VfGH vom 11.10.2012, a28/10
Sammlungsnummer
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Leitsatz
Abweisung von - zulässigen - Staatshaftungsklagen wegen fehlerhafter Umsetzung der Tabak-Richtlinie durch die Regelung über die mengenmäßige Beschränkung der privaten Einfuhr von Tabakerzeugnissen im Tabakgesetz; kein qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht
Spruch
Die Klagen werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt und Klagebegehren
1. Zu A28/10:
1.1. Mit ihrer auf Art 137 B-VG gestützten Klage gegen den Bund (im Folgenden: der Beklagte) beantragt die Klägerin die Fällung des folgenden Urteils:
"Die beklagte Partei ist schuldig der Klägerin den Betrag von EUR 147.778.447,-- (in Worten:
einhundertsiebenundvierzigmillionensiebenhundertachtundsiebzig - tausendvierhundertsiebenundvierzig Euro) oder wahlweise (facultas alternativa) CZK 3.639.044.257,-- (in Worten:
dreimilliardensechshundertneununddreißigmillionenvierundvierzi g- tausendzweihundertsiebenundfünfzig Tschechische Kronen) jeweils zuzüglich 4% Zinsen ab sowie die Kosten dieses Rechtsstreits binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen der Klagevertreterin zu bezahlen." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
Die Klägerin führt in der vorliegenden Klage dazu im Wesentlichen aus:
Die Klägerin betreibe auf dem Gebiet der Tschechischen Republik, nahe der Grenze zu Österreich, zwei Einkaufszentren, in denen sie schwerpunktmäßig Tabakerzeugnisse zu deutlich günstigeren Preisen als in Österreich vertreibe. Aufgrund des vom bis zum in Geltung gestandenen § 7a des Bundesgesetzes über das Herstellen und das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und den Nichtraucherschutz - Tabakgesetz, BGBl. I 105/2007, (im Folgenden: TabakG), sei es den vorwiegend aus Österreich stammenden Kunden der Klägerin lediglich erlaubt gewesen, eine begrenzte Menge Zigaretten im Ausmaß von 200 Stück nach Österreich zu importieren, obwohl die Tschechische Republik die europarechtlichen Voraussetzungen für einen grenzüberschreitenden Verkehr bis zu 800 Stück erfüllt gehabt hätte. Diese unionsrechtswidrige Beschränkung habe sich unmittelbar negativ auf den Geschäftsgang der Klägerin ausgewirkt. So habe diese nicht nur einen entgangenen Gewinn aus unterbliebenen Zigarettenverkäufen, sondern auch Einbußen in allen weiteren Handelssparten der Einkaufszentren der Klägerin zu verbuchen, die darauf zurückzuführen seien, dass viele (potentielle) Kunden aufgrund des weit geringeren Preisvorteils gegenüber Einkäufen in Österreich die Fahrt in die Einkaufszentren der Klägerin erst gar nicht unternommen hätten.
Der Gesetzgeber habe durch die Erlassung des § 7a
TabakG (und der damit in Zusammenhang stehenden Bestimmungen) insofern gegen Unionsrecht verstoßen, als diese im Widerspruch zu der Richtlinie 2001/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen (im Folgenden: Tabak-RL) stünden. Nach Art 13 der genannten Richtlinie, deren Ziel ein Ausgleich zwischen Verbraucher- und Gesundheitsschutz sowie der Warenverkehrsfreiheit sei, dürfe ein Mitgliedstaat die Einfuhr, den Verkauf und den Konsum von Tabakerzeugnissen, die der Tabak-RL entsprächen, nicht aus Gründen untersagen oder beschränken, die mit den gesundheitsrelevanten Warnhinweisen dieser Richtlinie zusammenhingen. Es würde den Zweck der Tabak-RL vollkommen frustrieren, könnte ein Mitgliedstaat die Einfuhr von Tabakerzeugnissen, die Warnhinweise in der Sprache eines anderen Mitgliedstaats aufwiesen, unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes (wie es der österreichische Gesetzgeber zu rechtfertigen versuche) vollständig unterbinden. Zudem verbiete Art 34 AEUV mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
§7a TabakG, der eine rein mengenmäßige Einfuhrbeschränkung vorsehe, sei - schon vor dem Hintergrund des Zustandekommens dieser Bestimmung - ausschließlich als protektionistische Maßnahme zum Schutz grenznahe niedergelassener Tabaktrafikanten zu verstehen. Nicht gesundheitspolitische Erwägungen, sondern vielmehr die Androhung von Streikmaßnahmen seitens der Trafikanten als Reaktion auf die Öffnung der Grenzen hätten letztlich zur Erlassung des "Trafikantenpaketes" im Jahr 2007 geführt. Nicht anders könne auch die Befristung dieser Bestimmung bis zum verstanden werden, die der Erwartung Rechnung trage, dass sich das derzeit noch deutlich unterschiedliche Preisniveau in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in einigen Jahren entsprechend angepasst haben werde und damit die Notwendigkeit der Bestimmung entfalle. § 7a TabakG und die damit zusammenhängenden Bestimmungen verstießen nicht nur gegen die Tabak-RL, sondern seien darüber hinaus auch "willkürlich, sachlich nicht gerechtfertigt und unverhältnismäßig" und stünden dem Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen des Art 34 AEUV entgegen. Auch der Oberste Gerichtshof
() sowie der Unabhängige Verwaltungssenat Kärnten (UVS , KUVS-1226/2/2009) hätten richtigerweise erkannt, dass § 7a TabakG richtlinienwidrig sei.
Zu ihren Ansprüchen aus dem Titel der Staatshaftung führt die Klägerin näher aus, dass der Bund aufgrund des Umstandes, dass der österreichische Gesetzgeber eine unionsrechtswidrige Bestimmung in Kraft gesetzt habe, für alle Schäden, die der Klägerin aus dieser entstanden seien, hafte. Diese Unionsrechtswidrigkeit sei dem Bund bereits bei Erlassung der vorliegenden Bestimmung bekannt gewesen oder habe ihm bei Einhaltung der gehörigen Sorgfalt bekannt sein müssen. Zu ihrem entstandenen Schaden führt die Klägerin u.a. wörtlich aus wie folgt:
"Da sich österreichische Staatsbürger grundsätzlich an österreichische Gesetze halten und nicht beurteilen können, ob eine gesetzliche Beschränkung infolge Widerspruchs zu EU-Recht nicht anwendbar ist, haben letztlich alle Kunden der Klägerin ab dem durchschnittlich nicht - wie an und für sich erlaubt - die Höchstmenge von 800 Stück Zigaretten eingekauft, sondern nur bis zu 200 Stück. Zur Plausibilisierung: Die Klägerin hatte im Zeitraum bis durchschnittlich 2.816.692 Kunden pro Jahr, wobei die Anzahl der verkauften Stangenpackungen zu je 200 Stück Zigaretten durchschnittlich ebenso hoch war. Während der darauf folgenden '25-Stück Regelung' hat jeder einzelne Kunde im Schnitt 40 Zigaretten (1 geschlossene Packung plus eine geöffnete) gekauft, sodass unabhängig von der jeweils geltenden österreichischen Mengenbeschränkung durchschnittlich immer (nur) die maximal zulässige Anzahl an Zigaretten gekauft wurde. Auch gegenwärtig kaufen Zigarettenkunden durchschnittlich eine Stangenpackung Zigaretten pro Besuch. Folglich wirkten sich die österreichischen Mengenbeschränkungen stets kausal auf den Tabakvertrieb der Klägerin aus. Die jeweiligen Regelungen erzielten den vom Bund beabsichtigten Lenkungseffekt, indem die Kunden der Klägerin weniger Zigaretten in den Einkaufszentren jenseits der österreichischen Grenze einkauften.
Der Klägerin ist aufgrund der gemeinschaftswidrigen Bestimmung des § 7a TabakG ein Schaden von insgesamt CZK 3.449.244.909,-- (in Worten:
dreimilliardenvierhundertneunundvierzigmillionenzweihundertvierundvierzigtausendneunhundertneun Tschechische Kronen) oder unter Zugrundelegung des Kurses der tschechischen Nationalbank (s www.cnb.cz), wonach ein EUR CZK 24,625 entspricht (Stand: zum ), umgerechnet EUR 140.070.859,-- (in Worten:
einhundertvierzigmillionensiebzigtausendachthundertneunundfünf zig Euro) zuzüglich Zinsen entstanden, da sie seit Einführung der Bestimmung des § 7a TabakG in ihrer Geschäftstätigkeit, nämlich dem Verkauf von Tabakwaren an Endverbraucher aus Österreich und dem Verkauf von anderen als Tabakwaren an Zigarettenkunden behindert worden ist." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
Die Klägerin geht unter ausführlicher Aufschlüsselung und Erörterung der Schadenssumme davon aus, dass sie bei Nichtbestehen der unionsrechtswidrigen Regelung 43.180.913 Stangenpackungen oder 8.636.182.600 einzelne Zigaretten verkaufen hätte können, die nunmehr im österreichischen Staatsgebiet ge- und verkauft worden seien und für die der Bund nicht nur zusätzliche Tabak- und Mehrwertsteuer, sondern auch eine durch die höheren Gewinne der österreichischen Trafikanten bedingte erhöhte Einkommenssteuer eingenommen habe.
Zur Klagslegitimation bringt die Klägerin - nach
allgemeinen Ausführungen zum Institut der Staatshaftung - vor, dass ihre Ansprüche, die auf "legistischem Unrecht" seitens des österreichischen Gesetzgebers beruhten, aufgrund des Umstandes, dass die anspruchsbegründenden Handlungen unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen seien, nicht vor den ordentlichen Gerichten, sondern gemäß Art 137 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof geltend zu machen seien. Die Haftungsvoraussetzungen lägen allesamt vor, zumal bei der Klägerin ein Schaden eingetreten sei, die Norm, gegen die verstoßen worden sei, die Verleihung von Rechten an die Klägerin bezwecke, der Verstoß gegen diese Bestimmung hinreichend qualifiziert sei und zwischen dem Verstoß und dem eingetretenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehe. Näher begründend führt die Klägerin u.a. aus, dass eine rein mengenmäßige Beschränkung das Recht des Einzelnen auf Import von Tabakerzeugnissen beschränke und damit im Widerspruch zur Zielsetzung der Richtlinie stehe. Daraus folge, dass sich der Einzelne, der durch Fehler bei der Umsetzung oder Anwendung der Tabak-RL geschädigt worden sei, für die Auslösung der Staatshaftung wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht auf das Recht auf freien Warenverkehr berufen könne. Ein qualifizierter Verstoß liege schon deshalb vor, weil Art 13 der Tabak-RL den Mitgliedstaaten untersage, die Einfuhr, den Verkauf und den Konsum von Tabakerzeugnissen, die dieser Richtlinie entsprächen, nicht aus Gründen zu untersagen oder zu beschränken, die u.a. mit den gesundheitsrelevanten Warnhinweisen oder anderen Erfordernissen der Richtlinie zusammenhingen. Weiters lege die Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren Kriterien fest, um nach der Menge der Waren beurteilen zu können, ob diese für den Eigenbedarf oder zu gewerblichen Zwecken gekauft worden seien. Nach Art 9 Abs 2 lita der zitierten Richtlinie stehe es den Mitgliedstaaten der Europäischen Union frei, Richtmengen festzulegen, die für Tabakerzeugnisse jedoch den Wert von 800 Zigaretten nicht unterschreiten dürften. Der österreichische Gesetzgeber habe den ihm zustehenden Ermessensspielraum durch die Unterschreitung dieser Stückzahl offenkundig überschritten.
1.2. Die Bundesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Zurückweisung der Klage, in eventu ihre Abweisung beantragt.
Die Unzulässigkeit der Klage wendet die Bundesregierung im Wesentlichen mit folgender Begründung ein:
"Über Ansprüche auf Schadenersatz, die auf unionsrechtswidriges hoheitliches Handeln gestützt werden, entscheiden grundsätzlich die ordentlichen Gerichte nach dem Amtshaftungsgesetz (AHG). Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass 'es bei der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte auch für eine gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung [bleibt], wenn der behauptete Schaden an ein verwaltungsbehördliches oder gerichtliches Handeln [anknüpft]'. Dies gilt auch dann, wenn die verwaltungsbehördliche (oder gerichtliche) Handlung 'durch ein Fehlverhalten des Gesetzgebers vorherbestimmt' ist (vgl. VfSlg. 16.107/2001 [S 273], 17.611/2005 [S 12], 18.020/2006 [S 932 f.], 18.600/2008). Die Zuständigkeit der Amtshaftungsgerichte steht nach Auffassung des Bundes somit nur dann nicht zur Verfügung, wenn die Einbringung einer Klage nach dem AHG mangels eines Anknüpfungspunktes zur 'Vollziehung' im Sinne von § 1 AHG von vornherein ausscheidet (da die Inanspruchnahme des Amtshaftungsrechts nach dem Wortlaut des § 1 AHG ein Handeln oder Unterlassen 'in Vollziehung der Gesetze' verlangt). Für die Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes ist es daher nicht ausschlaggebend, ob (und wie) die zuständigen Organe der Vollziehung in concreto tätig geworden sind, es kommt einzig darauf an, dass zur Handhabung der Regelung Vollziehungsorgane berufen sind (vgl. zB den Beschluss VfSlg. 17.611/2005). Ist es aber (prozessual) möglich, den Ersatz des Schadens durch Klage beim Amtshaftungsgericht zu fordern (womit das Amtshaftungsgericht in die Lage gerät, inzident auch die Unionsrechtswidrigkeit des Gesetzes mit zu beurteilen), scheidet die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes aus.
Aus dem Gesagten folgt, dass die bloße Behauptung der Unionsrechtswidrigkeit des Gesetzes nicht zur Begründung einer Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes ausreicht. Zur Bejahung dieser Zuständigkeit muss darüber hinaus untersucht werden, ob die behaupteten Schäden unmittelbar der strittigen Gesetzesbestimmung des § 7a Tabakgesetz zurechenbar sind; dies wäre nur dann der Fall, wenn keine das Gesetz vollziehende behördliche Tätigkeit vorgesehen ist (zu einer solchen Konstellation vgl. etwa das Erkenntnis VfSlg. 17.002/2003).
