zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 31.07.2007, 14Os52/07i

OGH vom 31.07.2007, 14Os52/07i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Höller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karl B***** wegen mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom , GZ 39 Hv 34/06a-54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Höpler, des Angeklagten Karl B***** und seines Verteidigers DDr. Walter zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung aller zu A.1 genannten Taten auch unter § 207 Abs 3 StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Karl B***** hat durch die ihm zu A.1. zur Last liegenden Taten in einem Fall das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und in einer unbestimmten Anzahl weiterer Fälle die Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB begangen.

Er wird hiefür sowie für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch weiterhin zur Last liegende Verbrechen des versuchten sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB (A.2) und die mehreren Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (B.) nach dem ersten Strafsatz des § 207 Abs 3 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu 20 (zwanzig) Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wird der Vollzug eines Strafteils von 15 (fünfzehn) Monaten für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen.

Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Seiner Berufung gegen den Privatbeteiligtenzuspruch wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl B***** mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (A.1), des Verbrechens des versuchten sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB (A.2) und mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (B.) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 207 Abs 3 StGB zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, von der gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von 16 Monaten für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Danach hat er in Eugendorf

A. an nachangeführten Unmündigen eine geschlechtliche Handlung vorgenommen bzw an sich vornehmen lassen, und zwar

1. zu unbekannten Zeitpunkten zwischen 1984 und 1991 in jeweils wiederholten Angriffen an der am geborenen Evelyn B*****, nunmehrige L*****, durch Betasten ihres Geschlechtsteils - mit einer Ausnahme durch Einschmieren im Vaginalbereich - und Führen deren Hand zu seinem Geschlechtsteil, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der unmündigen Evelyn B*****, nämlich ein chronisches mittelschweres depressives Syndrom zur Folge hatte;

2. zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen 1990 und 1994 an der am geborenen Barbara S***** durch Führen deren Hand an sein Geschlechtsteil und Veranlassung des Angreifens, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist;

B. durch die unter A.1 angeführten Tathandlungen unter Ausnützung seiner Stellung als Aufsichtsberechtigter an seiner am geborenen Enkelin Evelyn B***** geschlechtliche Handlungen vorgenommen.

Die dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 4, 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) bedeutete die Abweisung des Antrags auf Einholung eines psychologischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass „es sich bei den von der Staatsanwaltschaft als besonders erschütternd erwähnten Tagebüchern, die sich überdies nur auf Kurzeintragungen beschränken, nicht um tatsächliche Tagebücher in Form der Wiedergabe von Erlebnissen handelt, sondern nur um literarische Schreibversuche" (S 129/II), keine Schmälerung der Verteidigungsrechte des Angeklagten.

Das Erstgericht hat seine abweisende Entscheidung zutreffend primär darauf gestützt, dass für die Entscheidung, ob die dem Gericht vorliegenden schriftlichen Aufzeichnungen der Zeugin Evelyn L***** die Wiedergabe von tatsächlich Erlebtem darstellen oder Phantasien zu Papier gebracht wurden, richterliches Allgemeinwissen ausreicht, sodass diese Frage ohne Befassung eines wissenschaftlichen Experten im Rahmen der Beweiswürdigung gelöst werden konnte. Sachverständige sind nämlich nur dann beizuziehen, wenn nicht jedes Mitglied des in der Schuldfrage (im Fall der Z 11 erster Fall iVm Z 4: in der Sanktionsfrage) erkennenden Spruchkörpers die erforderlichen Fachkenntnisse für die Beurteilung einer Tatfrage besitzt (§ 118 StPO arg.: erforderlichenfalls), welche Wertung der Oberste Gerichtshof bezogen auf den Einzelfall vorzunehmen hat (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 346).

