VfGH vom 09.06.2005, B747/03
Sammlungsnummer
17557
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für Kiesabbau in Form einer Nassbaggerung sowie für die Grundwasserentnahme zur Kiesaufbereitung an die beteiligte Partei und Abweisung von Einwendungen der beschwerdeführenden Gemeinden; keine Bedenken gegen eine Bestimmung des Wasserrechtsgesetzes 1959 über die Ausübung von Parteirechten durch die Gemeinden im Hinblick auf die Unterlassung der Bezeichnung der Angelegenheit als solche des eigenen Wirkungsbereiches; keine Bezeichnungspflicht für Fälle der Privatwirtschaftsverwaltung
Spruch
Die beschwerdeführenden Gemeinden sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführenden Gemeinden durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Eingabe vom suchte die beteiligte Partei beim Landeshauptmann von Oberösterreich um Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für eine Nassbaggerung an. Der zunächst von ihr gestellte Devolutionsantrag wurde mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom gemäß § 73 Abs 2 AVG abgewiesen. Im November 1996 wurde durch das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung das Konzept "wasserwirtschaftliche Vorrangfläche (WWVF)" gegenüber Kiesbau erstellt, wonach Nassbaggerungen in wasserwirtschaftlichen Vorrangflächen grundsätzlich nicht bewilligungsfähig seien. Die erstbeschwerdeführende Gemeinde hat zusätzlich ein örtliches Entwicklungskonzept erlassen, in dem das gegenständliche Gebiet als wasserwirtschaftliche Vorrangfläche gegenüber Kiesbau erklärt wurde. Am langte ein neuerlicher, durch die beteiligte Partei gestellter Devolutionsantrag beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ein.
Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom wurde der beteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung für Kiesabbau in Form einer Nassbaggerung sowie die Grundwasserentnahme zur Kiesaufbereitung (Kieswäsche) erteilt.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, worin die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§102 Abs 1 litd Wasserrechtsgesetz 1959) behauptet wird.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die beteiligte Partei hat eine Äußerung erstattet, in der sie ebenfalls den angefochtenen Bescheid verteidigt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 BGBl. 215 in der Fassung BGBl. I 82/2003 (im Folgenden: WRG 1959) lauten auszugsweise:
"§13. (1)-(2) ...
(3) Das Maß und die Art der Wasserbenutzung dürfen keinesfalls so weit gehen, daß Gemeinden, Ortschaften oder einzelnen Ansiedlungen das für die Abwendung von Feuersgefahren, für sonstige vffentliche Zwecke oder für Zwecke des Haus- und Wirtschaftsbedarfes ihrer Bewohner erforderliche Wasser entzogen wird.
...
§31c. (1) Unbeschadet der Bestimmungen der §§9, 32, 34 und 38 bedarf die Gewinnung von Sand und Kies der wasserrechtlichen Bewilligung, wenn sie mit besonderen Vorrichtungen erfolgt.
(2) ...
(3) In den Fällen des Abs 1 und 2 hat die jeweils zuständige Behörde insbesondere die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung (§30) notwendigen und nach dem Stand der Technik möglichen Vorkehrungen zu treffen, die nach Beendigung der Entnahme zu treffenden Maßnahmen aufzutragen sowie darauf zu achten, daß Gemeinden in der Versorgung ihrer Bewohner mit Trinkwasser nicht beeinträchtigt werden. Die Bewilligung kann auch zeitlich befristet erteilt werden.
...
§102. (1) Parteien sind:
a) - c) ...
d) Gemeinden im Verfahren nach § 111a, sonst nur zur Wahrnehmung des ihnen nach § 13 Abs 3 und § 31c Abs 3 zustehenden Anspruches;
...
