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OGH vom 13.06.2017, 10ObS52/17w

OGH vom 13.06.2017, 10ObS52/17w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Senatsmitglieder (Senat gemäß § 11a Abs 3 Z 2 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei DI H*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1050 Wien, Wiedner Hauptstraße 84–86, wegen Feststellung von Versicherungszeiten, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 60/16x39, womit das Urteil (richtig: der Beschluss) des Landesgerichts Leoben als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 22 Cgs 134/14g28, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger war ab Juni 2006 selbständig in der ITBranche tätig. Die Gewerbeberechtigung wurde mit ruhend gestellt.

Mit Bescheid des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom wurde der Kläger verpflichtet, die unter einem festgesetzten monatlichen Beiträge zur Kranken und Pensionsversicherung für die Monate Mai bis einschließlich August 2008 zu entrichten. Im verdichteten Versicherungsverlauf vom ist für den Zeitraum Mai bis Juli 2008 aber keine Versicherungszeit ausgewiesen; für August 2008 ist ein Beitragsmonat der Pflichtversicherung nach dem ASVG ausgewiesen.

Der Kläger beantragte mehrmals bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft die Feststellung von Versicherungszeiten nach § 117a GSVG. Diese erließ jedoch keinen Bescheid.

Von November 2010 bis 2013 bezog der Kläger Berufsunfähigkeitspension. Laut seinem Versicherungsverlauf überwiegen die Versicherungsmonate nach dem ASVG jene nach dem GSVG.

Mit der am bei Gericht eingelangten, gegen die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gerichteten Säumnisklage begehrt der Kläger (nach Modifizierung des Klagebegehrens) die Erlassung nachstehenden Urteils,

„1. Die beklagte Partei ist zur ungeteilten Hand schuldig, die Versicherungsmonate Mai bis inklusive August 2008 als Versicherungszeiten auszuweisen sowie die mit dem Grundbetrag nachweislich bezahlten Beträge als Beitragszahlungen für denselben Zeitraum auszuweisen und die Differenz der durch die fehlerhafte Ausweisung der Versicherungszeiten und Beitragszahlungen bisher verursachte verringerte Pensionsleistung zur tatsächlich gebührenden Pensionsleistung dem Kläger auszubezahlen,

in eventu

es wird mit Wirksamkeit gegenüber der beklagten Partei festgestellt, dass der Kläger im Zeitraum von bis aufrecht in der Pensions und Krankenversicherung nach GSVG versichert war;

2. es wird mit Wirksamkeit gegenüber der beklagten Partei festgestellt, dass mit Stichtag kein Nachentrichtungstatbestand für (weitere) GSVGBeiträge für das Jahr 2008 gemäß § 118 Abs 1 und 2 GSVG besteht.“

Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft beantragte die Zurückweisung der Klage als unzulässig und wendete ein, dass nicht sie, sondern die Pensionsversicherungsanstalt leistungszuständiger Pensionsversicherungsträger sei. Sie selbst sei weder berechtigt noch verpflichtet, einen Bescheid über die Feststellung von Versicherungszeiten zu erlassen. Es liege weder eine Säumnis vor noch sei sie passiv klagslegitimiert. Auch hinsichtlich der Leistung von angeblich gebührenden Pensionsnachzahlungen zur Berufsunfähigkeitspension liege mangels Leistungszuständigkeit keine passive Klagslegitimation vor. Bei der Rückzahlung von Beiträgen handle es sich um eine Verwaltungssache, sodass insofern Unzulässigkeit des Rechtswegs vorliege.

Das wies (in Form eines Urteils) das ursprünglich vom – damals noch unvertreten gewesenen – Kläger selbst verfasste (noch nicht modifizierte) Klagebegehren ab. Die Klage sei unzulässig, weil für die bescheidmäßige Erledigung eines Antrags auf Feststellung von Versicherungszeiten nur der leistungszuständige Sozialversicherungsträger – hier somit die Pensionsversicherungsanstalt – zuständig sei. Beim Begehren auf Rückzahlung von Beiträgen handle es sich um eine Verwaltungssache, weshalb der Rechtsweg unzulässig sei.

Das gab dem Rekurs nicht Folge und bestätigte die angefochtene Entscheidung mit der Maßgabe, dass das modifizierte Klagebegehren gewiesen wurde. Der Kläger, der überwiegend Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nach dem ASVG erworben habe, sei zur Pensionsversicherungsanstalt leistungszugehörig; diese sei daher auch leistungszuständig. Nur der leistungszuständige Pensionsversicherungsträger sei verpflichtet, alle in Betracht kommenden Versicherungszeiten, also auch die in anderen Pensionsversicherungen zurückgelegten Versicherungszeiten bescheidmäßig festzustellen. Mangels Bescheidpflicht der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft liege kein Säumnisfall vor. Für das Begehren auf Feststellung der Monate Mai bis August 2008 als Versicherungszeiten sowie für das Begehren auf Auszahlung der Differenz der durch die fehlerhafte Ausweisung der Versicherungszeiten und Beitragszahlungen bisher verursachten verringerten Pensionsleistung fehle es an einer wesentlichen Voraussetzung für die Erhebung der Klage. Für Punkt 2 des (modifizierten) Klagebegehrens sei der Rechtsweg (ebenfalls) unzulässig. Die Angelegenheiten der Beiträge der Versicherten und ihrer Dienstgeber zählen zu den ausdrücklich in § 355 ASVG erwähnten Verwaltungssachen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG), er ist aber nicht berechtigt.

1. Für den Versicherten, der Versicherungsmonate in mehreren Zweigen der Pensionsversicherung erworben hat, kommen die Leistungen des Zweigs in Betracht, dem er leistungszugehörig ist. Liegen in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag Versicherungsmonate aus mehreren Zweigen der Pensionsversicherung vor, so ist der Versicherte dem Zweig, in dem die größere oder größte Zahl von Versicherungsmonaten vorliegt, leistungszugehörig (§ 245 Abs 1 und 3 ASVG).

2. Wie bereits das Rekursgericht ausgeführt hat, obliegt die Feststellung und Gewährung der Leistung dem Versicherungsträger des Zweigs der Pensionsversicherung, dem der Versicherte nach § 245 ASVG leistungszugehörig ist (leistungszuständiger Versicherungsträger – § 246 ASVG). Sofern der Versicherte dies beantragt, hat der leistungszuständige Versicherungsträger die (nach den österreichischen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden) Versicherungszeiten festzustellen (§ 247 Abs 1 ASVG;§ 117a GSVG).

3.1 Hat der Kläger laut seinem Versicherungsverlauf in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag zum überwiegenden Teil Versicherungsmonate nach dem ASVG erworben (was im Revisionsrekurs unbestritten bleibt), ist die Pensionsversicherungsanstalt leistungszuständiger Versicherungsträger. Da die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft somit keine Pflicht zur Erlassung eines Bescheids in Leistungssachen (über die Feststellung von Versicherungszeiten und auch über die begehrte Auszahlung der Differenz zwischen der – nach dem Standpunkt des Klägers – verringerten und der tatsächlich gebührenden Pensionsleistung) trifft, liegt kein Säumnisfall im Sinne des § 67 Abs 1 Z 2 lit b ASGG vor (Neumayr in ZellKomm2§ 67 ASGG Rz 12).

3.2 Ein Säumnisfall ist auch nicht damit begründbar, dass – wie der Revisionsrekurswerber behauptet – die Sozialversicherungsanstalt als auch der Pensionsversicherungsanstalt an den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom (mit dem der Kläger verpflichtet wurde, die unter einem festgesetzten monatlichen Beiträge zur Kranken und Pensionsversicherung für die Monate Mai bis einschließlich August 2008 zu entrichten) derart gebunden wären, dass sie auch „im Sinne dieses Bescheids tätig werden müssen“.

3.3 Die vom Revisionsrekurswerber angesprochene rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustands bei der Feststellung von Versicherungszeiten nach § 117b GSVG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil sie die bescheidmäßige Feststellung von Versicherungszeiten voraussetzt, welche – mangels Leistungszuständigkeit der Beklagten – hier gerade nicht erfolgt ist. Zudem wäre die Entscheidung darüber, ob die Voraussetzung für die rückwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustands nach § 117b GSVG vorliegen, keine Leistungssache (RISJustiz RS0084076).

Die Zurückweisung des Klagebegehrens in dessen Punkt 1 sowie die Zurückweisung des Eventualbegehrens sind demnach nicht zu beanstanden.

4. Gemäß § 194 GSVG gelten hinsichtlich des Verfahrens zur Durchführung des GSVG grundsätzlich die Bestimmungen des siebenten Teils des ASVG. Zu diesem zählen die §§ 354, 355 ASVG. Nach § 355 Z 3 ASVG sind Angelegenheiten der Beiträge der Versicherten – somit auch die Art der Verbuchung der entrichteten Versicherungsbeiträge auf die 2008 fällig gestellten Beiträge – keine Leistungssachen.

Mangels Vorliegens einer Sozialrechtssache wurde das Klagebegehren auch in diesem Umfang zutreffend zurückgewiesen.

5. Gründe für einen Kostenersatz nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG wurden nicht vorgebracht und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00052.17W.0613.000
Schlagworte:
Sozialrecht

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