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OGH vom 27.09.1989, 9ObA262/89

OGH vom 27.09.1989, 9ObA262/89

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Alfred Mayer und Mag.Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gert E***, Mitglied des Angestelltenbetriebsrates der Salzburger Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte, Salzburg, Faberstraße 19-23, vertreten durch Dr.Bernd Berger und Dr.Franz G.Hitzenbichler, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei A*** D***

S*** G*** S***, vertreten durch Dr.Hans

Werner M***, Kammer für Arbeiter und Angestellte in Salzburg, dieser vertreten durch Dr.Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert S 300.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 47/89-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 15.Feber 1989, GZ 18 Cga 259/88-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 11.125,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.854,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Mitglied des beklagten Angestelltenbetriebsrates der S*** Gebietskrankenkasse, der aus vier Mitgliedern der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter, drei Mitgliedern der Namensliste E*** und einem Mitglied der Fraktion Überparteilicher Gewerkschafter besteht.

Gegen den Chefarzt der Salzburger Gebietskrankenkasse Univ.Dozent Dr.Walter K*** wurde von der Salzburger Gebietskrankenkasse ein Disziplinarverfahren eingeleitet und eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Nach § 28 a Abs 2 der Dienstordnung für Ärzte und Dentisten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.B) ist der Obmann (des betreffenden Sozialversicherungsträgers) berechtigt, mit Zustimmung des Betriebsrates einen Arzt vom Dienst zu entheben, wenn die Belassung des Arztes im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung wesentliche Interessen des Versicherungsträgers gefährden würde. Gemäß § 28 a Abs 4 DO.B können die Dienstbezüge des vom Dienst enthobenen Arztes - mit Ausnahme der Kinderzulage und der Haushaltszulage - mit Zustimmung des Betriebsrates bis auf zwei Drittel herabgesetzt werden. Nachdem der Betriebsrat der Salzburger Gebietskrankenkasse zu zwei Anträgen des Dienstgebers vom August und vom , Univ.Doz.Dr.Walter K*** vom Dienst zu entheben, seine Zustimmung verweigert hatte, fand aufgrund eines weiteren Antrages des Obmannes der Salzburger Gebietskrankenkasse am eine Betriebsratssitzung statt, in der der Betriebsrat mit den vier Stimmen der sozialistischen Fraktion gegen die vier Stimmen der übrigen Betriebsratsmitglieder dadurch seine Zustimmung zur Enthebung vom Dienst erteilte, daß der Vorsitzende von seinem Dirimierungsrecht bei Stimmengleichheit (§ 68 Abs 2 ArbVG) Gebrauch machte.

Der Kläger behauptet, daß der Beschluß des Betriebsrates unter Verletzung zwingender Bestimmungen über die Einberufung der Sitzung zustandegekommen und daher nichtig sei. Die Betriebsratssitzung sei am ohne Bekanntgabe der Tagesordnung für denselben Tag einberufen worden, obwohl es sich um keine dringende Angelegenheit gehandelt habe. Außerdem sei der Beschluß rechtsunwirksam, da der Betriebsrat in derselben Angelegenheit bereits vorher gegenteilig entschieden habe, ohne daß eine Sachverhaltsänderung eingetreten sei. Die Zustimmung der Betriebsratsmitglieder sei durch Täuschung über das Vorliegen eines für Univ.Doz.Dr.Walter K*** nachteiligen Gutachtens erwirkt worden; dieses Gutachten habe damals entweder noch nicht existiert oder sei für den Chefarzt positiv ausgefallen. Die Zustimmung des Betriebsrates sei daher unter offensichtlichem Rechtsmißbrauch erfolgt. Der Kläger begehrt die Feststellung, daß der Beschluß des beklagten Betriebsrates vom , womit einer Enthebung des Univ.Doz. Dr.Walter K*** als Chefarzt der Salzburger Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte mehrheitlich zugestimmt worden sei, nichtig ist.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß der Kläger als einzelnes Betriebsratsmitglied nicht klageberechtigt sei. Die Einberufung der Betriebsratssitzung habe den gesetzlichen Vorschriften entsprochen. Dem Kläger sei noch am Vormittag des die Tagesordnung der schließlich auf 12 Uhr 15 verlegten Betriebsratssitzung bekanntgegeben worden. Der Obmann der Salzburger Gebietskrankenkasse habe einen neuerlichen Antrag auf Zustimmung zur Entlassung des Chefarztes Univ.Doz. Dr.Walter K*** deshalb gestellt, weil hervorgekommen sei, daß dieser Rezepte für seine Familie ausgestellt habe, obwohl er dazu nicht berechtigt gewesen sei; es habe sich um Präparate gehandelt, die auf Kosten der Salzburger Gebietskrankenkasse nicht verschrieben werden dürfen. Entscheidungsgrundlagen für die Beschlußfassung in der Betriebsratssitzung vom seien ein Fernschreiben des Generaldirektors des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger Dr.D***, Fotokopien der vom Chefarzt für seine Familie ausgestellten Rezepte und ein Bericht des Angestellten der Salzburger Gebietskrankenkasse Dr.Harald S*** gewesen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es legte seiner Entscheidung folgende weitere wesentliche Feststellungen zugrunde:

