OGH vom 28.04.1993, 9ObA74/93
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProfDr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Mayer und Franz Niemitz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** Gesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Franz J.Salzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gemeinsamer Betriebsrat der H***** Gesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Nichtigkeit einer Betriebsratswahl (Streitwert S 80.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 34 Ra 119/92-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 23 Cga 54/92-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 5.049 (hievon S 1.849 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, mit dem die unvollständige Erledigung der Rechtsrüge im Berufungsverfahren (und damit wiederum eine Rechtsrüge) geltend gemacht wird, liegt nicht vor.
Da die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es, hierauf zu verweisen (§ 48 ASGG).
Ergänzend ist auszuführen:
Nichtigkeit der Betriebsratswahl liegt nach Lehre und Rechtsprechung nur dann vor, wenn - über die Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen oder leitender Wahlrechtsgrundsätze hinaus - die elementarsten Grundsätze einer Wahl im allgemeinen und der Betriebsratswahl im besonderen außer acht gelassen wurden. Es muß sich dabei um krasse Verstöße handeln, die in ihrem Gewicht und ihrer Gesamtheit über die Verletzung leitender Grundsätze der Wahl soweit hinausgehen, daß nicht einmal die Merkmale einer Wahl erkennbar sind und die Wahl nur mehr als das "Zerrbild" einer Wahl bezeichnet werden kann (840 BlgNR 13.GP 75; Strasser in ZAS 1967/30, 181; Floretta in Floretta-Strasser ArbVG-Handkommentar 340; Cerny, Arbeitsverfassungsrecht II 301; Arb 9411, 10.273, 10.866; SZ 63/104 = INFAS 91 A 4 mwH). Da die Anfechtungsgründe sehr umfassend konzipiert wurden, um auch schwerste Verstöße gegen die Bestimmungen über das Wahlverhalten nach Ablauf der Anfechtungsfrist im Interesse der Rechtssicherheit möglichst zu sanieren, entsprach es der Absicht des Gesetzgebers, die Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen nur mehr auf einen sehr kleinen Bereich einzuschränken (so schon die EB zur BRG-Nov 1971 428 BlgNR 12.GP 6; SZ 45/129 = Arb 9068; Arb 10.866).
Aus § 59 Abs 1 ArbVG geht in Einklang mit den Materialien (840 BlgNR
13. GP 75; auch schon 428 BlgNR 12.GP 6 zur BRG-Nov 1971) klar hervor, daß auch die Verletzung wesentlicher Bestimmungen des Wahlverfahrens oder leitender Grundsätze des Wahlrechts (insbesondere § 51 ArbVG, auch §§ 52 f ArbVG) im Regelfall nur einen Anfechtungsgrund bildet. Nur bei besonders schweren Verstößen führt die Verletzung der Wahlgrundsätze des § 51 ArbVG unter Umständen zur Nichtigkeit (Floretta-Strasser, KurzkommzArbVG 97 FN 1). Nach § 59 Abs 2 ArbVG ist (auch) der Betriebsinhaber zur Anfechtung der Betriebsratswahl insbesondere dann berechtigt, wenn die Wahl ihrer Art nach nicht durchzuführen gewesen wäre. Das ist zB der Fall, wenn ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt wird, obwohl kein Beschluß iS des § 40 Abs 3 bzw § 42 Abs 2 ArbVG vorliegt (Floretta-Strasser aaO 113 FN 10; Floretta in Floretta-Strasser, HdkommzArbVG 341; Cerny, Arbeitsverfassungsrecht II 299).
Der Fehler, daß die Wahl ihrer Art nach (insbesondere wegen unzulässiger Wahl eines gemeinsamen Betriebsrates) nicht durchzuführen gewesen wäre, fällt demnach - wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (Arb 10.866 = RdW 1991, 86) nur unter die Anfechtungsgründe im Sinne des § 59 ArbVG. Daß über den Verstoß gegen § 40 Abs 3 und § 42 Abs 2 ArbVG hinaus elementarste Grundsätze der Wahl verletzt wurden, ist nicht hervorgekommen. Die Nichteinhaltung der Vorschriften für die Wahl eines gemeinsamen Betriebsrates beeinträchtigte zwar das Recht der Wahlberechtigten, in der Gruppenversammlung gegen die Bestellung eines gemeinsamen Betriebsrates zu stimmen, verletzte aber nicht die in § 51 Abs 1 ArbVG normierten Wahlgrundsätze. Da bei getrennten Wahlen auch Angehörige der anderen Arbeitnehmergruppe wählbar sind (§ 53 Abs 2 ArbVG), kann ein Recht auf verhältnismäßige Vertretung der jeweiligen Arbeitnehmergruppe auch bei Wahl eines gemeinsamen Betriebsrates nicht verletzt sein. Die gegen § 40 Abs 3 und § 42 Abs 2 ArbVG verstoßende Wahl eines Betriebsrates, dem als Mitglieder bis auf einen Arbeiter nur Angestellte angehören, verletzte damit elementarste Wahlgrundsätze nicht. Dieser Verstoß bildete nur einen Anfechtungsgrund, den aber die Klägerin nicht rechtzeitig geltend gemacht hat.
Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO und § 58 Abs 1 ASGG.