VfGH vom 13.03.1990, a26/87
Sammlungsnummer
12311
Leitsatz
Abweisung der - zulässigen - Klage eines Totenbeschauers auf Vergütung seiner Tätigkeit gegen die Gemeinde; kein zusätzlicher Vergütungsanspruch gegen die Gemeinde für die in einem Landeskrankenhaus aufgrund eines Dienstverhältnisses mit der Krankenanstalt entgeltlich vorgenommene Totenbeschau
Spruch
Die Klage wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Kläger steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Kärnten. Bis zu seinem Übertritt in den dauernden Ruhestand mit Ablauf des Jahres 1986 war er am Landeskrankenhaus Villach als Prosektor tätig.
Mit der vorliegenden, auf Art 137 B-VG gestützten, gegen die Stadtgemeinde Villach gerichteten Klage begehrt er die Fällung des folgenden Urteils:
"Die beklagte Partei ist schuldig dem Kläger den Betrag von S 1,996.425,-- samt 4 % Zinsen aus S 75.900,-- ab , aus S 63.800,-- ab , aus S 72.100,-- ab , aus
S 111.900,-- ab , aus S 102.300,-- ab , aus
S 104.400,-- ab , aus S 16.500,-- ab , aus
S 106.600,-- ab , aus S 126.000,-- ab , aus
S 137.400,-- ab , aus S 13.400,-- ab , aus
S 170.750,-- ab , aus S 178.750,-- ab , aus
S 137.750,-- ab , aus S 41.250,-- ab , aus S 178.475,-- ab , aus S 196.075,-- ab und aus S 163.075,-- ab zu bezahlen und die Kosten dieses Rechtsstreites zu ersetzen, all dies binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution."
Der geltend gemachte Anspruch wird im wesentlichen damit begründet, der Kläger sei im Klagszeitraum als Prosektor am Landeskrankenhaus Villach gemäß § 6 des (Krnt.) Gesetzes über das Leichen- und Bestattungswesen, LGBl. 61/1971 (im folgenden: GLB), für die in dieser Krankenanstalt verstorbenen Pfleglinge Totenbeschauer gewesen und habe als solcher gemäß § 9 Abs 1 GLB ua. Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit nach Maßgabe der von der Landesregierung gemäß § 9 Abs 2 GLB erlassenen Verordnungen; die beklagte Partei habe jedoch keinerlei Zahlung geleistet.
2. Die beklagte Partei hat in einer Gegenschrift die Abweisung, hilfsweise die Zurückweisung der Klage beantragt. Sie hat die Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes mit der Begründung eingewendet, daß der behauptete Anspruch im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen sei, weil zwischen dem Kläger und der beklagten Partei kein öffentlich-rechtliches Dienst- (oder sonstiges Arbeits-)verhältnis bestehe.
Inhaltlich hat die beklagte Partei den Anspruch dem Grunde nach bestritten. Sie hat dazu im wesentlichen vorgebracht, daß dem Kläger für die Totenbeschau an im Landeskrankenhaus Villach verstorbenen Pfleglingen kein Anspruch auf Vergütung iS des § 9 GLB zustehe, weil er diese Tätigkeit im Rahmen seiner Dienstpflichten vorgenommen habe und diese Leistung somit durch die ihm gegenüber seinem Dienstgeber zustehenden Bezüge abgegolten sei. Für den Fall, daß diese Ansicht nicht geteilt wird, hat die beklagte Partei die Einrede der Verjährung erhoben und überdies vorgebracht, daß der behauptete Anspruch durch Verschweigung erloschen sei, weil der Kläger die ihm seiner Ansicht nach zustehenden Beträge vor der Klagserhebung nie geltend gemacht habe. Schließlich glaubt die beklagte Partei aus einem Schreiben des Klägers vom erkennen zu können, daß er auf den behaupteten Anspruch für die Jahre von 1972 bis einschließlich 1983 verzichtet habe.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach Art 137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Art 137 B-VG enthält demnach für vermögensrechtliche Ansprüche gegen Gebietskörperschaften eine suppletorische Zuständigkeitsordnung, hat aber nicht den Sinn, neben bereits bestehenden Zuständigkeiten eine konkurrierende Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes einzuführen oder jene abzuändern (s. etwa VfSlg. 11395/1987; vgl. bereits VfSlg. 3287/1957).
