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VfGH vom 29.09.1986, B763/84

VfGH vom 29.09.1986, B763/84

Sammlungsnummer

11007

Leitsatz

Disziplinarstatut 1872; keine Bedenken gegen § 2, auch nicht unter dem Blickwinkel des Art 18 B-VG oder des Gleichheitsrechtes; Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission, mit dem der Bf. wegen Einschaltung einer Anzeige in einer Zeitung des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes gemäß § 2 schuldig erkannt wurde; keine Willkür

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) In einem Zeitungsbericht in der "Kleinen Zeitung" am über ein beim Landesgericht Klagenfurt gegen zwei des Menschenhandels und anderer Delikte Angeklagte anhängiges Strafverfahren, in dem der Bf. als Verteidiger eines Angeklagten eingeschritten war, wurde der Klient des Bf. als "Mädchenhändler" und dieser selbst, allerdings ohne Namensnennung, als "bekannter Sbg. Zuhälteranwalt" bezeichnet.

Ein vom Bf. daraufhin beim Landesgericht Klagenfurt eingeleitetes gegen den Verlag der Kleinen Zeitung gerichtetes Medienverfahren endete mit einem nach Einleitung des Disziplinarverfahrens ergangenen Urteil 12 E Vr 3472/82 damit, daß die Verlagsanstalt zur Bezahlung eines Betrages von 20000 S an den Bf. für die erlittene Kränkung sowie zum Kostenersatz verurteilt wurde.

b) Für den veranlaßte der Bf. die Einschaltung nachstehender Anzeige in der "Neuen Kronen-Zeitung":

"Achtung, Prozeß!

Heute, Landesgericht Klagenfurt,

Saal 29, um 14 Uhr

Sehr geehrte Kärntnerinnen!

Sehr geehrte Kärntner!

Heute verteidige ich wiederum einen Klienten, der unter anderem wegen Zuhälterei angeklagt ist. Wegen meiner Verteidigung hat mich die 'Kleine Zeitung' am schwer beleidigt und in der Berichterstattung über meinen Klienten - aus welchen Gründen immer - einseitig den Standpunkt der Anklagebehörde zum Mittelpunkt gemacht. Es wird von mir gegen dieses Blatt ein Gerichtsverfahren eingeleitet und Anzeige an die Journalistengewerkschaft erstattet werden. Die gesetzte Beleidigung der 'Kleinen Zeitung' läßt einerseits jedweden Takt und andererseits die mir bisher bekannte sprichwörtliche Kärntner Gastfreundschaft vermissen. Ich weiß aber, daß sich das Kärntner Gericht von derartigen journalistischen Entgleisungen der 'Kleinen Zeitung' in seiner Urteilsfindung nicht beeinflussen lassen wird. Kommen Sie aber und überzeugen Sie sich vom tatsächlichen Verhandlungsverlauf und wie die 'Kleine Zeitung' am nächsten Tag berichtet!

Mit vorzüglicher Hochachtung

Dr. G S

Rechtsanwalt in Salzburg"

c) Wegen der Einschaltung der angeführten Anzeige erkannte der Disziplinarrat der Sbg. Rechtsanwaltskammer den Bf. mit Erk. vom des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig. Der Bf. wurde zu einer Geldbuße in der Höhe von 50000 S und zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.

d) Der vom Bf. (und vom Kammeranwalt) dagegen erhobenen Berufung hat die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) mit dem Erk. vom nicht Folge gegeben.

2. In seiner auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerde beantragt der Bf. die kostenpflichtige Aufhebung des Erk. der OBDK vom und bringt vor, er sei durch das angefochtene Erkenntnis in seinem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf "Gleichheit aller Bundesbürger vor dem Gesetz" verletzt worden. Weiters werde der Bf. dadurch, daß das angefochtene Erkenntnis in Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes erlassen worden sei, in seinen Rechten verletzt. Der Bf. regt an, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des zweiten Halbsatzes des § 2 des Disziplinarstatutes (Gesetz vom 1. April 1872, RGBl. 40, betreffend die Handhabung der Disziplinargewalt über Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, idF BGBl. 480/1985, im folgenden DSt.) einzuleiten.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Nach § 2 DSt. unterliegt ein Rechtsanwalt, welcher die Pflichten seines Berufes verletzt, oder welcher in- oder außerhalb seines Berufes durch sein Benehmen die Ehre oder das Ansehen des Standes beeinträchtigt, der Disziplinarbehandlung durch den zuständigen Disziplinarrat.

