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VfGH vom 16.03.1988, a24/87

VfGH vom 16.03.1988, a24/87

Sammlungsnummer

11663

Leitsatz

Klage gegen den Bund wegen vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Finanzausgleich; Ansprüche auf Ersatz von besonderen für Polizeiverwaltungsaufgaben erwachsenen Aufwendungen wurzeln im öffentlichen Recht - unabhängig vom geltend gemachten Rechtsgrund analog anwendbarer bürgerlichrechtlicher Vorschriften; keine res iudicata - Zulässigkeit der Klage

Abschließende Regelung der Lastenverteilung zwischen Gebietskörperschaften; von § 2 abweichende Regelung muß explizit erfolgen - keine planwidrige Gesetzeslücke; keine analoge Anwendung des ABGB;§ 4 hat nur Gesetzgeber als Adressat

Verfassungskonforme Auslegung des § 20 Abs 4 iVm. ArtIII Abs 1 der Novelle 1986; Kostenersatzansprüche der Stadtgemeinde Krems für die Besorgung von Polizeiverwaltungsaufgaben können erst ab Inkrafttreten der Novelle geltend gemacht werden, stehen aber auch für frühere vom F-VG 1948 beherrschte Zeiträume zu; keine Verjährung des Anspruchs im vorliegenden Fall

Spruch

Der Klagsanspruch besteht dem Grunde nach zu Recht.

Die Entscheidung über die Prozeßkosten bleibt dem Enderkenntnis vorbehalten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die Stadtgemeinde Krems besorgt als Stadt mit eigenem Statut (§1 Abs 1 Kremser Stadtrecht 1977, Nö. LGBl. 1010-3) neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch jene der Bezirksverwaltung (Art116 Abs 3 letzter Satz B-VG und § 1 Abs 2 Kremser Stadtrecht 1977).

In Krems ist eine Bundespolizeibehörde nicht errichtet (s. V der Bundesregierung BGBl. 690/1976). Die Organe der Stadtgemeinde Krems besorgen - wie sich aus § 15 Abs 2 BehÜG, StGBl. 94/1945, ergibt - auch die im § 3 der V BGBl. 74/1946 angeführten, nach Art 10 Abs 1 Z 7 B-VG dem Bund obliegenden Aufgaben auf dem Gebiete des öffentlichen Sicherheitswesens sowie ferner die Angelegenheiten des Kraftfahrwesens (Art10 Abs 1 Z 9 B-VG), die sogenannten "Polizeiverwaltungsaufgaben".

Die Stadtgemeinde Krems erhielt bis vom Bund neben den Zuwendungen aus dem Finanzausgleich keine gesonderten Geldleistungen für diese Tätigkeiten.

b) Die Stadtgemeinde Krems hat im Jahre 1981 zur hg.

Z A3/81 gemäß Art 137 B-VG Klage gegen den Bund erhoben und darin von diesem den Ersatz von Aufwendungen, die der Gemeinde in der Zeit vom bis aus der Besorgung der Polizeiverwaltungsaufgaben erwachsen sind, in bestimmter Höhe begehrt. Nach der allgemeinen Regel des § 2 F-VG 1948 treffe die Kostentragungspflicht für die Besorgung dieser Aufgaben den Bund.

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom A 3/81 (= VfSlg. 9507/1982) das Klagebegehren abgewiesen. Die in Rede stehenden Angelegenheiten seien von der Stadtgemeinde Krems im übertragenen Wirkungsbereich zu besorgen; die administrative Bewältigung dieser Angelegenheiten gehöre daher zu "ihren Aufgaben" iS des § 2 F-VG 1948. Daraus folge, daß der dadurch entstandene Personal- und Amtssachaufwand - und nur in diesem Umfang war in der (damaligen) Klage Kostenersatz begehrt worden der Gemeinde Krems vom Bund nur dann zu ersetzen wäre, wenn die zuständige Gesetzgebung anderes bestimmt hätte; dies sei jedoch nicht der Fall.