Dieser Fall ist hier nicht gegeben.
Die Bestimmung des § 7a Tabakgesetz war der Anwendung durch Organe der Vollziehung überantwortet. Diesen Organen oblag damit auch die richtige Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Bestimmung (einschließlich ihrer allfälligen Nichtanwendung in Konstellationen, in denen die Bestimmung zu unionsrechtswidrigen Ergebnissen geführt hätte). Daher ist der Verfassungsgerichtshof für die vorliegende Klage nicht zuständig."
Selbst bei Zutreffen der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung, dass § 7a TabakG zu einer unionsrechtswidrigen Einfuhrbeschränkung geführt habe, sei nicht davon auszugehen, dass ein unionsrechtswidriges Vollzugshandeln vom Gesetzgeber zwingend vorherbestimmt gewesen sei, zumal jede innerstaatliche Gesetzesvorschrift im Wege der Auslegung daraufhin zu untersuchen sei, ob ihr nicht ein unionsrechtskonformer Inhalt gegeben werden könne und müsse. Unter Zugrundelegung dieser Prämisse verbleibe - wie der Beklagte in seiner Gegenschrift näher ausführt - dem § 7a TabakG jedenfalls noch ein unionsrechtskonformer Anwendungsbereich.
In der Sache bringt die Bundesregierung unter
Annahme, dass die Voraussetzungen eines Staatshaftungsanspruches nicht erfüllt seien, Folgendes vor:
"Als verletzte Norm des Unionsrechts führt die
klagende Partei Art 13 Abs 1 der Richtlinie 2001/37/EG ins Treffen. Die Klage beruft sich darauf, dass diese Bestimmung durch (die Anwendung des) § 7a Tabakgesetz verletzt worden sei. Sie übersieht jedoch, dass eine Haftung des Bundes für Verletzung von Unionsrecht nur gegenüber jenem Personenkreis eintreten kann, dem von der verletzten Norm des Unionsrechts Rechte verliehen werden. Nun statuiert zwar Art 13 Abs 1 der Richtlinie 2001/37/EG, dass die Mitgliedstaaten 'die Einfuhr, den Verkauf und den Konsum von Tabakerzeugnissen nicht aus
Gründen untersagen oder beschränken [dürfen], die mit ... den
gesundheitsrelevanten Warnhinweisen und sonstigen Angaben oder anderen Erfordernissen dieser Richtlinie zusammenhängen'. Als Verkäuferin von Zigaretten in einem EU-Staat kann die klagende Partei aus Art 13 Abs 1 der Richtlinie aber nur insoweit Rechte ableiten, als diese Bestimmung den Mitgliedstaaten die Beschränkung des Verkaufs untersagt; eine solche Beschränkung ist indes nicht Gegenstand des § 7a Tabakgesetz (die zitierte Vorschrift beschränkt nicht das In-Verkehr-Bringen). Der darüber hinaus reichende Schutzgehalt des Art 13 der Richtlinie bezweckt ausschließlich den Schutz der Importeure und Konsumenten; die für einen - aus der zitierten Norm abgeleiteten - Staatshaftungsanspruch des Verkäufers erforderliche diesbezügliche Voraussetzung ist damit nicht erfüllt. § 7a Tabakgesetz ist keine Regelung, die den Verkauf beschränkt, sondern bezieht sich nur auf die 'Einfuhr' (Verbringung in das Inland und Halten in Gewahrsame im Inland) von Tabakwaren durch natürliche Personen für private Zwecke und allenfalls auf den 'Konsum'. Damit greift die dem Bund vorgeworfene Beschränkung nicht in den für die klagende Partei einschlägigen Schutzbereich der ins Treffen geführten Norm des Unionsrechts ein.
Art 13 Abs 1 der Richtlinie 2001/37/EG bezweckt
hinsichtlich von Maßnahmen, die (wie § 7a Tabakgesetz) nicht den Verkauf, sondern die Einfuhr oder den Konsum beschränken, den Schutz der Importeure und Konsumenten, verleiht dem Verkäufer im gegebenen Zusammenhang aber keine Rechte.
Da die Klage ihre Ansprüche auf Art 13 der Richtlinie 2001/37/EG stützt, scheitert ihr Begehren bereits an der ersten Voraussetzung für den Staatshaftungsanspruch."
Weiters sei auch kein hinreichend qualifizierter
Verstoß gegen das Unionsrecht festzustellen, zumal weder eine Verletzung des Art 13 der Tabak-RL noch ein (hinreichend qualifizierter) Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit vorliege:
"Selbst unter der Annahme, dass Art 13 der Richtlinie 2001/37/EG bezweckt, der klagenden Partei im Sinne der zur unionsrechtlichen Staatshaftung ergangenen Judikatur des EuGH 'Rechte zu verleihen', wäre das Klagebegehren unbegründet. Wie nämlich im Folgenden dargelegt wird, ist (die Anwendung) eine(r) staatliche(n) Regelung wie jene(r) des § 7a Tabakgesetz bei richtiger - das Ziel und den Zweck der Richtlinie in Betracht ziehender - Auslegung der Richtlinie vom Anwendungsbereich des Art 13 der Richtlinie nicht erfasst:
Zweck der in der Richtlinie 2001/37/EG normierten Kennzeichnungspflichten ist das Funktionieren des Binnenmarkts (Erwägungsgrund 3), aber vorrangig (vgl. insbesondere Erwägungsgründe 3, 19 und 24) der Schutz der Gesundheit der (potentiellen) Verbraucher von Tabakerzeugnissen. Auch die Rechtsgrundlage der Richtlinie im Primärrecht (Art95 EG nunmehr Art 114 AEUV) verhält die Union bei der Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten unter anderem im Bereich der 'Gesundheit' zur Einhaltung eines 'hohen Schutzniveaus'. Die Richtlinie normiert in Verfolgung dieses Zwecks unter anderem eine Pflicht zur Anbringung von Warnhinweisen in der (den) jeweiligen Amtssprache(n) jenes Mitgliedstaates, in dem das Erzeugnis in den Verkehr gebracht wird (Art5 Abs 6 lite leg.cit.).
Die Tragweite des in Art 13 der Richtlinie 2001/37/EG normierten Verbots von (auf gesundheitsrelevante Warnhinweise bezogenen) Einfuhrbeschränkungen kann nicht isoliert von seiner Stellung innerhalb der Gesamtsystematik der Richtlinie und Iosgelöst von den der Richtlinie zugrundeliegenden gesundheitspolitischen Zielen ermittelt werden. Das Verbot schützt den Verkehr mit Tabakerzeugnissen unter der Bedingung, dass diese in Übereinstimmung mit den (gesundheitspolitischen motivierten) Vorschriften der Richtlinie in Verkehr gebracht worden sind. Einen Schutz vor gebietsbezogenen Maßnahmen einzelner Mitgliedstaaten gewährleistet die Richtlinie jedoch nicht ohne Ausnahmen, zumal sie - gerade hinsichtlich der Kennzeichnung - ausdrücklich selbst gebietsbezogene Unterschiede verlangt (nämlich hinsichtlich der Sprache). Dieser normative Zielkonflikt lässt sich nur im Wege einer am Telos orientierten Abgrenzung des Anwendungsbereichs des durch Art 13 der Richtlinie statuierten Beschränkungsverbots auflösen:
Die Verpflichtung zur Kennzeichnung von
Tabakerzeugnissen in der (den) jeweiligen Amtssprache(n) verfolgt offenkundig den Zweck, die praktische Wirksamkeit des Gesundheitsschutzes zu fördern, weil davon auszugehen ist, dass die meisten Verbraucher mit der Amtssprache des Staates, in dem die Tabakwaren in Verkehr gebracht werden, angesprochen werden können. Eine solche Regelung erfüllt ihren gesundheitspolitischen Zweck zwar im Regelfall, weil typischerweise am Ort des In-Verkehr-Bringens, nach dem sich die Sprache der anzubringenden Warnhinweise bestimmt, auch der Verkauf an ansässige Konsumenten erfolgt, deren Schutz die Regelung beabsichtigt. Sie verfehlt diesen Zweck aber immer dann, wenn das Erzeugnis im Fall unterschiedlicher Amtssprachen zwischen dem Staat des In-Verkehr-Bringens und dem Staat der Verbraucheransässigkeit transportiert wird (Einfuhr durch Verbraucher). Das Gesundheitsziel der Richtlinie wird dann nicht erreicht bzw. sogar vollkommen torpediert, wenn die beschriebenen 'Parallelimporte' von fremdsprachig gekennzeichneten Tabakerzeugnissen ein vom Gewöhnlichen vollkommen abweichendes Ausmaß annehmen: So wird der Zweck der Richtlinie verfehlt, wenn die Mitgliedstaaten durch Art 13 der Richtlinie 2001/37/EG unter allen Umständen gehindert wären, Privateinfuhren zu regeln, und zwar sogar dann, wenn ein beträchtlicher Teil des Tabakkonsums auf Einfuhren von Tabakerzeugnissen durch Letztverbraucher aus einem Mitgliedstaat mit einer unterschiedlichen Amtssprache zurückgeht, sofern diese Einfuhren jeweils eine Stückzahl erreichen, die klar darauf hindeutet, dass der Kauf der fremdsprachig gekennzeichneten Tabakerzeugnisse den Kauf jener Tabakerzeugnisse substituiert, die in der Amtssprache jenes Staats gekennzeichnet sind, in dem der Verbraucher ansässig ist.
Dies wird auch durch das Vorbringen in der Klageschrift bestätigt, das bei Nichterlassung des § 7a Tabakgesetz einen wahrscheinlichen Mehrabsatz von ca. 3 Mrd. Stück Zigaretten pro Jahr behauptet [...]. Wenn das Klagevorbringen insoweit zutreffend wäre, würden Einfuhren, die alleine auf Einkäufe bei der klagenden Partei zurückgehen, etwa ein Fünftel bis ein Viertel des österreichischen Marktes abdecken können (die Zahl der in Österreich verkauften Zigaretten beträgt im Schnitt der Jahre 2008-2010 knapp 13,5 Mrd. Stück [...]. Bedenkt man die Möglichkeit noch weiterer Privatimporte (etwa aus Ungarn, der Slowakei, Slowenien, Italien, aber auch aus jedem anderen EU-Staat mit nichtdeutscher Amtssprache) hätte die unbeschränkte Zulassung von Privateinfuhren zur Folge, dass deutschsprachige Warnhinweise auf in Österreich konsumierten Tabakwaren in der Minderheit wären. Dies liefe den gesundheitspolitischen Intentionen der Richtlinie zu den Warnhinweisen entgegen: Es liegt nämlich auf der Hand, dass etwa für Österreicher, die nicht tschechisch verstehen, etwa der Warnhinweis 'Kourení zabíjí/Koureni muže zabíjet' wesentlich 'harmloser' klingt als 'Rauchen ist tödlich'/'Rauchen kann tödlich sein'.
In einer Situation, in der der Geschäftsbetrieb eines in einem Mitgliedstaat (an der Grenze zu einem anderen Mitgliedstaat) ansässigen Händlers speziell und zu einem beträchtlichen Teil auf den Verkauf an Kunden aus einem anderen Mitgliedstaat (mit unterschiedlicher Amtssprache) gerichtet ist, die die Ware in größeren Mengen zum Konsum im eigenen Mitgliedstaat erwerben, ist davon auszugehen, dass die Richtlinie derartige als an Missbrauch grenzende 'Umgehungen' des Gesundheitszieles anzusehende Praktiken nicht schützen soll. Mit anderen Worten: Bezüglich dieser Fallkategorie muss jedenfalls angenommen werden, dass die betreffenden Produkte vom Schutzzweck des Art 13 der Richtlinie 2001/37/EG nicht erfasst sind.
Liegt aber die beschriebene Fallkategorie eindeutig außerhalb des Schutzzwecks der einschlägigen Richtlinienbestimmung, kann ein Mitgliedstaat mit guten Gründen davon ausgehen, dass die Bestimmung bei Zugrundelegung des Ziels und Zwecks der Richtlinie in diesem beschränkten Umfang - freilich unter Beachtung der Kautelen des Primärrechts - eine Ausnahme impliziert. Dafür spricht hier auch der Umstand, dass sich der Normgehalt des Art 13 der Richtlinie 2001/37/EG in relativ allgemeiner Weise auf 'Beschränkungen aus Gründen, die mit den Erfordernissen dieser Richtlinie zusammenhängen' bezieht, so dass der Umstand, dass die Norm lediglich hinsichtlich des Sonderproblems der sprachlichen Fassung (und dies auch nur für eine beschränkte Fallgruppe) zu reduzieren ist, lediglich zu einer geringfügigen Einschränkung, keinesfalls aber zur grundsätzlichen Auflösung des Tatbestands führt [...].
Der Bund geht daher davon aus, dass Art 13 Abs 1 der Richtlinie 2001/37/EG in Bezug auf die Sonderkonstellation privater Einfuhren in größerer Stückzahl - bei der nach Sinn und Zweck gebotenen Reduktion seines Normgehalts - eine Ausnahme impliziert und somit im hier relevanten Umfang kein Verbot normiert.
Dieses Ergebnis wird durch die in der Klage zitierten Entscheidungen des OGH und des UVS Kärnten nicht in Frage gestellt:
Der OGH ist in einem Beschluss vom , 4 Ob 139/09i, in einem (Provisorial-)Verfahren wegen unlauterem Wettbewerb im Zusammenhang mit einer Broschüre der gesetzlichen Interessenvertretung der Tabaktrafikanten in einem Nebensatz von der Unionsrechtswidrigkeit von § 7a Tabakgesetz ausgegangen. In ähnlicher Weise hat der Unabhängige Verwaltungssenat Kärnten in einem Bescheid vom , KUVS-1226/2/2009, die Auffassung vertreten, dass § 7a Tabakgesetz der Richtlinie 2001/37/EG widerspricht (so auch - unter wörtlicher Wiedergabe der Ausführungen des UVS Kärnten - der Bescheid des UVS Burgenland vom , 188/02/10004). Eine Befassung des Gerichtshofes der Europäischen Union haben der OGH und die UVS unterlassen.