§105. (1) Im öffentlichen Interesse kann ein Antrag auf Bewilligung eines Vorhabens insbesondere dann als unzulässig angesehen werden oder nur unter entsprechenden Auflagen und Nebenbestimmungen bewilligt werden, wenn:
...
e) die Beschaffenheit des Wassers nachteilig beeinflußt würde;
...
l) das Vorhaben den Interessen der wasserwirtschaftlichen Planung an der Sicherung der Trink- und Nutzwasserversorgung widerspricht;
...
§111a. (1) Bei Vorhaben, die zufolge ihrer Größenordnung nicht von vornherein in allen Einzelheiten überschaubar sind, ist das Verfahren auf Antrag vorerst auf die Beurteilung der grundsätzlichen Zulässigkeit des Vorhabens zu beschränken. Ein derartiger Antrag muß jene Unterlagen enthalten, die zu einer Beurteilung der grundsätzlichen Zulässigkeit des Vorhabens nötig sind. Die Behörde hat durch Bescheid darüber zu erkennen, ob und gegebenenfalls bei Einhaltung welcher Auflagen das Vorhaben grundsätzlich genehmigt wird. In der Grundsatzgenehmigung sind Art und Maß der Wasserbenutzung festzulegen. Darüber hinaus ist abzusprechen, welche Fragen der Detailgenehmigung vorbehalten bleiben und ob zur Verwirklichung des Vorhabens die Einräumung von Zwangsrechten (§60) zulässig ist. Über Einwendungen, die sich gegen die grundsätzliche Zulässigkeit des Vorhabens richten, ist im Grundsatzverfahren zu entscheiden. Über sonstige Einwendungen hat die Behörde im Grundsatzverfahren zu entscheiden, soweit dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Kostenersparnis gelegen ist; andernfalls sind diese Einwendungen in das Detailverfahren zu verweisen.
(2) Auf der Grundlage der Grundsatzgenehmigung hat die Behörde über die Detailprojekte nach Vorlage der hiefür erforderlichen weiteren Unterlagen und Durchführung einer allfälligen Verhandlung im Detailverfahren zu erkennen. Dem jeweiligen Detailverfahren sind jene Parteien (§102) beizuziehen, die durch den in diesem Verfahren in Rede stehenden Teil des Vorhabens berührt werden. Nach Maßgabe der Grundsatzgenehmigung ist auch im Detailverfahren soweit wie möglich auf einen Ausgleich der widerstreitenden Parteiinteressen hinzuwirken. Über die Begründung und den Umfang von Zwangsrechten (§60) sowie über die dafür zu leistenden Entschädigungen hat die Behörde im Detailverfahren abzusprechen.
(3) Projektsmodifikationen, die die Grundsatzgenehmigung berühren, können in der Detailgenehmigung vorgenommen werden, wenn sie öffentlichen Interessen und fremden Rechten nicht abträglich sind."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
A. Zur Zulässigkeit der Beschwerde:
Der Gesetzgeber hat den Gemeinden im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren ausdrücklich eine (beschränkte) Parteistellung zur Wahrnehmung von Rechten eingeräumt, die sich aus § 13 Abs 3 WRG 1959 (Sicherung der Wahrung des erforderlichen Wasserbedarfs der Gemeinde) und aus § 31c Abs 3 WRG 1959 (Vorkehrungen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der Trinkwasserversorgung der Gemeinde) ergeben. Insoweit kommen den Gemeinden daher auch subjektive öffentliche Rechte zu, deren Verletzung auch vor dem Verfassungsgerichtshof nach Art 144 B-VG bekämpft werden kann (vgl. zB auch VfSlg. 12.699/1991).
B. In der Sache:
1. Die in der Beschwerde gegen § 102 Abs 1 litd WRG 1959 vorgetragenen Bedenken lassen sich einerseits so verstehen, dass in erster Linie die fehlende Bezeichnung als eigener Wirkungsbereich der Gemeinde gerügt wird, aber auch so, dass die beschwerdeführenden Gemeinden der Meinung wären, das gesamte Bewilligungsverfahren hätte vom Gesetzgeber von Verfassungs wegen dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde überantwortet werden müssen.
