OGH 12.02.2003, 9ObA258/02k
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Edwald P*****, Fleischermeister, *****, vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer und Mag. Martha Gradl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei F***** GesmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 6.528,80 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 209/02p-21, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 31 Cga 157/01x-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 499,39 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 83,23 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom bis zu seiner Entlassung am bei der Beklagten als Filialleiter angestellt. Zur Kontrolle der ihm unterstellten Mitarbeiter erstellte er vor Ladenschluss stichprobenartig Kassenzwischenberichte mit dem bisherigen Tagesumsatz, die nach erfolgter Kontrolle weggeworfen wurden. Nach Ladenschluss erstellte er Kassenendberichte.
Am - zwei Tage vor der Entlassung - erstellte der Kläger noch vor Ladenschluss irrtümlich anstelle eines Zwischenberichtes einen Endbericht, was zur Löschung der bis dahin erfolgten und im erstellten Bericht erfassten Kasseneingänge führte. Dieser Bericht wurde vom Kläger - wie auch die sonstigen Zwischenberichte - weggeworfen. Dabei kam es dem Kläger nicht darauf an, die Aufklärung in den Vormonaten aufgetretener Kassenfehlbeträge zu verhindern. Von diesem Vorfall abgesehen hat der Kläger nie einen Endbericht weggeworfen. Es kam jedoch vor, dass von ihm Endberichte in Unkenntnis der Tatsache erstellt wurden, dass seine Stellvertreterin bereits einen Endbericht erstellt hatte. Die in solchen Fällen vom Kläger erstellten Endberichte wiesen keine Umsätze aus und wurden von ihm weggeworfen.
Im Hinblick auf Mindereinnahmen in der Zeit ab Jahresbeginn 2001 wurde der Kläger von der Geschäftsleitung im April 2001 zu einer besseren Kontrolle aufgefordert. Das Wegwerfen von "umsatzlosen" Endberichten bzw. das Fehlen von Endberichten war nicht Gegenstand dieses Gespräches.
In den vom Kläger verfassten Tagesberichten kam es zu Rechen- und Schreibfehlern. Dies geschah auch in anderen Filialen, dort allerdings seltener. Der Kläger wurde auf die Fehler hingewiesen, Sanktionen wurden ihm dabei nicht angedroht.
Seit Anfang 2001 wurden Mindereinnahmen festgestellt. Im April 2001 wurde der Kläger diesbezüglich zur besseren Kontrolle aufgefordert. Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Kläger durch sein Verhalten die Entlassungsgründe nach § 27 Z 1, 3. Tatbestand bzw. § 27 Z 4, 2. Tatbestand AngG verwirklicht hat, zutreffend verneint. Es reicht daher aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:
Dass der Kläger irrtümlich anstelle eines Zwischenberichtes einen Endbericht erstellt und den vermeintlichen Zwischenbericht weggeworfen hat, ist in keiner Weise geeignet, die geltend gemachten Entlassungstatbestände zu verwirklichen. Dieser nach den Feststellungen einmalige Vorfall kann weder als beharrliche Pflichtverletzung gewertet werden, noch ist er objektiv geeignet, die Befürchtung des Arbeitgebers zu rechtfertigen, sein Angestellter werde in Hinkunft seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen. Die Ausführungen, dass ein solcher Irrtum nur bei grober Fahrlässigkeit unterlaufen könne, ändern an diesem Ergebnis nichts, sodass es - wie schon das Berufungsgericht ausführte - auf die vom Rechtsmittelwerber vermissten Feststellungen über die zum Ausdruck der Berichte zu drückenden Tasten nicht ankommt. Auch der Umstand, dass der Kläger im Hinblick auf seit Jahresbeginn 2001 aufgetretene Mindereinnahmen zu einer besseren Kontrolle aufgefordert worden war, ist nicht geeignet, sein Verhalten in ein anderes Licht zu setzen, zumal feststeht, dass der (irrtümlich handelnde) Kläger nichts vertuschen oder verheimlichen wollte und nicht einmal die Beklagte behauptet, er habe die Mindereinnahmen zu vertreten.
Dass in den vom Kläger verfassten Tagesberichten immer wieder Schreib- und Rechenfehler auftraten, kann die Entlassung ebenfalls nicht rechtfertigen. Diese Fehler, die - wenn auch in geringerem Maße - auch anderen Filialleitern unterliefen, waren von der Beklagten in der Vergangenheit gegenüber dem Kläger zwar erwähnt, aber niemals zum Anlass für eine auf arbeitsrechtliche Konsequenzen hinweisende Verwarnung gemacht worden. Als beharrliche Pflichtverletzung - davon könnte nur die Rede sein, wenn der Kläger in einer dem Ernst der Lage angepassten Weise zur Einhaltung seiner Pflichten aufgefordert worden wäre und trotzdem sein Verhalten fortgesetzt hätte (RIS-Justiz RS0060643; zuletzt etwa 9 ObA 20/02k) - können diese Fehler daher nicht gewertet werden. Auch der Tatbestand der Vertrauenswürdigkeit ist nicht verwirklicht, weil bei Anlegung eines objektiven Maßstabs nicht gesagt werden kann, dass solche (im Betrieb keineswegs singulären) Fehler, von denen nicht einmal behauptet wurde, dass sie irgendwelche Folgen hatten, beim Arbeitgeber die Befürchtung rechtfertigen konnten, der Kläger werde seine Pflichten in Hinkunft nicht getreulich erfüllen.
Auf die sonstigen in erster Instanz von der Beklagten ins Treffen geführten Vorwürfe kommt sie in der Revision nicht mehr zurück. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2003:009OBA00258.02K.0212.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAE-08311