Diese Entscheidungen vermögen den in der Klage
geltend gemachten Anspruch auf Haftung (wegen einer - noch dazu hinreichend qualifizierten - Fehlleistung des Gesetzgebers) bereits aus folgenden Gründen nicht zu stützen:
Zum Einen lag im Zeitpunkt der Erlassung des § 7a
keine Rechtsprechung des EuGH zur Reichweite des Art 13 der Richtlinie 2001/37/EG (und ist auch bis dato keine solche Entscheidung ergangen) vor, mittels derer der Kläger einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Unionsrecht belegen könnte.
Zum anderen sind die Rechtswirkungen des Beschlusses des OGH zudem schon insofern zu relativieren, als es sich dabei um eine Entscheidung im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung handelt. Die Beurteilung der Rechtsfrage in einer solchen Entscheidung ist als provisorisch anzusehen; eine Bindungswirkung entfaltet sie nicht einmal für das Hauptverfahren zwischen denselben Parteien [...]
Im Übrigen existieren auch anders lautende
Entscheidungen. So hat der UVS Oberösterreich noch am (Zu ZI. VwSen-240656/10/Ste) ein Straferkenntnis nach § 7a Tabakgesetz bestätigt, ohne dass Zweifel an der Unionsrechtskonformität der Norm hervorgekommen wären.
Die in der Klage zitierten Entscheidungen sind daher nicht verallgemeinerungsfähig und es lässt sich daraus keine Klärung der Frage der Unionsrechtskonformität - und schon gar keine Klärung der für den geltend gemachten Anspruch erforderlichen hinreichend qualifizierten Rechtswidrigkeit - von § 7a Tabakgesetz ableiten.
Dagegen wurden die oben wiedergegebenen Annahmen des Gesetzgebers (zur Reichweite des Art 13 Abs 1 der Richtlinie 2001/37/EG) im Ergebnis auch von der Europäischen Kommission bestätigt:
§7a Tabakgesetz war auch Gegenstand eines Auskunftsverfahrens der Europäischen Kommission (Verfahren 247/08/SNCO). Die Republik Österreich hat die Kommission darauf hingewiesen, dass die zur Vollziehung berufenen Verwaltungsbehörden die genannte Bestimmung im Hinblick auf ihren Schutzzweck (nämlich die Aufklärung und der Schutz der österreichischen Raucher und Raucherinnen vor den Gefahren des Tabakkonsums) auf Personen, die nur vorübergehend in Österreich verweilen und dabei eigene Zigaretten mit sich führen, in der Praxis nicht anwenden und dass § 7a Tabakgesetz auch den Bereich der bloßen Durchfuhr nicht erfasst. Die Europäische Kommission hat die österreichische Rechtslage dahingehend beurteilt, dass sie die Einschränkung auf 200 Stück Zigaretten als mit Artikel 13 der Richtlinie 2001/37/EG vereinbar ansehen würde, wenn sie nicht für alle Reisenden gilt, sondern nur für Österreicher.
[...]
Im Übrigen erlaubt sich der Bund auch darauf
hinzuweisen, dass im ersten Aufforderungsschreiben der Kommission im Dezember 2008 noch gar keine Bedenken im Hinblick auf die Richtlinie 2001/37/EG geäußert worden sind. In diesem Schreiben war nur die Vereinbarkeit mit der Richtlinie 92/12/EWG angesprochen. Diese Bedenken im Hinblick auf die Richtlinie 92/12/EWG sind im bereits zitierten ergänzenden Auskunftsersuchen auch nicht weiter aufrecht erhalten worden. Auch dieser Umstand spricht dagegen, dass in § 7a Tabakgesetz ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Art 13 der Richtlinie 2001/37/EG zu sehen ist.
[...]
Unbeschadet des Vorbringens des Bundes, dass gar
keine Unionsrechtswidrigkeit vorliegt, ist daher auf Folgendes hinzuweisen: Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt dem 'Umstand, dass die Verhaltensweisen eines Gemeinschaftsorgans [hier: der Kommission] dazu beigetragen haben, dass nationale Maßnahmen oder Praktiken in gemeinschaftsrechtswidriger Weise unterlassen, eingeführt oder aufrechterhalten werden', im Rahmen der Beurteilung der Frage, ob der einem Mitgliedstaat vorgeworfene Verstoß als 'hinreichend qualifiziert' gelten kann, wesentliche Bedeutung zu (vgl. Ruffert in Calliess/Ruffert, Art 288 EGV Rn. 59). Wenn die Republik Österreich die Europäische Kommission daher dahin verstehen durfte, dass eine Regelung beibehalten werden darf, mit der die private Einfuhr von Zigaretten durch Österreicher bei einer Menge von über 200 Stück pro Person beschränkt wird, so kann in der Beibehaltung der Regelung jedenfalls kein qualifizierter Verstoß gesehen werden.
Sofern der Wortlaut des § 7a Tabakgesetz - folgt man der Auffassung der Kommission - überschießend gewesen sein sollte, konnte dies keine Auswirkungen für den Fall der klagenden Partei haben. Die klagende Partei betont nämlich selbst, dass die Käufer in ihren Geschäften durchwegs österreichische Staatsbürger sind, die sich an österreichische Gesetze halten [...]. Unter Zugrundelegung dieses Vorbringens ist davon auszugehen, dass der Vollzug von § 7a Tabakgesetz - soweit er sich auf Kunden der klagenden Partei ausgewirkt hat - auch nach Auffassung der Europäischen Kommission richtlinienkonform gewesen sein muss. In diesem Fall ist kein Anspruch auf Staatshaftung gegeben. Aus der Rechtsprechung des EuGH geht nämlich hervor, dass in einer Fallkonstellation, in der zwar der Gesetzgeber eine Richtlinie nicht vollständig umgesetzt haben mag, die Richtlinie jedoch für den konkreten Anlassfall rechtmäßig vollzogen wurde, insoweit keine Haftung wegen Verletzung von Unionsrecht eintreten kann (vgl. Brinkmann Tabakfabriken Slg. 1998, 1-5255 Rn. 29).
Schon aus diesen Gründen ist der in der Klage
behauptete Verstoß gegen die Richtlinie daher keineswegs 'hinreichend qualifiziert'.
[...]
Nach Ansicht des Bundes verstößt § 7a Tabakgesetz auch nicht gegen Art 34 AEUV, keinesfalls ist ein offenkundiger Verstoß anzunehmen. Insbesondere durfte der Bund aus der zitierten Äußerung der Europäischen Kommission auch ableiten, dass die Regelung auch mit der Warenverkehrsfreiheit vereinbar ist. Da die primärrechtlichen Bestimmungen der Warenverkehrsfreiheit im Vergleich zu einer sekundärrechtlichen Harmonisierungsvorschrift naturgemäß einen geringeren Grad an Detailliertheit aufweisen, ist es im Lichte der Rechtsprechung des EuGH, wonach sich das Vorliegen eines offenkundigen Verstoßes insbesondere auch nach dem 'Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift' bestimmt ( Brasserie du pecheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029, Rz. 56), umso weniger gerechtfertigt, aus Art 34 ff. AEUV eine Haftung des Bundes für die behaupteten Schäden abzuleiten. Dazu kommt, dass die Inanspruchnahme der den Mitgliedstaaten durch Art 36 AEUV eingeräumten Möglichkeit, (gerechtfertigte) Beschränkungen des freien Warenverkehrs beizubehalten oder einzuführen, notwendigerweise einen Ermessenspielraums mit sich bringt. Nach Auffassung des Bundes wird eine solche (nicht auf die Richtlinie, sondern ausschließlich auf den Vertrag gestützt) Haftung daher wohl nur bei gravierenden Verletzungen der Warenverkehrsfreiheit anzunehmen sein.
[...]
Im Lichte des Art 36 AEUV ist § 7a Tabakgesetz
jedenfalls gerechtfertigt. Der Gesetzgeber konnte im Zeitpunkt der Erlassung des § 7a Tabakgesetz auf empirisch fundierte und sachliche Anhaltspunkte zurückgreifen, die eine Beschränkung des privaten Imports von Zigaretten ohne entsprechende Etikettierung rechtfertigen. Die Maßnahme ist eingebettet in ein System von Regelungen zur Eindämmung der von Tabakkonsum ausgehenden Gefährdungen für die Gesundheit. Sie ist geeignet, erforderlich und auch verhältnismäßig." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
Zur Frage der Haftung für den bei der Klägerin
eingetretenen Schaden weist der Beklagte weiters darauf hin, dass die Klägerin ihre Ansprüche ausschließlich auf einen bei ihr eingetretenen Entgang des Gewinns stütze. Der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union zufolge sei es grundsätzlich Sache der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union festzulegen, in welchem Umfang auch für entgangenen Gewinn Ersatz zu leisten sei. Der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zufolge seien in Ermangelung eigener Haftungs- oder Verfahrensvorschriften im Unionsrecht die entsprechenden Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes und somit weiters jene des ABGB in Staatshaftungssachen heranzuziehen. Gemäß § 1324 ABGB sei jedoch lediglich bei Vorliegen von Vorsatz oder zumindest grober Fahrlässigkeit für einen eingetretenen entgangenen Gewinn zu haften. Auf den vorliegenden Fall übertragen, würde dies bedeuten, dass eine Haftung des Beklagten demnach ein grobes Verschulden von diesem voraussetze, für dessen Vorliegen jedoch jeglicher Anhaltspunkt fehle. Die Klage sei schon aus diesem Grunde abzuweisen.
Der Klägerin sei es darüber hinaus auch nicht
gelungen, die notwendige Kausalität, deren Beweispflicht bei der Klägerin liege, zwischen dem behaupteten Absatzrückgang und der Erlassung des § 7a TabakG nachzuweisen. Die tatsächlichen Ursachen für den Gewinnrückgang der Klägerin seien jedenfalls woanders gelegen, als in der von der Klägerin behaupteten Unionsrechtswidrigkeit des § 7a TabakG, wie beispielsweise im Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union und den damit zusammenhängenden Änderungen im Bereich der Steuer- und Preisdifferenzen oder in den aus gesundheits- und jugendpolitischen Gründen geführten Raucherkampagnen.
1.3. Am langte beim Verfassungsgerichtshof ein weiterer, als "Replik" und "Klagsausdehnung" bezeichneter Schriftsatz der Klägerin ein, in der diese der Gegenschrift des Beklagten detailliert entgegentritt und zur Frage der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes im Wesentlichen vorbringt, dass der Schaden der Klägerin unmittelbar auf dem unionsrechtswidrigen § 7a TabakG beruhe, zumal allein diese Bestimmung und nicht deren Vollziehung die Kunden der Klägerin davon abgehalten habe, ihre Einkaufszentren zu besuchen bzw. in diesen mehr als die erlaubte Menge an Tabakerzeugnissen zu erwerben. Der Verfassungsgerichtshof habe in seiner Entscheidung
VfSlg. 16.107/2001 ausgesprochen, dass eine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über Staatshaftungsansprüche wegen legislativen Unrechts dann bestehe, wenn die anspruchsbegründenden Handlungen oder Unterlassungen nicht einem hoheitlich tätig gewordenen Vollzugsorgan oder einem privatrechtsförmig tätig gewordenen Staatsorgan, sondern - wie im vorliegenden Fall - unmittelbar dem Gesetzgeber zuzuordnen seien. Selbst dann, wenn die österreichischen Behörden § 7a TabakG nicht vollzogen hätten, hätte sich der Durchschnittsösterreicher an die gesetzlichen Beschränkungen gehalten und nicht mehr Tabakerzeugnisse als erlaubt in den Einkaufszentren der Klägerin erworben. Eine Zuständigkeit der Amtshaftungsgerichte sei daher mangels Handlungen oder Unterlassungen "in Vollziehung der Gesetze" iSd Amtshaftungsgesetzes nicht gegeben. Die von der Bundesregierung erörterte Frage eines unionsrechtskonformen Anwendungsbereiches des § 7a TabakG erweise sich in diesem Zusammenhang jedenfalls als gänzlich irrelevant, zumal es eben gerade nicht darauf ankomme, wie § 7a TabakG konkret vollzogen worden sei. Da der Schaden der Klägerin somit unmittelbar durch einen unionsrechtswidrigen Akt des Gesetzgebers entstanden sei, sei der Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung über die vorliegende Klage zuständig.
Zur Begründetheit des Klagebegehrens tritt die Klägerin dem Beklagten in seiner Ansicht, die verletzte Norm verleihe der Klägerin keine Rechte, entgegen und führt dazu auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass diese Interpretation des Beklagten verkenne, dass eine Einfuhrbeschränkung für Tabakerzeugnisse den Handel der Klägerin mit diesen maßgeblich behindere. Sowohl aus Art 34 AEUV als auch aus Art 13 Abs 1 der Tabak-RL sei das Recht all jener, die durch unionsrechtswidrige Vorschriften beim Handel mit Tabakerzeugnissen behindert und einen Schaden erleiden würden, ableitbar, diesen bei den Gerichten der Mitgliedstaaten einzuklagen. Dazu führt die Klägerin weiters wörtlich aus:
"Art 34 AEUV verbietet mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung. Das Ziel des in Art 34 AEUV festgelegten Verbots liegt darin, den freien innergemeinschaftlichen Warenverkehr zu gewährleisten, dh staatliche Hindernisse im Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten auszuschalten und damit einen freien Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes dadurch zu sichern, dass aus anderen Mitgliedstaaten gelieferte Waren den gleichen Marktzugang erhalten, wie im Inland hergestellte und verkaufte Erzeugnisse. Der in Art 28 EG in Bezug auf innergemeinschaftliche Warenbewegungen verwendete Begriff 'Einfuhr' ist inzwischen obsolet geworden, weil er sich mit der Konzeption eines Binnenmarktes nicht vereinbaren lässt. Der Sinngehalt des Verbots bleibt jedoch bestehen (vgl Lux in Lenz/Borchardt EU- und EG-Vertrag4, Art 28 EG Rz 1, 2, 4 und 9). Um dieses Ziel zu erreichen, hat der EuGH Maßnahmen gleicher Wirkung weit definiert, als 'Handelsregelungen der Mitgliedstaaten, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern' (Rs 8/74, Dassonville, Slg 1974, 837). Diese weite Definition, die für produktbezogene Regelungen nach wie vor gilt und nur hinsichtlich Verkaufsmodalitäten in der Keck-Entscheidung eingeschränkt wurde, bedingt, dass gleichzeitig auch der Kreis jener, die Rechte aus einer Verletzung von Art 34 AEUV ableiten können, weit gefasst ist.
