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OGH vom 22.11.1989, 9ObA268/89

OGH vom 22.11.1989, 9ObA268/89

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Eberhard Piso und Margarethe Heidinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Herbert G***, kfm. Angestellter, Salzburg, Röcklbrunnstraße 8, vertreten durch Dr. Franz Meißnitzer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei W*** Gesellschaft mbH & Co KG, Grödig, Oberfeldstraße 24, vertreten durch Dr. Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 173.275 S sA (Streitwert im Revisionsverfahren 78.841,64 S brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 39/89-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 16 Cga 146/88-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden im angefochtenen Umfang (das ist hinsichtlich des geltend gemachten Abfertigungsanspruches und im Kostenpunkt) aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger war ab bei der beklagten Partei als Verkaufsleiter beschäftigt. Mit Schreiben der beklagten Partei vom wurde das Dienstverhältnis zum gekündigt. Aufgrund einer Vordienstzeitenanrechnung besteht ein Abfertigungsanspruch im Ausmaß von 4 Monatsgehältern. Bei den Verhandlungen für den Abschluß des Dienstvertrages äußerte der Kläger den Wunsch nach einer Gewinnbeteiligung, die ihm auch zugesagt wurde. Die näheren Bestimmungen über diese Gewinnbeteiligung wurden in einem Schreiben der beklagten Partei vom wie folgt festgehalten:

"Wir erklären uns hiemit bereit, Ihnen unabhängig von Ihrer Gehaltszahlung in Anbetracht der Leistungen, die wir für die Folgezeit von Ihnen erwarten, eine jährliche Tantieme zu zahlen. Die Tantieme beträgt 2,5 % des Betriebsgewinnes eines jeden Geschäftsjahres. Für 1985 erfolgt eine zeitliche anteilige Abrechnung obiger Vereinbarung ........ Diese Tantiemenvereinbarung ist freiwillig und steht in keinem Zusammenhang mit irgendwelcher Tarifbestimmung. Sie gilt mit Wirkung ab Geschäftsjahr 1985 auf die feste Dauer von 3 Jahren. Sie erlischt dann automatisch, wenn keine neue Vereinbarung getroffen wird. Die jeweils getätigten Tantiemenvereinbarungen begründen keinen Rechtsanspruch für die Zukunft. Sollten Sie in der Zwischenzeit aus unserem Dienst ausscheiden - ganz gleich aus welchen Gründen - entfällt diese Regelung ab Beginn des Jahres Ihres Ausscheidens". Der Kläger hat dieses Schreiben durchgelesen und unterfertigt.

Bei der beklagten Partei ist das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr ident; es wird jeweils zum 31. Dezember bilanziert. Bis einschließlich des Geschäftsjahres 1987 hat der Kläger die Tantieme jeweils nach Vorlage des Betriebsergebnisses im März des darauffolgenden Jahres erhalten, so zuletzt die Prämie für 1987 im März 1988 mit 236.525 S brutto.

Der Kläger begehrt (soweit sein Begehren noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist) die Zahlung eines Betrages von 78.841,64 S brutto. Die von der beklagten Partei gezahlte Abfertigung sei unrichtig berechnet, weil die Gewinnbeteiligung dabei nicht berücksichtigt worden sei. Diese habe für das Jahr 1987 236.525 S brutto betragen, was einem Monatsbetrag von 19.710,41 S entspreche. Das Vierfache dieses Betrages stehe dem Kläger als weitere Abfertigung zu.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die ab dem Geschäftsjahr 1985 gewährte Tantieme sei mit Ende 1987 befristet gewesen und ersatzlos abgelaufen. Im Zeitpunkt der Beendigung des Dienstvertrages habe ein Anspruch auf Gewinnbeteiligung nicht bestanden. Im übrigen sei vereinbart worden, daß für den Fall des Ausscheidens des Klägers aus dem Betrieb der beklagten Partei im Laufe eines Jahres die Tantieme ab Beginn des Jahres nicht zustehe. Die Abfertigung sei daher richtig berechnet worden, weitere Ansprüche des Klägers bestünden nicht.

Das Erstgericht wies dieses Begehren des Klägers ab. Bei Auslegung des Vertragstextes sei davon auszugehen, daß sich die dreijährige Befristung auf 3 Geschäftsjahre beziehe und diese Vereinbarung für das Jahr 1988 nicht mehr gegolten habe. Die Tantieme sei nicht Bestandteil des Junigehaltes 1988 und daher bei Berechnung der Abfertigung nicht zu berücksichtigen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und trat im wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Begehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinn des Eventualantrages berechtigt. Da über den Inhalt des Schreibens vom hinausgehende Besprechungen oder Abreden der Beteiligten nicht festgestellt werden konnten und daher zur Interpretation der Vereinbarung nicht herangezogen werden können, ist bei der Auslegung vom Text der schriftlichen Vertragsurkunde auszugehen, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Fassung der Urkunde von der beklagten Partei stammt. Dabei fällt auf, daß einerseits auf das Geschäftsjahr Bezug genommen wird, andererseits die Vereinbarung mit der "festen Dauer von 3 Jahren" befristet wurde. Legte man die Vereinbarung dahin aus, daß sie auf die Dauer von drei Geschäftsjahren abgeschlossen wurde, dann würde der Zeitraum, für den die Tantieme zusteht, unter Berücksichtigung der Aliquotierung für das erste Dienstjahr nur ca. 2 1/2 Jahre betragen. Dies wäre aber mit der im Vertrag vereinbarten Laufzeit in der "festen Dauer von 3 Jahren" nicht in Einklang zu bringen. Ausgehend von dieser Bestimmung ist zumindest auf der Grundlage der Unklarheitenregel des § 915 zweiter Halbsatz ABGB davon auszugehen, daß die Gewinnbeteiligung für einen Zeitraum von 3 Jahre, gerechnet ab Beginn des Dienstverhältnisses, zustand und diese Vereinbarung daher mit endete. Auch aus dem Umstand, daß in der Vereinbarung eine Aliquotierungsvorschrift für das erste Geschäftsjahr vorgesehen wurde, eine solche aber für das Jahr 1988 fehlt, kann nicht der von den Vorinstanzen gezogene Schluß abgeleitet werden. Aus der für das Jahr 1985 vorgesehenen diesbezüglichen Vorschrift ergibt sich der Wille der Parteien, daß dann, wenn die Wirksamkeitsdauer nicht ein ganzes Geschäftsjahr umfaßt, eine anteilige Berechnung nach der Dauer der Dienstzeit innerhalb des Geschäftsjahres vorzunehmen ist. Diese für das erste Jahr der Laufzeit vereinbarte Regel ist mangels einer entsprechenden Bestimmung für das letzte Jahr der Wirksamkeit analog heranzuziehen.

Die beklagte Partei gründet ihren Rechtsstandpunkt im weiteren auf den letzten Satz des Schreibens vom . Dort wurde festgelegt, daß dann, wenn der Kläger während der Laufzeit der Vereinbarung über die Gewinnbeteiligung aus welchen Gründen immer aus dem Dienst der beklagten Partei ausscheidet, die Regelung ab Beginn des Jahres seines Ausscheidens entfalle. Zu Recht wendet der Kläger die Sittenwidrigkeit dieses Vertragspunktes ein. Die Gewinnbeteiligung ist, auch wenn sie in einer gesonderten Vertragsurkunde festgehalten wurde, Gegenstand des Dienstvertrages des Klägers. Die aufgrund der Gewinnbeteiligungsvereinbarung ausgeschütteten Zahlungen sind unabhängig vom Zahlungszeitpunkt Entgelt für die Arbeitsleistung des Klägers in der Zeit, für die die Ausschüttung erfolgte. Der Kläger hat daher die Gewinnbeteiligung durch seine Tätigkeit während des ganzen Zeitraumes der jeweiligen Abrechnungsperiode verdient. Durch die im Vertrag vorgesehene Möglichkeit, durch eine Kündigung des Klägers - unter Umständen auch nach Ablauf eines wesentlichen Teiles eines Kalender-(und damit Geschäfts-)Jahres - den Gewinnbeteiligungsanspruch des Klägers für das ganze Kalenderjahr zu beseitigen, wurde der beklagten Partei eine einseitige Einflußnahme auf vom Kläger im Rahmen des Dienstverhältnisses bereits erworbene Rechte eingeräumt. Gegen die guten Sitten verstößt, was dem Rechtsgefühl der Rechtsgemeinschaft, d.i. aller billig und gerecht Denkenden, widerspricht (SZ 38/217; SZ 47/8; EvBl 1976/194 ua). Sittenwidrig ist daher, was zwar nicht einen Verstoß gegen ein Verbotsgesetz, wohl aber gegen oberste Rechtsgrundsätze bedeutet, also nicht gesetz-, aber grob rechtswidrig ist (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 181; EvBl 1980/117; SZ 47/8 ua). Auch eine ungleiche Belastung von Vertragsteilen kann sittenwidrig sein. Die Bestimmung des § 879 ABGB erfordert allerdings unter Abwägung der beiderseitigen Interessen Vorsicht und Zurückhaltung. Fehlt ein gesetzliches Verbot, setzt die Sittenwidrigkeit offenbare Widerrechtlichkeit voraus. Die Interessenabwägung muß eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder - bei einer Interessenkollision - ein grobes Mißverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen ergeben (Gschnitzer aaO, 183; JBl 1972, 200; Koziol-Welser8 139). Insbesonders unter Berücksichtigung des das Arbeistrecht beherrschenden Grundsatzes des Schutzes des persönlich abhängigen Arbeitnehmers bewirkt eine Vereinbarung, derzufolge der Arbeitgeber durch Ausspruch einer Kündigung den Anspruch des Arbeitnehmers auf bereits verdientes Entgelt vernichten kann, eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Arbeitnehmers, sodaß die Voraussetzungen für die Bejahung der Sittenwidrigkeit erfüllt sind. Die Bestimmung des letzten Satzes des Schreibens vom ist daher gemäß § 879 ABGB nichtig. Sie verstößt insbesondere auch gegen die gemäß § 40 AngG zwingende Norm des § 16 AngG und konnte schon deshalb nicht wirksam vereinbart werden. Dem Kläger stand sohin die Gewinnbeteiligung bis zum Ablauf der Dreijahresfrist und damit bis Juni 1988 zu.

Allerdings kann der Berechnung der Abfertigung nicht die Höhe der im März 1988 gezahlten Gewinnbeteiligung zugrunde gelegt werden, da es sich dabei um Entgelt für das Jahr 1987 handelte, dessen Fälligkeit erst in diesem Zeitpunkt eintrat. Grundlage für die Abfertigungszahlung bildet vielmehr der auf den Monat Juni 1988 entfallende Anteil der für die im Jahr 1988 zurückgelegte Dienstzeit gebührenden, auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses in diesem Jahr monatsweise aufzuteilenden Gewinnbeteiligung. Über die Höhe dieses Betrages fehlen Feststellungen. In diesem Punkt erweist sich das Verfahren daher als ergänzungsbedürftig.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.