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde sei der Satzteil "... oder welcher in- oder außerhalb seines Berufes durch sein Benehmen die Ehre oder das Ansehen des Standes beeinträchtigt" wegen eines Verstoßes gegen Art 7 MRK und Art 18 B-VG verfassungswidrig.

Zu diesem Vorbringen verweist der VfGH auf seine ständige Judikatur über die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit des § 2 DSt. Die Begriffe "Ehre und Ansehen des Rechtsanwaltstandes" haben einen Inhalt, der aus den allgemeinen gesellschaftlichen Anschauungen und den gefestigten Gewohnheiten des Rechtsanwaltstandes festgestellt werden kann (vgl. VfSlg. 7494/1975 mit der angeführten Vorjudikatur; zu vergleichbaren Regelungen, die keine konkreten Tatbestände der verschiedenen Arten von Dienstvergehen oder von Verletzungen der Ehre und des Ansehen eines Berufsstandes aufstellen, sondern nur einen einzigen allgemeinen Tatbestand kennen und es der Beurteilung der Disziplinarbehörde überlassen, ob in einem bestimmten Verhalten - Handeln oder Unterlassen - ein Verstoß gegen disziplinarrechtliche Vorschriften zu erblicken ist, vgl. VfSlg. 7907/1976).

Soweit der Bf. mit seinem Vorbringen, wonach in dem Fall, daß ein "Nur-Verteidiger in Strafsachen" die Einschaltung des Inserates veranlaßt hätte, eine disziplinäre Verfolgung ausgeschlossen wäre, der Rechtsanwalt hingegen einer solchen Verfolgung ausgesetzt sei, wegen der unterschiedlichen Behandlung des Rechtsanwaltes und des "Nur-Verteidigers" einen Verstoß des § 2 DSt. gegen das Gleichheitsgebot geltend machen sollte, ist darauf zu verweisen, daß allein schon die - beim "Nur-Verteidiger" nicht gegebene - Zugehörigkeit der Rechtsanwälte zur Rechtsanwaltskammer ein Umstand ist, der ihre Unterwerfung unter ein Standes(Disziplinar)recht rechtfertigt.

Der VfGH sieht keine Veranlassung, von seiner Auffassung über die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit des § 2 DSt. abzugehen.

Gegen die bei der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses angewendeten Rechtsvorschriften bestehen unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides konnte die vom Bf. behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur vorliegen, wenn der Behörde ein willkürliches Verhalten zum Vorwurf gemacht werden müßte.

Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde hat sich die bel. Beh. in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit den einzelnen Punkten des Berufungsvorbringens des Bf. auseinandergesetzt und eingehend dargelegt, aus welchen Erwägungen sie die Schlußfolgerung gezogen hat, daß im Inserat des Bf. weder eine Verteidigung des Klienten noch eine Erwiderung eines ihn verleumdenden Zeitungsberichtes, sondern vielmehr eine den Tatbestand einer Verletzung von Ehre und Ansehen des Rechtsanwaltstandes bildende Werbeaktion zu erblicken sei. Dem Inhalt nach sind die Beschwerdeausführungen allenfalls eine Begründung für die Behauptung, daß die von der bel. Beh. gezogene Schlußfolgerung nicht richtig sei. Sie vermögen aber nicht darzutun, daß die Behörde, die allein das Verhalten des Bf., nicht aber das Verhalten einer anderen Person an der verfassungsrechtlich unbedenklichen Bestimmung des § 2 DSt zu beurteilen hatte, den Bf. aus unsachlichen Gründen benachteiligt hätte.

Dies gilt auch für den in der Beschwerde vorgebrachten Hinweis auf ein "als reklamehafte Herausstellung" zu beurteilendes Verhalten des Präsidenten der Sbg. Rechtsanwaltskammer.

Die vom Bf. behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nicht vor.

3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Bf. in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.