VfGH vom 13.06.2012, B748/11

VfGH vom 13.06.2012, B748/11

19637

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Nachforderung von Körperschaftsteuer infolge rückwirkender Versagung der Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen für den Beteiligungserwerb an ausländischen Kapitalgesellschaften für das Jahr 1996; verfassungskonforme Auslegung der durch das Abgabenänderungsgesetz 1996 rückwirkend geänderten Rechtslage betreffend die Besteuerung internationaler Schachtelbeteiligungen möglich und geboten; im Übrigen Abweisung der Beschwerde

Spruch

I. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit er über die Berufung betreffend die Körperschaftsteuer 1996 abspricht, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.

II. Im Übrigen ist die beschwerdeführende Partei

durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Insoweit wird die Beschwerde abgewiesen.

III. Der Bund (Bundesministerin für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 1.420,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Salzburg. Sie hat in den Jahren 1996 und 1997 Beteiligungen an Kapitalgesellschaften in Slowenien erworben. Die Beteiligungshöhe überstieg das für die Anwendung des internationalen Schachtelprivilegs nach § 10 Körperschaftsteuergesetz 1988 (in Folge: KStG 1988) erforderliche Ausmaß. Die Finanzierung erfolgte mit Fremdkapital, das nach Angaben der Beschwerde später durch Eigenkapital ersetzt werden sollte. Die Fremdkapitalzinsen wurden in den Steuererklärungen für 1996 und 1997 als Betriebsausgaben geltend gemacht. Aus den Beteiligungen wurden seit der Anschaffung keine Ausschüttungen bezogen.

Nach zunächst erklärungsgemäßer Veranlagung wurden in der Folge von der Finanzbehörde erster Instanz geänderte Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1996 und 1997 erlassen, in denen der Abzug der Fremdkapitalzinsen versagt wurde, wodurch es gegenüber den Erstbescheiden zu Nachforderungen von rund € 126.000,- bzw. € 294.000,- kam. Die dagegen erhobenen Berufungen wurden vom Unabhängigen Finanzsenat (UFS) als unbegründet abgewiesen.

2. In der nunmehr erhobenen Beschwerde behauptet die beschwerdeführende Gesellschaft eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes infolge Verletzung des Vertrauensschutzes. Die Besteuerung internationaler Schachtelbeteiligungen habe sich ab wie folgt dargestellt: Beteiligungserträge in der Form von Ausschüttungen waren steuerfrei, wenn die in § 10 Abs 2 Z 2 lita KStG 1988 idF BGBl. 681/1994 normierte Behaltefrist (maximal 24 Monate) gewahrt war. Ausschüttungen, die vor Ablauf der Behaltefrist bezogen wurden, waren jedenfalls körperschaftsteuerpflichtig, sodass nach § 12 Abs 2 KStG 1988 die im Zusammenhang mit dem Beteiligungserwerb stehenden Fremdkapitalzinsen während dieser Frist steuerlich abzugsfähig waren. Im Vertrauen auf diese Rechtslage habe die beschwerdeführende Gesellschaft für diese Anfangsphase die Anschaffung der slowenischen Beteiligungen mit Fremdkapital finanziert.

Durch das Abgabenänderungsgesetz 1996 (in Folge: AbgÄG 1996), BGBl. 797, kundgemacht am , sei diese Rechtslage geändert worden, und zwar gemäß § 26a Abs 7 KStG 1988 rückwirkend ab der Veranlagung des Jahres 1996. Nach der neuen Rechtslage sei für internationale Schachtelbeteiligungen eine Behaltefrist von zwei Jahren eingeführt worden. Ausschüttungen innerhalb der Zweijahresfrist seien vorläufig steuerpflichtig gewesen, jedoch nach Erfüllung der Zweijahresfrist nachträglich von der Körperschaftsteuer frei gestellt worden. Für die Fremdkapitalzinsen des Jahres 1996 habe dies zur Folge gehabt, dass ihnen (wegen des nachträglich gegebenen Zusammenhangs mit steuerfreien Erträgen) rückwirkend ab die Abzugsfähigkeit versagt worden sei.