2.a) Mit der Klage wird ein vermögensrechtlicher Anspruch gegen die Stadtgemeinde Villach geltend gemacht, der ausdrücklich auf § 9 GLB gestützt wird. Nach Abs 1 dieser Bestimmung hat der Totenbeschauer Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit und auf Ersatz der ihm durch die Totenbeschau entstandenen Barauslagen. Die Höhe der Vergütung des Totenbeschauers ist von der Landesregierung mit Verordnung, der gutachtlichen Tätigkeit angemessen, festzusetzen (Abs2).
Nach dem GLB wird der Totenbeschauer für die Gemeinde oder für Teile der Gemeinde vom Gemeinderat (§6 Abs 4), in Städten mit eigenem Statut vom Stadtsenat (§6 Abs 5) bestellt. Er muß ein in Österreich zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigter Arzt sein (§6 Abs 3). Für den Fall der Verhinderung des Totenbeschauers ist in gleicher Weise ein solcher Arzt zu bestellen (§6 Abs 7). Der Totenbeschauer ist Hilfsorgan des Bürgermeisters (§6 Abs 2). Die Totenbeschauer und ihre Stellvertreter - mit Ausnahme der Prosektoren - sind vom Bürgermeister auf die Erfüllung ihrer Amtspflichten anzugeloben (§6 Abs 8).
Diese Vorschriften lassen in ihrem Zusammenhalt keinen Zweifel daran, daß die die rechtliche Stellung des Totenbeschauers bestimmenden Normen solche des öffentlichen Rechtes sind. Es gehört demnach auch der in § 9 GLB geregelte Anspruch des Totenbeschauers auf Vergütung dem öffentlichen Recht an. Da es sich somit um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch und nicht um eine bürgerliche Rechtssache (§1 JN) handelt, ist eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung hierüber nicht gegeben (vgl. etwa VfSlg. 10266/1984).
b) Der Anspruch des Totenbeschauers auf Vergütung seiner Tätigkeit ist (dem Grunde nach) unmittelbar durch das Gesetz (§9 Abs 1 GLB) eingeräumt. Die Höhe dieser Vergütung ist in der von der Landesregierung gemäß § 9 Abs 2 GLB jeweils erlassenen Verordnung mit einem bestimmten Betrag je Totenbeschau festgelegt (siehe die hier maßgeblichen Verordnungen LGBl. 79/1971, 243/1974, 44/1978, 15/1981, 64/1983). Es besteht keine Vorschrift, der zufolge über diesen Anspruch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erkennen ist. Der Anspruch bedarf also nicht der Begründung durch einen Bescheid (vgl. in diesem Zusammenhang die mit den Erkenntnissen VfSlg. 6221/1970 bzw. 6222/1970 eingeleitete Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach über vermögensrechtliche Ansprüche aus einer Gutachtertätigkeit nach dem Kraftfahrgesetz 1967 (auch) nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erkennen ist; in diesem Sinn etwa die Erkenntnisse VfSlg. 6475/1971, 6939/1972, 6940/1972, 7422/1974, 7617/1975, 7672/1975, 8043/1977, 8243/1978).
Die Klage ist daher zulässig.
Dies gilt auch für den geltend gemachten Anspruch auf Verzugszinsen, da es sich hiebei nur um einen Annex zu dem die Hauptsache bildenden vermögensrechtlichen Anspruch (vgl. etwa VfSlg. 7571/1975, 8542/1977) und somit um einen Anspruch öffentlich-rechtlicher Natur handelt (siehe etwa auch VfSlg. 5987/1969).
