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VfGH vom 26.02.2002, B762/00

VfGH vom 26.02.2002, B762/00

Sammlungsnummer

16431

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht infolge fehlender Begründung eines (Intimations-) Bescheides betreffend die Ernennung des im Besetzungsvorschlag der Berufungskommission Zweitgereihten zum ordentlichen Universitätsprofessor an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien; keine sachliche Begründung des der Behörde zustehenden Auswahlermessens

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit 2.143,68 Euro bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Beschwerdeführer, der als Vertragslehrer an der Abteilung Streichinstrumente und andere Saiteninstrumente der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien sowie als Mitglied der Wiener Symphoniker tätig ist, bewarb sich neben anderen Personen um die öffentlich ausgeschriebene Planstelle eines ordentlichen Universitätsprofessors für Violoncello an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Nach Durchführung eines Berufungsverfahrens im Sinne des § 11 Kunsthochschul-Organisationsgesetz wurde der Beschwerdeführer in dem - die Namen dreier Kandidaten enthaltenden - Besetzungsvorschlag der vom Gesamtkollegium eingesetzten Beratungskommission in Berufungsfragen für die Besetzung des Ordinariates für Violoncello an die erste Stelle gereiht. Diesem Ternavorschlag der Beratungskommission schloss sich das erweiterte Gesamtkollegium in seiner Sitzung vom an und übermittelte einen entsprechenden Besetzungsvorschlag an den zuständigen Bundesminister.

1.2. In der Folge führte der Bundesminister (damals:) für Wissenschaft und Verkehr jedoch Berufungsverhandlungen allein mit dem zweitgereihten Kandidaten. Nach deren erfolgreichem Abschluss wurde dieser Bewerber mit Entschließung des Bundespräsidenten vom auf die ausgeschriebene Planstelle ernannt, was ihm mit (Intimations-)Bescheid des Bundesministers vom mitgeteilt wurde.

Auf Grund des diesbezüglichen Antrages des Beschwerdeführers stellte ihm der Bundesminister den oben erwähnten Bescheid vom , mit dem der auf dem Besetzungsvorschlag Zweitgereihte zum ordentlichen Universitätsprofessor bestellt worden war, mit Erledigung vom zu.

2. Mit der vorliegenden, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützten Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer - unter Berufung auf den Gleichheitsgrundsatz - gegen diesen Ernennungsbescheid vom und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

3. Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der durch den bekämpften Bescheid zum ordentlichen Universitätsprofessor ernannte Mitbewerber hat als Beteiligter des verfassungsgerichtlichen Verfahrens ebenfalls eine Äußerung erstattet, in der er die Auffassung vertritt, dass das seinerzeitige Berufungsverfahren rechtmäßig gewesen sei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (vgl. VfSlg. 15.365/1998 mwV) - Beschwerde erwogen:

1. In der Beschwerde wird die Auffassung vertreten, die belangte Behörde sei bei Erlassung des bekämpften Bescheides willkürlich vorgegangen und habe dadurch den Gleichheitsgrundsatz verletzt.

Der Bescheid enthalte keine Begründung. Aus dem Akt ergebe sich, dass die Berufungskommission einen einstimmigen Ternavorschlag an das Gesamtkollegium erstellt habe, in dem der Beschwerdeführer an erster Stelle gereiht gewesen sei. Diesen Ternavorschlag habe das Gesamtkollegium einstimmig bestätigt und dem Bundesminister übermittelt. Aus den im Akt enthaltenen Stellungnahmen gehe überdies hervor, dass die Bestellung des Beschwerdeführers deshalb als zielführend angesehen worden sei, weil der Zweitgereihte nur geringe pädagogische Erfahrung aufweise. In der Folge sei jedoch eine Umreihung vorgenommen und der Zweitgereihte mit der Begründung vorgezogen worden, dass er Spezialist für Alte Musik sei, obgleich gerade diese Qualifikation nicht Gegenstand der Ausschreibung gewesen sei. Gegen die erfolgte Umreihung habe sowohl der Zentralausschuss der Hochschullehrer Österreichs als auch der zuständige Dienststellenausschuss Einwendungen erhoben; diese Einwendungen seien im Wesentlichen mit der pädagogischen Qualifikation und Erfahrung des Beschwerdeführers - insbesondere im Hinblick auf die Klassenleitung an der Abteilung Musikpädagogik - und der relativ geringen Unterrichtserfahrung des Zweitgereihten begründet worden. Der Bundesminister habe sich jedoch über die Ausschreibung und die Einwendungen des Dienststellenausschusses hinweggesetzt. Eine derartige Vorgangsweise, die sowohl der Reihung als auch der Ausschreibung zuwiderlaufe, sei als Willkür zu bezeichnen.

Die Reihung der Bewerber im Besetzungsvorschlag sei nach der Qualifikation der Bewerber vorgenommen worden. Aus § 28 Universitäts-Organisationsgesetz ergebe sich, dass die Behörde an die fachliche Qualifikation und die Reihung, die im Ternavorschlag vorgenommen wurde, gebunden sei. Ein Abgehen davon bedürfe zumindest einer Begründung. Die belangte Behörde habe aber weder im Akt noch im Bescheid eine Begründung dafür gegeben, warum sie den Zweitgereihten vorgezogen habe.

2. Die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur tritt diesem Beschwerdevorbringen entgegen, indem sie darauf verweist, dass gemäß § 10 Dienstrechtsverfahrensgesetz Ernennungen, Verständigungen über solche Ernennungen sowie die damit zusammenhängenden und gleichzeitig getroffenen Feststellungen und Verfügungen weder der Bezeichnung als Bescheid noch einer Begründung bedürften. Weiters führt sie iW Folgendes aus:

"Gemäß § 11 Abs 3 KHOG hat das erweiterte Gesamtkollegium aufgrund der Ergebnisse des Berufungsverfahrens dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung (der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur) einen Vorschlag für die Besetzung der Planstelle zu erstatten, der mindestens die Namen der drei für die Planstelle am besten geeigneten Kandidaten zu enthalten hat (Ternavorschlag). Dem Besetzungsvorschlag ist ein Bericht über die Erfüllung der Voraussetzungen ... durch alle Bewerber ... anzuschließen.

Aus der Formulierung dieser Gesetzesstelle geht nach Auffassung der belangten Behörde eindeutig hervor, dass die pädagogische Eignung aller Personen, die in einen Besetzungsvorschlag aufgenommen werden, vorher von der zuständigen akademischen Behörde zu überprüfen ist. Auch ist der Ternavorschlag nicht zwingend als Reihungsvorschlag definiert. Daher kann die Bundesministerin/der Bundesminister an eine allfällige Reihung nicht gebunden sein. Die Ressortleitung hat vielmehr davon auszugehen, dass jede/jeder im Besetzungsvorschlag aufgenommene Bewerberin/Bewerber für die Tätigkeit als Ordentliche Universitätsprofessorin/Ordentlicher Universitätsprofessor bestens qualifiziert ist und dass sie sämtliche Ernennungserfordernisse ... erfüllen.

Die gesetzlichen Bestimmungen schließen allerdings nicht aus, dass das erweiterte Gesamtkollegium seine Auffassung über unterschiedliche Schwerpunkte der künstlerischen Tätigkeit, stilistische Unterschiede und andere Differenzierungen in der Bewertung der Kandidaten auch im Besetzungsvorschlag darlegt, die für die Bundesministerin/den Bundesminister zwar eine Entscheidungshilfe darstellen, aber bei der Auswahl der Kandidatin/des Kandidaten nicht bindend sind. Es handelt sich vielmehr um eine Ermessensentscheidung, mit welcher Kandidatin/welchem Kandidaten Berufungsverhandlungen aufzunehmen sind, wobei die Begründung für die Entscheidung dem Zentralausschuss für Hochschullehrer mitgeteilt wird.

