OGH vom 19.09.2002, 8ObS119/02m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Friedrich Heim und Wolfgang Neumeier als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Günter H*****, vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei IAF-Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 4.410,04 sA Insolvenz-Ausfallgeld (Revisionsinteresse der klagenden Partei EUR 1.827,29 sA; der beklagten Partei EUR 2.582,76 sA), infolge der Revisionen beider Teile gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Rs 312/01s-13, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 14 Cgs 219/00s-8, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war mit Unterbrechungen vom bis insgesamt sieben Jahre und fünf Monate bei Johann S***** beschäftigt. Am ging der Betrieb infolge Verpachtung auf die D***** GmbH über. Mit Beschluss vom wurde das Konkursverfahren über die GmbH eröffnet. Der Kläger erklärte am gemäß § 25 KO seinen vorzeitigen Austritt. Bei der Pächterin verbrachte der Kläger eine Dienstzeit von fünf Jahren und vier Monaten. Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe anzuwenden.
Anlässlich der Verpachtung wurde vereinbart, dass die zu diesem Zeitpunkt beschäftigten Dienstnehmer, zu denen auch der Kläger gehörte, mit allen Rechten und Pflichten von der Pächterin weiterbeschäftigt werden. Diese erklärte im Pachtvertrag hinsichtlich sämtlicher ab fälligen Ansprüche aus den Dienstverhältnissen, auch wenn sie vorher entstanden sind (insbesondere Abfertigungen), den Verpächter schad- und klaglos zu halten. Die Übernahme der Abfertigungsansprüche der Dienstnehmer durch die Pächterin wurde in finanzieller Hinsicht nicht berücksichtigt. Allerdings musste diese keine Ablöse für die Übernahme des Kundenstockes bezahlen.
Nach der Verpachtung des Betriebes verlangten die Dienstnehmer von der Pächterin als Voraussetzung für ihre Bereitschaft zur Weiterarbeit einen Teil ihrer Abfertigung. Es wurde eine Einigung dergestalt erzielt, dass die Dienstnehmer 60 % des zu diesem Zeitpunkt fiktiv errechneten Abfertigungsanspruches (durch ihr Dienstverhältnis beim Verpächter) erhalten sollten. Auf Grundlage dieser Vereinbarung bezahlte die Pächterin am an den Kläger einen Nettobetrag von S 37.716,-- (60 % von S 62.860,--). Der Verpächter war in diese Verhandlungen und die Vereinbarung nicht eingebunden.
Der gesamte fiktive Abfertigungsanspruch des Klägers zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges hätte S 62.860,-- betragen. Grundlage waren drei Netto-Monatsentgelte von je S 20.953,33. Der gesamte Abfertigungsanspruch des Klägers zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses zur Pächterin (eingeschlossen der bei der Verpächterin erworbenen Dienstzeiten) betrug S 98.128,28, und zwar auf Grundlage von vier Netto-Monatsentgelten von je S 24.532,07. Der Kläger begehrt einen restlichen Abfertigungsbetrag von S 60.412,30 (S 98.128,28 minus erhaltener Abfertigung von S 37.716,--) sowie einen aliquoten Kostenbeitrag von S 271,20 für die Forderungsanmeldung (der, ohne dass hierauf in der Folge noch von der beklagten Partei darauf eingegangen worden wäre, vom Erstgericht zugesprochen wurde), zusammen somit S 60.683,50 sA. Das Erstgericht sprach den begehrten Betrag zur Gänze zu. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge; es sprach dem Kläger S 35.268,30 plus S 271,20 Kosten für die Forderungsanmeldung, somit insgesamt S 35.539,50 (= EUR 2.582,76) sA zu, wies das Mehrbegehren von S 25.144,-- (= EUR 1.827,20) sA ab und ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof mangels oberstgerichtlicher Rechtsprechung zum Haftungsumfang des Betriebsveräußerers bei Zahlung einer Zwischenabfertigung durch den Betriebserwerber zu.
Es ging in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kein Insolvenz-Ausfallgeld gebühre, wenn der ehemalige Arbeitgeber in Insolvenz verfallen sei, die Arbeitsverhältnisse aber nicht beendet worden seien, sondern auf den Übernehmer gemäß § 3 Abs 1 AVRAG übergegangen seien, sodass der Veräußerer und der Übernehmer gemäß § 6 AVRAG solidarisch für die offenen Ansprüche hafteten. Der Umfang der Existenzsicherungsfunktion des IESG sei nicht nur durch die Interessen des Arbeitnehmers, sondern auch jene der Allgemeinheit am Bestehen eines finanzierbaren Modells begrenzt. Diesem Zweck des IESG würde es widersprechen, Ansprüche zu sichern, deren Zahlung der Arbeitgeber auch von einem Dritten, nämlich dem solidarisch haftenden Übernehmer erlangen könnte.