Auch die Fremdkapitalzinsen für 1997 seien von der Vertrauensschutzwirkung erfasst. Die beschwerdeführende Gesellschaft habe nicht sofort im Zeitpunkt der Kundmachung der neuen Rechtslage die Finanzierung umstellen können. Durch die schlagartige Beseitigung der Absetzbarkeit der Zinsen sei die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht worden (die Beschwerde verweist auf das hg. Erkenntnis VfSlg. 15.739/2000). Die rückwirkende Gesetzesänderung könne auch nicht sachlich gerechtfertigt werden. Die Steuerfreistellung von Ausschüttungen, die innerhalb der Behaltefrist fließen, sofern die Behaltefrist letztlich erfüllt wird, gehe auf das Denkavit, zurück. Allerdings betreffe die in diesem Urteil einschlägige Mutter-Tochter-Richtlinie nur Beteiligungen in der damaligen EG. Slowenien sei erst 2004 Mitglied der EU geworden. Daher könne die rückwirkende, für die beschwerdeführende Gesellschaft verschlechternde, Gesetzesänderung nicht mit gemeinschaftsrechtlichen Argumenten gerechtfertigt werden. Die rückwirkende Änderung des § 10 Abs 2 KStG 1988 wäre insoweit nicht erforderlich gewesen.

Ohne zusätzliche substanzielle Begründung macht die beschwerdeführende Gesellschaft zudem eine Verletzung des Grundrechtes auf Eigentum geltend. Abschließend regt die Beschwerde die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich der Vorschrift des § 26a Abs 7 KStG 1988 idF BGBl. 797/1996 und des § 10 Abs 1 Z 2 lita leg.cit. an.

3. Die Bundesministerin für Finanzen, die vom Verfassungsgerichtshof eingeladen worden war, zu den in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen, erstattete eine Stellungnahme, in der sie den Bedenken entgegentritt:

Mit dem AbgÄG 1996, BGBl. 797, sei keine Änderung hinsichtlich des Abzugs von Fremdkapitalzinsen erfolgt, sondern - vor dem Hintergrund des EG-Beitritts Österreichs und in Umsetzung der sog. Mutter-Tochter-Richtlinie (Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten) - eine begünstigende Neuregelung von Beteiligungserträgen aus internationalen Schachtelbeteiligungen eingeführt worden. Während bis dahin eine Steuerbefreiung für Erträge aus internationalen Schachtelbeteiligungen erst nach Ablauf einer Behaltefrist vorgesehen war, sei nunmehr die Steuerbefreiung auch schon für Ausschüttungen während der Behaltefrist von zwei Jahren zu gewähren, allerdings erst durch eine rückwirkende Änderung der Besteuerung nach Ablauf der Behaltefrist. Die vor Ablauf der Zweijahresfrist erzielten Gewinnanteile wären vorläufig steuerpflichtig und würden nach Ablauf der Zweijahresfrist rückwirkend steuerfrei gestellt.

Die Ausweitung der Steuerfreiheit habe systemkonform dazu geführt, dass Aufwendungen aus der Fremdfinanzierung von Beteiligungserwerben nicht mehr abzugsfähig waren, wenn die Beteiligung mindestens zwei Jahre lang gehalten wurde, weil nach der Systematik des Ertragsteuerrechts ein Abzugsverbot für Aufwendungen anzunehmen sei, die im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.

Nach Auffassung der Bundesministerin für Finanzen

liege im Hinblick auf die Regelung des § 26a KStG 1988 idF BGBl. 797/1996 eine "echte Rückwirkung" im vorliegenden Fall allenfalls für das Veranlagungsjahr 1996 vor. Für das Veranlagungsjahr 1997 stelle sich die Frage, ob die beschwerdeführende Gesellschaft auf den Fortbestand der vor dem AbgÄG 1996 geltenden Rechtslage vertrauen durfte und im Vertrauen darauf Dispositionen getroffen hat.