Am kurz vor 8 Uhr überbrachte Dr.Harald S*** dem Vorsitzenden des beklagten Betriebsrates den Antrag des (früheren) Obmannes der Salzburger Gebietskrankenkasse Ing.Josef S*** vom , der Enthebung des Univ.Doz. Dr.Walter K*** als Chefarzt gemäß § 28 a DO.B zuzustimmen. Die dem Chefarzt zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen gefährdeten wesentliche Interessen der Salzburger Gebietskrankenkasse, so daß er nicht mehr weiter im Dienst belassen werden könne. Die Enthebung sei notwendig, um eine weitere Verwendung von Mitteln der Sozialversicherung für sozialversicherungsfremde Zwecke zu unterbinden und die weiteren Untersuchungen nicht zu behindern. Der Angestelltenbetriebsrat werde auch aufgefordert, der Herabsetzung der Dienstbezüge des Chefarztes bis auf zwei Drittel zuzustimmen.

Der Vorsitzende des Angestelltenbetriebsrates besprach sich dann mit seinem Stellvertreter und vereinbarte mit ihm, umgehend eine Sitzung einzuberufen. Der Sekretärin des Angestelltenbetriebsrates wurde der Auftrag erteilt, eine Sitzung einzuberufen. Außerdem informierte der Vorsitzende des Betriebsrates den Chefarzt Univ.Doz. Dr.Walter K*** vom Antrag der Dienstgeberin. Der Kläger wurde von der Sekretärin des Betriebsrates um ca.8 Uhr 15 von der für 9 Uhr 15 vorgesehenen Betriebsratzssitzung verständigt. Auf seine Frage nach der Tagesordnung sagte die Sekretärin, daß er "dies eh wisse". Er antwortete, daß er dies nicht wisse und aus dienstlichen Gründen bis 12 Uhr 15 an keiner Sitzung teilnehmen könne. Ca.eine Stunde später teilte der Stellvertreter des Betriebsratsvorsitzenden dem Kläger mit, daß es um einen neuerlichen Antrag auf Zustimmung zur Enthebung des Chefarztes Univ.Doz. Dr.Walter K*** gehe. Wenn der Kläger nicht erscheine, würde die Sitzung ohne ihn durchgeführt werden. Die Sitzung wurde dann auf 12 Uhr 15 verschoben und der Kläger davon verständigt.

Chefarzt Univ.Doz. Dr.Walter K*** überreichte dem Kläger noch vor der Sitzung ein Schreiben mit dem Ersuchen, es den Mitgliedern der Beklagten zur Kenntnis zu bringen.

In diesem Schreiben nahm Dr.K*** auf den Antrag des Obmannes der Salzburger Gebietskrankenkasse vom Bezug und stellte fest, daß die ihm angelasteten Rezeptverordnungen kein neues Faktum seien. Die Rezeptverordnungen seien von der Salzburger Gebietskrankenkasse und vom Ministerium bereits überprüft worden. Der Vorwurf, er habe Rezeptverordnungen für seinen engsten Familienkreis ausgestellt, sei in der früheren Ablehnung seiner Enthebung vom Dienst durch den Betriebsrat bereits enthalten gewesen; zudem seien die als neu behaupteten Vorwürfe verjährt. Die Außerdienststellung sei daher rechtlich weder vertretbar noch sei dieser Schritt wegen der außerordentlichen Kosten zu verantworten. Der Betriebsrat werde daher ersucht, dem Antrag des Obmannes der Salzburger Gebietskrankenkasse auf Zustimmung zur Enthebung vom Dienst nicht zu entsprechen.

Um 12 Uhr 15 fand dann in Anwesenheit aller Mitglieder der Beklagten mit Ausnahme des verhinderten Mitglieds E***, für das ein Ersatzmann eintrat, die Betriebsratssitzung statt. Der Vorsitzende stellte die Beschlußfähigkeit fest und teilte mit, daß die Sitzung wegen der Dringlichkeit der Sache kurzfristig einberufen worden sei. Dann ersuchte der Betriebsratsvorsitzende den mit den Ermittlungen der Salzburger Gebietskrankenkasse im Disziplinarverfahren gegen Univ.Doz. Dr.Walter K*** beauftragten Angestellten Dr.Harald S***, eine kurze Sachverhaltsdarstellung zu geben. Der Antrag des Obmanns der Salzburger Gebietskrankenkasse und das Fernschreiben des Generaldirektors des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger wurden verlesen. In diesem Fernschreiben wurde behauptet, daß die Verordnung von Rezepten durch Chefarzt Dr.K*** für sich und seine Familienangehörige eine gravierende Ordnungswidrigkeit sei. Es liege in der Entscheidung der zuständigen Organe der Selbstverwaltung der Salzburger Gebietskrankenkasse, welche dienstrechtlichen Konsequenzen daraus zu ziehen wären.

