OGH vom 13.09.2017, 11Os96/17b (11Os101/17p)
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Daniel B***** und eine andere Angeklagte wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB, AZ 28 U 566/06y des Bezirksgerichts Salzburg, über die von der Generalprokuratur gegen einen Vorgang und das Urteil dieses Gerichts vom (ON 57) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Koenig, zu Recht erkannt:
Spruch
In der Strafsache AZ 28 U 566/06y des Bezirksgerichts Salzburg verletzen die Durchführung der Hauptverhandlung und die Urteilsfällung am in Abwesenheit des Angeklagten Daniel B***** § 427 Abs 1 StPO.
Dieses Urteil, das zu Simona Ba***** unberührt bleibt, wird hinsichtlich Daniel B***** aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Salzburg verwiesen.
Text
Gründe:
Mit nicht in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 28 U 566/06y-57, wurde – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes von Bedeutung – Daniel B***** des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 31 StGB zu einer Zusatzstrafe verurteilt, wobei die Durchführung der Hauptverhandlung und die Urteilsfällung in seiner Abwesenheit erfolgten (ON 56). Der Privatbeteiligte Dr. W***** wurde hinsichtlich seiner Forderungen gegenüber Daniel B***** gemäß § 366 Abs 2 StPO, betreffend Simona Ba***** gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Die postalische Zustellung der Ladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung wurde mit Verfügung vom im Rechtshilfeweg mit internationalem Rückschein an die Adresse *****, samt Belehrung über Säumnisfolgen veranlasst (ON 1).
Der Daniel B***** betreffende internationale Rückschein wurde mit dem handschriftlichen Vermerk „O***** (Schwester)“ in der für den Namen des Empfängers vorgesehenen Zeile sowie einem entsprechenden Unterschriftszug in dem für die Unterfertigung vorgesehenen Feld retourniert (Rückschein ON 56) und vom Bezirksgericht Salzburg als Ausweis der Zustellung der Ladung gewertet (ON 56 S 2).
Das Vorgehen des Bezirksgerichts Salzburg steht – wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 427 Abs 1 erster Satz StPO ist die Verhandlung und Urteilsfällung in Abwesenheit des Angeklagten möglich, wenn dieser (unter anderem) ungeachtet persönlicher Vorladung zur Hauptverhandlung nicht erschienen ist.
Die Ausfolgung der die Ladung zur Hauptverhandlung enthaltenden Sendung an eine andere Person als den Angeklagten stellt keine persönliche Zustellung dar. Der Einzelrichter des Bezirksgerichts wäre daher verpflichtet gewesen, sich vor Durchführung der Hauptverhandlung und Fällung des Urteils davon zu überzeugen, dass dem Angeklagten die Sendung tatsächlich (rechtzeitig [§ 455 Abs 1 StPO]) zugekommen ist, weshalb die Durchführung der Hauptverhandlung und die Urteilsfällung in Abwesenheit des zur Verhandlung nicht persönlich geladenen Angeklagten § 427 Abs 1 StPO verletzt.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
Vom aufgehobenen Urteil rechtslogisch abhängige Entscheidungen und Verfügungen gelten damit gleichermaßen als beseitigt (RIS-Justiz RS0100444).
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00096.17B.0913.000 |
Schlagworte: | Strafrecht |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.