1.1. Art 116 Abs 1 und 2 und 118 Abs 1 und 2 B-VG in der Fassung der B-VG-Novelle 1962, BGBl. 205, sowie des Art 1 des Kundmachungsreformgesetzes 2004, BGBl. I 100/2003, lauten:
"Artikel 116. (1) Jedes Land gliedert sich in Gemeinden. Die Gemeinde ist Gebietskörperschaft mit dem Recht auf Selbstverwaltung und zugleich Verwaltungssprengel. Jedes Grundstück muss zu einer Gemeinde gehören.
(2) Die Gemeinde ist selbständiger Wirtschaftskörper. Sie hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Bundes- und Landesgesetze Vermögen aller Art zu besitzen, zu erwerben und darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben sowie im Rahmen der Finanzverfassung ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben auszuschreiben.
(3)..."
"Artikel 118. (1) Der Wirkungsbereich der Gemeinde ist ein eigener und ein vom Bund oder vom Land übertragener.
(2) Der eigene Wirkungsbereich umfasst neben den im Art 116 Abs 2 angeführten Angelegenheiten alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden. Die Gesetze haben derartige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zu bezeichnen.
(3) - (8) ..."
1.2. Zur Rüge, das gesamte Bewilligungsverfahren hätte vom Gesetzgeber dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde überantwortet werden müssen, genügt es darauf hinzuweisen, dass die Erteilung von wasserrechtlichen Bewilligungen (hier: für Kiesabbau in Form einer Nassbaggerung sowie für die Grundwasserentnahme zur Kieswäsche) schon wegen der damit intendierten Steuerung der Auswirkungen bewilligungspflichtiger Vorhaben auf fließende und stehende Gewässer sowie Grundwasserseen typischerweise keine Angelegenheit ist, die im zumindest überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen ist (wie dies insbesondere für jene Verwaltungsmaßnahmen anzunehmen wäre, die eine besondere Nahebeziehung zum örtlichen Raum besitzen - vgl. VfSlg. 11.726/1988; hinsichtlich eines Verbotes der Verunreinigung des Grundwassers die Zugehörigkeit zum eigenen Wirkungsbereich ausdrücklich verneinend VfSlg. 14.384/1995; vgl. auch ), sondern in der Regel Interessen einer geordneten Wasserwirtschaft und damit solche überörtlicher Natur betrifft.
1.3. Zur Frage, ob die Ausübung von Parteirechten durch die Gemeinden, wie sie in § 102 Abs 1 litd WRG 1959 vorgesehen ist, vom Gesetzgeber als eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches zu bezeichnen gewesen wäre, hat der Verfassungsgerichtshof Folgendes erwogen:
1.3.1. Durch § 102 Abs 1 litd WRG 1959 wird der Gemeinde Parteistellung in bestimmten wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren eingeräumt. Die Wahrnehmung von Parteirechten der Gemeinde gehört nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu den Befugnissen der Gemeinde im Sinne des Art 116 Abs 2 B-VG:
Vom Begriff "selbständiger Wirtschaftskörper" im Sinne dieser Bestimmung wird nämlich die Gemeinde als Träger all jener Rechte umfasst, die keine Hoheitsbefugnis zum Inhalt haben (Privatrechte, subjektive öffentliche Rechte). Das Recht, über Vermögen aller Art zu verfügen, von dem im zweiten Satz des Art 116 Abs 2 B-VG die Rede ist, umfasst auch die Dispositionsbefugnis über die genannten Rechte (vgl. VfSlg. 6549/1971). In diesen Zusammenhang gehören aber auch die Rechte und Pflichten der Gemeinde, soweit sie eine Parteistellung wahrzunehmen oder eine Äußerung abzugeben hat oder ihr ein Recht auf Anhörung zukommt. Es ergibt sich schon aus der Natur der Sache, dass solche Rechte nur in Vertretung der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft und nicht etwa im Auftrage und nach Weisung ausgeübt werden können (so zutreffend Hundegger, Die Gemeinde und ihre Wirkungsbereiche, 1971, S 57).
