. Schließlich teilte die klagende Partei mit, dass die beklagte Partei mit einer Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruchs einverstanden wäre. Die klagende Partei rege daher an, dass der Verfassungsgerichtshof über den Anspruch dem Grunde nach erkennen möge.

II. Rechtslage

1. § 67 FrG, BGBl I 75/1997, lautete im Zeitraum bis wie folgt (die durch die in diesem Punkt am in Kraft getretene Novelle BGBl I 34/2000 erfolgte Änderung ist hervorgehoben):

"Vollzug der Schubhaft

§67. (1) Die Schubhaft ist im Haftraum der Behörde zu vollziehen, die sie verhängt hat. Kann die Behörde die Schubhaft nicht vollziehen, so ist die nächstgelegene Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde, die über Haftraum verfügt, um den Vollzug zu ersuchen. Kann auch diese Behörde die Schubhaft nicht vollziehen, so ist der Leiter des gerichtlichen Gefangenenhauses, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, um den Vollzug zu ersuchen; er hat dem Ersuchen zu entsprechen, soweit dies ohne Beeinträchtigung anderer gesetzlicher Aufgaben möglich ist.

(2) An Fremden, die im Bundesgebiet keinen Wohnsitz haben, kann die Schubhaft im Haftraum der nächstgelegenen Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde vollzogen werden, die zur Aufnahme tatsächlich in der Lage ist. Steht bei keiner Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde im Umkreis von etwa 100 km ein Haftraum zur Verfügung, so kann die Schubhaft an solchen Fremden im nächstgelegenen gerichtlichen Gefangenenhaus, das zur Aufnahme tatsächlich in der Lage ist, vollzogen werden; der um den Vollzug ersuchte Leiter hat dem Ersuchen zu entsprechen, soweit dies ohne Beeinträchtigung anderer gesetzlicher Aufgaben möglich ist.

(3) Im unmittelbaren Anschluß an eine gerichtliche Freiheitsstrafe darf die Schubhaft auch sonst im gerichtlichen Gefangenenhaus oder in der Strafvollzugsanstalt vollzogen werden.

(4) Soweit dies für Zwecke der Abschiebung, Zurückschiebung oder Durchbeförderung erforderlich ist, kann die Schubhaft in Hafträumen, die sich am Weg zur Bundesgrenze befinden, vollzogen werden.

(5) Für jede Bezirksverwaltungsbehörde oder Bundespolizeidirektion sind eigene Hafträume zu unterhalten. Diese Hafträume können für eine Behörde oder, sofern dies aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis geboten ist, für mehrere Behörden gemeinsam errichtet werden. Die Gebietskörperschaften, die den Aufwand der Bezirksverwaltungsbehörden oder Bundespolizeidirektionen zu tragen haben, haben dafür zu[…] sorgen, daß in jedem Land soviel Hafträume zur Verfügung stehen, als dem durchschnittlichen Ausmaß der dort verhängten Schubhaften entspricht. Die betroffenen Gebietskörperschaften haben Verwaltungsvereinbarungen zu treffen, die ihre Aufgaben bei der Errichtung[,] der Erhaltung und beim Betrieb der Hafträume sowie die Kostentragung regeln. Dabei ist das Ausmaß der Inanspruchnahme der Hafträume durch die Behörden zu berücksichtigen.

(6) Wird die Schubhaft in einem gerichtlichen Gefangenenhaus oder im Haftraum einer anderen Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde vollzogen, so hat die Behörde die dadurch entstehenden Kosten im vollen Umfang zu ersetzen."

2. Die Vereinbarung vom über die Errichtung, die Erhaltung und den Betrieb von Hafträumlichkeiten im Burgenland hatte folgenden Wortlaut (Hervorhebungen nicht übernommen):

"Der Bund, vertreten durch den Bundesminister für Inneres und das Land Burgenland, vertreten durch die Burgenländische Landesregierung, schließen folgende Vereinbarung:

I.