Im Übrigen wird gar nicht klar, auf die Exploration welcher Urkunden der Antrag abzielte. Die in der Anklageschrift bezeichnete (S 8/II) Fundstelle (S 97-125/I), auf die sich der Beschwerdeführer ersichtlich bezieht, umfasst nämlich neben - allenfalls als tagebuchartig zu bezeichnenden - handschriftlichen Aufzeichnungen der Zeugin, die nach den darauf angeführten Daten zwischen 1994 und 1998 verfasst wurden (S 117 ff/I), auch ein mit datiertes „Gedächtnisprotokoll" der Genannten (S 97 ff/I) und einen Schriftwechsel des Angeklagten mit Evelyn B***** (S 105 ff/I). Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen wurden vom Erstgericht aber auf keine der in Rede stehenden Urkunden gestützt, sondern fußen auf den als glaubwürdig eingestuften Angaben der Zeugin L***** (US 16 ff), deren Aussagefähigkeit und -tüchtigkeit von der neurologischen und psychiatrischen Sachverständigen Dr. Renate S***** vorbehaltlos bejaht worden war (S 193/I, S 106/II), sowie - zum Schuldspruch A.II.

- auf jenen der Barbara S***** (US 19 ff). Zudem wurde in den Entscheidungsgründen - bloß illustrativ - ergänzend ausgeführt, dass die Tagebuchaufzeichnungen mangels ausreichender Konkretisierung zwar nicht zur zeitlichen Einordnung eines von L***** geschilderten „Vorfalls in der Hütte" dienlich sein konnten, daraus aber deutlich wurde, „wie schwer L***** um die Bewältigung des ihr vom Angeklagten zugefügten Traumas rang" (US 15 f).

Inwieweit das vom Beschwerdeführer erwartete Ergebnis im Lichte dieser Prämissen für die Schuldfrage (im weiteren Sinn) von Bedeutung sein könnte, warum also der Versuch ein (durch sexuellen Missbrauch hervorgerufenes) „Trauma" zu bewältigen, nicht auch durch „literarische Schreibversuche" erfolgen hätte können, stellt der Beweisantrag nicht dar.

Die weitere Verfahrensrüge kritisiert die Verlesung des Protokolls über die kontradiktorische Einvernahme der Zeugin Evelyn L*****, die vom Erstgericht vorgenommen wurde, nachdem sich der Verteidiger dagegen verwahrt hatte und der Antrag auf Unterlassung der Verlesung vom Schöffengericht abgewiesen worden war (S 131 f/II). Die Zeugin wurde am in Anwesenheit des öffentlichen Anklägers, des Angeklagten und seines Verteidigers, des Privatbeteiligtenvertreters und einer Vertrauensperson nach § 162a Abs 1 und Abs 2 StPO einvernommen und den Parteien dabei umfassendes Fragerecht eingeräumt (ON 26; darin S 405 ff/II). Anlässlich dieser Einvernahme erklärte das Tatopfer unmissverständlich in einer Hauptverhandlung nicht mehr aussagen zu wollen (S 375/II). Dass der Untersuchungsrichter - ersichtlich im Hinblick auf die schwere psychische Traumatisierung des Tatopfers (US 10) - die psychologische Sachverständige Mag. Michaela L***** mit der Befragung betraute, nimmt der Prozesshandlung nicht den Charakter einer gerichtlichen Vernehmung (§ 162a Abs 2 StPO). Die Verlesung war demnach gemäß § 252 Abs 1 Z 2a StPO zulässig.

Mit dem Einwand, das Video über die Befragung zeige deutlich das Naheverhältnis zwischen der Zeugin und der Sachverständigen, welche lediglich ihr im Akt erliegendes Gutachten abgefragt habe, sodass der Senat „in Wirklichkeit nicht die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussage, sondern bloß - zu Lasten des Angeklagten - die Überzeugungskraft der Ausführungen der Expertin beurteilt habe", wird nicht der Nichtigkeitsgrund der Z 4 aufgezeigt, sondern bloß - hier unzulässig - das Beweiswürdigungsermessen der Tatrichter angegriffen. Durch die Vorführung der technischen Aufnahmen über die Einvernahme (S 132/II) war der Schöffensenat im Übrigen gar wohl in der Lage, sich einen persönlichen Eindruck von der Zeugin zu verschaffen. Entgegen der Behauptung der Mängelrüge (Z 5) ist der Gesamtheit der Entscheidungsgründe deutlich genug zu entnehmen, dass der von der Beschwerde thematisierte Vorfall in einer dem Hause zugehörigen Holzhütte nicht vom Schuldspruch A.1. umfasst ist, weil die Tatrichter nicht davon ausgingen, dass Evelyn L***** zum Tatzeitpunkt noch unmündig war (US 11 f). Diese von der Genannten geschilderten Missbrauchshandlungen fanden folgerichtig keine Erwähnung in den Feststellungen, sondern wurden im Rahmen der Beweiswürdigung ausdrücklich nur zur Charakterisierung der Persönlichkeit und des Aussageverhaltens des Angeklagten angesprochen. Undeutlichkeit im Sinn der Z 5 erster Fall (vgl dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419) liegt demnach nicht vor.