Dr.Harald S*** führte dann aus, daß Univ.Doz. Dr.Walter K*** durch diese Verschreibungen eine Dienstpflichtverletzung begangen habe, weshalb der neuerliche Antrag auf seine Enthebung vom Dienst gestellt worden sei. Die in der Sitzung vorliegenden Fotokopien von Rezepten seien allerdings schon früher durch das Ministerium geprüft worden; es sei ihm unerklärlich, warum diese 36 Rezepte erst jetzt als Belastungsmaterial geltend gemacht würden. Dr.Harald S*** teilte mit, daß ein Gutachten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger über die Beurteilung dieser Rezepte vorliege, er aber dieses Gutachten dem Betriebsrat derzeit nicht zur Verfügung stellen könne.

Der Kläger brachte dann das Schreiben des Chefarztes Univ.Doz. Dr.Walter K*** den Mitgliedern der Beklagten zur Kenntnis und erklärte, daß die gegen diesen erhobenen Vorwürfe ohne Angabe der Diagnose rechtlich nicht haltbar seien. Man könne diese Sitzung nur als Betriebsbesprechung ansehen. Ein Dringlichkeitsfall sei nicht gegeben; außerdem sei der frühere vom Betriebsrat einstimmig gefaßte Entschluß bindend. Der Kläger forderte die Mitglieder der Beklagten auf, seiner Argumentation zu folgen, da es ohne Vorliegen neuer Unterlagen, die weder medizinisch noch rechtlich geprüft seien, unmöglich wäre, einem so weitreichenden Beschluß zuzustimmen. Nach einer Diskussion beantragte das Betriebsratsmitglied Walter S*** (sozialistische Fraktion), über den Antrag des Obmannes abzustimmen. Dies geschah dadurch, daß der Vorsitzende der Beklagten erklärte, die sozialistischen Gewerkschafter seien für den Antrag und die übrigen dagegen, so daß er als Betriebsratsvorsitzender von seinem Dirimierungsrecht Gebrauch mache. Einzeln wurde nicht abgestimmt und das Abstimmungsergebnis nicht wortwörtlich festgestellt. Es war aber jedem klar, daß dem Antrag auf Enthebung im Verhältnis 4 gegen 4 auf Grund der Dirimierung des Vorsitzenden zugestimmt worden sei. Der Kläger teilte dann dem Vorsitzenden der Beklagten mit, daß er gegen diesen Beschluß Klage erheben werde. Außerdem stellte er einen Mißtrauensantrag gegen den Vorsitzenden der Beklagten, worauf die sofortige Einberufung einer Betriebsversammlung beschlossen wurde, bei der sich nach formeller Abstimmung der Teilnehmer eine Mehrheit für das Verbleiben des Betriebsrates aussprach. Das Erstgericht war der Ansicht, daß der Kläger aktiv legitimiert sei. Es liege keine Streitigkeit nach § 50 Abs 1 Z 2 ASGG, sondern eine Streitigkeit nach § 50 Abs 2 ASGG aus der Betriebsverfassung (II.Teil des ArbVG) vor. Die früher in § 157 ArbVG teils taxativ, teils demonstrativ aufgezählten Angelegenheiten der Betriebsverfassung fielen nunmehr unter die Generalklausel des § 50 Abs 2 ASGG. Die Frage, ob eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit vorliege, sei einzig und allein aus dem materiellen Betriebsverfassungsrecht zu lösen. Eine materielle Änderung gegenüber der früheren Rechtslage sei dadurch nicht eingetreten. Der Kläger habe als einzelnes Betriebsratsmitglied die Gesamtinteressen der Arbeitnehmer zu vertreten und sei daher legitimiert, die Minderheitenrechte des Betriebsrates als demokratisch gewähltes Organ wahrzunehmen.

Der Grundsatz "ne bis in idem" gelte nur für gerichtliche Entscheidungen, aber nicht für die Willenserklärungen des Betriebsrates, dem es daher freistehe, in einer Angelegenheit trotz eines früheren Beschlusses einen neuen abweichenden Beschluß zu fassen.

Der Kläger habe auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrates, das mit dem rechtlichen Interesse des suspendierten Arztes nicht identisch sei. Er habe gegen den Beschluß gestimmt und daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung seiner Nichtigkeit. Das rechtliche Interesse des Mitgliedes des Betriebsrates ergebe sich aus der Gefährdung der Interessen des Betriebsrates, könne aber nur darauf gerichtet sein, daß der Beschluß des Betriebsrates formell unwirksam zustande gekommen sei. Dies feststellen zu lassen, sei auch Recht eines einzelnen Mitgliedes des Betriebsrates.