(1) Bund und Land kommen überein, im Gebäude des ehemaligen Wirtschaftsförderungsinternates, Gr.Nr 2068/2, EZ 2092, GB 30003 Eisenstadt, mit der Adresse 7000 Eisenstadt, Neusiedler Straße 51, welches im Alleineigentum des Landes Burgenland steht, die Voraussetzungen für den Vollzug von Schubhaft und Verwaltungsstrafhaft sowie für die Anhaltung von Personen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu schaffen.

(2) Die Vertragspartner streben an, diese Voraussetzungen bis zum zu schaffen.

(3) Das vertragsgegenständliche Gebäude soll primär dem Vollzug von Schubhaft und nach Maßgabe freier Kapazitäten für den Vollzug der Verwaltungsstrafhaft dienen.

(4) Das vertragsgegenständliche Gebäude steht nach Maßgabe seiner Widmung (Abs.3) vorrangig für den Vollzug von Schubhaft und nach Maßgabe freier Kapazitäten für die Verwaltungsstrafhaft den Bezirkshauptmannschaften Neusiedl am See, Eisenstadt - Umgebung, Mattersburg, Oberpullendorf, Oberwart, Güssing und Jennersdorf zur Verfügung.

II.

(1) Das Land trägt die Kosten der Adaptierung und Instandsetzung gemäß Punkt III. und alle Kosten des laufenden Betriebes des vertragsgegenständlichen Gebäudes.

(2) Der Bund wird den Betrieb der Hafträumlichkeiten führen und die hiezu erforderlichen personellen und sachlichen Vorkehrungen treffen. Die Kosten für den erforderlichen Personalaufwand trägt der Bund.

(3) Weiters trägt der Bund die sonstigen Kosten, wie insbesondere die Betreuung der Angehaltenen (Essenversorgung, medizinische Versorgung, die Reinigung der Wäsche u.a.) und die Gebäudereinigung.

III.

(1) Das Land wird das vertragsgegenständliche Gebäude im Umfang, wie er im beiliegenden, einen integrierenden Vertragsbestandteil bildenden Plan, zur Nutzung für den im Punkt I umschriebenen Zweck bereitstellen. Weiters wird das Land das vertragsgegenständliche Gebäude einschließlich der erforderlichen Sicherheitseinrichtungen im Umfang der Anlage A adaptieren und einerseits das Mobiliar der Schubhaftzellen mit den nötigen beweglichen Einrichtungsgegenständen (Betten inklusive Bettwäschen und Matratzen, Tische, Sesseln) und anderseits einen Teil der sonstigen benötigten Ausstattung (Effektenkästen, Lagerkästen für Bettwäsche, Waschmaschine für die Reinigung der Leibwäsche, einen Geschirrspüler und einen Mikrowellenherd für den Raum zur Essenzubereitung) zur Verfügung stellen.

(2) Der Bund wird für alle sonstigen erforderlichen Einrichtungen und für die Ausstattung der Büro- und Aufenthaltsräumlichkeiten im vertragsgegenständlichen Gebäude (z.B. Büromöbel, Telefon, EDV, Eßbesteck, Teller, Warmhaltevorrichtungen und Kühlschränke) sorgen.

IV.

(1) Kostenersätze von Schubhäftlingen und Verwaltungsarrestanten fließen dem Bund zu.

(2) Für Schubhäftlinge und Verwaltungsarrestanten der Burgenländischen Bezirkshauptmannschaften findet ab Inbetriebnahme des vertragsgegenständlichen Gebäudes kein weiterer Kostenersatz statt.

(3) Werden Schubhäftlinge oder Verwaltungsarrestanten von Behörden anderer Länder im vertragsgegenständlichen Gebäude untergebracht, so ist das Land Burgenland berechtigt, Kostenersätze zu verlangen.