Im Übrigen wurde der Angeklagte bei genauer Betrachtung des Ersturteils zum Schuldspruch A.1. einer unbestimmten Anzahl gleichartiger, jeweils dem § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB subsumierter Taten schuldig erkannt (sog gleichartige Verbrechensmenge; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 21, 33, 291 f), ohne dass auch nur einer der Schuldsprüche allein auf eine der beiden Varianten dieses alternativen Mischtatbestandes gründet, was im Übrigen auch aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO nicht zu beanstanden ist (vgl RIS-Justiz RS0119552). So gesehen stellt der Wegfall der Täterschaft hinsichtlich einzelner Taten weder einen Schuldspruch noch die Subsumtion einer begangenen Tat in Frage.

Soweit der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO - neben einer in der Anführung der in den Entscheidungsgründen festgestellten Tatsachen bestehenden Ordnungsfunktion - eine sichere Individualisierungsgrundlage bezweckt, streiten daraus resultierende Zweifel im Fall einer nachfolgenden Verfolgung im Übrigen für die Annahme von Tatidentität und damit das Vorliegen des aus dem XX. Hauptstück der StPO resultierenden Verfolgungshindernisses (zum Ganzen: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 266 bis 268, 288, 291). Demgemäß wird auch mit der Kritik an der Feststellung, das von 1981 bis 1991 vorgenommene Eincremen der äußeren Schamlippen und der Klitoris der Evelyn L***** sei nicht medizinisch indiziert, sondern vom Vorsatz des Angeklagten, an seiner unmündigen Enkelin geschlechtliche Handlungen vorzunehmen, umfasst gewesen, keine entscheidende Tatsache angesprochen.

Im Übrigen haben die Tatrichter die bekämpfte Konstatierung keineswegs unbegründet gelassen, sondern - teilweise durch Klammerausdruck im Rahmen der Feststellungen - auf die Angaben der Zeugin Verena B*****, insbesonders aber auf jene des Tatopfers selbst gestützt und auch die Annahme des Vorliegens der subjektiven Tatseite hinsichtlich sämtlicher inkriminierten Vorfälle Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend begründet (US 5 f, 16 ff, 23), sodass von offenbar unzureichender Begründung im Sinne der Z 5 vierter Fall keine Rede sein kann.

Mit Spekulationen, wonach die inzwischen verstorbene Großmutter des Opfers das Eincremen der Geschlechtsteile des Kindes ebenso wenig gebilligt hätte wie eine gemeinsame Übernachtung des Angeklagten mit seiner Enkelin in einem Bett wird ein Begründungsmangel im Sinne des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes ebenfalls nicht aufgezeigt.