Wörtlich führte die Bundesministerin für Finanzen aus (Zitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen und Fußnoten):

"Wie der VfGH im bereits zitierten Erkenntnis

VfSlg. 16.850 ausgesprochen hatte, ist ein Eingriff in bereits verwirklichte Tatbestände durch eine echte Rückwirkung dann verfassungswidrig, wenn der Eingriff von erheblichem Gewicht ist und es dafür keine Rechtfertigungsgründe gibt. Als besondere Umstände, die eine solche Rückwirkung hätten rechtfertigen können, nannte der VfGH in diesem Verfahren die Beseitigung eines gleichheitswidrigen Zustandes. Keine Rechtfertigung für einen derartigen rückwirkenden Eingriff sei insbesondere dann zu erkennen, wenn der Gesetzgeber lediglich bestrebt ist, eine Lücke im Gesetz zu schließen.

Im verfahrensgegenständlichen Fall erfolgte die gesetzliche Änderung keinesfalls zur Lückenschließung, sondern liegen vielmehr besondere Umstände vor, die eine 'echte' Rückwirkung rechtfertigen können. Als solche Rechtfertigungsgründe sind nach Ansicht der Bundesministerin für Finanzen die Umsetzung zwingender Vorgaben, das Bestehen eines in sich geschlossenen Systems von Steuerbefreiungen und Abzugsverboten sowie die mangelnde Erheblichkeit des Eingriffs anzusehen.

5.1.1. Gemeinschaftsrechtliches Umsetzungserfordernis

Wie bereits unter Punkt 3. ausgeführt, war die Ausweitung der Steuerfreiheit für Gewinnanteile aus internationalen Schachtelbeteiligungen aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen notwendig. Nachdem die im Schrifttum geäußerten Bedenken, ob die Bestimmung des § 10 Abs 2 Z 2 KStG 1988 idF BGBl. Nr 681/1994 den Vorgaben der Mutter-Tochter RL entsprach, durch die EuGH Judikatur bestätigt wurden, war der Gesetzgeber zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung der Besteuerung von Erträgen aus internationalen Schachtelbeteiligungen angehalten. Der EuGH hatte in der Rs Denkavit ausdrücklich ausgesprochen, dass die Begünstigungen der Mutter-Tochter RL auch für Gewinnausschüttungen zustehen, die vor Ablauf der Behaltefrist getätigt werden, wenn die Behaltefrist schließlich erfüllt wird. Ein Spielraum des österreichischen Gesetzgebers war diesbezüglich somit nicht vorhanden.

Mit ihren Ausführungen, wonach einerseits eine gemeinschaftsrechtskonforme Umsetzung der Mutter-Tochter Richtlinie auch nach Ergehen der EuGH-Judikatur nicht notwendig gewesen wäre, weil Steuerpflichtige sich direkt auf die Richtlinie berufen könnten, andererseits die Ausweitung der Befreiungsbestimmung des § 10 Abs 2 KStG 1988 sich auf Beteiligungen aus den damaligen 15 EG-Mitgliedstaaten beschränken hätte können, verkennt die Beschwerdeführerin die Wirkungen des Unionsrechtes (vormals Gemeinschaftsrechtes) und insbesondere die erga-omnes Wirkung eines EuGH Urteils.

Die Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht ist nach Art 288 AEUV für die Mitgliedstaaten verbindlich, auch wenn diesen die Wahl der zur Umsetzung erforderlichen Form und die Wahl der Mittel überlassen wird. Nach der Judikatur des EuGH ist eine Relativierung der Umsetzungsverpflichtung aufgrund der unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts nicht anzunehmen. Da die - unter bestimmten Voraussetzungen [...] eintretende - unmittelbare Wirksamkeit von RL lediglich einen Mindestschutz zur Herbeiführung der Effektivität des Unionsrechts darstellt, kann auch sie keinem Mitgliedstaat als Rechtfertigung einer unterlassenen bzw mangelhaften RL-Umsetzung dienen.