1.3.2. In Art 118 Abs 2 erster Satz B-VG ist einleitend klargestellt, dass die Befugnisse der Gemeinde nach Art 116 Abs 2 B-VG solche des eigenen Wirkungsbereiches sind. Eine ausdrückliche Bezeichnung der hier in Rede stehenden Angelegenheit des § 102 Abs 1 litd WRG 1959 als solche des eigenen Wirkungsbereiches ist jedoch im WRG 1959 nicht enthalten. Unterbleibt die in Art 118 Abs 2 zweiter Satz B-VG angeordnete Bezeichnung einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde, so belastet dies die Norm mit Verfassungswidrigkeit, wobei der Sitz der Verfassungswidrigkeit in jener Gesetzesstelle liegt, in der die Angelegenheit, welche hätte bezeichnet werden sollen, geregelt ist (vgl. zB VfSlg. 11.653/1988). Sofern eine solche Angelegenheit nicht gemäß Art 118 Abs 2 zweiter Satz B-VG bezeichnet ist, darf sie auch dann nicht im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde vollzogen werden, wenn die Bezeichnung verfassungswidriger Weise unterblieben ist (vgl. VfSlg. 5409/1966).
1.3.3. Allerdings hatte der Verfassungsgerichtshof bisher noch nicht die Frage zu entscheiden, ob die Bezeichnungspflicht des Art 118 Abs 2 zweiter Satz B-VG ausnahmslos für alle Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches gilt oder nur für jene Angelegenheiten, die nach der Generalklausel des Art 118 Abs 2 erster Satz B-VG als solche des eigenen Wirkungsbereiches gelten, nicht aber auch für jene Angelegenheiten, die schon bundesverfassungsgesetzlich ausdrücklich als solche des eigenen Wirkungsbereiches bezeichnet sind, wie dies für die nicht hoheitliche Tätigkeit der Gemeinde im Sinne des Art 116 Abs 2 B-VG iVm Art 118 Abs 2 erster Satz B-VG zutrifft.
Darin unterscheidet sich nämlich die Rechtslage nach der B-VG-Novelle 1962 von jener davor: Das Recht auf privatwirtschaftliche Betätigung stand den Gemeinden zwar schon nach ArtV Abs 2 Z 1 des Reichsgemeindegesetzes vom 5. März 1862, RGBl. 17, zu. Jedoch durfte die Gemeinde nach dem Reichsgemeindegesetz im privatwirtschaftlichen Bereich nur tätig werden, soweit sie sich auf Vorhaben beschränkte, die das Interesse der Gemeinde berührten und innerhalb ihrer Grenzen durch ihre eigenen Kräfte wahrgenommen werden konnten.
1.3.4. Die Frage, ob die in Art 118 Abs 2 zweiter Satz B-VG angeordnete Verpflichtung zur ausdrücklichen Bezeichnung für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches auch für Akte der nicht hoheitlichen Tätigkeiten der Gemeinde gilt, ist vor dem Hintergrund des gegenüber dem Reichsgemeindegesetz 1862 veränderten Konzeptes der Gemeindeselbstverwaltung, wie es der B-VG-Novelle 1962 zugrunde liegt, nämlich dem der abstrakten Einheitsgemeinde (vgl. dazu die EB zur RV, 639 BlgNR IX. GP, Allgemeines Pkt. 7, S 8, ferner S 17) zu beurteilen. Nach diesem Konzept kommt es für die Zuordnung zum eigenen Wirkungsbereich nicht mehr darauf an, ob die in Rede stehende Angelegenheit im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der konkreten Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet ist, durch eben diese Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden; den Maßstab gibt vielmehr jene abstrakte Gemeinde vor, auf die das österreichische Bundesverfassungsrecht vom Typus her seit 1962 abstellt. Der Maßstab des Art 118 Abs 2 erster Satz B-VG ist also für alle Gemeinden derselbe und es kommt auf die konkreten Verhältnisse in der Gemeinde nicht mehr an. Dem Maßstab der abstrakten Einheitsgemeinde entsprechend wurden durch die genannte B-VG-Novelle nunmehr die Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung im (weiten) Verständnis des Art 116 Abs 2 B-VG, die sich von Gemeinde zu Gemeinde wohl nach dem Umfang, nicht aber nach ihrem Gegenstand unterscheiden, im Einleitungssatz des Art 118 Abs 2 B-VG generell dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugeordnet, so dass sich auch insoweit die Befugnisse von Großgemeinden und Kleingemeinden nicht mehr unterscheiden.