c) In der Folge erhob die Stadtgemeinde Krems neuerlich Klage gemäß Art 137 B-VG gegen den Bund (hg. Zl. A5/83). Sie begehrte für die Zeit vom bis einschließlich den Zuspruch eines bestimmten Betrages als Ersatz für die Besorgung der oben erwähnten Polizeiverwaltungsaufgaben, Agenden, mit denen Statutarstädte mit Bundespolizeibehörden nicht belastet seien. Diese zweite Klage wurde auf § 8 FAG 1979 und dessen Vorgängerbestimmungen iVm § 4 F-VG 1948 gegründet; die Finanzausgleichsgesetze nähmen auf die erwähnte besondere Belastung von Krems nicht Rücksicht.

Der VfGH machte sich diese Bedenken zu eigen, leitete aus Anlaß der zweiten Klage gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von amtswegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit

des § 4 Finanzausgleichsgesetz 1948, BGBl. 46/1948,

des § 4 Finanzausgleichsgesetz 1950, BGBl. 36/1950, in der Stammfassung und idF der Finanzausgleichsnov. 1952, BGBl. 18/1952,

des § 4 Finanzausgleichsgesetz 1953, BGBl. 225/1952, in der Stammfassung sowie des § 4 und des § 13 Abs 4 dieses Gesetzes idF der Finanzausgleichsnov. 1955, BGBl. 9/1955,

des § 4 und des § 13 Abs 4 Finanzausgleichsgesetz 1956, BGBl. 153/1955,

des § 4 und des § 13 Abs 4 und 5 Finanzausgleichsgesetz 1959, BGBl. 97/1959, in der Stammfassung und idF der Finanzausgleichsnov. 1964, BGBl. 263/1963,

des § 9 sowie der §§17 und 18 Finanzausgleichsgesetz 1967, BGBl. 2/1967,

des § 8 sowie der §§17 und 18 Finanzausgleichsgesetz 1973, BGBl. 445/1972, sowie

des § 8 sowie der §§20 und 21 Finanzausgleichsgesetz 1979, BGBl. 673/1978, ein.

Mit Erkenntnis vom G44/85 u.a. Zlen. (= VfSlg. 10633/1985) sprach der VfGH aus, daß diese in Prüfung gezogenen finanzausgleichsgesetzlichen Vorschriften verfassungswidrig waren.

Mit diesem Erkenntnis wurde (aus Anlaß anderer Verfahren) der § 8 FAG 1985, BGBl. 544/1984 als verfassungswidrig aufgehoben; für das Inkrafttreten der Aufhebung wurde eine Frist bis bestimmt.

Mit Erkenntnis vom A5/83, (= VfSlg. 10685) wies der VfGH sodann die (zweite) Klage ab. Er begründete dies im wesentlichen mit den Hinweis auf das vorhin erwähnte, im Gesetzesprüfungsverfahren ergangene Erkenntnis:

"Wie sich aus Art 140 Abs 7 B-VG ergibt, wirkt der Ausspruch des VfGH, ein Gesetz (hier: ua. § 8 FAG 1979 und dessen Vorgängerbestimmungen) sei verfassungswidrig gewesen, auf den Anlaßfall zurück. Es ist darum so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des der Klage zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Der einzige Rechtsgrund des geltend gemachten Klagsanspruches waren die für die Zeit vom bis geltenden finanzausgleichsgesetzlichen Vorschriften über die gemeinschaftlichen Bundesabgaben, an denen den Gemeinden ein bestimmter Anteil zuerkannt wurde, also § 8 FAG 1979 und dessen ab geltende Vorgängerbestimmungen. Diese Bestimmungen wurden mit dem zitierten hg. Erkenntnis (VfSlg. 10633/1985) als verfassungswidrig festgestellt.

Damit wurde der Rechtsgrund des Klagsanspruches beseitigt. Die Klage war sohin als unbegründet abzuweisen."

d) Als Konsequenz des Erkenntnisses, VfSlg. 10633/1985 erging das BG vom , BGBl. 384, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1985 geändert wird (FAG-Nov. 1986).