Die Ausweitung der Befreiungsbestimmung des § 10 Abs 2 KStG 1988 durch das AbgÄG 1996 hätte auch nicht, wie in der Beschwerde behauptet, auf 'EG-Schachtelbeteiligungen' eingeschränkt werden können. Zwar trifft es zu, dass Slowenien zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Befreiungsbestimmung - im Jahr 1996 - noch nicht EU-Mitglied war, womit Beteiligungen an slowenischen Gesellschaften grundsätzlich nicht vom Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie erfasst waren. Damit ist jedoch keineswegs gesagt, dass eine Einschränkung der Befreiungsbestimmung auf 'EG-Schachtelbeteiligungen' nicht ein Verstoß gegen sonstige gemeinschaftsrechtliche Vorschriften - insbesondere die Grundfreiheiten - gewesen wäre. Der Grundsatz, wonach innerstaatliche Maßnahmen, die eine Richtlinie gemeinschaftsrechtskonform umsetzen, darüber hinaus an den Maßstäben der Grundfreiheiten zu messen sind, wurde bereits früh in der EuGH-Judikatur geprägt und findet auch im Bereich der direkten Steuern Anwendung.

Da das Verhältnis zwischen der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der geänderten Befreiungsbestimmung noch keineswegs geklärt war, konnte der österreichische Gesetzgeber nach Ansicht der Bundesministerin für Finanzen grundsätzlich von einer parallelen Anwendbarkeit der beiden Grundfreiheiten ausgehen. Eine nach Ländern und in Bezug auf die Behaltedauer differenziert ausgestaltete Befreiung für Erträge aus internationalen Schachtelbeteiligungen hätte somit möglicherweise nach damaligem Wissensstand gegen die - auch im Verhältnis zu Drittstaaten geltende - Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen. Zusammengefasst war daher die Ausweitung der Steuerfreiheit für Gewinnanteile aus internationalen Schachtelbeteiligungen durch das AbgÄG 1996 - aus damaliger Sicht - auf Grund der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts erforderlich.

5.1.2. In sich geschlossenes System

Das dem österreichischen Steuerrecht inhärente Nettoprinzip erfordert, Aufwendungen, die mit steuerbefreiten oder steuerbegünstigten Erträgen in Zusammenhang stehen, nicht zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen. Der Begünstigung auf der einen Seite steht somit der Nachteil eines fehlenden Betriebsausgabenabzugs auf der anderen Seite systemkonform gegenüber.

Das als Folge der gemeinschaftsrechtlich notwendigen Ausweitung der Steuerbefreiung für internationale Schachtelbeteiligungen zugleich entstehende Abzugsverbot für Fremdfinanzierungszinsen wird nach Ansicht der Bundesministerin für Finanzen durch die ausgeweitete Steuerbefreiung aufgewogen. Dabei spielt es keine Rolle, dass bei der gegenständlichen slowenischen Beteiligung tatsächlich keine Ausschüttungen erfolgt sind, da es sich im Grundsatz um ein geschlossenes System handelt, bei dem der Steuerbefreiung für die Erträge aus der slowenischen Beteiligung auf der einen Seite eben die Nichtabzugsfähigkeit der Finanzierungsaufwendungen für diese auf der anderen Seite gegenüber steht. Der Gesetzgeber hat somit nicht isoliert eine Verschlechterung der Rechtslage herbeigeführt, sondern der Nachteil, der durch die gesetzliche Änderung entsteht, wird durch die eingeführte Begünstigung ausgeglichen.

