OGH vom 22.10.1997, 9ObA259/97x

OGH vom 22.10.1997, 9ObA259/97x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Gerhard Stadler und Brigitte Haumer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.Laszlo K*****, praktischer Arzt, *****, vertreten durch Dr.Walter Breitwieser und Mag.Paul Max Breitwieser, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagten Parteien 1. Dr.Valentin Rana Z*****, Facharzt, *****, und 2. Institut Z***** GmbH, *****, vertreten durch Dr.Wolfgang R.Gassner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 242.425,37 netto sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 256/96p-16, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 19 Cga 43/96p-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.414,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.235,75 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hat zutreffend die Beharrlichkeit einer allfälligen Dienstpflichtverletzung verneint. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Rechtliche Beurteilung

Anders als beim Urlaubsverbrauch ist für die Inanspruchnahme der Pflegefreistellung keine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber erforderlich. Der Arbeitnehmer ist lediglich verhalten, den Arbeitgeber von der Arbeitsverhinderung rechtzeitig zu verständigen und muß erforderlichenfalls für das Vorliegen der Voraussetzungen den Nachweis erbringen. Dieser erstreckt sich auf alle Tatbestandsmerkmale, so insbesondere auf Erkrankung, Pflegebedürftigkeit des Angehörigen und Notwendigkeit der Pflege etc (Kuderna, Urlaubsrecht2, § 16 Rz 22 ff, Cerny, Urlaubsrecht7 259).

Aus der Bestimmung des § 16 UrlG ergibt sich die Wertung, daß der Gesetzgeber in den dort genannten Fällen der Notwendigkeit der Pflege von nahen Angehörigen diesen Aufgaben den Verpflichtungen aus dem Dienstvertrag gegenüber den Vorrang einräumt und unter den Bedingungen des Urlaubsgesetzes einen Freistellungsanspruch gewährt (9 ObA 2091/96g). Unter diesen Voraussetzungen einer keiner Genehmigung durch den Arbeitgeber erforderlichen Pflegefreistellung ist der Nachweis der Pflegefreistellungsvoraussetzungen, wenn sie vom Arbeitnehmer (wie hier die verlangte Bestätigung über die Krankheit) nicht schon bei der Verständigung von der Inanspruchnahme der Freistellung erbracht werden können, jedenfalls bei der Geltendmachung des Anspruches auf Auszahlung des Entgelts, das dem Dienstnehmer gebührt hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte, sowie zum Nachweis eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes für den Fall einer Entlassung wegen Unterlassung der Dienstleistung während einer den Umständen nach erheblichen Zeit, zu erbringen. Dem Kläger, der selbst Arzt ist, schadet es daher ungeachtet der ihn treffenden Beweispflicht nicht, daß er zum Zeitpunkt seines Begehrens auf Pflegefreistellung noch keinen schriftlichen Nachweis zur Verfügung hatte. Ob die Pflegefreistellung gerechtfertigt in Anspruch genommen worden wäre, braucht daher im Hinblick auf die sofort ausgesprochene Entlassung nicht mehr geprüft zu werden.

Die Ankündigung des Dienstnehmers, daß er Pflegefreistellung in Anspruch nehmen und zu diesem Zweck den Dienstort verlassen werde, ist, weil es hiezu keiner Genehmigung des Arbeitgebers bedurfte, nicht tatbestandsmäßig im Sinne des Entlassungsgrundes des § 27 Z 4 AngG, erster Fall. Eine Unterlassung der Dienstleistung hat im Belange des Klägers noch nicht stattgefunden. Aber auch die Tatbestandsmäßigkeit des Entlassungsgrundes des zweiten Falles der angeführten Gesetzesstelle fehlt, weil der bloßen Ankündigung der Arbeitsversäumung in der Regel noch nicht das Merkmal der Beharrlichkeit innewohnt (Kuderna Entlassungsrecht2, 115; Arb 10.975, 11.387; RdW 1997, 91, RdW 1997, 290; DRdA 1997/35 [Mosler]).

Gerade weil die Inanspruchnahme von Pflegefreistellung nicht der Vereinbarung oder der Genehmigung des Dienstgebers bedarf, läßt sich in der eigenmächtigen Ankündigung einer künftigen Arbeitsverweigerung aus diesem Grunde keine nachhaltige, unnachgiebige, hartnäckige und vor allem auf die Verletzung von Dienstpflichten gerichtete Willenshaltung des Arbeitnehmers (Kuderna aaO, 115) ersehen noch ist sie schwerwiegender Art. Selbst wenn der Kläger vor diesem Vorfall ungerechtfertigterweise Pflegefreistellung in Anspruch nehmen wollte (S 20) oder sich ein Mitarbeiter durch den Kläger einmal verbal bedroht fühlte, so haben alle diese behaupteten angeblichen Pflichtverletzungen zu keinen Folgen und offensichtlich nicht einmal zu einer Ermahnung geführt, sodaß sie zur Beurteilung der Beharrlichkeit einer neuerlichen Pflichtenverletzung nicht herangezogen werden können (Martinek/M. und W.Schwarz, Angestelltengesetz7, 633; Infas 1989 A 44). Umsoweniger dann, wenn die Inanspruchnahme von Pflegefreistellung an sich keine Pflichtenverletzung ist.

Eine in der Berufung zur Haftungsfrage nach § 6 AVRAG unterbliebene bzw nicht ordnungsgemäße, weil nur von Wunschfeststellungen ausgehende Rechtsrüge kann in der Revision nicht mehr nachgeholt werden (MietSlg 39.767; EvBl 1985/154; RZ 1995/93).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.