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OGH vom 25.01.2001, 8ObS13/01x

OGH vom 25.01.2001, 8ObS13/01x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Ernst Boran als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gertrude P*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer, Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Bundessozialamt Steiermark, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenz-Ausfallgeld (Revisionsinteresse S 23.329 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 116/00s-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 33 Cgs 128/99s-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.655,68 (darin enthalten S 609,28 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei ihrem Arbeitgeber, über dessen Vermögen mit Beschluss vom der Konkurs eröffnet wurde, vom bis zu ihrem berechtigten vorzeitigen Austritt im Konkurs am beschäftigt. Sie arbeitete ab Beginn ihres Arbeitsverhältnisses als Vollzeitbeschäftigte mit einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden. In den Jahren 1995 und 1996 ging jedoch die Auftragslage des Arbeitgebers zurück. Der unmittelbare Vorgesetzte der Klägerin wurde beauftragt, einen entsprechenden Personalabbau vorzunehmen, insbesondere auch die Klägerin zu befragen, ob sie nach ihrem Karenzurlaub von bis bereit wäre, nur als Halbtagsbeschäftigte zu arbeiten. Andernfalls müsse ihr Arbeitsverhältnis nach Ende der sechsmonatigen Behaltefrist gekündigt werden. Die Klägerin erklärte sich, um ihren Arbeitsplatz nicht zu verlieren, mit dem Vorschlag unter der Voraussetzung einverstanden, dass im Falle einer Kündigung die ihr zustehende Abfertigung auf Basis der Ganztagsbeschäftigung bezahlt wird. Im Hinblick auf das Einverständnis des Arbeitgebers kam es dann am zu einer entsprechenden Einigung.

Mit Bescheid der Beklagten vom wies diese den Antrag der Klägerin auf Insolvenz-Ausfallgeld ab soweit die Klägerin bei Berechnung ihres Abfertigungsanspruchs in Höhe von zwei Monatsentgelten ihr Gehalt als Vollzeitarbeitskraft zugrunde legte.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin nunmehr Insolvenz-Ausfallgeld für die Differenz bei der Abfertigungberechnung auf Grundlage der Halbtagsbeschäftigung und der Ganztagsbeschäftigung, und zwar im Ausmaß von S 23.329 netto. Sie habe im Hinblick auf die anwendbaren Bestimmungen des Kollektivvertrags für Industrieangestellte bzw des Zusatzkollektivvertrags für Angestellte in der Metallindustrie über die Anrechnung des Karenzurlaubes die erforderliche Abfertigungsanwartschaft von drei Jahren bereits auf Basis der Vollzeitbeschäftigung gehabt. Es sei auch zu berücksichtigen, dass nach § 3 Abs 3 IESG die Anrechnung von Vordienstzeiten zulässig sei, und dass für Teilzeitbeschäftigte nach § 15c MSchG und § 8 EKUG in § 23 Abs 8 AngG besondere Vorschriften für die Berechnung der Abfertigung bestehen; ebenso nach § 14 Abs 4 AVRAG für Arbeitnehmer, die zur Betreuung ihrer Angehörigen die Herabsetzung ihrer Normalarbeitszeit mit dem Arbeitgeber vereinbaren. Dies müsse umso mehr gelten, wenn die Herabsetzung der Normalarbeitszeit durch Umstände aus der Arbeitgebersphäre (hier Arbeitsmangel) zurückzuführen sei. Die Klägerin habe der Vereinbarung ja auch nur deshalb zugestimmt, weil ihr die besondere Berechnung bei der Abfertigung zugesagt wurde.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass die Herabsetzung der Arbeitszeit auf Initiative der Klägerin erfolgt sei. Vor Wiederantritt der Arbeit habe die Klägerin noch nicht die Anwartschaften für die Abfertigung erworben gehabt. Die Höhe der Abfertigung orientiere sich im Regelfall an dem Letztgehalt. Die Möglichkeit der Anrechnung von Vordienstzeiten beziehe sich nicht darauf und können an der gesetzlichen Berechnung der Grundlage nichts ändern. Vertragliche Vereinbarungen dazu seien nicht durch das IESG gesichert. Auch eine Missbrauchsabsicht könne nicht ausgeschlossen werden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es folgerte dabei rechtlich, dass zwar grundsätzlich freiwillige Abfertigungsansprüche nicht gesichert seien, jedoch § 3 Abs 3 zweiter Satz IESG die Anrechnung von Vordienstzeiten unter bestimmten Voraussetzungen ermögliche. Die Klägerin habe zum Zeitpunkt des Beginnes der Halbauslastung bereits einen Abfertigungsanspruch in Höhe von zwei Monatsentgelten erworben. Die Vereinbarung über die Halbauslastung und die besondere Abfertigungsberechnung sei im Interesse des Arbeitgebers zustande gekommen, sodass eine Missbrauchsabsicht nicht unterstellt werden könne. Da der zugesicherte Abfertigungsanspruch auch nach dem Gesetz bereits einmal erworben worden sei, komme der Vereinbarung für die Abfertigungsberechnung auch nach dem IESG Wirksamkeit zu.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten in der Hauptsache nicht Folge. Auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 1a Abs 1 IESG könne nicht davon ausgegangen werden, dass nur gesetzliche Abfertigungsansprüche gemäß § 23 oder 23a AngG gesichert seien. Die Klägerin habe der Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit nur unter der Bedingung der besonderen Berechnung der Abfertigung auf Grundlage einer Vollzeitbeschäftigung zugestimmt. Sie habe sich dabei in einer den §§ 15ff MSchG vergleichbaren Situation befunden. Für eine Teilzeitbeschäftigung im Sinne des § 15g MSchG sehe jedoch § 23 Abs 8 AngG ausdrücklich den Anspruch auf Abfertigung unter Zugrundelegung des Entgeltes für die frühere Normalarbeitszeit vor. Der auf einzelvertraglicher Grundlage noch 19 Monate vor Konkurseröffnung zugesagte Anspruch der Klägerin sei dementsprechend auch als ein durch das IESG gesicherter Anspruch anzusehen.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob ein auf Grund einer einzelvertraglichen Vereinbarung über das der Bemessung der Abfertigung zugrunde zu legende letzte Monatsentgelt hinausgehender Anspruch auf Abfertigung gesichert sei, nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Grundsätzlich werden vom Schutz des IESG nur die gesetzliche Abfertigung nicht aber freiwillig gewährte Abfertigungen erfasst (vgl Liebeg, Insolvenzentgeltsicherungsgesetz2, § 1 Rz 178 mzwN FN 266, ebenso Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte der Arbeitnehmer bei Insolvenz4, 194 mwN, RIS-Justiz RS010975, RS0076822 uva). Anerkannt wurde aber auch, dass ein Abfertigungsanspruch, der sich erst daraus ergibt, dass Mutterschaftskarenzzeiten auf Grund einer kollektivvertraglichen Regelung anzurechnen sind, von der Sicherung des IESG erfasst ist (vgl OGH Infas 1997, A 93, Holzer/Reissner/Schwarz aaO, 195). Ferner wurde in der Judikatur bereits ausgesprochen und vergleichbar in § 3 Abs 3 IESG vorgesehen, dass eine einzelvertragliche Anrechnung von Vordienstzeiten für die Abfertigung zulässig ist, soweit es sich um die Anrechnung von tatsächlich geleisteten Beschäftigungszeiten oder solchen Zeiten handelt, die nicht bereits bei früheren Beendigungsansprüchen berücksichtigt wurden (Holzer/Reißner/Schwarz aaO, 194 mwN).