5.1.3. Geringfügigkeit des Eingriffs

Die rückwirkende Befreiung für Gewinnanteile aus internationalen Schachtelbeteiligungen führte dazu, dass Gewinnanteile ab dem Veranlagungsjahr 1996 nur noch vorläufig besteuert und bei Einhaltung der Behaltefrist steuerfrei gestellt wurden. Im Anlassfall wird von der Beschwerdeführerin eingeräumt, dass die ursprüngliche Fremdfinanzierung nach einem Zeitraum von ein bis zwei Jahren, somit ab dem Zeitpunkt, in dem die Behaltefrist abgelaufen war, durch eine Finanzierung mit Eigenkapital ersetzt werden sollte. Weiters wird eingeräumt, dass die Investition auch unter den Rahmenbedingungen der geänderten Rechtslage jedenfalls durchgeführt worden wäre, jedoch von Beginn an mit Eigenstatt mit Fremdkapital.

Im Erkenntnis zu VfSlg 16.850/2003 hat der VfGH ausgesprochen, dass einer langfristigen Steuerstundung in Bezug auf stille Reserven aus der Veräußerung einer Finanzanlage für einen Zeitraum von 15 Jahren wesentlicher Einfluss auf die Entscheidung zur Veräußerung einer Finanzanlage zukommen kann. Die Beseitigung der Übertragungsmöglichkeit dieser stillen Reserve und die damit einhergehende sofortige Besteuerung stellte somit auf Grund der langfristigen Wirkung einen Eingriff von erheblichem Gewicht dar, der aufgrund der rückwirkenden Gesetzesänderung zu einer Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte führte.

Eine solche Wirkung ist im verfahrensgegenständlichen Fall jedoch nicht gegeben. Einerseits ist der Vorteil aus der Abzugsfähigkeit von Fremdfinanzierungszinsen, die nur einen geringfügigen Bruchteil des Kaufpreises ausmachen, nicht mit der Wirkung einer Steuerstundung oder einer Steuerbegünstigung des gesamten Veräußerungspreises vergleichbar. Andererseits waren schon aufgrund der Rechtslage vor dem AbgÄG 1996 die gegenständlichen Fremdfinanzierungszinsen nur innerhalb der Behaltefrist abzugsfähig. Die negativen Auswirkungen durch die nicht mehr zulässige Absetzbarkeit der Fremdfinanzierungszinsen sind angesichts dieses kurzen Zeitraums nach Ansicht der Bundesministern für Finanzen als so gering einzustufen, dass sie bei Renditeüberlegungen und bei der Bestimmung des Kaufpreises nur eine untergeordnete Rolle spielen konnten. Zudem hätte die Beschwerdeführerin nach ihren eigenen Angaben die Anschaffung der Beteiligung jedenfalls auch bei Kenntnis der geänderten Rechtslage vorgenommen. Angesichts dessen erscheint der durch die rückwirkende Änderung entstehende Nachteil auf Seiten der Beschwerdeführerin von den verfassungsrechtlichen Rahmen nicht tangierendem Gewicht.

Zusammengefasst ist die Bundesministerin für Finanzen daher der Ansicht, dass die besonderen Umstände, die der VfGH als Rechtfertigung für eine rückwirkende Gesetzesänderung verlangt, in diesem Fall vorliegen, da mit der Änderung im AbgÄG 1996 ein gemeinschaftsrechtswidriger Zustand beseitigt wurde. Darüber hinaus ergeben sich die negativen Auswirkungen bei der Beschwerdeführerin nur als Folge allgemeiner steuerlicher Prinzipien. Dem Vorteil der erweiterten Steuerbefreiung für Erträge aus einer internationalen Schachtelbeteiligung steht in einem - als Ausfluss des objektiven Nettoprinzips konzipierten - geschlossenen System der Nachteil der Nichtabzugsfähigkeit von Aufwendungen, die mit nicht steuerpflichtigen Erträgen in Zusammenhang stehen, gegenüber. Zudem liegt mangels Einfluss auf die Investitionsentscheidung kein Eingriff von erheblichem Gewicht vor."

