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OGH vom 11.05.2010, 9ObA75/09h

OGH vom 11.05.2010, 9ObA75/09h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions und Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva Pernt und Mag. KR Michaela Haydter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. H***** A*****, und 2. F***** B*****, beide vertreten durch Dr. Michael Gärtner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei S***** AG *****, vertreten durch die Steinwender Mahringer Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Feststellung und Leistung (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien sowie die Revision und den Rekurs der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 9/09m 19, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Parteien und die Revision und der Rekurs der beklagten Partei werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens dritter Instanz sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Abweisung des Klagebegehrens, es möge festgestellt werden, dass den Klägern Vorbereitungszeiten bei Dienstbeginn in der Zentralgarage von 15 Minuten und Nachbereitungszeiten bei Dienstende in der Zentralgarage von 10 Minuten vertraglich zugesichert seien und die Beklagte daher verpflichtet sei, bei Gestaltung der Dienstpläne diese vertragliche Zusage zu berücksichtigen, als Teilurteil. Hingegen änderte es die weitere Abweisung des Klagebegehrens durch das Erstgericht bezüglich der wöchentlichen Arbeitszeit in ein stattgebendes Teilurteil des Inhalts ab, dass die Kläger nicht verpflichtet seien, eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden zu erbringen. Im übrigen Umfang (Punkt 2 des Ersturteils [Zahlung der Entgeltdifferenz] und im Kostenpunkt) hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die ordentliche Revision wurde mit der Begründung zugelassen, dass zur Frage, inwieweit eine vertragsändernde Versetzung bei kündigungsgeschützten Dienstnehmern zulässig sei, nur bereits länger zurückliegende Rechtsprechung vorliege.

Gegen die teilweise Bestätigung der Abweisung des Feststellungsbegehrens und die teilweise Aufhebung des Ersturteils richtet sich die Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der Berufungsentscheidung im Sinn der Klagestattgebung.

Die Beklagte beantragt, die Revision der Kläger zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Gegen die teilweise Stattgebung des Feststellungsbegehrens durch das Berufungsgericht richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klageabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Gegen die teilweise Aufhebung des Ersturteils durch das Berufungsgericht richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Abänderungsantrag, das Klagebegehren im Umfang der erfolgten Aufhebung abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision und den Rekurs der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihnen nicht Folge zu geben.

Die Rechtsmittel der Parteien sind unzulässig.

Zur Bekämpfung der teilweisen Aufhebung des Ersturteils:

Gegen die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils und den Auftrag an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung ist der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nur dann zulässig, wenn das Berufungsgericht ausgesprochen hat, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist. Dies ist hier nicht der Fall. Ein „offenbares Versehen“ des Berufungsgerichts bei der Nichtzulassung des Rekurses gegen die Aufhebung liegt entgegen der Annahme der Beklagten nicht vor. Da eine ausdrückliche Zulassung des Rekurses im vorliegenden Fall nicht erfolgte, ist die Bekämpfung der teilweisen Aufhebung des Ersturteils durch das Berufungsgericht weder im Rahmen der Revision (im Fall der Kläger) noch durch gesonderten Rekurs (im Fall der Beklagten) zulässig (vgl 3 Ob 5/09w; RIS Justiz RS0043854 ua).

Zu den Revisionen der Parteien:

Bezüglich der Zulässigkeit ihrer Revisionen schlossen sich die Parteien der berufungsgerichtlichen Begründung des Zulassungsausspruchs an. Die Kläger machen noch zusätzlich geltend, dass das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei. Auch hier verfolgen die Parteien, wie schon bei der unzulässigen Bekämpfung der teilweisen Aufhebung, die Linie, das eigene Rechtsmittel für zulässig, das gegnerische Rechtsmittel hingegen für unzulässig zu erachten. Nur in letzterem Punkt ist den Parteien beizupflichten.

Der Oberste Gerichtshof ist bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revisionen der Parteien kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Zur Revision der Kläger:

Der Dienstvertrag umschreibt die Gattung der Arbeit und steckt daher den Rahmen der vom Arbeitnehmer nach Bedarf auszuführenden Tätigkeiten ab (9 ObA 227/97s ua). Innerhalb des durch den Dienstvertrag vorgegebenen Rahmens wird die Arbeitspflicht durch das Direktions- oder Weisungsrecht des Dienstgebers konkretisiert ( Löschnigg , Arbeitsrecht 10 58, 244 f mwN ua). Eine Anordnung ist dann als gerechtfertigt anzusehen, wenn sie sich innerhalb der durch den Dienstvertrag und den sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten gezogenen Grenzen hält und sich auf die nähere Bestimmung der konkreten Arbeitspflicht oder auf das Verhalten des Dienstnehmers im Betrieb erstreckt ( Löschnigg , Arbeitsrecht 10 245; Arb 9691 ua). Dies trifft nach den Verfahrensergebnissen auch auf die Frage zu, ob vom Dienstgeber bei gleichbleibender Gesamtarbeitszeit die Vorbereitungszeit (vor der eigentlichen Fahrzeit) zulässigerweise von 15 auf 7 Minuten bzw die Nachbereitungszeit (nach Ende des eigentlichen Fahrdienstes) zulässigerweise von 10 auf 3 Minuten reduziert wurde. An der Rechtfertigung der diesbezüglichen Weisung der Beklagten ist nach den bindenden Feststellungen nicht zu zweifeln, steht doch unter anderem fest, dass die seit reduzierten Vorbereitungs- und Nachbereitungszeiten ausreichend sind, um die entsprechenden Vorgaben von Dienstgeberseite zu erfüllen und die fahrtechnische Sicherheit zu gewährleisten. Auf vom bindenden Sachverhalt abweichende Erörterungen der Kläger (zB zu Pausenzeiten oder zur Verlängerung der Arbeitszeit) ist nicht einzugehen; insoweit ist die Revision nämlich nicht gesetzmäßig ausgeführt ( Kodek in Rechberger , ZPO³ § 471 Rz 9, § 503 Rz 22 ua).

Hinsichtlich der Vorbereitungs- und Nachbereitungszeiten wird von den Klägern geht man vom bindend festgestellten Sachverhalt aus keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Die Behauptung der Kläger, das Berufungsgericht sei von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, blieb unsubstantiiert. Das Verfahren bestätigte wohl die frühere Gewährung längerer Vorbereitungs und Nachbereitungszeiten, ergab aber auch Gründe für die gegenständliche Änderung durch die Beklagte. Eine unverrückbare Festschreibung bestimmter Vorbereitungs- und Nachbereitungszeiten in den Dienstverträgen der Kläger oder in kollektiven Rechtsquellen liegt nicht vor. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es sich bei der diesbezüglichen Änderungsanordnung der Beklagten um eine zulässige direktive Weisung handle, ist daher nicht zu beanstanden. Auf weitere, rein hypothetische Überlegungen, dass dies auch im Fall einer einzelvertraglichen Vereinbarung zufolge Unkündbarkeit der Kläger zu gelten hätte, kommt es hier nicht an und braucht daher auch nicht eingegangen zu werden. Richtig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis des Berufungsgerichts, dass aus der bloßen Tatsache einer längeren Verwendung des Arbeitnehmers an einem bestimmen Arbeitsplatz noch nicht ohne weiteres geschlossen werden kann, dass sich sein Aufgabenkreis nur mehr auf diese Arbeiten beschränkt (9 ObA 21/08s; RIS Justiz RS0029509 ua). Dies gilt umso mehr dann, wenn sich wie im vorliegenden Fall nicht der Inhalt von Tätigkeiten, sondern aus sachlichen Gründen lediglich das zeitliche Verhältnis dieser Tätigkeiten zueinander ändert.

Die Lösung der Frage der Vorbereitungs und Nachbereitungszeiten steht entgegen der Auffassung der Kläger in keinem Widerspruch zur Behandlung der ebenfalls strittigen Wochenarbeitszeit durch das Berufungsgericht, sondern ist mit dieser durchaus vereinbar. Auf die Verlängerung der Wochenarbeitszeit wird anschließend bei Behandlung der Revision der Beklagten eingegangen.

Von einem konstitutiven Anerkenntnis der Beklagten bezüglich einer bestimmten (längeren) Dauer der Vorbereitungs- und Nachbereitungszeit kann hier nicht ausgegangen werden. Die Kläger haben die vorprozessualen Angebote der Beklagten zur Lösung der Streitpunkte nicht angenommen; ein Anerkenntnisvertrag ( Ertl in Rummel , ABGB³ § 1380 Rz 6 mwN ua) kam nicht zustande.

Rechtliche Beurteilung

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Kläger zurückzuweisen.

Zur Revision der Beklagten:

Richtig ist, dass die dauernde Einreihung eines Arbeitnehmers gemäß § 101 ArbVG auf einen anderen Arbeitsplatz zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, wenn mit ihr eine Verschlechterung der Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen verbunden ist. Ob man auch in der Änderung der Wochenarbeitszeit durch die Beklagte eine dauernde Einreihung der Kläger auf einen anderen Arbeitsplatz (Versetzung) im vorgenannten Sinn sieht, kann dahingestellt bleiben. Es geht hier nämlich nicht um die kollektivrechtliche Seite der Verschlechterung der Arbeitszeitbedingungen, sondern um den dienstvertraglichen Aspekt (vgl 9 ObA 120/04v ua). Die Frage der (Un )Zulässigkeit der einseitigen Änderung des Dienstvertrags ist von der Mitwirkung des Betriebsrats unabhängig. Die Zustimmung des Betriebsrats vermag die Zustimmung des einzelnen Dienstnehmers zu einer Dienstvertragsänderung nicht zu ersetzen (8 ObA 35/98z ua).