(4) Sofern ein Ausgleich der Kostenersätze zwischen den einzelnen Behörden notwendig sein sollte, wird nach einem Beobachtungszeitraum von sechs Monaten, über die Art der Abwicklung unter Wahrung der haushaltsrechtlichen Vorschriften des Bundes, eine möglichst ökonomisch umsetzbare Lösung angestrebt.

V.

(1) Die vertragsgegenständlichen Schubhaftplätze dienen zur Überbrückung der derzeit geringen Schubhaftkapazitäten und zwar für den Zeitraum bis zusätzliche Schubhaftplätze zur Verfügung stehen.

Ungeachtet dessen gilt die gegenständliche Vereinbarung 2 Jahre ab Inbetriebnahme der provisorischen Haftanstalt und endet daher am .

(2) Weiters können die Vertragsparteien gegenständliche Vereinbarung unter Einhaltung einer sechs-monatigen Frist ohne Angabe von Gründen aufkündigen.

(3) Das Land behält sich ausdrücklich die Anfechtung der Bestimmungen des Fremdengesetzes vor. Sollten Änderungen in diesem Gesetz erfolgen, die auf die vertragsgegenständliche Kostenregelung zwischen Land und Bund Einfluß haben, so kann der Vertrag unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum Monatsletzten gekündigt werden.

(4) Änderungen oder Ergänzungen zu diesem Vertrag bedürfen der Schriftform. Für Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist das sachlich zuständige Gericht in Eisenstadt zuständig."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit der Klage

1.1. Gemäß Art 137 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

1.2. Die klagende Partei macht einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen das Land Burgenland geltend, dessen Wurzel im öffentlichen Recht, nämlich in § 2 F VG 1948 und in § 67 Abs 6 FrG, liegt. Der Anspruch ist nicht im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, weil weder ein Gesetz die ordentlichen Gerichte ausdrücklich zur Entscheidung darüber beruft, noch sich deren Zuständigkeit aus § 1 JN herleiten lässt. Der Anspruch ist aber auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen, weil keine gesetzliche Bestimmung besteht, die in solchen Fällen eine Verwaltungsbehörde zur Entscheidung beruft. Der Anspruch kann daher gemäß Art 137 B VG beim Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden (vgl. ).

1.3. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist die Klage zulässig.

2. In der Sache

2.1. Die Klage ist begründet.

2.2. § 2 F-VG 1948 bestimmt, dass der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften, sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, den Aufwand tragen, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt. Mit § 46 des Bundesgesetzes über die Einreise und den Aufenthalt von Fremden (Fremdengesetz 1992 – FrG 1992), BGBl 838, (danach: § 67 FrG) hat der Gesetzgeber eine dem Regime des § 2 F-VG 1948 unterliegende finanzausgleichsrechtliche Regelung getroffen, die "anderes" bestimmt (siehe dazu im Einzelnen RV 692 BlgNR 18. GP, 52 und AB 869 BlgNR 18. GP, 2 sowie RV 685 BlgNR 20. GP, 81).