Nach § 1 Abs 2 Z 5 IESG gebühre Insolvenz-Ausfallgeld für Ansprüche nach Abs 2 nicht, sofern aufgrund gesetzlicher Anordnung ein anderer als der Arbeitgeber (ehemaliger Arbeitgeber) zur Zahlung verpflichtet sei. Sei diese Gesetzesstelle bisher auch auf die Fälle der nur gegen die Bauarbeiter Urlaubs- und Abfertigungskasse zu richtenden Ansprüche bezogen worden, so werde dadurch doch der bereits dargestellte Zweck des Gesetzes verdeutlicht, Dritte nicht von den sie gesetzlich treffenden Lasten zu entbinden. Die Möglichkeit eines Regresses aufgrund der in § 11 IESG normierten Legalzession scheide aus, weil ein Rückgriffsanspruch unter Berücksichtigung des gesamten Aufbaues des § 11 IESG nur gegenüber dem insolventen Arbeitgeber bestehen solle. Eine Ausdehnung der Rückgriffsmöglichkeiten erscheine - neben der mangelnden Deckung im Gesetzeswortlaut - auch verfassungsrechtlich bedenklich. Wenn aber eine Regressmöglichkeit des Fonds gegenüber dem Übernehmer zu verneinen sei, würden Zahlungen des Fonds den Übernehmer endgültig von der ihn gemäß § 6 AVRAG treffenden Haftung entlasten, was jedoch mit dem Gesetzeszweck des IESG nicht vereinbar sei.
Diese vom Obersten Gerichtshof für den Fall der Insolvenz des Betriebsveräußerers geprägten Grundsätze müssten aber auch für den nach der Wertung des Gesetzes gleichgelagerten Fall gelten, dass der Erwerber in Insolvenz verfalle und ein solidarisch haftender Veräußerer vorhanden sei. Gemäß § 6 Abs 2 AVRAG hafte für Abfertigungsansprüche, die nach dem Betriebsübergang entstünden, der Veräußerer nur mit jenem Betrag, der dem fiktiven Abfertigungsanspruch im Zeitpunkt des Betriebsüberganges entspreche. Die Abfertigung entstehe erst im Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dieser Anspruch stelle somit aus der Sicht des Veräußerers eine Neuschuld dar. Die Neuschuldenhaftung des § 6 Abs 2 AVRAG komme dann zum Tragen, wenn - wie hier - das Ende des Dienstverhältnisses nach dem Betriebsübergang liege. Auch in diesem Fall sei ein Gesamtschuldverhältnis angeordnet, wobei die Haftung des Veräußerers auf den fiktiven Abfertigungsanspruch im Zeitpunkt des Betriebsüberganges begrenzt sei.
Der Kläger und die übrigen Dienstnehmer hätten ihre Bereitschaft zur Weiterarbeit beim Betriebsübernehmer an die Zahlung einer Zwischenabfertigung im Ausmaß von 60 % des damals bestehenden fiktiven Abfertigungsanspruches geknüpft, der vom Betriebsübernehmer geleistet wurde. Aufgrund der in § 6 Abs 2 AVRAG angeordneten Solidarhaftung sei damit der zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges bestehende fiktive Abfertigungsanspruch auch gegenüber dem Veräußerer um die geleistete Vorauszahlung reduziert worden. Der Haftungsumfang des Veräußerers zum maßgeblichen Zeitpunkt könne nämlich nach Leistung der Zwischenabfertigung nicht höher sein als der des Betriebsübernehmers. Hieraus ergebe sich der aus den Seiten 9 f des Berufungsurteils näher aufgeschlüsselte Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld im Gesamtbetrag von S 35.539,50, der rein rechnerisch von keiner der beiden Parteien bekämpft wird. Gegen diese Entscheidung erheben beide Teile Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Der Kläger begehrt die Abänderung im Sinn der vollen Klagestattgebung (sowie hilfsweise Aufhebung), die beklagte Partei die Abänderung im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung.
Beide Teile beantragen der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Zur Revision des Klägers:
Der Kläger meint, es stünde ihm aufgrund der Solidarhaftung des § 6 AVRAG frei, ob er seine ihm noch gebührenden Abfertigungsansprüche (also unter Abzug der bereits erhaltenen Teilabfertigung) gegen den Übernehmer oder den Veräußerer (gegen letzteren im Umfang seiner Solidarhaftung) geltend mache.
Dies ist grundsätzlich richtig, gilt aber nicht für gegenüber dem Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds geltend gemachte Ansprüche.
Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (8 ObS
2164/96k = SZ 70/168 = DRdA 1998, 245 [krit Wachter]; 8 ObS 219/99k =
DRdA 2001, 154 [abl Wachter] = WBl 2000, 281 = ZIK 2000, 107; 8 ObS
94/00g = DRdA 2001, 261 [krit Reissner] = WBl 2000, 328) die Ansicht,
dass das Bestehen der Solidarschuldnerschaft des Übergebers mit dem Übernehmer einen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld ausschließt. Die gesamtschuldnerische Haftung des Veräußerers greift in diesem Fall nur dann ein, wenn der Arbeitnehmer die rückständigen Forderungen beim Erwerber nicht einbringlich machen kann, respektive wenn der Erwerber wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 1409 ABGB nicht haftet. Er leitet diese Ansicht ua aus dem Sicherungszweck des IESG ab: Dem Sicherungszweck des IESG würde es widersprechen, derartige Ansprüche zu sichern, wenn sich der Arbeitnehmer Zahlung auch bei einem Dritten, nämlich dem solidarisch haftenden Übernehmer, verschaffen könnte. Das IESG dient nicht dazu, den Übernehmer (außer im Fall eines Konkursverfahrens über den bisherigen Unternehmer; diese Ausnahme hat andere Gründe) von seiner gesetzlichen Haftung nach § 6 Abs 1 iVm § 3 Abs 1 AVRAG faktisch zu entbinden. Diese Rechtsprechung ist im Schrifttum wiederholt kritisiert worden (siehe Zusammenstellung bei Liebeg, Betriebsübergang und Insolvenz-Ausfallgeld, WBl 2002, 12 ff [13 FN 6]). In der bereits genannten Entscheidung 8 ObS 219/99k (im gleichen Sinn auch 8 ObS 94/00g) hat sich der erkennende Senat ausführlich mit der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Kritik, insbesondere auch mit der von Wachter (DRdA 1998, 247) vorgeschlagenen Vorgangsweise auseinandergesetzt und sich zur Begründung der Verneinung des Anspruches auf Insolvenz-Ausfallgeld ua auf § 1 Abs 3 Z 5 IESG sowie auf die Systematik des § 11 Abs 1 IESG gestützt: In der Ausschlussbestimmung des § 1 Abs 3 Z 5 IESG wird der Zweck des Gesetzes verdeutlicht, Dritte nicht von den sie gesetzlich treffenden Lasten zu entbinden. § 11 IESG hat einen Betriebsübergang nicht im Auge; es liegt daher nahe, dass der Rückgriffsanspruch des § 11 Abs 3 IESG auch unter Berücksichtigung des gesamten Aufbaus des § 11 IESG nur gegenüber dem insolventen Arbeitgeber bestehen soll.
Von dieser Rechtsprechung abzugehen sieht sich der erkennende Senat trotz der inzwischen auch erfolgten Kritik durch Liebeg (aaO) - der darauf hinweist, dass die Auslegung des Obersten Gerichtshofes zu den genannten Bestimmungen des § 1 Abs 3 Z 5 und § 11 IESG (nämlich dass der Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld nur subsidiär sei) nicht zwingend sei und dass es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar sei, vorerst Ansprüche gegen den Solidarschuldner geltend zu machen - nicht veranlasst, wobei noch hinzukommt, dass es im vorliegenden Fall um Abfertigungsansprüche und nicht um rückständiges laufendes Entgelt (bzw Urlaubsentschädigung) wie in den von Liebeg behandelten Fällen geht, für die der Arbeitnehmer kurzfristig eine Vorfinanzierung durch den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes benötige.
Dass die vom Obersten Gerichtshof bisher für den Fall der Insolvenz des Betriebsveräußerers geprägten Grundsätze auch für den gleichgelagerten Fall gelten, dass der Erwerber (Pächter) in Insolvenz verfällt und ein solidarisch haftender Veräußerer (Verpächter) vorhanden ist, bekämpft der Kläger zu Recht nicht. Die Teilabweisung der Ansprüche des Klägers durch das Berufungsgericht ist daher zu bestätigen.