§7a TabakG ist eine Maßnahme gleicher Wirkung iSd
Art34 AEUV. Es handelt sich um eine Vorschrift, die die Aufmachung von Tabakerzeugnissen regelt, somit eine produktbezogene Regelung. Sie ist geeignet, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern, da Tabakerzeugnisse ohne deutschsprachige Warnhinweise nur in geringeren als sonst erlaubten Mengen nach Österreich eingeführt werden dürfen, was de facto alle Tabakwaren, die in nicht-deutschsprachigen EU-Mitgliedstaaten in Verkehr gebracht wurden, betrifft. Da die Klägerin Tabakwaren in einem nicht-deutschsprachigen EU-Mitgliedstaat verkauft, noch dazu nahe der österreichischen Grenze, wirkt sich die gemeinschaftsrechtswidrige Maßnahme gleicher Wirkung unmittelbar auf ihren Absatz aus. Die Klägerin kann daher aus der Verletzung von Art 34 AEUV direkt Rechte ableiten.
Ähnliches gilt für Art 13 Abs 1 der Richtlinie
2001/37/EG. Diese Bestimmung verleiht der Klägerin das Recht, Tabakerzeugnisse, deren Aufmachung den Rechtsvorschriften am Ort des Inverkehrbringens entspricht, im gesamten EU-Raum frei handeln zu können. § 7a TabakG verletzt dieses Recht, indem es die Einfuhr richtlinienkonform in Verkehr gebrachter Tabakwaren nach Österreich mengenmäßig beschränkt, wodurch der Klägerin der geltend gemachte Schaden entstanden ist. Es ist in diesem Zusammenhang vollkommen unerheblich, ob die Klägerin die Tabakwaren selbst nach Österreich einführt oder ob ihre Kunden die Tabakwaren einführen. Der Schaden entsteht durch die Einfuhrbeschränkung, die nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist und jeder, der aus dieser Gemeinschaftsrechtswidrigkeit einen Schaden erleidet, hat auch das Recht, diesen gerichtlich geltend zu machen. Die Klägerin kann daher auch aus Art 13 Abs 1 der Richtlinie 2001/37/EG direkt Rechte ableiten." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
Im Zusammenhang mit dem Vorliegen eines
qualifizierten Verstoßes gegen das Unionsrecht weist die Klägerin erneut darauf hin, dass es sich bei der Tabak-RL um eine Harmonisierungsrichtlinie handle, die geschaffen worden sei, um das Funktionieren des Binnenmarktes für Tabakerzeugnisse zu verbessern und gleichzeitig einen ausreichenden Gesundheitsschutz der Verbraucher sicherzustellen. Gesundheitspolitische Zielsetzungen bildeten jedenfalls nicht den primären Regelungszweck der Richtlinie. Die Ansicht der Bundesregierung, wonach die Tabak-RL auf die Sonderkonstellation privater Einfuhren in größerer Stückzahl nicht anwendbar sei, da diese das Gesundheitsziel der Richtlinie konterkarieren würden, sei nicht haltbar. Die Richtlinie bezwecke die Beseitigung von Handelshemmnissen durch die Harmonisierung der Vorschriften der Mitgliedstaaten der Europäischen Union betreffend die Aufmachung von Tabakerzeugnissen. Eine Ausnahme für private Einfuhren in größerer Stückzahl würde das angestrebte Ziel, nämlich die Verbesserung der Bedingungen für das Funktionieren des Binnenmarktes, geradezu torpedieren. Die über die Tabak-RL hinausgehenden gesundheitspolitischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union seien ausschließlich in Bereichen zulässig, die von der Richtlinie nicht harmonisiert worden seien, weil nur auf diese Weise das angestrebte Ziel eines Binnenmarktes erreicht werden könne.
Der Bund könne sich zur Rechtfertigung des § 7a TabakG auch nicht auf Art 34 AEUV stützen. Zwar erlaube die Cassis-de-Dijon-Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit aus bestimmten, im öffentlichen Interesse liegenden Gründen, wie insbesondere dem Schutz der öffentlichen Gesundheit, allerdings scheide eine Berufung auf diese Gründe aus, wenn die Europäische Union in dem betreffenden Bereich bereits eine Harmonisierungsrichtlinie erlassen habe. Abweichende Bestimmungen seien nur soweit zulässig, als es die Harmonisierungsrichtlinie erlaube. Bei der Tabak-RL handle es sich um eine Harmonisierungsrichtlinie, die Beschränkungen der Einfuhr von Tabakerzeugnissen aus Gründen, die mit den gesundheitsrelevanten Warnhinweisen in Zusammenhang stünden, untersage. Da die Bestimmung des § 7a TabakG eine solche Beschränkung für nach den Vorschriften der Richtlinie in einem Mitgliedstaat in Verkehr gebrachte Tabakerzeugnisse vorsehe, erweise sie sich als unionsrechtswidrig.
Bei der vom Beklagten zitierten Entscheidung der Europäischen Kommission, die nicht zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens verpflichtet sei, handle es sich in erster Linie um eine politische und nicht um eine rechtliche Entscheidung, die jeglicher Grundlage im Unionsrecht entbehre und aus der daher auch nicht abgeleitet werden könne, dass § 7a TabakG unionsrechtskonform sei. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass die Europäische Kommission Österreich dazu aufgefordert habe, § 7a TabakG zu modifizieren.
Es sei bereits aus der Entstehungsgeschichte der verfahrensgegenständlichen Bestimmung des § 7a TabakG sowie den ihrer Erlassung vorangegangenen Diskussionen sowie Protestaktionen seitens der österreichischen Tabaktrafikanten deutlich erkennbar, dass es sich bei dieser Bestimmung um keine Maßnahme des Gesundheitsschutzes handle, sondern vielmehr um eine protektionistische bzw. fiskalische Maßnahme zum Schutz der österreichischen Tabaktrafikanten. Vor diesem Hintergrund werde deutlich, dass der österreichische Gesetzgeber vorsätzlich eine Regelung getroffen habe, die dem Unionsrecht widerspreche und gesundheitspolitische Erwägungen lediglich vorgeschoben habe.
Darüber hinaus habe der Gesetzgeber der Klägerin den ihr entstandenen Schaden vorsätzlich zugefügt, zumal sich die der Erlassung des § 7a TabakG vorangegangenen Proteste der heimischen Tabaktrafikanten gerade gegen Unternehmen wie jenes der Klägerin richteten, die aufgrund des unterschiedlichen Steuer- und Preisniveaus viele Kunden aus dem österreichischen Staatsgebiet anzögen. Genau diese Unternehmen sollten durch eine Beschränkung der Einfuhr von Zigaretten mit fremdsprachigen Warnhinweisen ganz bewusst geschädigt werden. Die österreichische Regierung habe bereits vor Erlassung der verfahrensgegenständlichen Bestimmung gewusst, dass diese unionsrechtswidrig sein werde. Es liege somit nicht nur ein qualifizierter, sondern ein geradezu offenkundiger und vorsätzlicher Verstoß gegen Unionsrecht vor.
Zur Haftung für den entgangenen Gewinn bringt die Klägerin vor, dass die Ansicht der Bundesregierung, wonach ein Ersatz des entgangenen Gewinns lediglich bei grober Fahrlässigkeit gebühre, nicht zutreffend sei. Diese zusätzliche Voraussetzung würde die Durchsetzung des Entschädigungsanspruches übermäßig erschweren und sei mit den vom Gerichtshof der Europäischen Union zur Staatshaftung entwickelten Grundsätzen nicht vereinbar. Eine analoge Anwendbarkeit des ABGB komme daher hinsichtlich der Frage der Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinns nicht in Betracht. Im Übrigen habe der österreichische Gesetzgeber die Klägerin durch die Erlassung des § 7a TabakG zumindest grob fahrlässig geschädigt. Darüber hinaus handle es sich bei dem von der Klägerin geltend gemachten Schaden ohnedies um einen positiven Schaden im Sinne der Judikatur des Obersten Gerichtshofes. Selbst bei Annahme, dass es sich bei dem bei der Klägerin eingetretenen Schaden tatsächlich um einen solchen aus entgangenem Gewinn handle, sei die Ersatzpflicht des Bundes jedenfalls gegeben.
Zur Begründung des Vorliegens eines unmittelbaren Kausalzusammenhanges zwischen dem Verstoß des österreichischen Gesetzgebers gegen Unionsrecht und dem eingetretenen Schaden weist die Klägerin erneut darauf hin, dass bei Nichterlassung des § 7a TabakG die Kunden der Klägerin mehr als die in dieser Bestimmung vorgesehene Menge an Tabakerzeugnissen nach Österreich importiert hätten. Dieser Umsatzverlust liege unter den gegebenen Umständen auch nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, womit der Schaden nicht nur kausal, sondern auch adäquat verursacht worden sei.
Die mit demselben Schriftsatz erfolgte
Klagsausdehnung von ursprünglich € 147.778.447,- auf nunmehr € 161.278.408,- begründet die Klägerin mit den ihr nunmehr vorliegenden Verkaufs- und Umsatzzahlen der Monate Oktober bis Dezember 2010.
1.4. Der Beklagte erstattete zu dieser Replik der Klägerin eine als "Duplik" bezeichnete Äußerung, in welcher er an seinen bisher vorgetragenen Rechtsauffassungen festhält und diese erneut näher erörtert.
1.5. In Erwiderung der Duplik der Bundesregierung
brachte die Klägerin einen weiteren als "Replik" bezeichneten Schriftsatz ein, mit dem sie den Argumenten der Beklagten erneut entgegentritt und an ihrem Antrag festhält.
2. Zu A20/11:
2.1. Mit ihrer auf Art 137 B-VG gestützten Klage gegen den Bund beantragt die Klägerin die Fällung des folgenden Urteils:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden
Partei den Betrag von € 800.000,00 samt 4 % Zinsen ab zu bezahlen und ihr die Prozesskosten zu Handen der Klagevertreter zu ersetzen, all dies binnen 14 Tagen bei sonstiger Zwangsfolge."
Die Klägerin führt in der vorliegenden Klage dazu im Wesentlichen aus:
Die Klägerin "befass[e] sich unter anderem auch mit dem Handel von Tabakwaren" im Grenzgebiet zwischen der Republik Österreich und der Republik Slowenien. Sie habe dabei einen Umsatzentgang erlitten, der auf die Verletzung des Unionsrechts unmittelbar durch den österreichischen Gesetzgeber zurückzuführen sei, der "durch die Novellierung des § 7a des österreichischen Tabakgesetzes zum Jahresende 2007" eine unzulässige Einfuhrbeschränkung von Tabakerzeugnissen aus der Republik Slowenien beschlossen habe.
Der österreichische Gesetzgeber habe dabei
unberücksichtigt gelassen, dass in diesem Grenzgebiet einige tausend slowenischsprachige Österreicher lebten, die regelmäßig bei der Klägerin einkauften. In diesem Zusammenhang sei auf die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Kärnten (UVS , KUVS-1226/2/2009) zu verweisen, in der dieser unter Berufung auf die Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union zurecht die Auffassung vertreten habe, dass ein Mitgliedstaat nicht ausschließlich seine Amtssprache auf den Etiketten der Tabakerzeugnisse verlangen dürfe, sondern auch solche akzeptieren müsse, die in den unmittelbaren Nachbarstaaten der Europäischen Union als Amtssprache gelten würden.
Im vorliegenden Fall sei weiters zu beachten, dass in den angrenzenden Bezirken in Kärnten die slowenische Sprache als zweite Amtssprache verfassungsgesetzlich gewährleistet und gesichert sei. Ein Warnhinweis in slowenischer Sprache, die Gesundheitsbeeinträchtigung von Tabakerzeugnissen betreffend, habe daher ausreichend sein müssen.
2.2. Die Bundesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der sie im Wesentlichen mit den gleichlautenden Argumenten wie zu A28/10 die Zurückweisung der Klage, in eventu ihre Abweisung beantragt.
II. Rechtslage
1. § 7a TabakG wurde mit der Novelle BGBl. I 105/2007 in das TabakG eingefügt und lautete wie folgt:
"Private Einfuhr
§7a. Tabakerzeugnisse, die eine natürliche Person
außerhalb des Bundesgebietes erwirbt und nur für private und nicht für gewerbliche Zwecke bestimmt sind, dürfen, sofern die auf diesen Tabakerzeugnissen aufgebrachten Warnhinweise den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht entsprechen, nur unter den nachstehenden Beschränkungen in das Inland verbracht und im Inland in Gewahrsame gehalten werden:
1. Zigaretten im Ausmaß von höchstens 200 Stück,
2. Zigarren im Ausmaß von höchstens 50 Stück,
3. Zigarillos im Ausmaß von höchstens 100 Stück,
4. Rauchtabak im Ausmaß von höchstens 250 Gramm oder
5. eine anteilige Zusammenstellung dieser Waren bis zu höchstens 250 Gramm."
2. § 6 TabakG bestimmt über die in § 7a TabakG
erwähnten Warnhinweise Folgendes:
"Form der Anbringung der Warnhinweise und der Angabe des Kondensat-(Teer-), Nikotin- und Kohlenmonoxidgehalts
§6. (1) Der Warnhinweis nach § 5 Abs 1 als auch der Warnhinweis nach § 5 Abs 5 muss mindestens 30 vH der Außenfläche der entsprechenden Breitseite der Packung einnehmen, auf der er angebracht ist.