An Stelle des vom VfGH aufgehobenen § 8 FAG 1985 wurden abermals Vorschriften über die Aufteilung der Erträge der in § 7 Abs 1 FAG 1985 angeführten gemeinschaftlichen Bundesabgaben - als § 8 FAG 1985 idF der Nov. 1986 - erlassen (ArtI Z 1 der Nov. 1986).

Mit ArtI Z 3 der Nov. 1986 wurde dem § 20 FAG 1985 folgender Abs 4 angefügt:

"(4) Der Bund gewährt den Städten mit eigenem Statut Krems an der Donau und Waidhofen an der Ybbs den Ersatz jener Kosten, die diesen Gemeinden nachweislich dadurch entstehen, daß sie für den Bund Aufgaben erfüllen, die in anderen Städten mit eigenem Statut von Bundespolizeibehörden erfüllt werden. Die Pauschalierung des Kostenersatzes ist zulässig, darf jedoch nicht höher sein als jener Aufwand, der dem Bund entstehen würde, wenn er in diesen Gemeinden Bundespolizeibehörden eingerichtet hätte."

Der ArtIII Abs 1 der FAG-Nov. 1986 lautet:

"Artikel I Z 5 tritt mit , die übrigen Bestimmungen des Artikels I" (also auch die soeben zitierte Z 3 des ArtI) "treten mit in Kraft."

2. Mit der vorliegenden (dritten) - auf Art 137 B-VG gestützten - Klage der Stadtgemeinde Krems gegen den Bund wird die Fällung folgenden Urteils begehrt:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 890.857,98 samt 4 % Zinsen aus S 43.778,96 vom bis , aus S 454.709,92 vom bis sowie aus S 890.857,98 seit zu bezahlen und ihr die Kosten dieses Rechtsstreites zu ersetzen; all dies binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution."

In der Klagserzählung wird - zusammengefaßt vorgebracht:

Die Stadtgemeinde Krems besorge Polizeiverwaltungsaufgaben, die in anderen Städten mit eigenem Statut von Bundespolizeibehörden besorgt werden (s.o. I.1.a). Für diese Tätigkeiten habe die Stadtgemeinde Krems für den Zeitraum vom bis zum (s.o. I.1.d) vom Bund keine gesonderten Geldleistungen erhalten. Durch das Erkenntnis des VfGH VfSlg. 10633/1985 sei der einzige in der (zweiten), zu A5/83 erhobenen Klage geltend gemachte Rechtsgrund des Klagsanspruches, nämlich § 8 FAG 1979 und dessen Vorgängerbestimmungen, weggefallen (s.o. I.1.c). Aus Gründen prozessualer Vorsicht beschränke sich die klagende Partei vorerst auf die Geltendmachung eines Teiles ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche. Geltend gemacht werde zunächst nur der der klagenden Partei entstandene Mehraufwand für Monat Jänner 1958 im Betrag von S 43.778,96, für Monat Jänner 1985 im Betrag von S 410930,96 und für Monat Jänner 1986 im Betrag von S 436.148,06.

In der nun vorliegenden (dritten) Klage stützt die klagende Stadtgemeinde Krems ihren Anspruch "auf alle erdenklichen Bestimmungen der österreichischen Rechtsordnung", so auf § 1042 ABGB, auf alle sonstigen Bestimmungen des Bereicherungsrechtes (gemeint sind wohl insbesondere die §§1431, 1435, 877, 1174 Abs 1 und 1041 ABGB), auf die Bestimmung über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§1035 ABGB) und auf die Vorschriften über das Schadenersatzrecht (§§1293 ff. ABGB) sowie auf die sich aus den §§4 und 12 F-VG 1948 ergebenden Grundsätze (von denen die klagende Partei offenbar meint, daß sie unmittelbar anwendbares Recht darstellen).

