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VfGH vom 27.02.1992, A2158/90

VfGH vom 27.02.1992, A2158/90

Sammlungsnummer

12995

Leitsatz

Abweisung der Klagen von Gebietskörperschaften wegen vermögensrechtlicher Ansprüche aus den Finanzausgleichsgesetzen 1985 und 1989; Änderung der Rechtslage nach Aufhebung der Regelung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels im FAG 1989 durch den Verfassungsgerichtshof durch Entfall der Ansprüche aufgrund Einführung einer Pauschalabgeltung für die Wr Randgemeinden

Spruch

Die Klagen werden abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit den vorliegenden, auf Art 137 B-VG gestützten Klagen machen die klagenden Gebietskörperschaften gegen eine oder mehrere andere Gebietskörperschaft(en) bestimmte vermögensrechtliche Ansprüche geltend. Die Forderungen werden ausschließlich damit begründet, daß (in den Klagen näher bezeichnete) Bestimmungen des FAG 1985 und FAG 1989 verfassungswidrig seien. Eine verfassungskonforme Regelung hätte zur Folge, daß ein Teil der Gemeinden aus dem Finanzausgleich zu wenig erhalten habe - diese Gemeinden stellen daher Nachforderungsansprüche -, und daß ein anderer Teil der Gemeinden zu viel bekommen habe - was zu Rückforderungsansprüchen führt.

2.a) Der Verfassungsgerichtshof hat gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen folgende Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet:

aa) Aus Anlaß der zu A7/90, A640/90 und A2158/90 erhobenen Klagen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 8 Abs 3 vorletzter Satz des Finanzausgleichsgesetzes 1985 (FAG 1985), BGBl. 544/1984 in der Fassung der Novelle BGBl. 384/1986, sowie des § 8 Abs 3 vorletzter Satz des Finanzausgleichsgesetzes 1989 (FAG 1989), BGBl. 687/1988; ferner

bb) aus Anlaß der zu A641/90 und A1163/90 erhobenen Klagen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 8 Abs 3 vorletzter Satz FAG 1985 idF der Novelle BGBl. 384/1986 und des § 21 FAG 1985 sowie des § 8 Abs 3 vorletzter Satz und des § 21 FAG 1989.

b) Mit Erkenntnis vom , G158-162/91, hob der Verfassungsgerichtshof § 8 Abs 3 vorletzter Satz FAG 1989 als verfassungswidrig auf und verfügte, daß diese Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist.

Mit demselben Erkenntnis sprach er aus, daß § 8 Abs 3 vorletzter Satz und § 21 FAG 1985 nicht verfassungswidrig waren, sowie daß § 21 FAG 1989 nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

3. In einigen Klagen werden auch Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit von Bestimmungen des FAG 1985 und des FAG 1989 vorgebracht, mit denen sich der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis G158-162/91 nicht befaßt hat.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich jedoch mit gleichartigen Bedenken aus Anlaß eines von der Niederösterreichischen Landesregierung gestellten, auf Art 140 Abs 1 B-VG gegründeten Gesetzesprüfungsantrages auseinandergesetzt. Mit Erkenntnis vom , G66/90, wies er diesen Antrag ab, weil die Bedenken unbegründet waren.

4. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes G158-162/91 (s.o. I.2.b) bedeutete zunächst - rückwirkend ab - den Wegfall der Privilegierung der sogenannten Wiener Randgemeinden durch den für sie geltenden besonderen Verteilungsschlüssel.

In der Folge fanden jedoch zwischen den Finanzausgleichspartnern Verhandlungen mit dem Ziel statt, diese Wirkungen für die Randgemeinden zu mildern.

Das Ergebnis dieser Verhandlungen wurde vom Verfassungsgesetzgeber aufgegriffen: ArtII Abs 3 des - in dem am ausgegebenen Bundesgesetzblatt Nr. 693 kundgemachten - Bundesgesetzes, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1989 geändert wird, lautet:

"§3. (Verfassungsbestimmung) (1) Die durch die Aufhebung des § 8 Abs 3 vorletzter Satz FAG 1989 mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , G158-162/91-24, kundgemacht im BGBl. Nr. 428/1991, notwendig gewordene Rückabwicklung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben vom bis hat durch eine pauschale Abgeltung an die Gemeinden außerhalb Niederösterreichs zu erfolgen.

(2) Die pauschale Abgeltung beträgt 300 Millionen Schilling. Die Ertragsanteile der Länder werden zum Termin der Zwischenabrechnung für das Jahr 1991 wie folgt vermindert:

Burgenland 1 126 000 S

Kärnten 2 738 000 S

Niederösterreich 200 000 000 S

Oberösterreich 6 176 000 S

Salzburg 2 261 000 S

Steiermark 5 805 000 S

Tirol 2 805 000 S

Vorarlberg 1 478 000 S

Wien 10 945 000 S

Für die Berechnung der Finanzzuweisung gemäß § 20 Abs 1 FAG 1989 ist diese Verminderung der Ertragsanteile der Länder nicht zu berücksichtigen. Der Bund leistet zum gleichen Termin einen Betrag von 33 333 000 S. Ein weiterer Betrag von 33 333 000 S vermindert die Ertragsanteile der Gemeinden des Landes Niederösterreich. Dieser Betrag wird vom Land Niederösterreich von den Ertragsanteilen der Gemeinden, die auf Grund des Gebietsänderungsgesetzes, BGBl. Nr. 110/1954, an das Land Niederösterreich rückgegliedert worden sind, nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel nach dem Ergebnis der Volkszählung 1981 einbehalten.

