OGH vom 25.06.2003, 9ObA74/03b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Gerhard Prochaska als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Freimuth T*****, vertreten durch Dr. Sabine Berger, Rechtsanwältin in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. Land S*****, und 2. Stadtgemeinde S*****, beide vertreten durch Dr. Bernd Sedlazeck und Dr. Katharina Sedlazeck, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 4/03t-20, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 20 Cga 163/01z-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 1.308,38 (darin EUR 218,06 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger war seit als Balletttänzer in dem von den beklagten Parteien betriebenen Landestheater engagiert, wobei jeweils - entsprechend der Spielsaison - Bühnendienstverträge für den Zeitraum vom 1. 8. eines Jahres bis zum 31. 7. des Folgejahres geschlossen wurden, zuletzt für die Zeit vom bis . Knapp vor dem kam es zu einer Besprechung zwischen dem Kläger, dem Theaterintendanten und dem Ballettdirektor, bei dem über Vorschlag des Intendanten Einvernehmen darüber erzielt wurde, dass das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen mit dem Ende der Spielzeit 2001, also mit , endgültig beendet werde, wobei dem Kläger zum Abschluss seiner künstlerischen Karriere noch eine anspruchsvolle Bühnenrolle angeboten wurde. Der Kläger akzeptierte diesen Vorschlag und erklärte definitiv, er werde fix mit Ende der Saison aufhören. Diese Vereinbarung wurde mit einem Schreiben des Theaterintendanten vom , in dem unter anderem darauf hingewiesen wurde, dass der Kläger mit Ende der Spielzeit seine Tänzerkarriere und sein Engagement beim Landestheater beenden werde, bestätigt. Das Schreiben ging dem Kläger auch zu. Er äußerte sich dazu nicht.
Nunmehr begehrt er die Feststellung, dass sein Dienstverhältnis über den hinaus aufrecht sei. Eine einvernehmliche Auflösung seines Bühnendienstvertrages bedürfe gemäß den kollektivvertraglichen Bestimmungen bei sonstiger Unwirksamkeit der Schriftlichkeit. Änderungen bzw Ergänzungen von Bühnendienstverträgen müssten zu ihrer Wirksamkeit zwar nicht schriftlich ausgestellt werden, jedoch müsse innerhalb einer einwöchigen Frist eine schriftliche Bestätigung erfolgen, ehe diese Gültigkeit erlangten. Eine derartige schriftliche Bestätigung verlange aber die Unterschrift beider Vertragsparteien. Auch diese Voraussetzungen erfülle das Schreiben vom nicht.
Die beklagten Parteien verwiesen auf die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses anlässlich des Gesprächs im Oktober 2000. Einem allfälligen Schriftformerfordernis sei durch das dem Kläger übermittelte Schreiben vom entsprochen worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsansicht, die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsvertrages sei als Änderung des Bühnendienstvertrages im Sinne des § 9 Abs 3 des anzuwendenden Kollektivvertrages (Theatererhalterverband/Bühnenmitglieder) zu werten. Eine mündliche Abrede müsse innerhalb einer Woche schriftlich bestätigt werden. Die schriftliche Bestätigung im Sinne der kollektivvertraglichen Bestimmungen könne nur dahin interpretiert werden, dass beide Arbeitsvertragsparteien auch eine einvernehmliche Auflösung des Bühnendienstvertrages schriftlich zu dokumentieren hätten; der Kläger habe aber das Schreiben vom weder unterzeichnet noch den Inhalt des Gespräches schriftlich bestätigt. Da das Bühnendienstvertragsformular nach § 9 Abs 1 des Kollektivvertrags bei Abschluss von beiden Vertragsparteien unterzeichnet werden müsse und die einvernehmliche Auflösung als Gegenstück zum Vertragsabschluss zu bewerten sei, seien die Regeln des Vertragsabschlusses hinsichtlich der Gültigkeitsvoraussetzungen auch auf die Beendigung und somit Änderung des Bühnendienstvertrages anzuwenden.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Klageabweisung ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Kollektivverträge seien in ihrem normativen Teil nach den Regeln für die Auslegung von Gesetzen (§§ 6 und 7 ABGB) auszulegen. § 9 des Kollektivvertrages regle die Form der Bühnendienstverträge, wobei Abs 1 festlege, welche Voraussetzungen für den schriftlichen bzw mündlichen Abschluss eines Bühnendienstvertrages gegeben sein müssten. Absicht der Kollektivvertragsparteien sei es offenbar gewesen, allfälligen Streitigkeiten über den Inhalt eines abgeschlossenen Bühnendienstvertrages durch die Verpflichtung, mündliche Abreden schriftlich zu bestätigen, zu entgehen. Es sei daher nur konsequent, dass in Abs 3 dieser Bestimmung auch mündliche Änderungen oder Ergänzungen des Bühnendienstvertrages nur dann für gültig erklärt werden, wenn auch diese schriftlich bestätigt worden sind. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes sei die Beendigung eines Dienstvertrages aber nicht als Änderung oder Ergänzung des abgeschlossenen Bühnendienstvertrages im Sinne des § 9 Abs 3 KV zu verstehen. Die Beendigung und Auflösung der Bühnendienstverträge regle der Kollektivvertrag in den Bestimmungen der §§ 37 ff in einem eigenen Kapitel. Dabei werde gemäß § 38 Abs 1 KV iVm § 30 Abs 3 SchauspG nur für die Kündigung eine schriftliche Erklärung verlangt. Diese Auslegung stehe auch mit dem im Arbeitsrecht herrschenden Grundsatz im Einklang, wonach das Gebot der Schriftlichkeit, insbesondere für die einvernehmliche Auflösung eines Dienstverhältnisses, die Ausnahme sei. Sonderregelungen zur Verhinderung einer leichtfertigen Preisgabe des Kündigungs- und Entlassungsschutzes durch den Arbeitnehmer, bestünden nur für bestimmte, besonders schutzwürdige Gruppen von Arbeitnehmern. Es sei nicht ersichtlich, warum die dem hier anzuwendenden Kollektivvertrag unterliegenden Arbeitnehmer dieses besonderen Schutzes bedürften. § 9 Abs 3 des Kollektivvertrages sei somit auf die einvernehmliche Auflösung eines Bühnendienstvertrages nicht anwendbar. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Auslegung der genannten Kollektivvertragsbestimmung noch keine oberstgerichtliche Judikatur existiere.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers erweist sich entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts als unzulässig. Es entspricht ganz herrschender Judikatur, dass trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dann keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt, wenn das Gesetz selbst eine klare, also eindeutige, Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656, zuletzt 10 Ob 313/02f, RZ 1994/45, MietSlg 51.487, Arb 11.598 uva). Dies gilt gleichermaßen für Kollektivverträge.
Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers besteht keine Veranlassung, das Vorliegen einer Gesetzeslücke im Hinblick auf das Fehlen ausdrücklicher Formvorschriften für die einvernehmliche Auflösung eines Bühnendienstvertrages zu erwägen. Den Ausführungen des Berufungsgerichts zu dieser Frage ist vollinhaltlich beizutreten. Dass die (einvernehmliche) Auflösung eines Vertrages nicht mit einer Änderung oder Ergänzung iSd § 9 Abs 3 des Kollektivvertrags gleichzusetzen ist, bedarf keiner näheren Erörterung, geht es dort doch ersichtlich um inhaltliche Veränderungen des Vertrages.
Zutreffend hat das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, dass die Regelungen über den Abschluss und die Änderung oder Ergänzung von Bühnendienstverträgen im Abschnitt A ("Bühnendienstverträge") des Teils II des Kollektivvertrags angesiedelt sind, wogegen Fragen der Vertragsbeendigung im Abschnitt D ("Beendigung und Auflösung der Bühnendienstverträge"), und zwar in den §§ 37 ff, geregelt werden. Da es sich dabei um eine grundsätzlich als abschließend gedachte Regelung handelt, liegt kein Anhaltspunkt für das Bestehen einer unbeabsichtigten Regelungslücke vor, zumal nicht angenommen werden kann, dass sich die Kollektivvertragspartner nicht darüber im Klaren gewesen wären, dass im Arbeitsleben immer wieder auch einvernehmliche Vertragsbeendigungen vorkommen. Dass gerade in einem Theaterunternehmen Beschäftigte - anders als sonstige Dienstnehmer - eines besonderen Schutzes bedürften, der es erforderlich machen würde, auch die einvernehmliche Vertragsauflösung besonderen Formvorschriften zu unterwerfen, macht der Kläger - zu Recht - auch gar nicht geltend. Auch eine förmliche "Nichtverlängerungserklärung" des Dienstgebers iSd § 37 Abs 2 des KV ist im Falle des Einvernehmens über die Vertragsbeendigung nicht erforderlich.
Den Formvorschriften für den Abschluss, die Änderung und die Ergänzung eines Bühnendienstvertrages kommt in erster Linie Beweisfunktion zu, die im Zusammenhang mit der Vertragsbeendigung erheblich geringere Bedeutung hat. Bereits das Berufungsgericht hat richtig dargelegt, dass die vom Revisionswerber ins Treffen geführten Formvorschriften primär darauf abzielen, allfälligen Streitigkeiten bzw Unklarheiten über den Inhalt eines Bühnendienstvertrages zu entgehen. Derartige Fragen stellen sich bei der Auflösung eines Vertragsverhältnisses hingegen nicht, weil es dort - ganz unabhängig vom Inhalt des jeweiligen Vertrages - ausschließlich darum geht, ob der (wie immer beschaffene) Vertrag aufgelöst wurde oder weiterbesteht. Beruft sich jemand darauf, dass ein Bühnendienstvertrag einvernehmlich und formlos beendet worden sei, so trifft ihn die Beweislast für die einverständliche Vertragsauflösung; dieser Beweis ist den beklagten Parteien gelungen. Für eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Abschluss, die Änderung und die Ergänzung von Bühnendienstverträgen, die Unklarheiten über den Vertragsinhalt verhindern sollen, besteht sowohl nach der Systematik des Kollektivvertrages als auch den bei Abschluss und Auflösung eines Vertrages ganz unterschiedlichen Ausgangssituationen kein Anlass.
In Anbetracht der somit klaren Regelungen des Kollektivvertrages, die in ihrer sachlichen Differenzierung auch keineswegs als lückenhaft oder ergänzungsbedürftig angesehen werden können, war keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen. Die bloße - schon bei erster Prüfung als unzutreffend erkennbare - Rechtsbehauptung, für eine bestimmte Rechtsfrage wären andere Bestimmungen in sinngemäßer Anwendung heranzuziehen, vermag auch dann eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu begründen, wenn der Oberste Gerichtshof dazu - naheliegenderweise - noch nicht Stellung genommen hat.
Den beklagten Parteien, die auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen haben, gebührt gemäß den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO der Ersatz der Kosten ihrer - damit zweckentsprechenden - Revisionsbeantwortung.