3. Der Bund, vertreten durch den Bundesminister für Finanzen, erstattete eine Gegenschrift. Er bestreitet den Anspruch der klagenden Partei dem Grunde und der Höhe nach. Die einzige Rechtsgrundlage für finanzielle Leistungen des Bundes an die Stadtgemeinde Krems dafür, daß diese bestimmte Polizeiverwaltungsaufgaben besorgte und besorgt, bestünden im § 20 Abs 4 FAG 1985 idF der FAG-Nov. 1986; diese Bestimmung sei aber erst mit in Kraft getreten (s.o. I.1.d); erst ab diesem Zeitpunkt bestehe ein Anspruch auf Kostenabgeltung, nicht jedoch für davor liegende Zeiträume.

Der Bund beantragt, die Klage wegen Unzuständigkeit bzw. entschiedener Sache zurückzuweisen oder - für den Fall des Eingehens in merito - abzuweisen.

II. 1. Mit der vorliegenden, auf Art 137 B-VG gestützten Klage der Stadtgemeinde Krems wird vom Bund der Ersatz von besonderen, für die Besorgung bestimmter Polizeiverwaltungsaufgaben erwachsenen Aufwendungen begehrt. Derartige Ansprüche wurzeln - sofern sie überhaupt bestehen - im öffentlichen Recht. Sie sind weder durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen noch im ordentlichen Rechtsweg auszutragen. Die Klage ist daher zulässig (vgl. zB VfSlg. 9507/1982 und 10633/1985); dies entgegen der Meinung der beklagten Partei.

An dem öffentlich-rechtlichen Ursprung des Anspruches ändert nämlich nichts, daß die klagende Partei Bestimmungen des ABGB herangezogen wissen will, dies jedoch bloß im Wege der Analogie, indem sie meint, bestimmte bürgerlichrechtliche Vorschriften seien sinngemäß auf ähnlich gelagerte Sachverhalte auf dem hier maßgebenden finanzausgleichsrechtlichen (also einem öffentlich-rechtlichen) Gebiet anzuwenden. Ob diese Annahme zutrifft, ist eine Frage der Sache (s.u. II.2.a), nicht der Prozeßvoraussetzung.

Die Klage ist auch nicht etwa wegen res judicata zurückzuweisen, weil über ähnliche Klagen mit hg. Erkenntnissen VfSlg. 9507/1982 und 10633/1985 entschieden wurde. Die erste Klage war nämlich auf § 2 F-VG 1948, die zweite Klage auf § 8 FAG 1979 und dessen Vorgängerbestimmungen gegründet (als deren Maßstab § 4 F-VG 1948 herangezogen wurde), während die nun vorliegende Klage auf andere Rechtsvorschriften gestützt wird, nämlich auf "alle erdenklichen Bestimmungen der österreichischen Rechtsordnung" (und zwar erkennbar nur soweit sie nicht als Rechtsgrund der ersten und der zweiten Klage herangezogen wurden), so etwa auf - wie die klagende Partei meint - analog heranzuziehende Vorschriften des ABGB und auf unmittelbar anzuwendende Bestimmungen des F-VG 1948 (u.a. des § 4).

2.a) Die klagende Partei geht (zutreffend) davon aus, daß die nun geltend gemachten Ansprüche (die sich auf den Zeitraum bis beziehen) keine ausdrückliche Grundlage in der Rechtsordnung haben; sie meint jedoch, es wären hier bestimmte Vorschriften des ABGB analog anzuwenden. Damit ist sie nicht im Recht:

Nach dem unter der Überschrift "Finanzausgleich" stehenden § 2 F-VG tragen der Bund und die übrigen Gebietskörperschaften, sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt, den Aufwand, der sich aus der Besorgung ihrer Aufgaben ergibt. Unter "ihren Aufgaben" sind auch jene des übertragenen Wirkungsbereiches zu verstehen; so hat etwa die Stadtgemeinde Krems u.a. den Aufwand, der ihr aus der Besorgung bestimmter Verwaltungsaufgaben aus den Bereich der Bundesvollziehung (so der wiederholt erwähnten Polizeiverwaltungsagenden) erwächst, endgültig selbst zu tragen, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (vgl. VfSlg. 9507/1982).