Gleiches gilt für den Einwand, die - im Rechtsmittel verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen dargestellte - Annahme des Erstgerichtes, Evelyn L*****s Aussage sei von Entlastungen des Angeklagten gekennzeichnet (US 18), stünde in „krassem Widerspruch zum sonstigen Verhalten der Zeugin", woraus die Mängelrüge eine unvollständige Begründung (Z 5 zweiter Fall) abzuleiten versucht. Mit den Widersprüchen in den Depositionen der Zeugin hat sich das Erstgericht ausführlich auseinandergesetzt, daraus aber - mit eingehender Begründung (US 17f) - keine Indizien für eine Bedenklichkeit ihrer Aussagen abgeleitet. Dass diese Ausführungen den Beschwerdeführer nicht überzeugen, stellt den Nichtigkeitsgrund ebenso wenig dar. Die Ursächlichkeit der vom Schuldspruch A.1. umfassten Missbrauchshandlungen für den Eintritt einer schweren Körperverletzung haben die Tatrichter auf eine Vielzahl von Verfahrensergebnissen gestützt (US 22). Indem der Beschwerdeführer aus einem dieser Beweismittel, nämlich dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M*****, eigenständige Schlüsse zieht, den „Vorfall in der Hütte" als „offensichtlich" „gröbstes Vergehen" einstuft und die Ansicht vertritt, die übrigen sexuellen Übergriffe seien keineswegs als so schwerwiegend anzusehen, „dass sie das vom Sachverständigen (Prof. M*****) aufgezeigte Krankheitsbild mit sich hätten bringen können", kritisiert er in unzulässiger Form neuerlich bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Da der Sachverständige in seiner Expertise zum Schluss kam, dass sämtliche der „aktenkundigen Missbrauchshandlungen" in kausalem Zusammenhang mit der schweren psychischen Traumatisierung des Tatopfers standen (S 355/I; S 58 f/II), bedurfte der Wegfall einzelner Tathandlungen im Übrigen keiner gesonderten Erörterung. Aufgrund der festgestellten (Mit-)Kausalität der vom Schuldspruch umfassten Taten für das konstatierte Krankheitsbild (US 10) vermag das Hinzutreten bzw der Wegfall eines weiteren (mit-)kausalen Vorfalls die dem Gericht durch die Gesamtheit der übrigen Beweisergebnisse vermittelte Einschätzung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache nicht maßgeblich zu verändern und stellt dergestalt keinen erheblichen, erörterungsbedürftigen Tatumstand dar (Ratz, WK § 281 Rz 409). Mit dem Einwand, die Konstatierung des Erstgerichtes, dass der lang andauernde und schwerwiegende seelische Leidenszustand der „Opferzeugin" für den Angeklagten vorhersehbar gewesen ist, sei unvollständig begründet, übergeht die Mängelrüge die ausführlichen diesbezüglichen Erörterungen in der angefochtenen Entscheidung (US 23 f) und legt nicht dar, welche in der Hauptverhandlung vorgekommenen (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse dabei nach seiner Ansicht unberücksichtigt blieben. Mit eigenen Beweiswerterwägungen, aus denen der Beschwerdeführer schließt, die „Übertretungen" könnten auch als Ausfluss der großväterlichen Zuneigung betrachtet werden, woraus eine Vorhersehbarkeit der schweren Folgen nicht ableitbar sei, wird ein weiteres Mal - unzulässig - die Beweiswürdigung des Erstgerichtes angegriffen.

Der formelle Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen (13 Os 43/03, 12 Os 38/04), nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, maW intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 490).

Just auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung außerhalb der oben dargestellten Sonderfälle zielt die Tatsachenrüge (Z 5a) ab. Denn der Beschwerdeführer stellt bloß eigene Beweiswerterwägungen an, indem er unter Wiederholung der Argumente der Mängelrüge aus den vorliegenden Verfahrensergebnisse andere für ihn günstigere Schlüsse zieht als die des Erstgerichtes und auf dieser Basis eigene Feststellungen trifft.

Mit Spekulationen über eine mögliche Beeinflussung der Zeugin Barbara S***** durch Evelyn L***** oder andere Prozessbegleiter, die der Beschwerdeführer aus dem Eingeständnis der Genannten, ihre Erinnerung habe sich durch Gespräche mit Evelyn L***** verdichtet und der - vom Nichtigkeitswerber als lebensfremd eingestuften - Aussage, der Angeklagte habe sein Geschlechtsteil „Penis" genannt, ableitet, werden erhebliche Bedenken im Sinne der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO ebenso wenig geweckt.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) stellt neuerlich die Behauptung auf, die bei Wegfall des bereits mehrfach thematisierten „Vorfalls in der Hütte" verbleibenden sexuellen Übergriffe seien „keineswegs geeignet, das schwere Krankheitsbild der Zeugin auszulösen" und versucht solcherart die Erwägungen des Erstgerichts zur Kausalität der inkriminierten Tathandlungen für den Eintritt der schweren Körperverletzung des Tatopfers sowie dessen Vorhersehbarkeit für den Angeklagten in Frage zu stellen. Der in Anspruch genommene Nichtigkeitsgrund, der ein striktes Festhalten an dem im Urteil festgestellten Sachverhalt erfordert, wird damit nicht geltend gemacht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass durch den Schuldspruch A.1. das Gesetz zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 StPO). Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten einer unbestimmten Anzahl von Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB, jeweils in der Fassung BGBl I 1998/153 und I 2001/130.

Nach den Feststellungen war zwar jede der - nicht im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit (dazu Ratz in WK² Vorbem §§ 28-31 Rz 104 ff) begangenen - Taten (mit-)kausal (dazu Burgstaller in WK² § 80 Rz 68) für die schwere Körperverletzung, sodass die Ursächlichkeit des Täterverhaltens für den Erfolg als Grundlage der objektiven Erfolgszurechnung hinsichtlich jeder einzelnen Tat gegeben ist. Eine mehrfache Anlastung der Erfolgsqualifikation - wie im Ersturteil bei sämtlichen dem Angeklagten zur Last gelegten realkonkurrierenden strafbaren Handlungen nach § 207 Abs 1 StGB - darf jedoch im Hinblick auf das Gebot der Vermeidung einer mehrfachen Bestrafung wegen desselben Erfolgsunwerts nicht erfolgen.

Der Angeklagte hat daher durch die ihm zum Schuldspruch A.1 zur Last liegenden Taten nur ein einziges nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB qualifiziertes Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen und damit real konkurrierend eine unbestimmte Anzahl von Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB begangen.

Bei der damit notwendig gewordenen Strafneubemessung waren das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und Vergehen, der lange Tatzeitraum zu A.1 und B und das geringe Alter der beiden Tatopfer (bei Evelyn L***** zu Beginn des Deliktszeitraums) als erschwerend, der zuvor ordentliche Lebenswandel, das Wohlverhalten seit den Taten, die teilweise Schadensgutmachung sowie der teilweise Versuch (Schuldspruch A.2) als mildernd zu werten.

Entgegen dem Berufungsstandpunkt stellt weder das „reumütige Geständnis" hinsichtlich eines nicht vom Schuldspruch umfassten Vorfalls noch der „angegriffene Gesundheitszustand" des Angeklagten einen Milderungsgrund dar.

Im Hinblick auf Tatgewicht und Täterschuld sowie unter Berücksichtigung des hohen Alters des Angeklagten, der bis zu seinem 61. Lebensjahr einen ordentlichen Lebenswandel aufwies und sich seit dem Jahr 1991 neuerlich wohl verhalten hat, erachtete der Oberste Gerichtshof eine 20-monatige Freiheitsstrafe für angemessen. Der (vom Angeklagten in seiner Berufung angestrebten) gänzlichen bedingten Strafnachsicht stehen - ausgehend von der beschriebenen Fallgestaltung - generalpräventive Erwägungen entgegen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten weiters gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung eines Teilschmerzengeldbetrages von 11.200 Euro und eines Schadenersatzbetrages von 985,14 Euro an die Privatbeteiligte Evelyn L***** und verwies die Genannte mit ihren darüber hinausgehenden Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg.

Der Berufung des Angeklagten gegen den Privatbeteiligenzuspruch kommt keine Berechtigung zu.

Ausgehend von der Feststellung eines - durch sexuelle Übergriffe über einen Zeitraum von sieben Jahren durch den Großvater des (zu Beginn der Tathandlungen ca sechsjährigen) Opfers bewirkten - chronischen mittelschweren depressiven Syndroms der im Urteil im Detail beschriebenen Art (US 10), das einer schweren Körperverletzung gleichzuhalten ist und - stärker bzw stark gerafft - mit vier bis sechs Wochen andauernden mittelschweren und über acht bis zwölf Wochen mit leichten psychischen Schmerzen verbunden war, ist der zugesprochene Teilschmerzensgeldbetrag von 11.200 Euro keinesfalls als überhöht anzusehen.

Mit der Behauptung, dass der Schaden nicht nur durch die vom Schuldspruch umfassten Straftaten des Angeklagten, sondern auch durch andere (weder der Geschädigten noch anderen Personen vorwerfbare) Umstände und einen weiteren sexuellen Übergriff des Berufungswerbers nach Vollendung des 14. Lebensjahres des Tatopfers verursacht worden sei, wird kein die Haftung des Angeklagten reduzierender Grund dargetan (§§ 1301 ff ABGB; vgl Spenling, WK-StPO § 369 Rz 26), zumal der Schädiger auch dann für den gesamten Schadenserfolg verantwortlich bleibt, wenn zwei Umstände, beispielsweise einerseits die Straftat, andererseits eine besondere Veranlagung des Verletzten, nur zusammen die Schwere des Verletzungserfolges bedingen (15 Os 26/06x).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.