OGH vom 05.06.2014, 13Os33/14y

OGH vom 05.06.2014, 13Os33/14y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kotanko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Benjamin L***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung, AZ 7 Hv 151/13g des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom (ON 10) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, zu Recht erkannt:

In der Strafsache AZ 7 Hv 151/13g des Landesgerichts für Strafsachen Graz verletzt das Urteil dieses Gerichts vom (ON 10) § 299 Abs 1 StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch wegen des Vergehens der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB (2) und demzufolge auch im Strafausspruch ebenso wie der zugleich ergangene Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten und Verlängerung der diesbezüglichen Probezeiten sowie auf Anordnung der Bewährungshilfe (ON 10 S 5) aufgehoben und es wird in der Sache selbst

(I) zu Recht erkannt:

Benjamin L***** wird von der Anklage, er habe am in G***** einen anderen, der eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat, der Verfolgung absichtlich ganz entzogen, indem er im Zuge seiner im Verfahren AZ 7 Hv 151/13g des Landesgerichts für Strafsachen Graz erfolgten Vernehmung als Angeklagter die Identität seines Mittäters nicht preisgab, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs zur Last liegende Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 3 StGB (1) wird Benjamin L***** unter Anwendung des § 36 StGB nach § 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 9 (neun) Monaten verurteilt.

Gemäß § 43a Abs 3 StGB iVm § 43 Abs 1 StGB wird ein Teil dieser Strafe von 6 (sechs) Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit, deren Lauf am begonnen hat, bedingt nachgesehen.

(II) der

Beschluss

gefasst:

Spruch

Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wird vom Widerruf der mit den Urteilen des Bezirksgerichts Graz Ost vom , AZ 265 U 88/12z, und des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom , AZ 6 Hv 81/13f, gewährten bedingten Strafnachsichten abgesehen, die diesbezüglichen Probezeiten werden gemäß § 494a Abs 6 StPO auf jeweils fünf Jahre verlängert.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Graz legte dem am geborenen (ON 2 S 7) Benjamin L***** mit Strafantrag vom (ON 5) zur Last, am in G***** im einverständlichen Zusammenwirken mit einem unbekannten Mittäter eine fremde bewegliche Sache, nämlich ein Mountainbike, dessen Wert 3.000 Euro nicht überstieg, Gökhan Ö***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Aufbrechen des Fahrradschlosses wegzunehmen versucht zu haben.

Im Rahmen der am vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz durchgeführten Hauptverhandlung (ON 9) bekannte sich Benjamin L***** schuldig, verweigerte aber Angaben zur Identität seines Mittäters (ON 9 S 5).

Hierauf dehnte die Staatsanwaltschaft Graz den Strafantrag dahin aus, dass sie Benjamin L***** überdies anlastete, durch das beschriebene Aussageverhalten einen anderen, der eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat, nämlich seinen Mittäter, der Verfolgung absichtlich ganz entzogen zu haben (ON 9 S 7).

Mit dem sodann ergangenen (ON 9 S 9 f), in gekürzter Form ausgefertigten (ON 10) Urteil wurde Benjamin L***** im Sinn des schriftlichen (ON 5), in der Hauptverhandlung ausgedehnten (ON 9 S 7) Strafantrags des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 3 StGB (1) sowie des Vergehens der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB (2) schuldig erkannt und hiefür zu einer (zum Teil bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe verurteilt.

Zugleich erging der Beschluss auf Absehen vom Widerruf zweier bedingter Strafnachsichten und Verlängerung der diesbezüglichen Probezeiten sowie auf Anordnung der Bewährungshilfe (ON 9 S 11, ON 10 S 5).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 23 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht der Schuldspruch wegen des Vergehens der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB (2) mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Das Vergehen der Begünstigung ist ein Erfolgsdelikt ( Tipold SbgK § 299 Rz 2), weil es den Eintritt einer von der Tathandlung zumindest gedanklich abtrennbaren Wirkung in der Außenwelt voraussetzt ( Kienapfel/Höpfel/Kert AT 14 Z 9 Rz 8).

Da § 299 Abs 1 StGB ein bestimmtes Tun, nämlich ein „Entziehen“ (hiezu eingehend Pilnacek in WK² StGB § 299 Rz 13 bis 17 sowie Tipold SbgK § 299 Rz 23 bis 28), mit Strafe bedroht, also nach der Art der Tathandlung ein Begehungsdelikt definiert ( Kienapfel/Höpfel/Kert AT 14 Z 9 Rz 2), kommt die Begehung durch Unterlassung hier nur unter den Voraussetzungen des § 2 StGB in Betracht ( Hinterhofer/Rosbaud BT II 5 § 299 Rz 10; Leukauf/Steininger Komm³ § 299 RN 9).