Verfahrensrechtliche Fehler der Einberufung des Betriebsrates seien saniert, wenn die nicht oder nicht rechtzeitig verständigten Mitglieder tatsächlich erschienen seien. Das sei hier der Fall. Daß der Kläger die Sitzung nur als unverbindliche Zusammenkunft betrachte, sei unerheblich. Die Einberufungsmängel seien nicht geeignet, die Unwirksamkeit der Entscheidung des Betriebsrates herbeizuführen. Auch der Abstimmungsvorgang sei wirksam, weil den einzelnen Betriebsratsmitgliedern das Abstimmungsergebnis 4 : 4 klar gewesen sei. Auch die vom Kläger behaupteten Willensmängel oder ein Rechtsmißbrauch liege nicht vor. Dr.Harald S*** habe nur behauptet, daß ein entsprechendes Gutachten des Hauptverbandes über die Beurteilung der vom Chefarzt ausgestellten Rezepte vorliege und dazu ausdrücklich erklärt, daß dieses Gutachten derzeit nicht vorgelegt werden könne. Das schließe nicht aus, daß es bereits existiert und sich noch beim Hauptverband befunden habe. Selbst wenn es noch nicht existiert hätte, würde dies aber nichts ändern, weil dieses vom Kläger als Täuschungsmanöver bezeichnete Gutachten nur eines von mehreren Beweismitteln gewesen sei. Bei der Entscheidung des Betriebsrates handle es sich um die Ausübung einer Ermessensbefugnis der Belegschaft, die der Betriebsrat unter seiner alleinigen Verantwortungsbefugnis auszuüben habe. Weder bei der Enthebung noch bei der Abstimmung des Betriebsrates über die Zustimmung sei die inhaltliche Richtigkeit der erhobenen Vorwürfe zu prüfen, da sonst der Betriebsrat das Ergebnis des nachfolgenden Disziplinarverfahrens vorwegnehmen müßte. Von offenkundigem Rechtsmißbrauch, List oder Drohung im Sinne des § 870 ABGB könne nicht gesprochen werden. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 30.000 übersteige.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß der Kläger als Mitglied des Betriebsrats zur Anfechtung eines Betriebsratsbeschlusses wegen Nichtigkeit nicht klageberechtigt sei und kein rechtliches Interesse an der Feststellung einer derartigen Nichtigkeit habe. Die Aktivlegitimation sei dann gegeben, wenn der Kläger zur Geltendmachung des konkreten Anspruches in eigener Person materiell berechtigt sei. Eine solche Berechtigung wäre nur dann gegeben, wenn er sich auf eine gesetzliche Berechtigung berufen könnte. Ein Mitglied des Betriebsrates könne nur nach Maßgabe der Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes klageberechtigt sein. Materieller Träger der betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse sei die Belegschaft; ihr gesetzlicher direkter Vertreter sei der Betriebsrat. Dieser sei jedoch nicht der gesetzliche Vertreter der Belegschaft oder einzelener Arbeitnehmer in bezug auf deren privatrechtliche Ansprüche.

Das Arbeitsverfassungsgesetz enthalte keine Bestimmungen darüber, daß ein einzelnes Betriebsratsmitglied einen Beschluß des Betriebsrats wegen Nichtigkeit oder Willensmängel anfechten könne. Das Fehlen von Bestimmungen über die Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung der Organe der Arbeitnehmerschaft im ArbVG könne auch nicht als planwidrige Gesetzeslücke aufgefaßt werden, die durch Einräumung einer Klagemöglichkeit eines einzelnen Betriebsrates zu schließen wäre, zumal in anderen vergleichbaren Bereichen, wie zB im PVG derartige Behelfe bestünden. Das ArbVG sehe bei gesetzwidrigem Handeln des Betriebsrates lediglich eine Beschlußfassung über dessen Enthebung durch die Betriebsversammlung gemäß § 42 Abs 1 Z 4 ArbVG vor. Dieses Verfahren sei im gegenständlichen Fall ohnehin durchgeführt worden. Auch die Fälle, in denen das ASGG bestimmten Organen der Arbeitnehmerschaft die Parteifähigkeit und die Klagslegitimation zuerkenne (§§ 53, 54 ASGG), seien nicht gegeben. Voraussetzung für eine Feststellungsklage sei ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung; jenes müsse sich unmittelbar aus dem streitigen Rechtsverhältnis ergeben und geeignet sein, die konkrete aktuelle Gefährdung der Rechtssphäre des Klägers durch den Beklagten zu beenden oder zu verhindern, ohne daß bereits eine Leistungs- und Rechtsgestaltungsklage zur endgültigen Bereinigung des streitgegenständlichen Rechtsverhältnisses möglich sei.

Ein solches rechtliches Interesse des Klägers liege nicht vor; er habe ohnedies gegen den Betriebsratsbeschluß vom gestimmt; eine Gefährdung seiner Rechtssphäre trete dadurch nicht ein. Er könnte persönlich keineswegs für eine allfällige Nichtigkeit des Beschlusses verantwortlich gemacht oder zum Schadenersatz herangezogen werden.

Da es bereits an der aktiven Klagslegitimation fehle, habe das Erstgericht das Klagebegehren im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Es erübrige sich daher, auf die Berufungsausführungen näher einzugehen. Eine Unterbrechung des Berufungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Erledigung des anhängigen Strafverfahrens sei nicht in Erwägung zu ziehen.

Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus den Gründen der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Er beantragt, der Revision Folge zu geben und das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Bei den angefochtenen "Feststellungen" handelt es sich in Wahrheit um die verkürzte Wiedergabe der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes durch die zweite Instanz. Auf welche Weise abgestimmt und das Abstimmungsergebnis ermittelt wurde, hat das Erstgericht ohnehin aufgrund der Aussage des Klägers festgestellt. Ob der Vorsitzende bei der Eröffnung der Sitzung die Beschlußfähigkeit festgestellt hat, ist ohne Bedeutung, da der beklagte Betriebsrat jedenfalls beschlußfähig war (§ 68 Abs 2 ArbVG). Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist ebenfalls nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO). Auch die Rechtsrüge ist im Ergebnis nicht berechtigt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist allerdings die Befugnis des Klägers zur Einbringung einer Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses des beklagten Betriebsrates vom zu bejahen. Gemäß § 50 Abs 2 ASGG sind Streitigkeiten über Rechte oder Rechtsverhältnisse, die sich aus dem II.Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes ergeben, Arbeitsrechtssachen. Mit dieser Bestimmung sollten alle Rechtsstreitigkeiten über Rechte oder Rechtsverhältnisse aus der Betriebsverfassung, die bisher von den Einigungsämtern entschieden worden sind, erfaßt werden. Die Bestimmung trat an die Stelle des § 157 ArbVG, der - teils taxativ mit zahlreichen, jeweils einzelne Teilgebiete des Betriebsverfassungsrechtes treffenden Generalklauseln (Abs 1) und teils demonstrativ (Abs 2) - die vor die Einigungsämter gehörenden Rechtsstreitigkeiten aus der Betriebsverfassung umschrieben hatte (Kuderna, ASGG 266; vgl Floretta-Strasser, KommzArbVG 996). Mit der nicht mehr auf einzelne Teilfragen der Betriebsverfassung aufgefächerten umfassenden Generalklausel des § 50 Abs 2 ASGG wurde, wie Floretta-Strasser, ArbVG2, 496 FN 2, ausführen, "eine durchwegs positiv zu beurteilende Vereinheitlichung der ursprünglich allzu kasuistischen Umschreibung der in Betracht kommenden betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstreitigkeiten geschaffen.". Die Bestimmung des § 50 Abs 2 ASGG stellt in eindeutiger Weise klar, daß die Frage, ob eine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstreitigkeit vorliegt, einzig und allein aus dem materiellen (Betriebsverfassungs-)Recht zu lösen ist (idS Strasser, Arbeitsrecht2 II 356). Eine Änderung gegenüber der früher bestandenen Rechtslage ergab sich dadurch nicht (Floretta-Strasser ArbVG2 aaO), so daß der aufgehobene § 157 ArbVG zur Auslegung des Umfanges, in dem im Rahmen betriebsverfassungsrechtlicher Streitigkeiten Rechtsschutz zu gewähren ist, mit herangezogen werden kann.

Materieller Träger der betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse sind nicht die Belegschaftsorgane oder die einzelnen Arbeitnehmer, sondern nach herrschender Auffassung die Belegschaft als Ganzes (Floretta-Strasser, KommzArbVG 242 f; Strasser, Arbeitsrecht2 II 219; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 586). Die Belegschaft wird durch die Organisationsnormen des Betriebsverfassungsrechtes in die Lage versetzt, Organe zu bestellen, durch die sie handlungsfähig wird (Floretta-Strasser, KommzArbVG 251 f; Strasser, Arbeitsrecht2 II 225). Der gesetzlich vorgeschriebene direkte Vertreter der Belegschaft ist hiebei der Betriebsrat (SZ 43/49). Die meisten Normen des Betriebsverfassungsrechts sind privatrechtlicher Natur (Floretta-Strasser, KommzArbVG 243; Strasser, Arbeitsrecht2 II 201 mwN FN 3, 225); das gilt insbesondere für die Normen über die Belegschaftsorgane, deren Stellung eine privatrechtliche ist (Floretta-Strasser, KommzArbVG 243). Die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Rechtsverhältnisse beruhen in der Hauptsache unmittelbar auf dem Gesetz; sie können sich aber auch auf behördliche Entscheidungen oder betriebsverfassungsrechtliches Rechtsgeschäft gründen (Floretta-Strasser, KommzArbVG 997; Kuderna, ASGG 265; Strasser, Arbeitsrecht2 II 353 ff). Als Träger solcher subjektiver betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse kommen grundsätzlich der einzelne Arbeitnehmer des Betriebes, die Arbeitnehmerschaft, das einzelne Belegschaftsorgan (zB der Gruppenbetriebsrat), das einzelne Organmitglied (zB das Betriebsratsmitglied), der einzelne Organfunktionär, der Betriebsinhaber, der Betriebsratsfonds und überbetriebliche Interessenvertretungskörperschaften in Betracht. Unter den zahlreichen denkbaren Konstellationen betriebsverfassungsrechtlicher Rechtsbeziehungen zwischen diesen Rechtssubjekten kommt auch die Rechtsbeziehung Belegschaftsorgan-Organmitglied in Betracht (Floretta-Strasser, KommzArbVG 999; Strasser, Arbeitsrecht2 II 354); nach Maßgabe der Normen des Betriebsverfassungsrechtes kann also auch ein einzelnes Organmitglied als Antragsteller (jetzt idR: als Kläger) auftreten und eine Feststellungsentscheidung erwirken, wenn ein Interesse an der alsbaldigen Feststellung vorliegt und eine Leistungs- oder Rechtsgestaltungsklage (noch) nicht zulässig ist. Als Antragsgegner (jetzt idR: Beklagter) kommt dann diejenige Personengruppe in Betracht, die Objekt dieses Feststellungsinteresses ist (Floretta-Strasser, KommzArbVG 1003).