II. Rechtslage

1. Die hier maßgebenden §§10 Abs 2 und 26a Abs 7 KStG 1988 idF AbgÄG 1996, BGBl. 797, sowie § 12 Abs 2 KStG 1988 idF BGBl. 818/1993 lauten wie folgt:

"Befreiung für Beteiligungserträge und internationale Schachtelbeteiligungen

§10. (2) Von der Körperschaftsteuer sind Erträge aus internationalen Schachtelbeteiligungen befreit:

1. Eine internationale Schachtelbeteiligung liegt

vor, wenn unter § 7 Abs 3 fallende Steuerpflichtige nachweislich in Form von Gesellschaftsanteilen unmittelbar mindestens zu einem Viertel beteiligt sind

a) an ausländischen Gesellschaften, die einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar sind,

b) an anderen ausländischen Körperschaften, die die in der Anlage 2 zum Einkommensteuergesetz 1988 vorgesehenen Voraussetzungen des Artikels 2 der Richtlinie Nr. 90/435/EWG des Rates vom (ABl. EG Nr. L 255 S 6), in der Fassung des Vertrages über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union erfüllen.

Die Beteiligung muß während eines ununterbrochenen Zeitraumes von zwei Jahren bestehen.

2. Erträge aus internationalen Schachtelbeteiligungen sind:

a) Gewinnanteile jeder Art aus der Beteiligung.

b) Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung

insoweit, als weder für die gesamte Beteiligung noch für Teile hievon der niedrigere Teilwert (§6 Z 2 lita des Einkommensteuergesetzes 1988) angesetzt worden ist.

Die in Z 1 genannte Frist von zwei Jahren gilt nicht für Anteile, die auf Grund einer Kapitalerhöhung erworben wurden, soweit sich das Beteiligungsausmaß dadurch nicht erhöht hat.

3. Gewinnanteile aus internationalen Schachtelbeteiligungen, die vor Ablauf der Zweijahresfrist (Z1) erzielt werden, unterliegen vorläufig der Besteuerung. Das Finanzamt hat nach Ablauf dieser Frist endgültig über die Steuerpflicht oder Steuerfreiheit zu entscheiden.

Nichtabzugsfähige Aufwendungen und Ausgaben

§12. (1) Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:

1. - 7. [...]

(2) Weiters dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Vermögensvermehrungen und Einnahmen oder mit Kapitalerträgen im Sinne des § 97 des Einkommensteuergesetzes 1988 in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht abgezogen werden.

§26a. (7) § 10 Abs 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 797/1996 ist für Beteiligungserträge im Sinne des § 10 Abs 2 Z 2 lita erstmalig bei der Veranlagung für 1996 und für Beteiligungserträge im Sinne des § 10 Abs 2 Z 2 litb, erstmalig bei der Veranlagung für 1997 anzuwenden."

III. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung betont, dass der Gesetzgeber durch den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitssatz gehalten ist, dem Vertrauensschutz bei seinen Regelungen Beachtung zu schenken. Demnach führen gesetzliche Vorschriften, die (nachträglich) an früher verwirklichte Tatbestände steuerliche Folgen knüpfen und dadurch die Rechtsposition des Steuerpflichtigen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern, zu einem gleichheitswidrigen Ergebnis, wenn die Normunterworfenen durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht werden und nicht etwa besondere Umstände vorliegen, die eine solche Rückwirkung - beispielsweise um einen gleichheitswidrigen Zustand zu beseitigen - verlangen (vgl. VfSlg. 13.020/1992, 14.149/1995, 15.739/2000, 16.850/2003).