Da im Revisionsverfahren nicht mehr strittig ist, dass die Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 39 auf 40 Stunden durch die Beklagte auf einem einseitigen, dienstvertragsändernden Akt beruht auch die Beklagte spricht in ihrer Revision nur mehr von einem „vertragsändernden“ Vorgang bleibt die Frage, ob der Dienstgeber befugt ist, Dienstverträge bezüglich der vereinbarten Arbeitszeit zum Nachteil der Dienstnehmer einseitig zu ändern. Insoweit stellt sich allerdings entgegen der Begründung der Zulässigkeit der ordentlichen Revision durch das Berufungsgericht keine erhebliche Rechtsfrage. Solange nämlich kein übereinstimmender Wille der Vertragsteile vorliegt, kommt kein Vertrag zustande (§ 861 ABGB). Für die Abänderung eines bestehenden Vertrags gilt nichts anderes. Dass dem anderen Teil eine Änderung „zumutbar“ ist, trägt die Wirksamkeit der Vertragsänderung nicht. Verträge und ihre Abänderungen kommen durch übereinstimmende Willenserklärung und nicht durch bloße Abwägung der Interessen und Zumutbarkeiten zustande. Dass der Dienstgeber nicht befugt ist, einseitig Dienstverträge zu ändern, beruht nicht bloß auf älterer Rechtsprechung, sondern wurde vom Obersten Gerichtshof bei Bedarf und jeweils fallbezogen auch in jüngerer Zeit wiederholt bekräftigt (vgl 8 ObA 35/98z; 9 ObA 120/04v; 9 ObA 164/07v; RIS Justiz RS0021256, RS0029509 ua).

Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof gerade bei unkündbaren Dienstverhältnissen auch judiziert, dass das Direktionsrecht des Dienstgebers nicht zu eng begrenzt werden darf (9 ObA 192/93; 8 ObA 309/94; RIS Justiz RS0027942 ua). Dieser Rechtsprechung liegt bezüglich der Verwendung des Dienstnehmers zu bestimmten Arbeiten der Ansatz zugrunde, dass der Dienstnehmer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses redlicherweise nicht damit rechnen darf, dass er bei späterer Änderung der Umstände ein arbeitsloses Einkommen beziehen werde (9 ObA 255/99m ua). Vor diesem Hintergrund ist auch die von der Beklagten besonders hervorgehobene Entscheidung zu 8 ObA 211/95 zu sehen. Ihr lag der Sachverhalt zugrunde, dass ein Dienstnehmer seine bisherigen Dienste infolge Dienstunfähigkeit nicht mehr verrichten konnte, aber noch für andere Dienste verwendbar war, die ihm billigerweise zugemutet werden konnten. Bei der Lösung dieses Falls spielte auch der dort anzuwendende Kollektivvertrag eine Rolle, der nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Versetzung in den Ruhestand vorsah. Der Oberste Gerichtshof gelangte in diesem speziell gelagerten Fall zur Beurteilung, dass die Versetzung des Dienstnehmers in eine andere Organisationseinheit und die Betrauung mit anderen als den bisherigen Tätigkeiten, die er aber noch verrichten konnte, zulässig war. Für den vorliegenden Fall ist daraus nichts Entscheidendes zu gewinnen. Der gegenständlichen Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 39 auf 40 Stunden liegt nicht zugrunde, dass die Kläger ohne ihre Zustimmung zu dieser Maßnahme nicht mehr einsetzbar wären. Am Einsatz der Kläger als O Buslenker hat sich auch nichts geändert. Dass die Kläger Kündigungsschutz genießen, rechtfertigt keine andere Beurteilung, auch nicht das Interesse der Beklagten an einer Umstrukturierung. Es liegt hier kein Grund vor, von der bisherigen Auffassung, wonach Änderungen des Dienstvertrags der Zustimmung beider Dienstvertragsparteien bedürfen, abzugehen. An dieser Übereinstimmung fehlt es aber. Die bloß einseitige Verlängerung der Wochenarbeitszeit liegt nicht mehr im Rahmen des Direktionsrechts der Beklagten.

Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ergibt sich auch nicht aus der Beklagten „interessant“ erscheinenden Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs, die eine Kürzung des Mehrleistungsanteils der Verwendungszulage betreffen und von denen sie selbst einräumt, dass die „nicht eins zu eins auf ein arbeitsgerichtliches Verfahren umgelegt werden können“. Auf die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO wurde bereits einleitend hingewiesen.

Zusammenfassend ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage auch die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.