(2) Der ergänzende Warnhinweis nach § 5 Abs 2 muss
mindestens 40 vH der Außenfläche der entsprechenden Breitseite der Packung einnehmen, auf der er angebracht ist.
(3) Bei Packungen von Tabakerzeugnissen zum Rauchen, die nicht Zigaretten sind, deren am ehesten ins Auge fallende Breitseite mehr als 75 cm2 aufweist, dürfen die allgemeinen als auch die ergänzenden Warnhinweise das in Abs 1 festgelegte Ausmaß unterschreiten, müssen jedoch eine Fläche von mindestens 22,5 cm2 auf jeder der Breitseiten einnehmen.
(4) Die Angaben nach § 4a sind auf einer Schmalseite der Zigarettenpackung so aufzudrucken, dass sie mindestens 10 vH der betreffenden Fläche einnehmen.
(5) Alle Warnhinweise nach § 5 sowie die Angaben
betreffend Kondensat-(Teer-), Nikotin- und Kohlenmonoxidgehalt nach § 4a
1. sind in Helvetica fett schwarz auf weißem
Hintergrund zu drucken, wobei eine Punktgröße der Schrift zu wählen ist, dergemäß der aufgedruckte Wortlaut den größtmöglichen Anteil der zur Verfügung stehenden Fläche einnimmt;
2. sind in Kleinschrift mit Ausnahme des ersten
Buchstaben des Hinweises und den aus Rechtschreibgründen notwendigen Großbuchstaben aufzudrucken;
3. sind auf der für den Wortlaut bestimmten Fläche parallel zur Oberkante der Packung zu zentrieren;
4. sind auf Packungen von zum Rauchen bestimmten Tabakerzeugnissen mit einem schwarzen Balken von mindestens 3 mm und höchstens 4 mm Breite zu versehen, der den gesamten Text des Warnhinweises umrandet ohne die Lesbarkeit des Warnhinweises zu beeinträchtigen;
5. sind in deutscher Sprache zu verfassen;
6. sind unablösbar und unverwischbar aufzudrucken. Bei anderen Tabakerzeugnissen als Zigaretten dürfen die Warnhinweise auch mittels nicht entfernbarer Aufkleber angebracht werden;
7. dürfen nicht durch andere Angaben oder Bildzeichen verdeckt oder undeutlich gemacht werden;
8. sind an einem nicht aufklappbaren Teil der Packung so anzubringen, dass sie beim Öffnen der Verpackung nicht verdeckt, undeutlich gemacht oder getrennt werden können."
3. Ein Verstoß gegen § 7a des TabakG wird mit einer Verwaltungsstrafe sanktioniert. Der diesbezügliche § 14 TabakG lautet auszugsweise:
"Strafbestimmungen
§14. (1) Wer
1. Tabakerzeugnisse entgegen § 2 in Verkehr bringt,
1a. entgegen § 7a Tabakerzeugnisse in das Inland
verbringt oder im Inland in Gewahrsame hält,
2. gegen die Meldepflicht gemäß § 8 verstößt oder
3. entgegen § 11 Werbung oder Sponsoring betreibt,
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 7 260 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 14 530 Euro zu bestrafen.
(2) - (5) [...]"
Gemäß § 17 Abs 6 TabakG sind § 7a und § 14 Abs 1 Z 1a
leg.cit. idF BGBl. I 105/2007 mit in Kraft und mit Ablauf des außer Kraft getreten.
4. Die Klägerinnen behaupten, die zitierten
Bestimmungen des TabakG stünden im Widerspruch zu Unionsrecht, insbesondere zu Art 13 der Tabak-RL, der wie folgt lautet:
"Einfuhr, Verkauf und Konsum von Tabakerzeugnissen
(1) Die Mitgliedstaaten dürfen die Einfuhr, den Verkauf und den Konsum von Tabakerzeugnissen, die dieser Richtlinie entsprechen, nicht aus Gründen untersagen oder beschränken, die mit der Begrenzung des Teer-, Nikotin- oder Kohlenmonoxidgehalts von Zigaretten, den gesundheitsrelevanten Warnhinweisen und sonstigen Angaben oder anderen Erfordernissen dieser Richtlinie zusammenhängen; ausgenommen sind Maßnahmen zur Überprüfung der nach Artikel 4 mitgeteilten Angaben.
(2) Von dieser Richtlinie bleibt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, im Einklang mit dem Vertrag strengere Vorschriften für die Herstellung, die Einfuhr, den Verkauf und den Konsum von Tabakerzeugnissen beizubehalten oder zu erlassen, die sie zum Schutz der Gesundheit für erforderlich halten, soweit diese strengeren Vorschriften nicht in Widerspruch zu dieser Richtlinie stehen.
(3) [...]"
5. Wie die Tabak-RL in ihren Erwägungsgründen 2 und 3 festhält, unterscheiden sich die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen wesentlich, was zu einer Behinderung des Binnenmarktes führt und daher durch eine Angleichung der Vorschriften beseitigt werden soll. Laut Erwägungsgrund 3 bleibt es jedoch den Mitgliedstaaten überlassen, unter bestimmten Voraussetzungen als notwendig erachtete Maßnahmen zu treffen, um den Gesundheitsschutz des Einzelnen zu gewährleisten. Erwägungsgrund 4 lautet:
"Gemäß Artikel 95 Absatz 3 des Vertrags sollte in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz von einem hohen Schutzniveau ausgegangen werden, und dabei sind insbesondere alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen zu berücksichtigen. Angesichts der besonders schädlichen Wirkungen des Tabaks sollte dem Gesundheitsschutz in diesem Zusammenhang Vorrang eingeräumt werden."
Bereits mit der Richtlinie 89/622/EWG des Rates vom zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung von Tabakerzeugnissen wurde festgelegt, dass die Verpackungen aller Tabakerzeugnisse einen allgemeinen Warnhinweis und Zigaretten darüber hinaus zusätzliche Warnhinweise tragen müssen (dieses Erfordernis wurde 1992 auf andere Tabakerzeugnisse ausgedehnt). Wie jedoch Erwägungsgrund 19 der Tabak-RL festhält, unterscheidet sich die Darstellung der Warnhinweise und der Schadstoffangaben in den einzelnen Mitgliedstaaten, was dazu führen kann, dass die Verbraucher in einem Mitgliedstaat besser über die Gefahren des Tabaks informiert sind als in einem anderen. Da diese Unterschiede nicht hinnehmbar seien und beseitigt werden sollen, ist es - Erwägungsgrund 19 zufolge - erforderlich, die bestehenden Rechtsvorschriften unter Gewährleistung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus nachdrücklicher und klarer zu gestalten. Zweck der Tabak-RL sei gemäß Art 1 die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten u. a. für die gesundheitsrelevanten Warnhinweise und sonstigen Angaben auf den Verpackungen von Tabakerzeugnissen. Wie diese Warnhinweise zu gestalten sind, ist in Art 5 der Tabak-RL unter der Überschrift "Etikettierung" näher festgelegt. Nach Abs 2 dieser Bestimmung haben alle Packungen von Tabakerzeugnissen, außer solche zum oralen Gebrauch und sonstige nicht zum Rauchen bestimmte Tabakerzeugnisse, einen der beiden unter lita festgehaltenen allgemeinen Warnhinweis (bspw. "Rauchen ist tödlich") sowie einen in Anhang I der Tabak-RL aufgelisteten ergänzenden Warnhinweis (bspw. "Raucher sterben früher") zu enthalten. Diese Warnhinweise sind, um regelmäßig auf den Packungen zu erscheinen, abwechselnd zu verwenden sowie auf der am ehesten ins Auge fallenden Breitseite der Packung aufzudrucken. Das Abbilden von abschreckenden Farbfotografien ist gemäß Abs 3 des Art 5 der Tabak-RL zulässig, darf jedoch lediglich ergänzend zu den Warnhinweisen Verwendung finden. Gemäß Abs 4 haben Tabakerzeugnisse zum oralen Gebrauch folgenden, ebenfalls auf der am ehesten ins Auge fallenden Breitseite angebrachten, Warnhinweis zu enthalten: "Dieses Tabakerzeugnis kann ihre Gesundheit schädigen und macht abhängig.".
Die Abs 5 bis 6 des Art 5 der Tabak-RL führen näher
aus, in welcher (Schrift-)größe, Schriftart, Schriftfarbe und Layout die Warnhinweise auf der Packung aufzudrucken sind. Abs 6 lite leg.cit. legt weiters fest, dass die Warnhinweise in der bzw. den Amtssprachen des Mitgliedstaats abzufassen sind, in dem das Erzeugnis in Verkehr gebracht wird. Die auf den Packungen aufgedruckten Hinweise dürfen darüber hinaus (Abs7) nicht an der Steuerbanderole angebracht werden. Sie müssen unablösbar und unverwischbar sein und beim Öffnen der Packung erhalten bleiben.
6. § 7a TabakG regelt den Import von Tabakerzeugnissen durch eine natürliche Person für private und nicht für gewerbliche Zwecke. Art 9 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren legt Kriterien, wie bspw. die Menge der mitgeführten Waren, fest, die vom jeweiligen Mitgliedstaat zur Beurteilung der Gewerbsmäßigkeit zu berücksichtigen sind, und erleichtert damit dem Mitgliedstaat die Feststellung, ob die von einer natürlichen Person aus einem anderen Mitgliedstaat mitgebrachte Ware für den Eigenbedarf oder zu gewerblichen Zwecken von dieser importiert worden ist. Die Mitgliedstaaten können Richtmengen festlegen, die gemäß Art 9 Abs 2 lita der RL 92/12/EWG für Tabakwaren jedoch den Wert von 800 Zigaretten nicht unterschreiten dürfen. Diese Bestimmung lautet wörtlich wie folgt:
"(1) Unbeschadet der Artikel 6, 7 und 8 entsteht die Verbrauchsteuer, wenn die in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführten Waren zu gewerblichen Zwecken in einem anderen Mitgliedstaat in Besitz gehalten werden.
In diesem Fall wird die Verbrauchsteuer in dem Mitgliedstaat geschuldet, auf dessen Gebiet sich die Waren befinden, und von der Person, in deren Besitz sie sich befinden.
(2) Bei der Feststellung, ob die in Artikel 8
genannten Waren zu gewerblichen Zwecken bestimmt sind, haben die Mitgliedstaaten unter anderem folgende Kriterien zu berücksichtigen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | handelsrechtliche Stellung und Gründe des Besitzers für den Besitz der Waren; |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | Ort, an dem die Waren sich befinden, oder | |||||||||
gegebenenfalls verwendete Beförderungsart; |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | Unterlagen über die Waren; |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | Beschaffenheit der Waren; |
Tabelle in neuem Fenster öffnen
- | Menge der Waren. |
Für die Anwendung des fünften Gedankenstrichs von Unterabsatz 1 können die Mitgliedstaaten Richtmengen festlegen, jedoch nur, um einen Anhaltspunkt zu gewinnen.
Diese Richtmengen dürfen folgende Werte nicht unterschreiten:
a) Tabakwaren
Zigaretten 800 Stück
Zigarillos (Zigarren mit einem
Höchstgewicht von 3 g/Stück) 400 Stück
Zigarren 200 Stück
Rauchtabak 1,0 kg
b) Alkoholische Getränke
[...]
(3) [...]"
III. Prozessvoraussetzungen
1. Der Verfassungsgerichtshof hat die Klagen in
sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.
2. Nach Art 137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
3.1. Die Klägerinnen machen einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen den Bund geltend. Sie stützen ihren Anspruch auf den Titel der Staatshaftung, weil der Bund eine Richtlinie des Unionsrechts, nämlich die Richtlinie 2001/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen (Tabak-RL), fehlerhaft umgesetzt habe. Sie machen also gegen den Bund eine Staatshaftung wegen "legislativen Unrechts" im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes geltend (s. VfSlg. 18.950/2009 und die darin zitierte Vorjudikatur).
3.2. Die Klägerinnen stützen ihren Anspruch darauf, dass der Gesetzgeber Art 13 der Tabak-RL verletzt sowie gegen die Warenverkehrsfreiheit, Art 34 AEUV, verstoßen habe. Gemäß Art 13 dieser Richtlinie dürften - auf das Wesentliche zusammengefasst - nach dem Vorbringen pro Person bis zu 800 Zigaretten sowie vergleichbare Mengen anderer Tabakerzeugnisse (im Folgenden wird der Einfachheit halber häufig nur von Zigaretten gesprochen, obwohl sich die Vorschriften jeweils auch auf sonstige Tabakerzeugnisse beziehen) auch mit nicht dem § 6 TabakG entsprechenden, insbesondere nicht auf deutsch verfassten, Warnhinweisen nach Österreich eingeführt werden. § 7a TabakG beschränke diese Menge aber auf maximal 200 Zigaretten. Hiedurch sei den Klägerinnen ein Schaden - nämlich ein entgangener Gewinn - dadurch entstanden, dass in ihren, außerhalb Österreichs liegenden, Verkaufsstätten pro Person lediglich 200 und nicht 800 Zigaretten verkauft worden wären.
4. Der Verfassungsgerichtshof ist für die Wahrnehmung von legislativem Unrecht nur dann zuständig, wenn der Akt, der die unionsrechtliche Staatshaftung auslöst, unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen ist (vgl. zB VfSlg. 18.824/2009 unter Hinweis auf VfSlg. 16.107/2001, 17.002/2003).