Die vorliegende Streitigkeit resultiert aus der Geschäftsführung des Betriebsrates im Zusammenhang mit der Ausübung kollektivvertraglicher Zustimmungsrechte zur Enthebung eines Arztes nach § 28 a DO.B. Streitigkeiten aus der Geschäftsführung waren schon in § 26 lit a BRG und im § 157 Abs 1 Z 2 ArbVG in geänderter Formulierung als Streitigkeiten aus der Betriebsverfassung erwähnt. Sie gehören auch jetzt im Sinne der umfassenden Generalklausel zu den Streitigkeiten nach § 50 Abs 2 ASGG. Bei Meinungsverschiedenheiten aus der Geschäftsführung geht es zunächst um die formelle Frage, ob bei der Einberufung der Sitzung und der Beschlußfassung über die Tagesordnungspunkte die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten wurden, in der Folge aber auch darum, ob der Inhalt des gefaßten Beschlusses den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, oder wie ein im Ermessen des Betriebsrates liegendes subjektives Recht ausgeübt werden soll (vgl Floretta-Strasser, KommzBRG2, 581). Während es unbestritten ist, daß bei solchen Streitigkeiten der Betriebsrat als Ganzes auftreten kann, war die Antragslegitimation des einzelnen Betriebsratsmitgliedes in der (allerdings ganz verschiedenen Fallgestaltungen betreffenden) Rechtsprechung seit jeher umstritten (vgl die Entscheidungen bei:

Floretta-Strasser, KommzBRG2, 581; Spielbüchler, Die Rechtsstellung der Betriebsratsmitglieder, DRdA 1971, 231 !239 FN 45, 46 und 49; Mörkelsberger, DRdA 1979, 144 f; Strasser, Arbeitsrecht2 II 356 FN 21; Weissenberg-Cerny, Arbeitsverfassungsgesetz 506; für die Antragslegitimation zB Arb 5135, 8506, 8679, 9482, 9828; SozM II B 104 und 213).

Nach Ansicht des erkennenden Senates ist es verfehlt, einem einzelnen (überstimmten) Betriebsratsmitglied, das in einer Angelegenheit der Geschäftsführung des Betriebsrates geltend macht, daß der (mehrheitlich) gefaßte Beschluß wegen schwerwiegender Verfahrensmängel nichtig sei, den Rechtsschutz mit der Begründung zu versagen, daß interne Meinungsverschiedenheiten durch Abstimmung zu erledigen seien (idS schon Floretta-Strasser, KommzBRG2, 581) und daß nur die Belegschaft (als Sanktion gegen das gesetzwidrige Handeln des Betriebsrates) diesen in der Betriebsversammlung entheben könne (§ 42 Abs 1 Z 4 ArbVG). Wie Floretta-Strasser (BRG2 581; ähnlich Spielbüchler aaO 239 f und Mörkelsberger aaO 143) zutreffend ausführen, wird der Betriebsrat, dessen Mehrheit für den Fehler verantwortlich ist, diesen allenfalls außergerichtlich bereinigen; wenn er aber nicht dazu bereit ist wird er praktisch nie selbst Klage erheben; eine Beratung und Abstimmung über die Beseitigung der Mängel wird daher in vielen Fällen gar nicht stattfinden. Dem einzelnen, an einem Antrag hauptsächlich interessierten Betriebsratsmitglied ist daher in solchen Fällen die Parteistellung zu gewähren, weil es kraft seiner Organmitgliedschaft einen materiellen Rechtsanspruch auf eine ordnungsgemäße Einberufung der Betriebsratssitzung und auf Einhaltung der für die Beschlußfassung geltenden Vorschriften hat (Floretta-Strasser KommzBRG2 581 f; ebenso im Ergebnis Spielbüchler DRdA 1971, 240; vgl für den deutschen Rechtsbereich Fitting-Auffarth-Kaiser-Heither BetrVG15, 433 f).

