OGH vom 17.09.2015, 11Os94/15f

OGH vom 17.09.2015, 11Os94/15f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Pottmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter E***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom , GZ 37 Hv 109/14w 28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter E***** (abweichend von der Subsumtion der Anklageschrift ON 21 in Richtung §§ 15, 20 2 Abs 1 StGB; s allerdings die eventual iR § 20 1 Abs 1 StGB lautenden Schlussanträge ON 27 S 22) des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am in I***** Nathalie S***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht, indem er sie an beiden Handgelenken bzw Unterarmen erfasste, ihre Arme vor ihrer Brust verschränkte und gegen ihren Oberkörper drückte und äußerte „Kimm, tammas schnell, tua net so bled, sei net so feig“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 10 sowie 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

In der Hauptverhandlung stellte der Verteidiger den Antrag auf ergänzende kontradiktorische Vernehmung der Zeugin S*****, weil „sich aus dem Beweisverfahren ergeben [habe], dass die Zeugin nicht richtig und nicht vollständig über ihre Wahrnehmungen ausgesagt [habe] (§ 254 Abs 2 StPO iVm § 165 Abs 6 StPO) und sich zahlreiche Vorhalte aus den Aussagen der Zeuginnen Z***** und D***** ergeben [haben], insbesondere in Bezug auf die Dauer des Aufenthalts der Zeugin im F***** am Tatabend, über den Inhalt der Gespräche, insbesondere nach dem Vorfall am WC zwischen Nathalie S***** und anderen am Tisch anwesenden Personen, insbesondere hinsichtlich der Sitzordnung … und der Angaben von körperlichen Annäherungsversuchen ... und … Belästigungen durch den Angeklagten sowie insbesondere zu dem Umstand der Anzeigenerstattung oder Anzeigenzurückziehung in Verbindung mit einer erhaltenen Bezahlung in Höhe von 500 Euro und über den Umstand, dass es nach Erhalt der Bezahlung etwas zu feiern gegeben habe und über den Umstand, dass sie die Zeugin D***** noch in der Tatnacht zur Anzeigeerstattung bei der Polizei begleitet hätte und sie dabei unterstützt hätte, was das mutmaßliche Tatopfer allerdings abgelehnt habe“ (ON 27 S 20 f).

Wiewohl die Belehrung des seinerzeit unvertretenen Angeklagten über den Wert eines Rechtsbeistands und über sein Recht, die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zu beantragen, anlässlich dessen Ladung zur kontradiktorischen Vernehmung des Opfers ungenügend erfolgte, indem dieser lediglich darauf hingewiesen wurde, dass der Verteidiger in der Hauptverhandlung keine Fragen mehr an das Tatopfer werde richten können (ON 1 S 2; vgl RIS Justiz RS0125706), konnte die neuerliche Befragung dieser Zeugin entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) ohne Schmälerung von Verteidigungsrechten unterbleiben. Da diese zu den genannten Themen soweit sie überhaupt von Relevanz sind (RIS Justiz RS0118319, RS0116877) ohnehin bereits befragt worden ist, liefe ihre neuerliche Befragung und ihre Konfrontation mit den Aussagen anderer Personen auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung hinaus (§ 55 Abs 1 und Abs 2 StPO; RIS Justiz RS0118444).

Harald Eh***** wurde in der Hauptverhandlung von der Verteidigung als Zeuge zum Beweis dafür beantragt, „dass die Zeugin den Vorfall selber nicht zur Anzeige habe bringen wollen, Harald Eh***** sie dazu angeleitet habe, die Anzeige zu erstatten, welcher Umstand gegen das Vorliegen eines Straftatbestandes spreche und andererseits dafür, dass die Zeugin über Vorschlag des Harald Eh***** einen Bargeldbetrag von 500 Euro für die Zurückziehung der Anzeige gegen den Angeklagten gefordert und auch erhalten habe“ (ON 27 S 20).