Ein derartiges Gesetz, das eine vom Prinzip des § 2 F-VG 1948 abweichende Vorschrift enthält, regelt eine spezifisch finanzausgleichsrechtliche Frage, nämlich welche Gebietskörperschaft welchen Aufwand zu tragen hat. Grundsätzlich soll eine derartige Regelung im Finanzausgleichsgesetz getroffen werden und nur ausnahmsweise auch in einem anderen Gesetz, das aber explizit die vom § 2 F-VG 1948 abweichende Lastenverteilung zum Inhalt haben muß. Diese Forderung ergibt sich schon daraus, daß der Finanzausgleich einen Komplex bildet, der nur als solcher dem Gebot des § 4 F-VG 1948 entsprechen kann.

Mag auch sonst die für den Bereich des bürgerlichen Rechtes bestehende Ermächtigung zur Analogie (§7 ABGB) auch für das Gebiet des öffentlichen Rechtes gelten (vgl. zB VfSlg. 7617/1975) käme doch die von der klagenden Partei vorgeschlagene analoge Anwendung von Vorschriften des ABGB hier (anders als etwa im Fall VfSlg. 3354/1958, in dem ein Land eine Bundesaufgabe erfüllt hatte, ohne hiezu gesetzlich verpflichtet zu sein - vgl. auch VfSlg. 8178/1977) nicht in Betracht. Der Finanzausgleich regelt die Verhältnisse der Gebietskörperschaften auf diesem Gebiet abschließend, sodaß hier das ABGB nicht analog herangezogen werden kann. § 2 F-VG 1948 schreibt vor, daß von dieser Verfassungsbestimmung abweichende Regelungen in spezifisch finanzausgleichrechtlichen Vorschriften zu treffen sind, sodaß bei Fehlen derartiger abweichender Regelungen keine planwidrige Gesetzeslücke - nur eine solche würde allenfalls die Anwendung von Analogie erlauben - vorliegt.

Diese Auffassung liegt im übrigen auch dem hg. Erk. VfSlg. 10633/1985 (s.o. I.1.c) zugrunde. Hätte sich nämlich der VfGH seinerzeit auf den nun von der klagenden Partei vorgetragenen Standpunkt der analogen Anwendbarkeit von Bestimmungen des ABGB gestellt, so hätte er nicht zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der finanzausgleichsrechtlichen Vorschriften gelangen können.

Bestimmungen des ABGB bilden also keine taugliche Rechtsgrundlage für die von der Stadtgemeinde gegen den Bund geltend gemachten Ansprüche.

b) § 4 F-VG 1948 verpflichtet den Gesetzgeber, die einfachgesetzliche Rechtslage dieser Verfassungsbestimmung entsprechend zu gestalten; Adressat dieser Bestimmung ist also nur der Gesetzgeber, nicht die Vollziehung. Die einzelne Gebietskörperschaft kann daraus unmittelbar keine Rechte ableiten.

c) Das Klagebegehren besteht dem Grunde nach zu Recht:

Die klagende Partei beruft sich auf alle erdenklichen (in den beiden früheren Klagen nicht bezogenen) Bestimmungen der österreichischen Rechtsordnung. Als solche kommen auch jene des § 20 Abs 4 FAG 1985 idF der Nov. 1986 (s.o. I.1.d) in Betracht. Dieser finanzausgleichsrechtlichen Vorschrift zufolge gewährt der Bund u.a. der Stadt Krems a.d. Donau den Ersatz der Polizeiverwaltungskosten. Eine ausdrückliche Bestimmung, ab welchem Zeitpunkt dieser Kostenersatz gebührt, enthält die FAG-Nov. 1986 nicht; ArtIII Abs 1 der Nov. verfügt lediglich, daß u. a. diese Vorschrift mit in Kraft tritt.