4.1. Bereits in VfSlg. 16.107/2001 hat der Verfassungsgerichtshof ausgeführt, dass seine Zuständigkeit nach Art 137 B-VG nicht immer undifferenziert dann anzunehmen ist, wenn der Grund für die gemeinschafts(unions-)rechtliche Rechtswidrigkeit in einem "legislativen Unrecht" liegt, sondern hat betont:
"Vielmehr besteht eine Zuständigkeit des VfGH in
diesem Fall bloß dann, wenn die anspruchsbegründenden Handlungen oder Unterlassungen nicht einem hoheitlich tätig gewordenen Vollzugsorgan oder einem privatrechtsförmig tätig gewordenen Staatsorgan, sondern unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen sind, etwa weil eine Ermächtigung eines Staatsorgans zu einer entsprechenden Tätigkeit gesetzlich (zB bei Untätigbleiben des Gesetzgebers bei der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben) gar nicht vorgesehen ist. Immer dann aber, wenn der Kläger seinen Anspruch auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts stützt, die er der Vollziehung zurechnet, so sind grundsätzlich - anderes mag in Ansehung des § 2 Abs 3 AHG iVm Art 137 B-VG gelten (was aber in diesem Verfahren dahingestellt bleiben kann) - die Amtshaftungsgerichte zuständig (so zutreffend Rebhahn, aaO, S 176); gleiches gilt mutatis mutandis, wenn das Staatsorgan, dem der Kläger das anspruchsbegründende gemeinschaftsrechtswidrige Staatshandeln zurechnet, privatrechtsförmig tätig wurde: auch diesfalls sind die ordentlichen Gerichte zuständig, darüber zu befinden."
4.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Folge
präzisiert (vgl. VfSlg. 18.600/2008), dass seine Zuständigkeit zur Entscheidung über vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Titel der Staatshaftung nach Gemeinschafts(Unions-)Recht wegen "legislativen Unrechts" nur dann besteht, wenn die anspruchsbegründenden Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen sind. Er hat in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass "es bei der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte auch für eine gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung [bleibt], wenn der behauptete Schaden an ein verwaltungsbehördliches oder gerichtliches Handeln [anknüpft]".
4.3. Aus der Judikatur geht weiters hervor, dass dies auch dann gilt, wenn die verwaltungsbehördliche oder gerichtliche Handlung durch ein Fehlverhalten des Gesetzgebers vorherbestimmt ist (vgl. VfSlg. 16.107/2001, 17.611/2005, 18.020/2006). Eine auf Gemeinschafts(Unions-)recht gestützte Staatshaftungsklage unterliegt der Zuständigkeit der Amtshaftungsgerichte somit auch dann, wenn die schadenskausale Handlung der Vollziehung durch ein gemeinschafts(unions-)rechtswidriges Gesetz "zwingend vorherbestimmt" sein sollte (vgl. u.a. VfSlg. 18.600/2008).
4.4. Ob die behauptete
Gemeinschafts(Unions-)rechtswidrigkeit bereits auf Ebene des Gesetzes oder auf Ebene der Vollziehung zu vermeiden gewesen wäre, ist für die Frage der Zuständigkeit des Amtshaftungsgerichtes irrelevant. Ob die dem behördlichen Vorgehen zu Grunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen dem Unionsrecht entsprechen, unterläge der Beurteilung durch das Amtshaftungsgericht im Rahmen einer meritorischen Entscheidung, ist aber für die Zuständigkeitsfrage nicht entscheidend.
5. Unter Bezugnahme auf diese Judikatur bestreitet die Bundesregierung die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes auf das Wesentliche zusammengefasst mit der Begründung, dass § 7a TabakG "der Anwendung durch Organe der Vollziehung überantwortet" sei, einschließlich der richtigen Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Bestimmung (auch ihrer allfälligen Nichtanwendung in Konstellationen, in denen die Bestimmung zu unionsrechtswidrigen Ergebnissen geführt hätte). Die bloße Behauptung der Unionsrechtswidrigkeit des Gesetzes zur Begründung einer Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes reiche nicht aus; es müsse darüber hinaus untersucht werden, ob die behaupteten Schäden unmittelbar der strittigen Gesetzesbestimmung des § 7a TabakG zurechenbar wären; dies wäre nur dann der Fall, wenn keine das Gesetz vollziehende behördliche Tätigkeit vorgesehen sei, wie im Falle des Erkenntnisses VfSlg. 17.002/2003. Wie sich aus ihrer Duplik ergibt, meint die Bundesregierung, dass die Vollziehung des § 7a TabakG der Kompetenz von Verwaltungsbehörden übertragen worden sei; für ein allfälliges Fehlverhalten dieser Organe wären die ordentlichen Gerichte im Wege des Amtshaftungsrechts zuständig. Als Indiz dafür wertet die Bundesregierung, dass sich unmittelbar aus dem § 7a TabakG nicht ergebe, welche konkreten Verhalten verboten wären, sondern diese Bestimmung einer Auslegung durch Vollzugsorgane bedürfe, aus deren Handeln dann erst eine allfällige Unionsrechtswidrigkeit festgestellt werden könnte.
6.1. Der Bundesregierung ist darin zuzustimmen, dass die bloße Behauptung, ein Schaden sei auf die Untätigkeit des Gesetzgebers zurückzuführen, für die Begründung der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als Staatshaftungsgericht gemäß Art 137 B-VG nicht ausreicht. Voraussetzung ist vielmehr, dass die Klägerin dartut, dass für den von ihr behaupteten Schaden die Untätigkeit des Gesetzgebers unmittelbar kausal war, sodass ihm dieses Fehlverhalten im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes unmittelbar zuzurechnen ist (VfSlg. 16.107/2001, 17.002/2003, 18.824/2009, 18.950/2009). Hiebei kommt es darauf an, welchen Schaden die Klägerin behauptet und ob der Schaden nach dem von ihr behaupteten Kausalverlauf zutreffender Weise unmittelbar auf ein Fehlverhalten des Gesetzgebers zurückzuführen ist.
6.2. Die Bundesregierung verweist nun ganz allgemein auf die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden zur Vollziehung des TabakG. Offenkundig meint sie damit, dass ein Zuwiderhandeln gegen § 7a TabakG gemäß § 14 Abs 1 Z 1a leg.cit. mit Verwaltungsstrafe bedroht ist und insoferne diese Bestimmung von den Verwaltungsstrafbehörden (§26 VStG) zu vollziehen ist. Aus den übrigen Ausführungen der Bundesregierung geht hervor, dass sie anscheinend meint, wenn § 7a TabakG unionsrechtswidrig wäre, dürften die Verwaltungsstrafbehörden ihn nicht anwenden. Täten sie dieses doch, könnte ein dadurch eintretender, auf unionsrechtswidrigem Handeln der Vollziehungsbehörde beruhender Schaden im Wege der Amtshaftungsgerichte geltend gemacht werden.
7. Zunächst ist davon auszugehen, dass die Bundesregierung mit dieser Argumentation nicht sagen will, dass die nunmehr mit den Klagen geltend gemachten Ansprüche von Verwaltungsbehörden zu vollziehen seien. Eine die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art 137 B-VG ausschließende Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden zur Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch existiert nicht. Es ist daher in der Folge zu prüfen, ob der Anspruch (als Amtshaftungsanspruch) bei den ordentlichen Gerichten geltend zu machen wäre.
7.1. Wie sich aus der oben unter Pkt. III.4.
dargestellten Judikatur ergibt, wäre dies - da im vorliegenden Fall die Qualifikation des Vollzugshandelns als privatrechtsförmiges Handeln des Staates oder eines ausgegliederten Rechtsträgers von vornherein auszuschließen ist - dann der Fall, wenn das anspruchsbegründende Handeln oder Unterlassen durch Organe der Vollziehung gesetzt wurde oder zu setzen gewesen wäre.
7.2. Vorauszuschicken ist weiters, dass - wie der Verfassungsgerichtshof ebenfalls in der Entscheidung VfSlg. 16.107/2001 hervorgehoben hat - die Frage, ob eine Zuständigkeit von Vollziehungsorganen besteht, unabhängig davon beurteilt werden muss, ob der geltend gemachte, im Unionsrecht wurzelnde Anspruch tatsächlich besteht, geht es zunächst doch um die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges, nämlich ob ein solcher Anspruch gemäß Art 137 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof oder nach den Vorschriften des Amtshaftungsgesetzes vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen ist. Ob die von den Klägerinnen herangezogenen Rechtsgrundlagen ihnen diesen Anspruch auch tatsächlich einräumen, ist hingegen Sache der inhaltlichen Beurteilung.
8.1. § 7a TabakG regelt die "private Einfuhr" und
gebietet natürlichen Personen, außerhalb des Bundesgebietes erworbene Tabakerzeugnisse, die nur für private und nicht für gewerbliche Zwecke bestimmt sind, höchstens in einem bestimmten Ausmaß ins Bundesgebiet zu verbringen und im Inland in Gewahrsam zu halten, wenn die auf diesen Tabakerzeugnissen aufgebrachten Warnhinweise den Bestimmungen des TabakG, vor allem also § 6 leg.cit. widersprechen (und unter anderem nicht gemäß § 6 Abs 5 Z 5 leg.cit. in deutscher Sprache verfasst sind).
Sofern eine natürliche Person gegen diese Vorschrift verstößt, begeht sie eine Verwaltungsübertretung und kann gemäß § 14 Abs 1 Z 1a TabakG von der Verwaltungsstrafbehörde mit einer Geldstrafe bestraft werden.
Das TabakG enthält keinerlei Vorschriften darüber, dass für den Import von Tabakerzeugnissen, die § 7a TabakG entsprechen, irgendeine Bewilligung erforderlich wäre. Ebenso wenig sieht es Bestimmungen vor, nach denen eine Bewilligung zum Import größerer Mengen, als sie nach § 7a leg.cit. erlaubt sind, erteilt werden könnte. Auch sonst existieren keine Vorschriften, nach denen § 7a TabakG in einem Bewilligungsverfahren oder einem ähnlichen Verwaltungsverfahren anwendbar wäre.
Der einzige Fall, in dem § 7a TabakG von der Verwaltung angewandt wird, ist jener, in dem ein privater Importeur gegen § 7a leg.cit. verstößt und deswegen die Verwaltungsstrafbehörde ein Verwaltungsstrafverfahren durchführt. Auf diesen Fall bezieht sich auch die Bundesregierung.
8.2. Demgegenüber sind die Klägerinnen als
gewerbliche Verkäuferinnen von Tabakerzeugnissen im Ausland tätig. § 7a TabakG enthält keine Verhaltensvorschriften für sie; sie sind daher auch von der Verwaltungsstrafbestimmung des § 14 Abs 1 Z 1a leg.cit. nicht bedroht. Dementsprechend sind sie auch nicht von allfälligen Verwaltungsstrafverfahren betroffen und es kommt ihnen gegenüber ein auf § 7a leg.cit. gestütztes Verwaltungshandeln nicht in Betracht.
8.3. Die Klägerinnen behaupten in Wahrheit auch gar nicht, dass ihnen ein Schaden durch ein unionsrechtswidriges Verhalten der Verwaltungsbehörden in diesem Sinne entstanden sei. Sie behaupten vielmehr, dass ihnen ein Schaden dadurch entstanden sei, dass sich jene Personen, an die sich § 7a iVm § 14 TabakG richtet, nämlich private Importeure von Zigaretten, an diese Vorschriften hielten und deswegen bei ihnen weniger Zigaretten kauften.
Dieses Verhalten Dritter wird vom Gesetzgeber
herbeigeführt, der in § 7a iVm § 14 TabakG den Import größerer Mengen von Tabakerzeugnissen verbietet und ein Zuwiderhandeln mit Strafe bedroht. Auch wenn eine solche Gesetzesvorschrift in aller Regel nur dann effektiv ist, wenn sie von den Verwaltungsstrafbehörden auch vollzogen wird (und insofern häufig ein Vollzugshandeln gegenüber Dritten vorkommen wird), so treten solche mit Strafsanktionen bewehrte gesetzgeberische Vorschriften schon mit dem Anspruch auf, dass Rechtsunterworfene sie zu befolgen haben. Ein durch solche Rechtsvorschriften hervorgerufenes Verhalten von Rechtsunterworfenen ist daher unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen.
8.4. Wie vorhin dargelegt, richtet sich § 7a TabakG an die privaten Importeure solcher Tabakerzeugnisse. Diese Importeure könnten behaupten, dass ihnen dadurch ein Schaden entstanden sei, weil sie sich an diese Vorschrift hielten und deswegen im Inland Tabakerzeugnisse zu höheren Preisen erwerben hätten müssen. Auch sie könnten keinen Anspruch nach den Vorschriften des Amtshaftungsgesetzes wegen unionsrechtswidrigen Verhaltens von Vollzugsbehörden geltend machen, weil es wegen ihres rechtmäßigen Verhaltens nicht zu einem Vollzugshandeln von Behörden kommt. Ein privater Importeur, der einen von § 7a TabakG verursachten unionsrechtswidrigen Schaden behauptet, könnte daher diesen im Wege einer Klage gemäß Art 137 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof geltend machen. Nichts anderes gilt für einen Kläger, der einen Schaden gestützt auf dieselbe unionsrechtliche Vorschrift geltend macht, auch wenn ihm die betreffende unionsrechtliche Vorschrift tatsächlich keine Rechte verleiht, weil diese Frage eine solche der Sachentscheidung ist und nicht eine solche der Zulässigkeit des Rechtsweges.
8.5. Angesichts der von den Klägerinnen behaupteten Rechtsverletzung, aus der für sie ein Schaden resultieren würde, treffen auf den von ihnen geltend gemachten Anspruch also genau jene Kriterien zu, die der Verfassungsgerichtshof als Voraussetzung für seine Zuständigkeit gemäß Art 137 B-VG zur Entscheidung über einen auf legislatives Unrecht gestützten Staatshaftungsanspruch aufgestellt hat.
9. Das Vorbringen der Bundesregierung zum Bestehen einer (abstrakten) Zuständigkeit von Vollziehungsorganen und der Möglichkeit, wegen deren allfälligen Fehlverhaltens die ordentlichen Gerichte anzurufen, trifft also nicht zu. Da somit weder die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde noch die der ordentlichen Gerichte gegeben ist, ist die auf Art 137 B-VG gestützte Klage zulässig.