3. Der Kläger beruft sich zur Begründung des geltend gemachten Anspruches im wesentlichen auf den Wortlaut des § 9 Abs 1 GLB ("Der Totenbeschauer hat Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit . . .") iVm § 6 Abs 6 dieses Gesetzes ("Für Todesfälle in öffentlichen Krankenanstalten mit Prosekturen ist der Prosektor Totenbeschauer."). Die vom Kläger seinen Ausführungen zugrundegelegte Auslegung der hier maßgeblichen Bestimmungen des GLB vermag jedoch aus folgenden Erwägungen nicht zu überzeugen:
a) § 25 Abs 1 der (Krnt.) Krankenanstaltenordnung (KAO) 1978, LGBl. 34 (es handelt sich um die Wiederverlautbarung der KAO 1958, LGBl. 13), bestimmt folgendes:
"(1) Für jeden Pflegling ist eine Krankengeschichte anzulegen. In dieser ist darzustellen:
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1. | die Vorgeschichte (Anamnese), | |||||||||
2. | der Zustand des Pfleglings zur Zeit der Aufnahme (status praesens), | |||||||||
3. | der Krankheitsverlauf (decursus morbi), | |||||||||
4. | der Zustand des Pfleglings zur Zeit seines Abganges aus der Anstalt." |
Es ist nun nicht zweifelhaft, daß diese Vorschrift auch die Verpflichtung statuiert, in der Krankengeschichte der in der Krankenanstalt verstorbenen Pfleglinge jedenfalls auch die Todesursache anzugeben, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob diese Verpflichtung aus Z 3 oder aus Z 4 des § 25 Abs 1 KAO 1978 folgt. Jedenfalls ist die Ermittlung der Todesursache der in einer Krankenanstalt verstorbenen Pfleglinge eine durch die KAO 1978 normierte, unabhängig von den Vorschriften des GLB bestehende Verpflichtung.
b) Angesichts dieser Rechtslage ist die Vorschrift des § 6 Abs 6 GLB ("Für Todesfälle in öffentlichen Krankenanstalten mit Prosekturen ist der Prosektor Totenbeschauer.") dahin zu verstehen, daß die nach den Vorschriften des Krankenanstaltenrechtes (§25 Abs 1 KAO 1978 stand beim Inkrafttreten des GLB als § 21 Abs 1 KAO 1958 in Kraft) vorgeschriebene Ermittlung der Todesursache der in einer öffentlichen Krankenanstalt verstorbenen Pfleglinge durch den Prosektor an die Stelle der Totenbeschau durch den gemäß § 6 Abs 4 GLB bestellten Totenbeschauer tritt, es also in Fällen dieser Art nicht einer Totenbeschau durch einen vom Gemeinderat (bzw. Stadtsenat) bestellten Totenbeschauer bedarf.
Das bedeutet im Ergebnis, daß die vom Prosektor auf Grund krankenanstaltenrechtlicher Vorschriften und in Erfüllung einer dienstlichen Verpflichtung vorgenommene Ermittlung der Todesursache der in einer öffentlichen Krankenanstalt verstorbenen Pfleglinge zusätzlich auch als Totenbeschau iS des GLB gilt.
Aus dieser Rechtslage ist abzuleiten, daß dem Prosektor, der die hier in Rede stehende, auch als Totenbeschau zu qualifizierende Tätigkeit nicht primär auf Grund des GLB, sondern der KAO 1978, im übrigen in Erfüllung einer dienstlichen Verpflichtung und gegen ein im Rahmen seines Dienstverhältnisses zum Rechtsträger der Krankenanstalt gebührendes Entgelt vornimmt, nicht auch der durch § 9 Abs 1 GLB dem Totenbeschauer eingeräumte Vergütungsanspruch gegen die Gemeinde zusteht.
c) Diese Auslegung wird durch die übrigen, die Prosektoren betreffenden Vorschriften des GLB bestätigt:
aa) Das GLB differenziert deutlich zwischen den gemäß § 6 Abs 4 bestellten Totenbeschauern und den in § 6 Abs 6 genannten Prosektoren: Nach § 6 Abs 8 GLB sind die Totenbeschauer und ihre Stellvertreter - mit Ausnahme der Prosektoren - vom Bürgermeister auf die Erfüllung ihrer Amtspflicht anzugeloben. Die Ausnahme der Prosektoren von der für Totenbeschauer vorgeschriebenen Angelobung trägt dem Umstand Rechnung, daß die Prosektoren die durch Vorschriften des Krankenanstaltenrechtes angeordnete Ermittlung der Todesursache der in der (öffentlichen) Krankenanstalt verstorbenen Pfleglinge auf Grund einer aus ihrem Dienstverhältnis zum Rechtsträger der Krankenanstalt resultierenden Verpflichtung vornehmen.