Der für die Beurteilung des vorliegenden Falles maßgebende Gesetzgebungsakt ist das AbgÄG 1996, das am im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde und daher - mangels anderer Bestimmung - mit Ablauf dieses Tages, somit am , in Kraft getreten ist. Für Erträge aus internationalen Schachtelbeteiligungen hatte dieses Gesetz zur Konsequenz, dass die Steuerfreiheit solcher Erträge insoweit ausgeweitet wurde, als nach Ablauf der zweijährigen Behaltefrist die während dieser Frist bezogenen - vorderhand steuerpflichtigen - Erträge nachträglich steuerfrei gestellt wurden. Gegen eine solche Regelung, die rückwirkend eine Begünstigung ausweitet, bestehen aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken. Die Steuerfreiheit von Beteiligungserträgen führt allerdings im Hinblick auf § 12 Abs 2 KStG 1988 korrespondierend zu einer Nicht-Abzugsfähigkeit von Aufwendungen, die im Zusammenhang mit solchen Beteiligungserträgen stehen, somit auch und insbesondere von Fremdkapitalzinsen, sofern die Anschaffung der Beteiligung mit Fremdkapital finanziert wurde. Dabei ist von Bedeutung, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Nicht-Abzugsfähigkeit der Zinsen nicht darauf ankommt, ob tatsächlich eine (steuerfreie) Ausschüttung stattfindet, sondern nur darauf, ob eine Ausschüttung steuerfrei wäre (zB ua.; Nowotny, Fremdfinanzierung im Konzern nach dem StRefG 2005, in: Quantschnigg u.a. [Hrsg.], Gruppenbesteuerung, Wien 2005, 339 [342]).

Unter dem Aspekt einer verfassungsrechtlich grundsätzlich verpönten rückwirkenden Verschlechterung der Rechtslage kann es keinen Unterschied machen, ob der Gesetzgeber an bereits verwirklichte Sachverhalte rückwirkend direkt nachteilige steuerliche Folgen knüpft oder ob sich die Verschlechterung indirekt daraus ergibt, dass rückwirkend eine steuerliche Begünstigung gewährt wird, die aber automatisch auch negative Folgewirkungen nach sich zieht. Im Allgemeinen wird bei einer solchen Konstellation allerdings die negative Folgewirkung als unbeachtliche (verfassungsrechtlich unbedenkliche) Begleiterscheinung der begünstigenden Regelung gewertet werden können. Diese Sicht verbietet sich aber im vorliegenden Fall, in dem es primär zu einer rückwirkenden Gewährung einer Steuerbefreiung kam, die sich aber - mangels Ausschüttungen - nicht als solche auswirkte und die auch nicht rückwirkend in Anspruch genommen werden konnte. Bleibt aber die rückwirkende Begünstigung ohne effektive Auswirkung, kann sie auch den Nachteil, der sich aus der rückwirkenden Versagung der Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen ergibt, nicht ausgleichen. Der Übergang zur neuen Besteuerungskonzeption führt in diesem Fall ausschließlich zu einer Verschlechterung der Rechtslage.

Für diese rückwirkende Verschlechterung ist ein rechtfertigender Grund nicht zu sehen. Dass die nachträgliche Aberkennung der Abzugsfähigkeit einen gleichheitswidrigen Zustand beseitigen würde, wurde von der Bundesministerin für Finanzen nicht behauptet und ist dem Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar. Gemeinschaftsrechtliche Gründe können zwar für die rückwirkende Erweiterung der Steuerfreiheit der Ausschüttungen ins Treffen geführt werden. Das Gemeinschaftsrecht forderte aber nicht die rückwirkende Verweigerung der Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen in Fällen, in denen gar keine Ausschüttungen bezogen wurden.

2. Der Verfassungsgerichtshof sieht allerdings keinen Anlass, aus diesem Grund ein Normenkontrollverfahren einzuleiten. Der verfassungsrechtlich bedenkliche Eingriff besteht nämlich darin, dass die belangte Behörde Fremdkapitalzinsen rückwirkend die Abzugsfähigkeit versagte und dies mit der rückwirkend eingeführten Steuerfreiheit von Beteiligungserträgen begründete, im Beschwerdefall aber derartige Beteiligungserträge im Jahr 1996 unbestritten nicht bezogen wurden. Die belangte Behörde hat damit an einen bereits verwirklichten Sachverhalt rückwirkend nachteilige Folgen geknüpft, ohne dass dies durch den Vorteil einer rückwirkenden Ausweitung der Steuerfreiheit aufgewogen wurde.