1.3.5. Mit dem Konzept der abstrakten Einheitsgemeinde wurde somit die Konkretisierung des eigenen Wirkungsbereiches zur Gänze auf den Gesetzgeber verlagert, dessen Aufgabe es ist, je nach dem Regelungsgegenstand zu untersuchen, auf welche Angelegenheiten die Voraussetzungen des Art 118 Abs 2 B-VG zutreffen. Damit im engen Zusammenhang steht die mit der B-VG-Novelle 1962 in Art 118 Abs 2 B-VG neu eingeführte Pflicht des Gesetzgebers, die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches jeweils ausdrücklich zu bezeichnen.
Dies ergibt sich nicht zuletzt aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der B-VG-Novelle 1962, worin es heißt (639 BlgNR IX. GP, S 17):
"Es kommt nicht darauf an, wie sich die Sachlage in concreto, sondern wie sie sich in abstracto gestaltet. Die Umformulierung des Absatzes 2 sowie die Anfügung eines weiteren Satzes (...) werden die bestehenden Zweifel nun beseitigen."
1.3.6. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu Art 118 Abs 2 zweiter Satz B-VG diese Absicht des Verfassungsgesetzgebers argumentativ aufgegriffen: Nur auf diese Weise (sc. durch ausdrückliche Bezeichnung der Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches) werde nämlich dem mit der Normierung der Bezeichnungspflicht klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Verfassungsgesetzgebers entsprochen, dass die Feststellung, ob die verfassungsgesetzlichen Voraussetzungen für die Besorgung einer Angelegenheit im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gegeben sind, vom Gesetzgeber selbst und nicht von der Vollziehung vorgenommen werde (vgl. zB VfSlg. 8719/1979).
1.3.7. Zum Verhältnis der Generalklausel des Art 118 Abs 2 erster Satz B-VG zu den Angelegenheiten des Art 116 Abs 2 B-VG vertritt die Literatur (zT zwischen einem besonderen und einem allgemeinen eigenen Wirkungsbereich unterscheidend) die Auffassung, das Aufgabengebiet des Art 116 Abs 2 B-VG sei durch die Novellierung verselbständigt worden und nicht mehr durch die "Allzuständigkeitsklausel" des Art 118 Abs 2 B-VG erfasst (so Petz, Gemeindeverfassung 1962, 1965, S 62). Der allgemeine Wirkungsbereich des Art 118 Abs 2 B-VG trete neben den besonderen des Art 116 Abs 2 B-VG (Petz, aaO, S 62; Hundegger, aaO, S 61). Eine Prüfung am Maßstab der Kriterien der Generalklausel des Art 118 Abs 2 B-VG sei bei den Angelegenheiten nach Art 116 Abs 2 B-VG folglich nicht mehr erforderlich (Gallent, Gemeinde und Verfassung, 1978, S 162 f.;
Oberndorfer, Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, 1971, S 151;
Stolzlechner, in: Rill/Schäffer (Hrsg.), Kommentar zum B-VG, Art 118, S 5 f.; so der Sache nach auch VfSlg. 12.189/1989).