Die die Sitzungen des Betriebsrates und die Beschlußfassung regelnden §§ 67, 68 ArbVG erwähnen zwar als besondere Sanktion gegen Verfahrensfehler nur das Recht der Minderheit (ein Drittel des Betriebsrates, mindestens jedoch zwei Mitglieder), einen Antrag an das Gericht auf Anordnung der (entgegen § 67 Abs 2 ArbVG nicht einberufenen) Betriebsratssitzung zu stellen (vgl auch die beispielsweise Erwähnung dieses Antragsrechtes im aufgehobenen § 157 Abs 2 Z 6 ArbVG). Dies besagt jedoch keineswegs, daß dem einzelnen Betriebsratsmitglied bei Verwirklichung seiner Interessenvertretungsaufgabe keine weitergehenden Befugnisse zukommen können. Die Unterlassung der rechtzeitigen Verständigung einzelner Mitglieder von einer stattfindenden Betriebsratssitzung bewirkt, wenn dann die nicht (gehörig) geladenen Mitglieder nicht erscheinen, die Ungültigkeit der in der Sitzung gefaßten Beschlüsse (Floretta-Strasser, KommzArbVG 380; Arb 8864). Dasselbe gilt bei Verstößen gegen die Beschlußfassungserfordernisse des § 68 ArbVG (Floretta-Strasser aaO 382). Das betroffene (übergangene) Betriebsratsmitglied kann diesen Fehler nicht nur in Wahrung seiner eigenen Organstellung (zB im Fall des § 115 Abs 3 ArbVG, wenn sich der Betriebsrat nicht hinter sein eigenes Mitglied stellt), sondern auch sonst im Rahmen seiner Mandatsausübung geltend machen. Die gegenteilige Ansicht müßte dazu führen, daß die Betriebsratsmehrheit die Minderheit mehr oder weniger sanktionslos von den Betriebsratssitzungen ausschließen könnte. Sie wäre wegen dieser Rechtsverletzung nur der in der Regel von derselben Fraktion mehrheitlich bestimmten Betriebsversammlung verantwortlich. Die Frage der Nichtigkeit des Betriebsratsbeschlusses könnte dann nur in anderen Verfahren (sofern solche überhaupt möglich sind) inzidenter als Vorfrage aufgerollt werden (Spielbüchler, DRdA 1971, 240). Mit der Ansicht, daß der Kläger zur Geltendmachung des Klageanspruches in eigener Person materiell berechtigt sein müßte, übersieht das Berufungsgericht, daß der Kläger bei der Geltendmachung der behaupteten Nichtigkeit der Zustimmungserklärung des Betriebsrates Befugnisse der Belegschaft aufgrund seiner Stellung als Organmitglied und kein eigenes (persönliches) rechtliches Interesse geltend macht. Die privatrechtlichen Ansprüche des betroffenen Arbeitnehmers sind mit seinen betriebsverfassungsrechtlichen Ansprüchen aus der Wahrung der Interessenvertretung (die allerdings ebenfalls dem Privatrecht angehören) nicht identisch. Da eine Leistungsklage nicht möglich ist, und der Kläger für die weitere Ausübung seines Mandates Klarheit darüber verlangen darf, ob er an den bekämpften Beschluß gebunden ist, ist ihm in Wahrung der Belegschaftsrechte ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses der Beklagten vom zuzubilligen. Er ist daher aktiv legitimiert.