Zur Revision der beklagten Partei:
Zu prüfen sei nach ihrer Meinung, ob und in welchem Ausmaß ein Arbeitnehmer bei Vorliegen eines Tatbestandes nach dem AVRAG und Verwirklichung eines Insolvenztatbestandes beim Unternehmenserwerber Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld hat, wenn es im Zeitpunkt des Betriebsüberganges zu einer "Zwischenabfertigung" gekommen sei. Die bereits dargelegte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bedeute im konkreten Fall, dass für den Teil des Abfertigungsanspruches, für den der Veräußerer (iSd § 6 Abs 2 AVRAG) und der Erwerber solidarisch hafteten, aus Anlass der Verwirklichung eines Insolvenztatbestandes beim Erwerber nur dann Insolvenz-Ausfallgeld gebühre, wenn dieser Teil auch beim Veräußerer uneinbringlich sei. Die von der Betriebsübernehmerin geleistete Bevorschussung der - zum Leistungszeitpunkt weder entstandenen noch fälligen - Abfertigung habe keine Verringerung der Haftungssumme des Betriebsübergebers zur Folge; das Berufungsgericht habe nicht bedacht, dass die Teilzahlung nicht vom Übergeber, sondern vom Übernehmer geleistet worden sei. Es könne durchaus im Interesse des Veräußerers liegen, durch Zahlung der fiktiven Abfertigung bzw eines Teiles davon, von seiner Seite möglichst alle Ansprüche der Arbeitnehmer zu befriedigen, um von der Haftung befreit zu sein. Vorliegendenfalls gehe es aber um eine andere Problematik: Der Übernehmer habe sich mit der Situation konfrontiert gesehen, dass die Arbeitnehmer nur dann bei ihm weiter arbeiten wollten, wenn sie einen Teil der fiktiven Abfertigung bekommen würden. Darin liege der Beweggrund für die anlässlich der Betriebsübernahme geleistete Vorschusszahlung, wobei dem zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs fiktiv bestandenen Abfertigungsanspruch lediglich die Bedeutung als Berechnungsgrundlage zugekommen sei. Angesichts dieser Situation sei die Ansicht des Berufungsgerichts, den Vorschuss auf Abfertigung so zu widmen, dass hiedurch der im Rahmen der Gesamtheit geschuldete Abfertigungsteil getilgt sei, unrichtig. Vielmehr habe der Erwerber ohne rechtliche Verpflichtung eine eigene künftige durch das Entstehen des Abfertigungsanspruchs bedingte - Schuld getilgt. Eine Anrechnung auf genau jenen Teil, für den der Veräußerer iSd § 6 Abs 2 AVRAG hafte, sei nicht möglich.
Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, dass es für die Tilgung einer Solidarschuld oder eines Teiles davon nicht darauf ankommt, welcher der Solidarschuldner die Leistung erbracht hat.
Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ist mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, dass der aufgrund der in § 6 Abs 2 AVRAG angeordneten Solidarhaftung zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges bestehende fiktive Abfertigungsanspruch auch gegen den Veräußerer um die geleistete Teilzahlung getilgt wurde. Im Allgemeinen sind nämlich Dienstzeiten, für die bereits eine Abfertigung gezahlt wurde, abgegolten und für eine nächste Abfertigung nicht zu berücksichtigen (9 Ob 58/91, DRdA 1992/15 [Grießer] = JBl 1991, 809 [Liebeg] ua; Reissner, Zur Veräußererhaftung für nach Betriebsübergang anfallende Abfertigungen und gleichzuhaltende Ansprüche, ASoK 2000, 2 ff [11]). Dass die Haftung des zahlenden Erwerbers durch die "Vorauszahlung" um diesen Betrag reduziert wurde, kann nicht zweifelhaft sein und wird auch von der beklagten Partei nicht in Abrede gestellt. Zahlt ein Solidarschuldner (hier der Erwerber), erlischt im Umfang der Zahlung auch die Schuld gegenüber dem anderen Solidarschuldner (Gamerith in Rummel ABGB I3 Rz 1 zu § 893; Welser in Koziol/Welser II12 130). Der Haftungsumfang des Veräußerers kann daher nach Leistung der "Zwischenabfertigung" nicht höher sein, als der des Betriebsübernehmers.
Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Betriebsübernehmerin nur eine ungewidmete Vorauszahlung für künftige Ansprüche irgendeiner Art leisten wollte und dass die Arbeitnehmer, die einen Teil der fiktiven Abfertigung für die beim Veräußerer zurückgelegten Zeiten als Bedingung für die Weiterarbeit forderten, damit einverstanden gewesen wären, entbehrt jeder Tatsachengrundlage. Eine solche Teilzahlung kann unter diesen Umständen nach der Übung des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB) nur als Teilzahlung auf diesen fiktiven Abfertigungsanspruch verstanden werden, der in diesem Umfang getilgt wird. Es kann daher dahinstehen, ob eine Vereinbarung in der von der beklagten Partei behaupteten Art überhaupt in rechtlich verbindlicher Weise hätte abgeschlossen werden können.
Hieraus ergibt sich, dass auch die Revision der beklagten Partei erfolglos bleiben muss.
Der Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung des insofern obsiegenden Klägers beruht auf § 77 ASGG; für einen Zuspruch auch der Kosten seiner erfolglosen Revision nach Billigkeitsgründen besteht kein Anlass.