Daraus kann aber abgeleitet werden, dass es den Arbeitsvertragsparteien in gewissem Umfange freisteht, die Grundlagen für die Entstehung des gesetzlichen Abfertigungsanspruches zu bestimmen, wenn dieser nur von den tatsächlich geleisteten Zeiten und Entgelten ausgehen und sich insgesamt im Rahmen der gesetzlichen Regelungen bewegen.

Nach der vorliegenden Vereinbarung soll bei einer vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerin nach der unbekämpften Erreichung der für einen gesetzlichen Abfertigungsanspruch - im Zusammenhang mit dem Kollektivvertrag - erforderlichen Zeiten für die darauf folgende Halbtagsbeschäftigung für die Berechnung der Abfertigung weiterhin das Gehalt für die Vollzeitbeschäftigung zugrunde gelegt werden. Diese Vereinbarung knüpft also an tatsächliche Beschäftigungszeiten, in denen auch ein entsprechendes Entgelt erzielt wurde, an. Es findet sich im Gesetz für eine vergleichbare Konstellation eine allgemeine Abfertigungsregel im § 23 Abs 8 AngG. Danach hat der Arbeitgeber, wenn ein Dienstverhältnis einer Teilzeitbeschäftigten nach dem Mutterschutzgesetz infolge Kündigung durch den Arbeitgeber oder einvernehmlich beendet wird, bei der Ermittlung des Entgeltes die frühere Normalarbeitszeit der Angestellten zugrunde zu legen. Nun weist die Beklagte durchaus zutreffend darauf hin, dass hier keine Teilzeitbeschäftigung im Sinne des Mutterschutzgesetzes, der ja auch entsprechende sozialversicherungsrechtliche Leistungen zur Seite stehen, vereinbart wurde. Jedoch lagen von der Höhe der Grundlagen der Ausgestaltung des Abfertigungsanspruches durchaus die Voraussetzungen dafür vor. Wird davon im Einzelnen - im Wesentlichen zum Nachteil der Arbeitenehmerin - in den Voraussetzungen abgewichen, so ist jedenfalls in dem Zeitraum, in dem auch eine Teilzeitbeschäftigung nach dem Mutterschutzgesetz wie hier möglich war, der aus der Vereinbarung entstehende Abfertigungsanspruch zur Gänze nach dem IESG gesichert. Dies ergibt sich aus den oben dargestellten Überlegungen, dass es den Vertragsparteien durchaus frei steht im Rahmen dessen, was unter Zugrundelegung der tatsächlichen Beschäftigungszeiten, und damit auch entrichteten Beiträgen an gesetzlichen Abfertigungsansprüchen entstehen kann, auch entsprechende Vereinbarungen zu treffen (vgl zum Aspekt der Symetrie von Beitragsleistung und Sozialversicherungsleistungen zuletzt OGH 8 ObS 204/00h und 8 ObS 52/97y, ähnlich VfGH VfSlg 12.230 = infas 1999, A 63).

Insgesamt war daher der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.