3. Die maßgebende Rechtslage zwingt zu einer solchen Vorgangsweise nicht: Unter Bedingungen wie den vorliegenden kann das Abzugsverbot des § 12 Abs 2 KStG 1988 in verfassungskonformer Weise auf jene Fälle eingeschränkt werden, in denen den Fremdkapitalzinsen tatsächlich steuerfreie Beteiligungserträge gegenüber stehen (standen). Der Gesetzeswortlaut steht einer solchen Interpretation nicht zwingend entgegen, zumal das Gesetz selbst einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen fordert.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie dem Gesetz einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt.

4. Für den Fremdkapitalaufwand des Jahres 1997 gelten diese Überlegungen nicht. Dass der in diesem Jahr anfallende Fremdkapitalaufwand wegen des Zusammenhangs mit einer internationalen Schachtelbeteiligung steuerlich nicht absetzbar sein würde, stand mit der Verabschiedung des AbgÄG 1996, BGBl. 797, das - wie erwähnt - am in Kraft getreten war, fest. Dieses Gesetz führt - wie erwähnt - für internationale Schachtelbeteiligungen insofern zu einer Begünstigung, als nun die Steuerfreiheit der Beteiligungserträge auch für die vor Ablauf der Behaltefrist bezogenen Ausschüttungen galt. Daraus konnte sich jedoch im Fall der Fremdfinanzierung - wie oben dargestellt - ein negativer Effekt im Hinblick auf das Abzugsverbot des § 12 Abs 2 KStG 1988 ergeben.

Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt (vgl. VfSlg. 16.687/2002 mwN). Vielmehr bleibt es dem Gesetzgeber auf Grund des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes unbenommen, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern (zB VfSlg. 18.010/2006 mwN). Nur unter besonderen Umständen muss den Betroffenen zur Vermeidung unsachlicher Ergebnisse die Gelegenheit gegeben werden, sich rechtzeitig auf die neue Rechtslage einzustellen (vgl. etwa VfSlg. 13.657/1993, 15.373/1998, 16.754/2002 mwN; ).

Solche Umstände liegen hier jedoch nicht vor. Der beschwerdeführenden Gesellschaft ist zwar Recht zu geben, dass sie im Zeitpunkt der Anschaffung der Beteiligungen von einer Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen ausgehen durfte und dass im Hinblick auf die praktisch fehlende Legisvakanz eine Umstellung der Finanzierung der Beteiligungserwerbe von Fremdkapital auf Eigenkapital vor dem Jahresbeginn 1997 nicht mehr möglich war. Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass es hier - anders als in dem in den Schriftsätzen zitierten hg. Erkenntnis VfSlg. 15.739/2000 - nicht um die Frage geht, ob bei Kenntnis der geänderten steuerlichen Rahmenbedingungen die fraglichen Beteiligungen überhaupt erworben worden wären, sondern nur darum, ob für den Zeitraum von einem Jahr an Stelle der Fremdfinanzierung von vornherein eine Finanzierung durch Eigenmittel gewählt worden wäre. In einem solchen Fall kann von einem schwerwiegenden Eingriff in geschützte Rechtspositionen nicht gesprochen werden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , B945/11).

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die beschwerdeführende Partei ist somit durch den angefochtenen Bescheid, soweit er über die Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen im Jahr 1996 abspricht, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der angefochtene Bescheid war daher insoweit

aufzuheben.

2. Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit er über die Berufung betreffend die Körperschaftsteuer 1997 abspricht, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde war daher insoweit abzuweisen.

3. Der Kostenausspruch gründet sich auf § 88 VfGG und berücksichtigt den Umstand, dass die Beschwerde nur teilweise erfolgreich war (vgl. VfSlg. 14.492/1996, 16.385/2001, 17.339/2004). In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 200,- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 220,- enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.