bb) Unzutreffend ist bei dieser Rechtslage die Auffassung des Klägers, daß angesichts der Zugehörigkeit der Totenbeschau zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde die Kosten für die Vergütung dieser Tätigkeit auch dann von der Gemeinde getragen werden müßten, wenn die Totenbeschau (bei den in einer öffentlichen Krankenanstalt verstorbenen Pfleglingen) von einem Prosektor vorgenommen wurde.
Zwar steht die Zugehörigkeit der Totenbeschau zum eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde außer Zweifel (vgl. Art 118 Abs 3 Z 7 B-VG, § 28 GLB) und es ist angesichts dessen auch nicht zweifelhaft, daß die aus der Besorgung dieser Aufgabe erwachsenden Kosten nach Maßgabe der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften (§9 GLB) die betreffende Gemeinde belasten (§2 F-VG 1948; vgl. dazu etwa VfSlg. 9507/1982). Aus dieser Rechtslage folgt jedoch keineswegs, daß die Gemeinde nicht nur dem gemäß § 6 Abs 4 GLB bestellten Totenbeschauer - der nach § 6 Abs 2 GLB "als Hilfsorgan des Bürgermeisters" tätig wird - die in § 9 Abs 1 GLB vorgesehene Vergütung zu leisten hat, sondern daß sie auch dem Prosektor für eine durch die Vorschriften des Krankenanstaltenrechtes angeordnete, von ihm im Rahmen seiner Pflichten als Dienstnehmer ausgeübte (und als solche entlohnte) Tätigkeit, die kraft besonderer gesetzlicher Anordnung zugleich die Funktion der Totenbeschau erfüllt, eine (zusätzliche) Vergütung zu gewähren habe.
cc) Eine weitere Stütze findet die dargelegte - einschränkende - Auslegung des § 9 Abs 1 GLB in der Vorschrift des § 5 Abs 1 dieses Gesetzes. Sie hat folgenden Wortlaut:
"(1) Der Totenbeschauer hat von dem Arzt, der den Verstorbenen vor dem Tode zuletzt behandelt hat, einen Behandlungsbericht anzufordern, der neben den Angaben über die Person des Verstorbenen Angaben über Erkrankungen und andere für die Feststellung der Todesursache zweckdienliche Angaben zu enthalten hat. Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, den angeforderten Behandlungsbericht unverzüglich auszustellen und ihn dem Totenbeschauer spätestens bei Durchführung der Totenbeschau zu übermitteln."
Es ist offenkundig, daß diese Vorschrift unter dem Begriff "Totenbeschauer" nur die gemäß § 6 Abs 4 GLB bestellten Totenbeschauer versteht, zumal die Anforderung eines "Behandlungsberichtes" vom "behandelnden Arzt" für in einer Krankenanstalt verstorbene Pfleglinge angesichts der für diese Personen zwingend zu führenden Krankengeschichte von vornherein nicht in Betracht kommen kann.
d) Zusammenfassend ist festzuhalten, daß der Kläger weder aus § 9 Abs 1 GLB noch aus einer anderen Vorschrift dieses Gesetzes einen Anspruch auf Vergütung für die Durchführung der Totenbeschau an im Landeskrankenhaus Villach verstorbenen Pfleglingen abzuleiten vermag.
Da der vom Kläger mit seiner gegen die Stadtgemeinde Villach gerichteten Klage geltend gemachte Anspruch schon aus den dargelegten Erwägungen nicht zu Recht besteht, erübrigt es sich, auf die von der beklagten Partei vorgebrachten Einreden der Verjährung, der Verschweigung und des Verzichts einzugehen.
Die Klage war daher abzuweisen.
e) Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, wurde von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs 4 erster Satz VerfGG).
Fundstelle(n):
OAAAE-08495