IV. Erwägungen in der Sache
Der Anspruch der Klägerinnen ist allerdings nicht
begründet:
1. Voraussetzung einer Staatshaftung für legislatives Unrecht ist es, wie der Verfassungsgerichtshof - der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union folgend - wiederholt ausgesprochen hat (s. etwa die Zusammenfassung in VfSlg. 18.243/2007; vgl. weiters VfSlg. 18.805/2009 und zuletzt VfSlg. 18.950/2009), dass es durch das Verhalten von Organen eines Mitgliedstaats zur Verletzung einer unionsrechtlichen Norm gekommen ist, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, und dass ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen diesem Verstoß und dem Schaden besteht, der dem Einzelnen entstanden ist (vgl. und C-9/90, Francovich ua., Slg. 1991, I-5357; , Rs. C-46/93 und C-48/93, Brasserie du Pecheur, Slg. 1996, I-1029 [Rz 51]; , Rs. C-5/94, Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553 [Rz 32]; , Rs. C-178/94 ua., Dillenkofer ua., Slg. 1996, I-4845; , Rs. C-278/05, Carol Marilyn Robins ua., Slg. 2007, I-1053). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union besteht dabei aber keine reine Unrechtshaftung; vielmehr ist ein Verstoß gegen Unionsrecht nur dann haftungsbegründend, wenn er "hinreichend qualifiziert" ist (EuGH, Brasserie du Pecheur, Rz 55; Dillenkofer ua., Rz 21 ff.; , Rs. C-283/94 ua., Denkavit, Slg. 1996, I-5063 [Rz 48, 50 ff.]; , Rs. C-424/97, Haim, Slg. 2000, I-5123; uva.).
Nach der ständigen Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH, Brasserie du Pecheur, I-1162) sind folgende Voraussetzungen zur Geltendmachung eines Staatshaftungsanspruchs erforderlich:
"Ist ein Verstoß eines Mitgliedstaats gegen das Gemeinschaftsrecht dem nationalen Gesetzgeber zuzurechnen, der auf einem Gebiet tätig wird, auf dem er im Hinblick auf normative Entscheidungen über einen weiten Ermessensspielraum verfügt, so hat der Geschädigte einen Entschädigungsanspruch, sofern die verletzte gemeinschaftsrechtliche Vorschrift bezweckt, ihm Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem einzelnen entstandenen Schaden ein ummittelbarer Kausalzusammenhang besteht." (Hervorhebung nicht im Original)
2. Es ist daher zu untersuchen, ob die
unionsrechtliche Vorschrift, auf deren Verletzung sich die Klägerinnen berufen, bezweckt, ihnen Rechte zu verleihen. Daher ist zu untersuchen, von welchen Kriterien es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union abhängt, ob eine Person einzelne Rechte aus Vorschriften des Unionsrechts ableiten kann.
2.1. In der Rechtssache Francovich vor dem Gerichtshof der Europäischen Union ging es um die Frage der Staatshaftung wegen der nicht fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie zur Angleichung von Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers.
In dieser Entscheidung stellte der Gerichtshof der Europäischen Union erstmals die oben als ständige Rechtsprechung wiedergegebenen Voraussetzungen für die Staatshaftung auf, darunter erstens, dass das durch die Richtlinie vorgeschriebene Ziel die Verleihung von Rechten an Einzelne beinhalten muss und zweitens, dass der Inhalt dieser Rechte auf der Grundlage der Richtlinie bestimmt werden kann (Rz 40).
Diese beiden Kriterien hatte der Gerichtshof der Europäischen Union in der Entscheidung bereits davor unter dem Gesichtspunkt der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie betrachtet und hiezu in Rz 12 festgestellt, dass zu prüfen sei, ob die Richtlinie betreffend die Rechte der Arbeitnehmer unbedingt und hinreichend genau ist, wobei sich diese Prüfung auf drei Gesichtspunkte zu erstrecken habe, darunter als erstes die Bestimmung des Personenkreises, dem die vorgesehene Garantie zugute kommen soll. Bei dieser Prüfung des Personenkreises, der Rechte aus der Richtlinie wahrnehmen kann, schließt der Gerichtshof der Europäischen Union aus der Definition der Geltung der Richtlinie für "Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber", die zahlungsunfähig sind, dass dieser Personenkreis - der nach Ansicht des Gerichtshofes der Europäischen Union unbedingt und hinreichend genau bestimmt ist - aus der Richtlinie berechtigt sei (Rz 13 und 14) und in der Folge auch das Recht habe, eine Staatshaftung wegen Nichtumsetzung der Richtlinie geltend zu machen.
2.2. In den verbundenen Rechtssachen Brasserie du
Pecheur und Factortame vor dem Gerichtshof der Europäischen Union ging es jeweils um Schadenersatz wegen Verstößen des nationalen Gesetzgebers gegen Grundfreiheiten.
2.2.1. In der Rechtssache Brasserie du Pecheur
entstand einer Brauerei dadurch Schaden, dass die Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaats als jenem des Sitzes der Brauerei den Vertrieb von Bier von näheren Kriterien abhängig machte, die nach der damaligen Gemeinschaftsrechtsordnung nicht vorgesehen waren. Der Gerichtshof der Europäischen Union prüfte, welche Rechte der Brauerei aus der Warenverkehrsfreiheit (damals Art 30 EWG-Vertrag, nunmehr Art 34 AEUV) ableitbar sind.
2.2.2. In der Rechtssache Factortame klagte ein Fischereiunternehmen auf Schadenersatz, weil für die Ausübung der Fischerei von einem bestimmten Mitgliedstaat aus in diesem Registrierungsvorschriften zu erfüllen waren, die u.a. auf die Staatsbürgerschaft (bzw. sonstige Anknüpfungspunkte in diesem Mitliedstaat) abstellten.
Der Gerichtshof der Europäischen Union prüfte in
diesem Fall, inwieweit Rechte aus der Niederlassungsfreiheit (damals Art 52 EWG-Vertrag, nunmehr Art 49 AEUV) abzuleiten sind.
2.2.3. Er stellte fest, dass es sich dabei um
Bestimmungen handelt, die dem Einzelnen Rechte verleihen (Rz 23); in weiterer Folge (Rz 54) begründete er dies damit, dass diese Vorschriften Verbote an die Mitgliedstaaten enthielten und deswegen bei einem Verstoß gegen dieses Verbot dem Einzelnen Rechte zustünden (ebenso EuGH, Hedley Lomas, Rz 27).
Unter Rz 51 stellte der Gerichtshof der Europäischen Union schließlich die allgemeine Formulierung auf, dass erste Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch u.a. sei, "daß die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt, dem [E]inzelnen Rechte zu verleihen". In der Folge prüfte er diese Voraussetzung im Falle der genannten Gemeinschaftsvorschriften und kam zum Ergebnis (Rz 54):
"Die erste Voraussetzung ist bei Artikel 30 des Vertrages, um den es in der Rechtssache C-46/93, wie auch bei
Artikel 52 des Vertrages, um den es in der Rechtssache C-48/93 geht, offensichtlich erfüllt. Denn Artikel 30 erlegt zwar den Mitgliedstaaten ein Verbot auf, er begründet aber auch für den einzelnen Rechte, die die nationalen Gerichte zu wahren haben (vgl. Urteil vom in der Rechtssache 74/76, Iannelli & Volpi, Slg. 1977, 557, RandNr. 13). Ebenso verleiht
Artikel 52 des Vertrages seinem Wesen nach dem einzelnen Rechte (vgl. Urteil vom in der Rechtssache 2/74, Reyners, Slg. 1974, 631, RandNr. 25)."
2.2.4. Es ist offenkundig, dass der Gerichtshof der Europäischen Union zu diesem Ergebnis deswegen kam, weil es sich jeweils um Personen handelte, die von den, durch diese Grundfreiheiten vermittelten, Rechten Gebrauch machen wollten und durch die nationale Gesetzgebung daran gehindert wurden. Insofern stellt die Formulierung "bezweckt, dem [E]inzelnen Rechte zu verleihen" darauf ab, dass jene Person daraus Rechte ableiten kann, deren Interessen zu schützen die Norm bezweckt. Es geht, wie es der Gerichtshof der Europäischen Union in Rz 34 umschreibt, um Normen, die die Situation des Einzelnen unmittelbar regeln können.
2.3. In der Rechtssache Hedley Lomas vor dem Gerichtshof der Europäischen Union begehrte ein Rinderzuchtunternehmen Schadenersatz, weil die Behörden seines Mitgliedstaats ihm die Ausfuhr lebender Schlachttiere in einen anderen Mitgliedstaat mit der Begründung verweigert hätte, dass die Tiere dort (allenfalls) in einer Weise geschlachtet würden, die einer Richtlinie betreffend das Schlachten zuwiderlaufe.
Die Richtlinie stützte sich - ihren Erwägungen
zufolge - auf die damaligen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zur Vollendung des gemeinsamen Marktes und sollte Tierschutzvorschriften der Mitgliedstaaten beseitigen, die geeignet sind, das Funktionieren des gemeinsamen Marktes unmittelbar zu beeinträchtigen (daneben sollte sie auch dafür sorgen, dass den Tieren ganz allgemein jede grausame Behandlung erspart bleibt und, als erster Schritt, ihnen bei der Schlachtung nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen zugefügt werden).
Der Gerichtshof der Europäischen Union bekräftigt
seine oben erwähnte Judikatur, dass die Warenverkehrsfreiheit (damals Art 34 EG-Vertrag) dem Einzelnen Rechte verleiht, die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben, weil Art 34 EG-Vertag den Mitgliedstaaten ein Verbot auferlegt (Rz 27). Er stellt dazu fest (Rz 17), dass die Verweigerung von Ausfuhrgenehmigungen durch einen Mitgliedstaat eine mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung darstelle, die Art 34 des Vertrages zuwiderlaufe.
Eine Verletzung des Rechts auf Warenverkehrsfreiheit durch Verweigerung einer Ausfuhrgenehmigung kommt nun aber nur für jene Personen in Betracht, die von dieser Freiheit Gebrauch machen wollen. Auch in diesem Fall ging es also um den Ersatz des Schadens einer Person, die die Warenverkehrsfreiheit in Anspruch nehmen wollte und durch die Nichterteilung von Ausfuhrgenehmigungen in ihren von Art 34 AEUV geschützten Rechten verletzt wurde, sodass ihr ein Schaden entstand.
2.4. In der Rechtssache Dillenkofer ua. vor dem Gerichtshof der Europäischen Union ging es schließlich um Schadenersatz für Personen, die durch die Nichterfüllung von Pauschalreiseverträgen geschädigt worden waren und dafür vom Reiseveranstalter wegen Insolvenz keinen Ersatz erlangen konnten. Der betreffende Mitgliedstaat hatte zu diesem Zeitpunkt die Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom über Pauschalreisen nicht erfüllt, die Vorschriften zur Sicherstellung der Erstattung der von Pauschalreisenden gezahlten Beträge und ihrer Rückreise im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Reiseveranstalters enthielt.
Der Gerichtshof der Europäischen Union prüfte, ob die Erfordernisse für Schadenersatz im Sinne seiner Rechtsprechung erfüllt seien, und untersuchte, ob die Kläger zum begünstigten Personenkreis der Richtlinie gehörten, anhand folgender Kriterien:
Ausgangspunkt ist Art 7 der Richtlinie, der
vorschreibt: "Der Veranstalter und/oder Vermittler, der Vertragspartei ist, weist nach, dass im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses die Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sichergestellt sind.".
Der Gerichtshof der Europäischen Union prüfte nun, ob das durch Art 7 der Richtlinie vorgeschriebene Ziel die Verleihung eines Rechts an Einzelne umfasst. Dazu verweist er auf den Wortlaut von Art 7 und schließt aus ihm: Diese Bestimmung schreibe als Ziel ihrer Umsetzung vor, den Veranstalter zu verpflichten, für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses die Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sicherzustellen (Rz 34). Da diese Sicherstellung den Schutz der Verbraucher gegen die mit der Zahlungsunfähigkeit oder dem Konkurs der Veranstalter von Pauschalreisen verbundenen wirtschaftlichen Risiken bezwecke, habe der Gemeinschaftsgesetzgeber festgelegt, die Veranstalter zu verpflichten, eine solche Sicherstellung zum Schutz der Verbraucher gegen diese Risiken nachzuweisen (Rz 35).
Folglich bestehe das Ziel des Art 7 der Richtlinie im Schutz der Verbraucher, denen somit im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Veranstalters, bei dem sie die Reise gebucht haben, ein Erstattungs- oder Rückreiseanspruch zustehen soll. Jede andere Auslegung würde gegen Sinn und Zweck der Vorschrift verstoßen, da die Sicherheiten, die die Veranstalter nach Art 7 der Richtlinie stellen müssen, die Erstattung der vom Verbraucher gezahlten Beträge und seine Rückreise ermöglichen sollen (Rz 36).
Der Gerichtshof der Europäischen Union fasst sein
Ergebnis in Rz 42 folgendermaßen zusammen:
"Somit umfaßt das durch Art 7 der Richtlinie
vorgeschriebene Ziel die Verleihung eines Rechts an den Pauschalreisenden, mit dem die Erstattung der von diesem gezahlten Beträge und seine Rückreise im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Veranstalters sichergestellt werden."
Er prüft also anhand des Wortlauts der Bestimmungen der Richtlinie, wessen Interessen durch sie geschützt werden und geht davon aus, dass die Richtlinie jenen Personen im Einzelnen Rechte verleiht, deren Interessen die Richtlinie schützt und denen in der Folge bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch Schadenersatz durch den Staat zusteht (so schon Eilmansberger, Rechtsfolgen und subjektives Recht im Gemeinschaftsrecht, 1997, 210).
2.5. In ähnlicher Weise leitet der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache Carol Marilyn Robins ua. aus den Vorschriften einer Arbeitnehmerschutzrichtlinie (Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers), die die Mitgliedstaaten verpflichtet, sich zu vergewissern, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, ab, dass sie den Arbeitnehmern auf Gemeinschaftsebene einen Mindestschutz bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gewährleisten soll (Rz 40).
3. Diese Rechtsprechung lässt sich dahin
zusammenfassen, dass offenkundig jene Rechtsvorschriften, die Verleihung Rechte Einzelner bezwecken, die vom Unionsrecht anerkannte Interessen dieser Person schützen. Insofern gleicht die Prüfung der Frage, ob eine unionsrechtliche Vorschrift einem Einzelnen ein Recht gewährt, jener der Frage nach dem Schutzzweck einer Norm, wie sie Bestandteil des Schadenersatzrechts in Österreich und vielen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist (s. die Übersicht bei Eilmansberger, 204, Fn 714) und in solchen Systemen des Schadenersatzes die Voraussetzung des Rechtswidrigkeitszusammenhanges und damit der Haftungsauslösung bildet. Auch Öhlinger/Potacs (EU-Recht und staatliches Recht4, 2011, 207, mwN) kommen zu dem Ergebnis, dass aus dem Abstellen des Gerichtshofes der Europäischen Union auf eine Rechtsnorm, die "bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen", überdies abgeleitet werden kann, "dass nur jene Schäden zu ersetzen sind, die vom Schutzzweck der unionsrechtlichen Vorschrift erfasst sind (Schutzzweckerfordernis)."
4. Es ist daher in der Folge zu prüfen, ob in diesem Sinne jene Rechtsvorschriften, auf die sich die Klägerinnen berufen, den Schutz ihrer Rechte bezwecken.
4.1. Die Klägerinnen berufen sich zunächst generell auf die Warenverkehrsfreiheit (Art34 AEUV).
Die Klägerinnen wollen aber von der Warenverkehrsfreiheit gar nicht Gebrauch machen; sie leiten einen Schaden lediglich daraus ab, dass dritte Personen darin beeinträchtigt werden könnten, von der Warenverkehrsfreiheit im Zusammenhang mit Produkten Gebrauch zu machen, die von den Klägerinnen verkauft werden. Wie sich aus der vorhin dargestellten Judikatur (s. insbesondere Pkt. IV.2.2.) ergibt, verleiht diese Vorschrift jenen Personen Rechte, die diese Freiheit in Anspruch nehmen bzw. in Anspruch nehmen wollen und denen dadurch ein Schaden entsteht, dass sie daran etwa durch nationale Vorschriften gehindert werden.
Gestützt auf die Warenverkehrsfreiheit könnte daher allenfalls ein privater Importeur von Tabakerzeugnissen Schadenersatz begehren, nicht aber ein Dritter, wie etwa die Klägerinnen, die im Ausland ansässige Verkäuferinnen von Tabakerzeugnissen an solche privaten Importeure sind.
4.2. Die Klägerinnen berufen sich weiters auf Art 13 Tabak-RL.
4.2.1. Gemäß den Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie unterscheiden sich die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten u.a. für die Aufmachung von Tabakerzeugnissen noch wesentlich und behindern dadurch das Funktionieren des Binnenmarktes, diese Handelshemmnisse sollen beseitigt werden. Gemäß Erwägungsgrund 4 soll in diesem Zusammenhang angesichts der besonders schädlichen Wirkungen des Tabaks dem Gesundheitsschutz Vorrang eingeräumt werden. Nach Erwägungsgrund 19 ist die Darstellung der Warnhinweise und der Schadstoffangaben in den einzelnen Mitgliedstaaten nach wie vor unterschiedlich, was dazu führen könne, dass die Verbraucher in einem Mitgliedstaat besser über die Gefahren des Tabaks informiert seien als in einem anderen. Diese Unterschiede seien nicht hinnehmbar und können zu Handelshemmnissen führen und das Funktionieren des Binnenmarktes für Tabakerzeugnisse behindern; sie sollen daher beseitigt werden. Hiezu sollen die Rechtsvorschriften unter Gewährleistung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus nachdrücklicher und klarer gestaltet werden.
4.2.2. Art 1 der Tabak-RL bezeichnet als ihren Zweck die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten u.a. für die gesundheitsrelevanten Warnhinweise. Nach Art 5 Abs 6 lite leg.cit. sind die Warnhinweise in der bzw. den Amtssprachen des Mitgliedstaats abzufassen, in dem das Erzeugnis in den Verkehr gebracht wird, was offenkundig die Verständlichkeit der Warnhinweise in jenem Mitgliedstaat, in dem sie in Verkehr gelangen, gewährleisten soll.
Offenkundig im Interesse der Vollendung des Binnenmarktes bestimmt insbesondere Art 13 der Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten u.a. die Einfuhr von Tabakerzeugnissen, die der Richtlinie entsprechen, nicht aus Gründen untersagen oder beschränken dürfen, die u.a. mit den gesundheitsrelevanten Warnhinweisen zusammenhängen.
4.2.3. Aus diesen Vorschriften ist entnehmbar, dass die Tabak-RL das Ziel hat, das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern sowie Handelshemmnisse zu beseitigen, und dass sie damit der Warenverkehrsfreiheit dient. Gleichzeitig soll sie wegen der Gefährlichkeit des Genusses von Tabakerzeugnissen den Interessen des Verbraucherschutzes dienen, u.a. durch möglichst verständliche Warnhinweise. Art 13 der Richtlinie schließlich, der Einfuhrhemmnisse beseitigen soll, dient der Sicherung der von der Warenverkehrsfreiheit geschützten Interessen und berechtigt folglich unmittelbar - wie die Warenverkehrsfreiheit als solche - nach seinem Wortlaut jene Personen, die Tabakerzeugnisse in einen Mitgliedstaat einführen wollen, nicht aber Dritte.
Aus keiner der genannten Bestimmungen ist ableitbar, dass die Tabak-RL den Schutz von Interessen von Personen bezweckt, die Tabakerzeugnisse an Dritte verkaufen, die allenfalls von ihrer Warenverkehrsfreiheit Gebrauch machen wollen.
5. Die Klägerinnen können im vorliegenden Fall daher weder aus der Warenverkehrsfreiheit noch aus der Tabak-RL ein Recht ableiten, das ihnen einen allfälligen Schadenersatzanspruch für den von ihnen behaupteten entgangenen Gewinn vermittelt. Der von ihnen geltend gemachte Staatshaftungsanspruch besteht daher schon aus diesem Grund nicht zu Recht.
6. Unabhängig von der Frage, ob die Rechtsvorschrift, auf die die Klägerinnen ihre Klagen stützen, ihnen ein subjektives Recht vermittelt, besteht im vorliegenden Fall aber auch deswegen kein Staatshaftungsanspruch, weil es am dafür erforderlichen qualifizierten Verstoß des Gesetzgebers gegen Unionsrecht fehlt.
6.1. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits eingangs (Pkt. IV.1.) dargelegt hat, ist ein Verstoß gegen Unionsrecht nur dann haftungsbegründend, wenn er hinreichend qualifiziert ist. Im Einzelnen hielt der Gerichtshof der Europäischen Union dazu in der Entscheidung Brasserie du Pecheur und Factortame fest, dass "für die Beurteilung der Frage, ob ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht als hinreichend qualifiziert anzusehen ist, [das entscheidende Kriterium darin besteht,] daß ein Mitgliedstaat oder ein Gemeinschaftsorgan die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat." (Rz 55)
An Gesichtspunkten, die dabei gegebenenfalls zu berücksichtigen sind, wurden genannt (Rz 56): "das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des Ermessensspielraums, den die verletzte Vorschrift den nationalen oder Gemeinschaftsbehörden beläßt, die Frage, ob der Verstoß vorsätzlich oder nicht vorsätzlich begangen oder der Schaden vorsätzlich oder nicht vorsätzlich zugefügt wurde, die Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit eines etwaigen Rechtsirrtums und der Umstand, daß die Verhaltensweisen eines Gemeinschaftsorgans möglicherweise dazu beigetragen haben, daß nationale Maßnahmen oder Praktiken in gemeinschaftsrechtswidriger Weise unterlassen, eingeführt oder aufrecht erhalten wurden".
In der Entscheidung Hedley Lomas präzisierte der Gerichtshof der Europäischen Union, dass bei Anwendung dieser Gesichtspunkte die Voraussetzung des qualifizierten Verstoßes durch eine bloße Verletzung des Gemeinschafts(Unions-)rechts dann gegeben sein könne, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung der Mitgliedstaat "nicht zwischen verschiedenen gesetzgeberischen Möglichkeiten zu wählen hatte und über einen erheblich verringerten oder gar auf Null reduzierten Gestaltungsspielraum verfügte" (Rz 28). Bei dieser Rechtsprechung blieb der Gerichtshof der Europäischen Union in weiterer Folge (s. etwa EuGH, Dillenkofer ua. oder EuGH, Carol Marilyn Robins ua.).
6.2. In der Rechtssache Synthon BV (, Synthon BV, Slg. 2008, I-7681) sprach der Gerichtshof der Europäischen Union - anknüpfend an seine vorhin wiedergegebene Rechtsprechung - aus, dass es "grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte [sei,] festzustellen, ob [unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte] die Voraussetzungen für die Haftung des Mitgliedstaats wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts erfüllt sind." (Rz 36)
6.3. Die Prüfung anhand dieser Kriterien ergibt, dass aus folgenden Gründen kein qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht vorliegt:
6.3.1. Wie unter Pkt. I.1.2. im Zusammenhang mit der Wiedergabe der Ausführungen des Beklagten in seiner Äußerung erwähnt, war § 7a TabakG auch Gegenstand eines Auskunftsverfahrens der Europäischen Kommission (Verfahren 247/08/SNCO). Wie sich aus den (der Klägerin zu A28/10 auch zugegangenen) Ausdrucken der im Rahmen des sogenannten EU-Pilotprojekts lediglich elektronisch erstellten Dokumente ergibt, äußerte sich die Europäische Kommission nach einer Zusammenfassung der Rechtslage und der Stellungnahme der österreichischen Bundesregierung wörtlich folgendermaßen:
"Legal Assessment:
Given the Directive's aim on health warnings - to
inform consumers of the risks of tobacco products - it is legitimate for a Member State to promote dissemination of the information printed on cigarette packages.
As Section 7a of the Austrian Tobacco Act does not impose any new requirements on the manufacturing, presentation or sale of tobacco products, it can be said not to prejudice the rules laid down in the Directive.
It would not appear, however, that the Austrian
measure pursues the public health objective in a proportionate manner. This is so for the ban on import of cigarettes for personal use applies in law not only to Austrians, but also to non-Austrians who enter Austrian territory (temporarily)."
Übersetzung des Verfassungsgerichtshofes:
"Rechtliche Beurteilung:
In Anbetracht des Zieles der Richtlinie bezüglich gesundheitsbezogener Warnungen, nämlich die Aufklärung von Konsumenten über die Risiken von Tabakprodukten, ist es den Mitgliedstaaten erlaubt, die Verbreitung der auf Zigarettenpackungen aufgedruckten Information zu fördern.
Da § 7a des österreichischen Tabakgesetzes keine neuen Erfordernisse für die Herstellung, die Aufmachung oder den Verkauf von Tabakprodukten festlegt, kann festgehalten werden, dass dies nicht die Vorschriften der Richtlinie beeinträchtigt.
Es scheint allerdings nicht so, dass die
österreichische Maßnahme die Zielsetzung der öffentlichen Gesundheit in einer angemessenen Weise verfolgt, weil das Verbot des Importes von Zigaretten für den persönlichen Gebrauch nicht nur auf Österreicher anwendbar ist, sondern auch auf Nicht-Österreicher, die (zeitweise) österreichisches Staatsgebiet betreten."
Abschließend lud die Europäische Kommission
Österreich ein, ungeachtet der Tatsache, dass die in Frage stehende Vorschrift ausschließlich gegenüber Österreicherinnen und Österreichern vollzogen werde, dies auch ausreichend legistisch klarzustellen.
Zusammengefasst hatte die Europäische Kommission
keine Bedenken, dass angesichts der gesundheitspolitischen Zielsetzungen der Tabak-RL der Import von Zigaretten, die die erforderlichen Warnhinweise nicht in deutscher Sprache tragen, beschränkt wird. Sie betonte, dass § 7a TabakG keine neuen Erfordernisse für die Herstellung, Aufmachung oder den Verkauf von Tabakprodukten enthält.
6.3.2. Dieses Ergebnis zeigt, dass die Tabak-RL nicht so bestimmt und eindeutig ist, dass jeglicher Verstoß gegen Unionsrecht bereits eine Staatshaftung auslösen würde.
Dem Gesetzgeber ist aber auch im Rahmen des ihm zur Verfügung stehenden Umsetzungsspielraums kein qualifizierter Verstoß gegen Unionsrecht vorzuwerfen. Die Tabak-RL räumt den Mitgliedstaaten angesichts ihrer unterschiedlichen Zielsetzungen, nämlich einerseits den Binnenmarkt und damit die Durchsetzung der Warenverkehrsfreiheit für Tabakprodukte zu verbessern, andererseits gesundheitspolitische Ziele zum Schutz von Verbrauchern zu verfolgen, einen Umsetzungsspielraum ein, der es keineswegs von vornherein als klar erscheinen lässt, dass derartige Vorschriften, wie sie § 7a TabakG enthalten hat, unionsrechtswidrig sind. Auch die Europäische Kommission, die die Aufgabe hat, die Einhaltung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten zu überwachen, ist zu dem Ergebnis gekommen, dass § 7a TabakG mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Für die Zeit nach der Mitteilung der Europäischen Kommission im Aufforderungsverfahren könnte Österreich für das Nichtvorliegen eines qualifizierten Verstoßes allenfalls im Sinne der von der Judikatur aufgezeigten Kriterien (s. oben Pkt. IV.6.1.) für sich in Anspruch nehmen, dass die Beibehaltung der Regelung von einem Organ der Europäischen Union mit veranlasst war.
6.3.3. Angesichts dieser Umstände kann dem Gesetzgeber aber keinesfalls der Vorwurf gemacht werden, er habe zum Zeitpunkt des Erlasses der Regelung offenkundig und erheblich gegen Unionsrecht verstoßen.
V. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Die Klagen waren daher abzuweisen.
2. Kosten wurden von der obsiegenden Partei nicht
geltend gemacht.
3. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.