1.3.8. Aus der ausdrücklichen bundesverfassungsgesetzlichen Bezeichnung der sog. Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinde als eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches wurde in der Literatur aber auch abgeleitet, dass Angelegenheiten, die unter Art 116 Abs 2 B-VG fallen, auch von der Bezeichnungspflicht des Art 118 Abs 2 zweiter Satz B-VG nicht erfasst seien. Die Unterlassung der Bezeichnung einer Angelegenheit als eine des eigenen Wirkungsbereiches führe daher in Fällen der Privatwirtschaftsverwaltung nicht zu einer Verfassungswidrigkeit (Hundegger, aaO, S 59; ebenso jüngst Weber in: Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht, Art 118, Rz 10; aA Raschauer, Kommentar zum WRG, § 102, Rz 15).
1.4. Der Verfassungsgerichtshof schließt sich der überwiegenden Meinung an:
1.4.1. Das in der B-VG-Novelle 1962 umgesetzte Konzept der abstrakten Einheitsgemeinde führt - wie oben schon erwähnt - dazu, dass die Aufgabe der Ermittlung der Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches nicht der Vollziehung überlassen werden darf, sondern dem Gesetzgeber obliegt. Art 118 Abs 2 zweiter Satz B-VG soll dies durch eine den Gesetzgeber treffende Bezeichnungspflicht sicherstellen.
1.4.2. Dieses Erfordernis besteht aber nur vor dem Hintergrund der Generalklausel des Art 118 Abs 2 erster Satz B-VG, dh nur in jenen Angelegenheiten, deren Zugehörigkeit zum eigenen Wirkungsbereich anhand der Generalklausel zu beurteilen ist. Auf diese allein bezieht sich Art 118 Abs 2 zweiter Satz B-VG, wie sich auch aus folgenden Überlegungen ergibt:
a) Im Gegensatz zur Rechtslage nach dem Reichsgemeindegesetz 1862 kann sich eine vergleichbare Abgrenzungsfrage im Zusammenhang mit Art 116 Abs 2 B-VG infolge der ausdrücklichen Einbeziehung dieser Angelegenheiten in den eigenen Wirkungsbereich gar nicht mehr stellen. Dessen ungeachtet auch für Angelegenheiten der nicht hoheitlichen Tätigkeiten der Gemeinden im Einzelfall eine Bezeichnung im Sinne des Art 118 Abs 2 zweiter Satz B-VG zu fordern, liefe auf einen Formalismus hinaus, den der Bundesverfassungsgesetzgeber 1962 gerade nicht anstrebte, wie schon die rechtspolitischen Erwägungen zu dieser Frage in den oben wiedergegebenen Materialien zur B-VG-Novelle 1962 zeigen.
b) Auch würde dem Bundesverfassungsgesetzgeber zugesonnen, geradezu Unmögliches angeordnet zu haben: Soweit eine Gemeinde nämlich wie jedes andere Rechtssubjekt berechtigt ist, am Privatrechtsverkehr teilzunehmen, entzieht sich die in Betracht kommende Fülle der Angelegenheiten, in denen rechtsgeschäftliche, rechtsverfolgende oder rechtsverteidigende Erklärungen und Handlungen gesetzt werden können, von Vornherein einer Erfassung und Bezeichnung, da in dieser Hinsicht das Gesetz im Allgemeinen allenfalls Schranke, nicht aber Voraussetzung des Handelns der Gemeindeorgane ist (vgl. VfSlg. 7716/1975; ferner Hengstschläger, Zur Zulässigkeit einfachgesetzlicher Determinierungen der Privatwirtschaftsverwaltung der Gemeinde, FS Adamovich I, 1992,
S 143 ff.).
c) Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die legistische Praxis mitunter auch gesetzliche Vorschriften über die Einräumung einer Parteistellung der Gemeinde in einem Verwaltungsverfahren ausdrücklich als Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches ausweist (vgl. zB § 220 iVm § 81 MinroG); diese Vorgangsweise ist aus verfassungsrechtlicher Sicht zwar unschädlich, verfassungsrechtlich geboten ist sie nach dem Vorgesagten nicht, da auch die Wahrnehmung von Rechten der Gemeinde als Partei von der bundesverfassungsgesetzlichen Zuweisung der gesamten nicht hoheitlichen Tätigkeit der Gemeinden zum eigenen Wirkungsbereich mit umfasst ist (vgl. neuerlich VfSlg. 12.189/1989).
d) Schließlich legt es auch der Wortlaut der Norm, insbesondere die Wendung "derartige Angelegenheiten" im zweiten Satz des Art 118 Abs 2 B-VG nahe, die Bezeichnungspflicht nur auf die in Art 118 Abs 2 erster Satz B-VG generalklauselartig umschriebenen Angelegenheiten zu beziehen, weil andernfalls der Gesetzgeber wohl die einfachere Formulierung "Die Gesetze haben Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches ausdrücklich als solche zu bezeichnen" verwendet hätte.
1.5. Die aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Bezeichnung des § 102 Abs 1 litd WRG 1959 als eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches abgeleiteten verfassungsrechtlichen Bedenken der beschwerdeführenden Gemeinden werden daher vom Verfassungsgerichtshof nicht geteilt.
2.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).
Die Beschwerde leitet eine Verletzung dieses Rechtes daraus ab, dass die belangte Behörde im Zusammenhang mit der Zulässigkeit des Devolutionsantrages nicht geprüft habe, ob ein ausschließliches Verschulden der Behörde die Verzögerung der Entscheidung verursacht hat. Außerdem falle die Bewilligung einer Kiesaufbereitungsanlage in die Kompetenz der Baubehörden, weshalb schon aus diesem Grund keine Kompetenz der belangten Behörde gegeben gewesen sei.
a) Dieses Vorbringen übersieht, dass durch bloßes Zuwiderhandeln gegen Verfahrensvorschriften das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt wird (vgl. zB VfSlg. 10.140/1984, 11.102/1986, 11.897/1988). Ob die belangte Behörde ein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung durch die Vorinstanz überprüft hat, ist lediglich eine einfachgesetzliche Frage.
Die belangte Behörde hat das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 73 Abs 2 AVG idF vor der AVG-Novelle BGBl. I 158/1998 im Übrigen geprüft (dies entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Zulässigkeit des Devolutionsantrages ausschließlich nach dem Zeitpunkt der Einbringung zu beurteilen ist, vgl. zB , , 95/19/1047) und ist davon ausgegangen, dass die Verzögerung des Verfahrens auf ein ausschließliches Verschulden der Behörde zurückzuführen war.
b) Gemäß § 31c WRG 1959 bedarf die Gewinnung von Kies einer wasserrechtlichen Bewilligung. Wie die belangte Behörde auch in ihrer Gegenschrift ausführt, entbindet die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung nicht von allfälligen Verpflichtungen zur Einholung von baurechtlichen Bewilligungen.
2.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften irrig einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnten die beschwerdeführenden Parteien im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Die Beschwerde wirft der belangten Behörde zunächst vor, sie habe einschlägige Planungsakte, die der Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung für Nassbaggerungen im betreffenden Gebiet entgegenstünden, nicht berücksichtigt; zudem seien Gutachten von Sachverständigen bei der Entscheidung unbeachtet geblieben. Mit diesem Vorbringen wird aber kein in die Verfassungssphäre reichender Vollzugsmangel dargetan.
3. Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen somit nicht vor. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der angefochtene Bescheid die beschwerdeführenden Parteien in einem von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt hätte.
Die Beschwerde war daher abzuweisen und - wie beantragt - gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
4. Der beteiligten Partei waren für den nicht abverlangten Schriftsatz Kosten nicht zuzusprechen (VfSlg. 13.355/1993, 13.847/1994, 14.976/1997; zuletzt etwa VfSlg. 16.499/2002).
5. Dies konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs 4 erster Satz VfGG).