Das Klagebegehren ist jedoch nicht berechtigt. Bei der Prüfung des Begehrens auf der Grundlage der Feststellungen des Erstgerichtes ergibt sich folgendes: Richtig ist zwar, daß die Mitglieder des Betriebsrates gemäß § 67 Abs 1 ArbVG zu den Sitzungen des Betriebsrates rechtzeitig - dies ist grundsätzlich spätestens am Vortag (Floretta-Strasser, KommzArbVG 379) - unter Bekanntgabe der Tagesordnung zu laden sind, doctrkann gemäß § 14 Abs 4 BRGO davon abgesehen werden, wenn besondere Gründe den sofortigen Zusammentritt des Betriebsrates erfordern. Der Verfahrensfehler mangelnder oder nicht rechtzeitiger Verständigung ist aber jedenfalls saniert, wenn die nicht (rechtzeitig) verständigten Mitglieder zur Sitzung des Betriebsrates tatsächlich erscheinen (§ 14 Abs 6 BRGO; Floretta-Strasser, KommzArbVG 380). Da der Kläger am um 8 Uhr 15 von der schließlich für 12 Uhr 15 angesetzten Betriebsratssitzung verständigt wurde und um 9 Uhr 15 auch von dem einzigen Tagesordnungspunkt Kenntnis erhielt, der Betriebsratsvorsitzende die Sache mit guten Gründen für dringlich halten durfte und der Kläger zur Betriebsratssitzung erschienen ist, sind allfällige Mängel der gehörigen Verständigung geheilt. Es liegen aber auch keine die Ungültigkeit bewirkenden Verstöße gegen die Beschlußfassungserfordernisse des § 68 ArbVG vor. Der Kläger behauptet in der Klage selbst, daß es am zu einer neuerlichen Abstimmung kam. Wenn es auch bei der Betriebsratssitzung zu keiner formellen Teilung zwischen der Beratung und der Abstimmung kam und "das Abstimmungsergebnis nicht wortwörtlich festgestellt worden" ist, so war doch - wie das Erstgericht ebenfalls aufgrund der Parteienvernehmung des Klägers als erwiesen annahm - jedem Beteiligten klar, daß dem Antrag im Verhältnis 4 : 4 auf Grund der Dirimierung des Vorsitzenden zugestimmt wurde. Es liegt daher eine mmabgabe aller Mitglieder im Sinne des § 68 Abs 2 ArbVG vor. Auf eine Täuschung der dem Antrag zustimmenden Betriebsratsmitglieder kann das Klagebegehren schon deshalb nicht erfolgreich gestützt werden, weil der der Betriebsratssitzung gemäß § 67 Abs 4 ArbVG beratend zugezogene Dr.Harald S*** ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß er das (beim Hauptverband) vorliegende Gutachten derzeit nicht vorlegen könne und weil dieses Gutachten auch nicht die einzige Entscheidungsgrundlage des Betriebsrates war. Selbst wenn aber dieses Gutachten damals noch gar nicht existiert oder keine Verdachtsgründe gegen Univ.Doz. Dr.Walter K*** enthalten hätte, könnte nur der Betriebsrat selbst wegen der Täuschung der für die Annahme stimmenden Mitglieder die gegenüber dem Arbeitgeber abgegebene Zustimmungserklärung anfechten. Da eine durch List und ungerechtfertigte Furcht veranlaßte Erklärung nicht absolut nichtig, sondern nur anfechtbar ist (Rummel in Rummel ABGB Rz 7 zu § 870), müßte es im Falle einer Täuschung dem Betriebsrat überlassen bleiben, ob er anfechten oder die abgegebene Erklärung weiterhin gegen sich gelten lassen wollte. Im übrigen liefe aber eine Prüfung der Frage, ob der Entscheidung zur Anfechtung berechtigende Willensmängel anhaften, insbesondere im Hinblick darauf, daß das von Dr.Harald S*** erwähnte Gutachten des Hauptverbandes nicht die einzige Entscheidungsgrundlage für die Zustimmung des Betriebsrates zur Enthebung des Chefarztes war, auf eine richterliche Nachprüfung der demokratischen Willensbildung eines Organs der Betriebsverfassung hinaus, die jedenfalls in jenen Bereichen, in denen es um die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens oder um die Anwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe geht, unzulässig ist. Ob Beschlüsse mit gesetzwidrigem Inhalt angefochten werden könnten (vgl Fitting-Auffarth-Kaiser-Heither aaO 434), kann hier dahingestellt bleiben, weil der Betriebsrat zu beurteilen hatte, ob die vorliegenden Verdachtsgründe nach ihrer Schwere für die Zustimmung zur Enthebung ausreichen.

Ein darüber hinausgehender Sachverhalt wurde auch unter dem Titel mißbräuchlicher Rechtsausübung (vgl dazu Spielbüchler aaO 241) nicht geltend gemacht.

Aufgrund dieser Rechtslage bedarf es keiner Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Behandlung der in der Berufung erhobenen Beweis- und Mängelrüge durch die zweite Instanz, weil diese Anfechtungsgründe keine entscheidungsrelevanten Fragen betreffen:

Ob der Vorsitzende die Beschlußfähigkeit der Beklagten bekanntgegeben hat oder nicht, ist - wie bereits bei der Behandlung der Revision ausgeführt wurde - ohne Bedeutung, weil die Beschlußfähigkeit gegeben war; daß eine förmliche Abstimmung stattfand, hat das Erstgericht ohnehin nicht festgestellt. Es folgte vielmehr vollinhaltlich der Aussage des Klägers, wonach das Abstimmungsergebnis "nicht wortwörtlich festgehalten wurde", aber allen Beteiligten klar war. Auch darauf wurde bereits oben eingegangen. Daß der Antrag des Dienstgebers vor der Abstimmung beraten wurde, steht ebenfalls unbekämpft fest. Ob einige Mitglieder des Betriebsrates auch nach Feststellung des Abstimmungsergebnisses ihre Meinung äußerten, ist unerheblich. Daß es auf eine allfällige Täuschung über das Vorliegen eines Gutachtens beim Hauptverband nicht ankommt, wurde bereits oben dargelegt.

Das Erstgericht hat den Antrag des Klägers, den Rechtsstreit bis zum Abschluß des Strafverfahrens über die gleichzeitig erstattete Strafanzeige (Sachverhaltsdarstellung) zu unterbrechen, mit Beschluß abgewiesen und die zweite Instanz diese Entscheidung (als Rekursgericht) in den Gründen bestätigt, so daß sie gemäß § 292 Abs 2 ZPO unanfechtbar ist. Im übrigen wurde die vom Erstgericht erstattete Sachverhaltsdarstellung inzwischen von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt (ON 15). Die Ausübung rechtswidrigen Drucks wurde vom qualifiziert vertretenen Kläger (§ 40 Abs 1 ASGG) in erster Instanz nicht behauptet (§ 63 Abs 1 ASGG). Im übrigen würde aber für einen derartigen Mangel das gleiche wie für die behauptete Täuschung gelten. Einer Behandlung der nicht erledigten Punkte der Berufung durch das Berufungsgericht als letzte Tatsacheninstanz bedarf es daher nicht mehr. Der Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO iVm § 58 Abs 1 Satz 1 ASGG.