2.3. Nach der Systematik des § 67 FrG sollte die Schubhaft grundsätzlich im Haftraum jener Behörde vollzogen werden, die sie verhängt hatte (vgl. Abs 1 erster Satz leg.cit.). Dem entsprechend ordnete Abs 5 erster Satz leg.cit. an, dass für jede Bezirksverwaltungsbehörde oder Bundespolizeidirektion eigene Hafträume zu unterhalten waren, wobei die den Aufwand der Bezirksverwaltungsbehörden und Bundespolizeidirektionen tragenden Gebietskörperschaften dafür zu sorgen hatten, dass in jedem Land soviel Hafträume zur Verfügung standen, wie dem durchschnittlichen Ausmaß der dort verhängten Schubhaften entsprach (vgl. Abs 5 dritter Satz leg.cit.). Konnte die die Schubhaft verhängende Behörde diese nicht vollziehen oder hatte der Fremde keinen Wohnsitz in Österreich, war die Schubhaft in der nächstgelegenen Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde, die über Haftraum verfügte oder zur Aufnahme tatsächlich in der Lage war, zu vollziehen (vgl. Abs 1 zweiter Satz und Abs 2 erster Satz leg.cit.). Konnte auch diese Behörde die Schubhaft nicht vollziehen oder stand bei keiner Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde (bis zum Ablauf des : im Umkreis von 100 km) ein Haftraum zur Verfügung, war der Leiter des gerichtlichen Gefangenenhauses, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hatte oder das zur Aufnahme tatsächlich in der Lage war, um den Vollzug zu ersuchen; der ersuchte Leiter hatte diesem Ersuchen zu entsprechen, soweit dies ohne Beeinträchtigung anderer gesetzlicher Aufgaben möglich war (vgl. Abs 1 dritter Satz und Abs 2 zweiter Satz leg.cit.). Wurde die Schubhaft – entgegen dem Grundsatz des § 67 Abs 1 erster Satz FrG – in einem gerichtlichen Gefangenenhaus oder im Haftraum einer anderen Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde vollzogen, so hatte die Behörde die dadurch entstehenden Kosten im vollen Umfang zu ersetzen (vgl. Abs 6 leg.cit.).

2.4. Um nicht unvertretbare Verstöße gegen die Grundsätze der Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis in Kauf nehmen zu müssen und ein flexibles System zu schaffen, das eine Lösung der Haftraumproblematik unabhängig davon ermögliche, ob in einem Land ausschließlich eine Bundespolizeidirektion (Wien), keine Bundespolizeidirektion (Vorarlberg) oder sowohl Bundespolizeidirektionen als auch Bezirksverwaltungsbehörden als Fremdenpolizeibehörden einschreiten würden (vgl. AB 869 BlgNR 18. GP, 2 zu § 46 Abs 5 FrG 1992), sah § 67 Abs 5 FrG die Möglichkeit vor, Schubhafträume für mehrere Behörden gemeinsam zu errichten, sofern dies aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis geboten war (vgl. zweiter Satz leg.cit.). Ausschließlich für diesen Fall hatten die betroffenen Gebietskörperschaften Verwaltungsvereinbarungen zu treffen, die ihre Aufgaben bei der Errichtung, der Erhaltung und beim Betrieb der Hafträume sowie die Kostentragung regelten (vgl. vierter Satz leg.cit.), wobei dabei das Ausmaß der Inanspruchnahme der Hafträume durch die Behörden zu berücksichtigen war (vgl. fünfter Satz leg.cit.). § 67 Abs 6 leg.cit. war – sowohl nach der Gesetzessystematik als auch nach den Materialien (vgl. AB 869 BlgNR 18. GP, 2) – auf solche gemeinsam errichteten Hafträume nicht anwendbar.

2.5. Die in Rede stehende Verwaltungsvereinbarung vom hatte daher ihre Rechtsgrundlage in § 67 Abs 5 vierter und fünfter Satz FrG und sollte die Aufgabenverteilung zwischen dem Bund und dem Land Burgenland bei der Errichtung, der Erhaltung und beim Betrieb der Hafträume sowie die Kostentragung in Bezug auf das genannte Objekt iSd § 67 Abs 5 zweiter Satz FrG regeln. § 67 Abs 6 leg.cit. enthielt hingegen eine zwingend normierte Kostenersatzpflicht für die – entgegen dem Grundsatz des § 67 Abs 1 erster Satz leg.cit. erfolgte – Vollziehung von Schubhaft in einem gerichtlichen Gefangenenhaus oder im Haftraum einer anderen Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde und ermächtigte die Vollziehung nicht, eine davon abweichende vertragliche Vereinbarung zu treffen.