(3) Vor der Verteilung des Gesamtbetrages von 300 Millionen Schilling sind die den Gemeinden entstandenen Anwaltskosten in den bis eingebrachten, auf die Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des FAG 1985 oder FAG 1989 gestützten Verfahren gemäß Art 137 B-VG abzuziehen. Die Höhe dieser Anwaltskosten und deren gemeindeweise Verteilung sind vom Österreichischen Gemeindebund und vom Österreichischen Städtebund bis dem Bundesministerium für Finanzen bekanntzugeben und von diesem zum Termin der Zwischenabrechnung für das Jahr 1991 gemäß § 11 FAG 1989 den anspruchsberechtigten Gemeinden länderweise zusammengefaßt im Wege der Länder zu überweisen. Die pauschale Abgeltung ist zum Termin der Zwischenabrechnung für das Jahr 1991 gemäß § 11 FAG 1989 länderweise und gemeindeweise auf die Gemeinden außerhalb Niederösterreichs nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel als Ertragsanteile des Jahres 1992 (mit Ausnahme der Anwaltskosten) zu verteilen.

(4) Mit diesen pauschalen Abgeltungen und Anwaltskostenersätzen sind alle Ansprüche aus der Aufhebung des § 8 Abs 3 vorletzter Satz FAG 1989 hinsichtlich der Ertragsanteile der Länder und Gemeinden für den Zeitraum bis einschließlich Juli 1991 sowie aus den in Abs 3 genannten Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof abgegolten.

(5) Bei der Zwischen- und Endabrechnung der Ertragsanteile der Gemeinden für das Jahr 1991 wird für die Gemeinden, die auf Grund des Gebietsänderungsgesetzes, BGBl. Nr. 110/1954, an das Land Niederösterreich rückgegliedert worden sind, die gemäß § 8 Abs 3 erster und zweiter Satz FAG 1989 ermittelte Volkszahl

bei Gemeinden mit höchstens 10.000 Einwohnern mit 1 11/12,

bei Gemeinden mit 10.001 bis 20.000 Einwohnern mit 2 1/18

und bei Gemeinden mit über 20.000 Einwohnern mit 2 7/36

vervielfacht.

(6) Der Ausgleich zwischen den Ansprüchen der Länder und Gemeinden auf Grund der Aufhebung des § 8 Abs 3 vorletzter Satz FAG 1989 hat hinsichtlich der in den Jahren 1989, 1990 und 1991 überwiesenen Zweckzuschüsse gemäß § 22 Abs 1 Z 5 FAG 1989 mit der Überweisung dieser Zweckzuschüsse im Jahr 1992 und hinsichtlich der im Jahr 1991 überwiesenen Zweckzuschüsse nach dem Wohnbauförderungs-Zweckzuschußgesetz 1989 mit der Überweisung dieser Zweckzuschüsse zum Termin Jänner 1992 zu erfolgen."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen (s. , S 8 ff., Pkt. II.A.2.) - Klagen erwogen:

1. Soweit die Ansprüche auf die Behauptung gegründet werden, der für die "Wiener Randgemeinden" ab geltende besondere Bevölkerungsschlüssel (§8 Abs 3 vorletzter Satz FAG 1989) sei verfassungswidrig, waren diese Ansprüche zwar zunächst jedenfalls dem Grunde nach gegen eine der beklagten Gebietskörperschaften berechtigt (s. Erk. G158-162/91).

Mit dem (auf Verfassungsstufe stehenden) ArtII § 3 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 693/1991 (der dem erwähnten hg. Erkenntnis vom , G158-162/91, Rechnung tragen will - vgl. AB, 356 BlgNR, 18. GP, S 3f.) erfolgte jedoch eine Änderung der Rechtslage derart, daß diese Ansprüche entfielen und durch eine "pauschale Abgeltung" ersetzt wurden. Seit Inkrafttreten dieser Verfassungsbestimmung bestehen sohin die eingeklagten Ansprüche nicht (mehr) zu Recht.

2. Zur Widerlegung der Klagsbehauptungen, andere finanzausgleichsrechtliche Bestimmungen als § 8 Abs 3 vorletzter Satz FAG 1989 seien verfassungswidrig, genügt es, auf die oben zu I.3. und I.2.b zitierten Erkenntnisse G66/90 und G158-162/91 zu verweisen, in denen dargetan wird, daß die in den Klagen vorgebrachten Bedenken nicht zutreffen. Damit erweist sich aber, daß die auf diese Behauptungen gegründeten Ansprüche nicht zu Recht bestehen.

3.a) Die Klagen waren also allein schon aus den angeführten Gründen insgesamt abzuweisen, ohne daß auf die Frage der Legitimation eingegangen zu werden brauchte.

b) Soweit Kostenansprüche zulässigerweise geltend gemacht werden, war ihnen im Hinblick auf die spezielle, hier Platz greifende Verfahrenskostenregelung des (auf Verfassungsstufe stehenden) Artikel II § 3 Abs 3 und 4 des Bundesgesetzes BGBl. 693/1991 (s.o. I.4.) keine Folge zu geben.

4. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

Fundstelle(n):
MAAAE-08354