Rechtlich relevant wäre ein Ermessensmissbrauch im Sinne einer Willkürentscheidung. Diese ist im vorliegenden Fall keineswegs gegeben, da die Entscheidung des damaligen Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr (betr. die Aufnahme der Berufungsverhandlungen mit dem Zweitgereihten) ... sachlich begründet wurde. Die im Ausschreibungstext geforderte Aufgeschlossenheit für zeitgenössische Musik und das Argument des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr, (der Zweitgereihte) sei auch Spezialist für Alte Musik, schließen einander nach Auffassung der belangten Behörde keineswegs aus.

Den Bewerbungsunterlagen ist deutlich zu entnehmen, dass (der Zweitgereihte) als Mitglied (seit 1984) des Ensembles 20. Jahrhundert über entsprechende Erfahrungen im Umgang mit der zeitgenössischen Musik verfügt. Diese Kenntnisse sind auch in sein 'Konzept für den im zentralen künstlerischen Fach Violoncello zu erteilenden Unterricht an der Abteilung Musikpädagogik ...' eingeflossen. Seine Aufgeschlossenheit für zeitgenössische Musik wurde von der akademischen Behörde nie in Frage gestellt. Überdies ist (der Zweitgereihte) Solocellist des Concentus Musicus und übt daher seit Jahren eine Stimmführer-Funktion aus.

§ 28 UOG ist für das Berufungsverfahren an den Universitäten der Künste nicht anzuwenden."

3. Die Beschwerde ist begründet.

Der Bundesministerin ist Recht zu geben, wenn sie die Auffassung vertritt, dass sie bei Erstattung des Vorschlages zur Ernennung eines ordentlichen Universitätsprofessors zwar insoweit an den Berufungsvorschlag gebunden ist, als nur eine in den Vorschlag aufgenommene Person zur Ernennung vorgeschlagen werden darf (vgl. auch VfSlg. 15.365/1998), dass hingegen keine Bindung an eine bestimmte Reihung im Berufungsvorschlag besteht. Sie hat aber das ihr zustehende Auswahlermessen sachlich auszuüben und zu begründen. Ob sie dies in der Weise tut, dass sie sich der Bewertung durch das erweiterte Gesamtkollegium anschließt und eine die Kandidaten reihende Bewertung übernimmt oder ob sie von der Auffassung des erweiterten Gesamtkollegiums abweicht, etwa indem sie die Kriterien für die Eignung anders gewichtet (was freilich eine eigene Begründung, die sich mit den Bewertungen im Berufungsvorschlag auseinandersetzt, erfordert), liegt in ihrem Ermessen, ebenso wie es im Ermessen des ernennenden Bundespräsidenten liegt, den Vorschlag der Bundesministerin zu übernehmen oder ihn abzulehnen.

In der Entscheidung aber müssen die Erwägungen jedenfalls transparent gemacht werden, da nur so die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts möglich ist. Der Verfassungsgerichtshof verweist in diesem Zusammenhang auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Behörde verpflichtet ist, Gründe und Gegengründe einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen (vgl. etwa VfSlg. 8674/1979, 10.942/1986, 12.476/ 1990). Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid - wie im vorliegenden Fall - in einem spezifischen Zusammenwirken (Vorschläge, Entscheidung, Intimation) verschiedener oberster Organe der Bundesverwaltung zustande kommt (vgl. ).

Nun enthält der bekämpfte Bescheid aber keinerlei Begründung. Dies stellt objektiv einen in die Verfassungssphäre reichenden, vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler dar. Insoweit die belangte Behörde davon ausgeht, dass der angefochtene Bescheid zwar nicht begründet, aber begründbar ist, ist ihr die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach eine krasse Mangelhaftigkeit der Bescheidbegründung auch nicht etwa dadurch beseitigt werden kann, dass die belangte Behörde ihre Motivation in der Gegenschrift darlegt (vgl. z.B. VfSlg. 10.997/1986, 12.141/1989, 13.166/1992). Die Begründung des Bescheides muß vielmehr aus diesem selbst hervorgehen (vgl. etwa VfSlg. 12.476/1990, 14.115/1995; ).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG; in den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in Höhe von 181,68 Euro und Umsatzsteuer in Höhe von 327 Euro enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.