2.6. Auf Grund des Vorbringens der Parteien und der vorgelegten Unterlagen geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem maßgeblichen Sachverhalt aus:

Im Zeitraum vom bis zum wurden von burgenländischen Bezirksverwaltungsbehörden verhängte Schubhaften in Räumen von Bundespolizeidirektionen außerhalb des Burgenlandes und im Verwaltungsarrest Bludenz vollzogen.

2.7. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Wird die Schubhaft in einem gerichtlichen Gefangenenhaus oder im Haftraum einer anderen Bezirksverwaltungs- oder Bundespolizeibehörde vollzogen, so hat die Behörde gemäß § 67 Abs 6 FrG die dadurch entstehenden Kosten im vollen Umfang zu ersetzen. Da von burgenländischen Bezirksverwaltungsbehörden verhängte Schubhaften in Hafträumen von Bundespolizeibehörden außerhalb des Burgenlandes vollzogen wurden, steht dem Bund der Ersatz der dadurch entstandenen Kosten im vollen Umfang durch das Land Burgenland zu. Von der genannten Verwaltungsvereinbarung waren Kosten, die durch die Vollziehung der Schubhaft außerhalb des in Rede stehenden Gebäudes entstanden, nicht erfasst.

2.8. Der vom Bund geltend gemachte Anspruch ist – entgegen dem Vorbringen der beklagten Partei – auch nicht verjährt: Der Verfassungsgerichtshof vertritt (dem Verwaltungsgerichtshof folgend) in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Verjährung keine allgemeine, der österreichischen Rechtsordnung zugehörige Institution ist. Im öffentlichen Recht besteht die Institution der Verjährung vielmehr nur dort, wo das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht. Bei den Verjährungsvorschriften des ABGB handelt es sich um Rechtsgrundsätze des Privatrechtes, die sich nicht ohne weiteres auf das öffentliche Recht übertragen lassen. Nur dann, wenn Vorschriften des öffentlichen Rechtes ausdrücklich Verjährungsbestimmungen enthalten, darf unter Bedachtnahme auf § 7 ABGB ergänzungsweise auf die Verjährungsvorschriften des ABGB zurückgegriffen werden. Sieht aber die anzuwendende Vorschrift des öffentlichen Rechtes dem Grunde nach eine Verjährung nicht vor, so ist eine analoge Anwendung der Verjährungsvorschriften des ABGB unzulässig (vgl. VfSlg 19.034/2010 mwN). Da das FrG keine Regelung über die Verjährung traf, kann die beklagte Partei ihre Einrede nicht darauf stützen.

IV. Ergebnis

1. Der geltend gemachte Anspruch besteht dem Grunde nach zur Recht.

2. Das beklagte Land Burgenland hat den Klagsanspruch auch der Höhe nach bestritten. Dieser Umstand lässt derzeit eine Entscheidung über die Höhe des Klagsanspruches, die eine Überprüfung der der Klagsforderung zugrunde liegende Anzahl der im im vorliegenden Fall interessierenden Zeitraum vom bis zum im Haftraum einer Bundespolizeibehörde oder im Verwaltungsarrest Bludenz untergebrachten Personen, über die von einer burgenländischen Bezirksverwaltungsbehörde die Schubhaft verhängt wurde, die Dauer ihrer Unterbringung und die dadurch jeweils entstandenen Kosten zur Voraussetzung hat, nicht zu. Mit Zwischenerkenntnis konnte jedoch die im Spruch genannte Feststellung getroffen werden (§35 Abs 1 VfGG iVm § 393 und § 393a ZPO).

3. Die Parteien werden zur Frage der Höhe des Anspruches Schriftsätze, allenfalls mit den zur Beurteilung nötigen weiteren Unterlagen, einzubringen haben.

4. Der Vorbehalt hinsichtlich der Entscheidung über den Kostenersatzanspruch gemäß § 41 VfGG gründet sich auf § 35 Abs 1 VfGG iVm § 52 Abs 4 und § 393 Abs 4 ZPO.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:A4.2014