Unter dem Aspekt eines fairen, die Verteidigungsrechte sichernden Verfahrens konnte auch diese Beweisaufnahme unterbleiben, weil die Tatrichter ohnehin davon ausgegangen sind, dass das Opfer den genannten Betrag für die beim angezeigten Offizialdelikt allerdings nicht mögliche Zurückziehung der Anzeige entgegengenommen und sich davor mit Eh***** besprochen hat (US 5); dass sie diesem Umstand nicht die von der Verteidigung gewünschte Bedeutung beimaßen, ändert daran nichts.

Das in der Rechtsmittelschrift als Versuch einer Fundierung der Anträge jeweils erstattete weitere Vorbringen ist prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618; Ratz , KW StPO § 281 Rz 325).

Nicht der Prozessordnung entspricht die nach Art einer Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ausgeführte Mängelrüge (Z 5), mit welcher sich die Beschwerde dagegen wendet, dass das Erstgericht den Aussagen der Zeuginnen Diana Z***** und Theresa D***** die Eignung absprach, die für glaubwürdig befundene Aussage des Tatopfers S***** zu widerlegen.

Das Erstgericht setzte sich nämlich eingehend damit auseinander, dass S***** nach der Tat noch im Lokal blieb und ein Getränk auf Kosten des Angeklagten konsumierte, D***** mitteilte, sich nicht zu trauen, Anzeige zu erstatten, sich am mit Harald Eh***** zu einer Besprechung traf, Mitte Juli 2014 dem Angeklagten vorschlug, gegen Bezahlung von 500 Euro die Anzeige zurückzuziehen, diesen Betrag vom Angeklagten erhielt und am gegenüber dem Landesgericht Leoben erklärte, die Anzeige gegen Peter E***** zurückziehen zu wollen (US 5).

Dass das Tatopfer erst am Dienstag, den bei der Polizeiinspektion S***** Anzeige erstattete, ist nicht von erheblicher Bedeutung und bedurfte daher keiner gesonderten Erwähnung im Urteil.

Dem Beschwerdestandpunkt (Z 5 vierter Fall) zuwider haben die Tatrichter den Wortlaut jener vom Angeklagten anlässlich des konstatierten Übergriffs getätigten Äußerung willkürfrei mit der Aussage des Tatopfers begründet (US 5 f).

Mit der Kritik an der „Fokussierung der Tatrichter einzig und allein auf die Glaubwürdigkeit des Opfers“ bezieht sich die Tatsachenrüge prozessordnungswidrig nicht auf die Aktenlage (RIS Justiz RS0119424) und gelingt es ihr durch Hinweise auf die mit Mängelrüge relevierten Verfahrensergebnisse nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der tatrichterlichen Lösung der Schuldfrage zu wecken. Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach nämlich erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über diese Prüfung hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt wird dadurch nicht eröffnet.

Eine unterbliebene Aufklärung durch die Unterlassung gebotener Beweisaufnahme kann lediglich insoweit aus Z 5a erfolgversprechend gerügt werden, als dem Beschwerdeführer keine Möglichkeit zu einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung offenstand (RIS Justiz RS0115823). Dies behauptet der Beschwerdeführer nicht einmal.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) ist nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt, weil sie sich auf eine Bekämpfung der Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der konstatierten Äußerung des Angeklagten (nämlich einen Geschlechtsverkehr und nicht bloß eine andere diesem nicht gleichzusetzende geschlechtliche Handlung anzustreben [US 4, 8 f]) anlässlich des ihm zur Last gelegten Überfalls auf S***** beschränkt, anstatt auf Basis der getroffenen Feststellungen zu argumentieren (RIS Justiz RS0099810).

Auch die Sanktionsrüge (Z 11) ist nicht im Recht. Die Bedachtnahme auf eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe erfordert es bei aktueller Verhängung einer unbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe keineswegs, den in § 43a Abs 3 StGB für die Verhängung teilbedingter Freiheitsstrafen abgesteckten Rahmen einzuhalten, weil es sich stets um selbstständige Strafaussprüche handelt (RIS Justiz RS0090578).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00094.15F.0917.000