Würde dieser Regelungskomplex so verstanden werden, daß erst ab diesem Zeitpunkt der erwähnte Kostenersatz gebührt, wäre er verfassungswidrig. Wie sich nämlich aus dem Erkenntnis VfSlg. 10633/1985 (s.o. I.1.c) ergibt, widerspricht (auch) eine finanzausgleichsrechtliche Regelung, die für in der Vergangenheit liegende Zeiträume (soweit sie vom Regime des F-VG 1948 beherrscht werden) keinen Ersatz jener Kosten vorsieht, die der Stadtgemeinde Krems bei der Besorgung der Polizeiverwaltungsaufgaben erwachsen, dem § 4 F-VG 1948. Die FAG-Nov. 1986 diente offenbar u.a. dazu, diesem Erkenntnis Rechnung zu tragen. Die durch sie geschaffenen, im vorangegangenen Absatz zitierten Vorschriften lassen sich ungeachtet des Umstandes, daß sich die Nov. 1986 in das FAG 1985 einfügt, nach dessen Titel der Finanzausgleich für die Jahre 1985 bis 1988 geregelt wird (siehe auch § 24 Abs 1 leg.cit.) aufgrund des Gesetzeswortlautes und nach dem erkennbaren Willen des historischen Gesetzgebers verfassungskonform derart auslegen, daß die Kostenersatzansprüche zwar erst ab dem geltend gemacht werden können, daß sie aber auch für frühere vom F-VG 1948 beherrschte Zeiträume zustehen. Bei dieser verfassungskonformen Interpretation - der der Vorzug zu geben ist (vgl. zB VfSlg. 10270/1984 und die dort zitierte Vorjudikatur) hat die klagende Stadt Krems Anspruch auf Ersatz der ihr in den Monaten Jänner 1958, Jänner 1985 und Jänner 1986 bei der Besorgung der Polizeiverwaltungsaufgaben erwachsenen Kosten.

Bemerkt sei, daß eine Verjährung der geltend gemachten Ansprüche nicht eingetreten ist:

Nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 7617/1975, 10889/1986), besteht die Institution der Verjährung im öffentlichen Recht nur dort, wo das Gesetz das ausdrücklich vorsieht.

Hier besagt nun § 24 Abs 3 FAG 1985, daß vermögensrechtliche Ansprüche, die sich auf dieses oder künftige Finanzausgleichsgesetze gründen, nach Ablauf von fünf Jahren verjähren; diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch erstmals hätte geltend gemacht werden können; im übrigen gelten die Bestimmungen des ABGB.

Die auf § 20 Abs 4 FAG 1985 idF der Nov. 1986 gegründeten Ansprüche der Stadtgemeinde Krems konnten - wie bereits dargetan - mit Inkrafttreten dieser Bestimmung, also erstmals ab , geltend gemacht werden. Die im § 24 Abs 3 FAG 1985 vorgesehene Frist von fünf Jahren zur Geltendmachung der Ansprüche ist mithin selbst heute noch nicht abgelaufen. Im übrigen gelten nach der zitierten ausdrücklichen finanzausgleichsgesetzlichen Anordnung die Verjährungsbestimmungen des ABGB. Die vorliegende Klage wurde am eingebracht, sodaß die allgemeine Verjährungsfrist des ABGB auch für den ersten maßgebenden Zeitraum (Jänner 1958) s.o. I.2. - noch nicht verstrichen ist.

3. Da der Stand des Verfahrens eine Entscheidung über die Höhe des Anspruchs nicht zuläßt, war mit Zwischenerkenntnis auszusprechen, daß der Klagsanspruch der Stadtgemeinde Krems dem Grunde nach zu Recht besteht (§393 ZPO iVm § 35 Abs 1 VerfGG).

Die Parteien werden zur Frage der Höhe des Anspruchs Schriftsätze mit den zur Beurteilung dieser Frage nötigen Unterlagen einzubringen haben.

4. Die Entscheidung über die Kosten gemäß § 41 VerfGG bleibt dem Enderkenntnis vorbehalten.

5. Da die Schriftsätze der Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens und die dem VfGH vorgelegten Akten erkennen lassen, daß durch eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist, wurde gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden.