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VfGH vom 12.06.2004, B772/01

VfGH vom 12.06.2004, B772/01

Sammlungsnummer

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Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit 1.998,36 € bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kundmachung GZ 551.355/6-VIII/1/00, verlautbart im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom , Nr. 232, hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit bekannt gegeben, dass Anträge auf Erteilung von Konzessionen gemäß § 3 des Bundesgesetzes, mit dem die Ausübungsvoraussetzungen, die Aufgaben und die Befugnisse der Verrechnungsstellen für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie geregelt werden - in der Folge kurz:

Verrechnungsstellengesetz (Art9 des Energieliberalisierungsgesetzes), BGBl. I Nr. 121/2000, ab sofort bei ihm eingebracht werden können. Für den Fall, dass zeitgleich für eine Regelzone mehrere Anträge auf Konzessionserteilung gestellt würden, werde die Konzession demjenigen Konzessionswerber erteilt, der den Konzessionsvoraussetzungen und dem volkswirtschaftlichen Interesse an einem funktionierenden Strommarkt bestmöglich entspreche. In der Folge stellten sowohl die Power Clearing and Settlement GmbH (in der Folge kurz: APCS) [beteiligt:

40% Netzbetreiber, je 20% Kontrollbank, Invest Kredit Bank und smart technologies GmbH] als auch die Energy Balancing AG (in der Folge kurz: EBAG) [beteiligt: mit je 25% Bewag, Linz AG, EVN AG und Wienstrom GmbH] Anträge auf Erteilung der Konzession für die vom Übertragungsnetz der Austrian Power Grid GmbH abgedeckte Regelzone.

2. Mit Bescheid vom , GZ 551.355/5-VIII/1/01, erteilte der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit der APCS gemäß § 3 [iVm § 4] des Verrechnungsstellengesetzes die Konzession für den Betrieb einer Verrechnungsstelle für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie für jenen Regelzonenbereich, der durch den vom Übertragungsnetz der Austrian Power Grid GmbH abgedeckten Netzbereich gebildet ist (§22 Abs 1 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz, BGBl. I Nr. 143/1998, idF. BGBl. I Nr. 121/2000) unter Vorschreibung verschiedener Bedingungen mit auflösender Wirkung und Auflagen.

Mit Bescheid vom selben Tag, GZ 551.355/29-VIII/1/01, wies der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit den Antrag der EBAG auf Erteilung einer Konzession für den Betrieb einer Verrechnungsstelle für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie für jenen Regelzonenbereich, der durch den vom Übertragungsnetz der Austrian Power Grid GmbH abgedeckten Netzbereich gebildet ist, gemäß § 3 iVm § 4 des Verrechnungsstellengesetzes ab.

3. Gegen beide Bescheide richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde der EBAG, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und auf Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 Abs 1 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich von Teilen des Energieliberalisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 121/2000, behauptet und die Aufhebung der angefochtenen Bescheide begehrt wird. Das Verrechnungsstellengesetz erachtete die Beschwerde als kompetenzwidrig.

4. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Beschwerde sowie den Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes beantragt.

5. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung der Beschwerde, in eventu die Ablehnung der Behandlung der Beschwerde, in eventu die Abweisung der Beschwerde und den Ersatz für die Kosten der Erstattung ihrer Äußerung beantragt.

6. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit legte weitere Unterlagen vor.

II. 1. Aus Anlass der vorliegenden Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen mit Beschluss vom gemäß Art 140 Abs 1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§3, 4 und 9 des Bundesgesetzes, mit dem die Ausübungsvoraussetzungen, die Aufgaben und die Befugnisse der Verrechnungsstellen für Transaktionen und Preisbildung für die Ausgleichsenergie geregelt werden (in der Folge: Verrechnungsstellengesetz), Art 9 des Energieliberalisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 121/2000, eingeleitet.

Mit Erkenntnis vom , G140, 141/03, hat der Verfassungsgerichtshof die §§3, 4 und 9 Verrechnungsstellengesetz als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Die belangte Behörde hat daher verfassungswidrige Gesetzesbestimmungen angewendet. Die Beschwerde ist aus den im Punkt II.1.1. auf den Seiten 8-9 des Erkenntnisses vom , G140, 141/03 genannten Gründen gegen beide Bescheide zulässig. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass die Anwendung der aufgehobenen Bestimmungen des Verrechnungsstellengesetzes für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft nachteilig war. Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10.404/1985).

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In der Beschwerde werden als Kosten "Schriftsatzaufwand" in Höhe von 1.635 €

und "Gebühren" in Höhe von 363,36 € verzeichnet. In den zugesprochenen Kosten sind insofern ein Pauschalsatz in Höhe von 1.635 € und Eingabegebühren in Höhe von 363,36 € enthalten. Umsatzsteuer wurde nicht beantragt.

Dem Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Kosten als Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes war schon deshalb nicht zu entsprechen, da dies im VfGG nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung des § 48 Abs 2 VwGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (VfSlg. 10.003/1984).

Der mitbeteiligten Partei war der Ersatz der Kosten für die Erstattung ihrer Äußerung ebenso nicht zuzusprechen, da sie zur Rechtsfindung keinen Beitrag leisten konnte (vgl. VfSlg. 10.228/1984).

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.