Diese Voraussetzungen sind aber fallbezogen schon deswegen nicht erfüllt, weil dem Verurteilten in Bezug auf das inkriminierte Unterlassen der Preisgabe der Identität seines Mittäters keine Garantenstellung zukam. Insbesondere kennt die österreichische Strafprozessordnung zwar ein allgemeines Anzeigerecht (§ 80 Abs 1 StPO), nicht jedoch eine allgemeine Pflicht zur Anzeige einer Straftat oder zur Mitwirkung an der Aufklärung einer solchen (vgl demgegenüber die in § 78 Abs 1 StPO normierte Anzeigepflicht von Behörden oder öffentlichen Dienststellen).

Entgegen der Rechtsansicht des erkennenden Gerichts ist somit die Weigerung des Angeklagten, seinen Mittäter preiszugeben, nicht geeignet, den Tatbestand der Begünstigung herzustellen (10 Os 53/75, EvBl 1976/17, 23 = ZfRV 1975, 297 [ Liebscher ]; RIS Justiz RS0096072; Fabrizy , StGB 11 § 299 Rz 9; Hinterhofer/Rosbaud BT II 5 Rz 9; Leukauf/Steininger Komm³ § 299 RN 9; Pilnacek in WK² StGB § 299 Rz 13; Tipold SbgK § 299 Rz 53).

Da der rechtsfehlerhafte Schuldspruch zum Nachteil des Verurteilten wirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO), also den Schuldspruch wegen des Vergehens der Begünstigung nach § 299 Abs 1 StGB aufzuheben und insoweit gemäß § 259 Z 3 StPO einen Freispruch zu fällen.

Dies hatte die Aufhebung des Strafausspruchs sowie des von dessen Bestand abhängigen Beschlusses auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten und Verlängerung der diesbezüglichen Probezeiten sowie auf Anordnung der Bewährungshilfe zur Folge.

Bei der nach §§ 32 bis 34 StGB vorzunehmenden Strafbemessung war

erschwerend: der Umstand, dass der Angeklagte schon drei Mal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten verurteilt worden ist (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB), sowie der nur rund vier Monate nach der letzten Vorverurteilung erfolgte (siehe ON 8 S 2) und solcherart rasche Rückfall (RIS Justiz RS0090981 und RS0091041; Ebner in WK² StGB § 33 Rz 11; Fabrizy , StGB 11 Rz 4),

mildernd: der Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB), und das reumütige Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB).

Hievon ausgehend (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) erweist sich unter Berücksichtigung des infolge Tatbegehung innerhalb zweier offener Probezeiten erhöhten Schuldgehalts (§ 32 Abs 2 zweiter Satz StGB [11 Os 4/01, EvBl 2001/151, 650; RIS Justiz RS0090597 und RS0090954; Ebner in WK² StGB § 33 Rz 10; Leukauf/Steininger Komm³ § 33 RN 8) bei einem bis zu fünf Jahren reichenden Rahmen (§§ 36 letzter Satz, 129 StGB) eine Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten tat und schuldangemessen.

Mit Blick auf das erheblich getrübte Vorleben des Angeklagten kam eine gänzliche bedingte Strafnachsicht (§ 43 Abs 1 StGB) nicht in Betracht (vgl § 43a Abs 3 erster Satz StGB).

Der bedingten Nachsicht eines Strafteils von sechs Monaten standen aber weder spezialpräventive noch generalpräventive Erwägungen entgegen (§ 43a Abs 3 StGB iVm § 43 Abs 1 StGB).

Der durch den Eintritt der Rechtskraft bereits in Gang gesetzte Lauf der Probezeit wird durch das Vorgehen im Sinne des § 292 letzter Satz StPO nicht berührt (RIS Justiz RS0118011), was im Spruch des Erkenntnisses deklarativ festgehalten wurde (vgl RIS Justiz RS0092039).

Der Widerruf der zu AZ 265 U 88/12z des Bezirksgerichts Graz Ost und zu AZ 6 Hv 81/13f des Landesgerichts für Strafsachen Graz gewährten bedingten Strafnachsichten kam schon aufgrund des Verschlechterungsverbots (§ 292 erster Satz StPO iVm § 290 Abs 2 StPO) nicht in Betracht.

Die diesbezüglichen Probezeiten waren gemäß § 494a Abs 6 StPO auf fünf Jahre zu verlängern, um dem Angeklagten längerfristig einen zusätzlichen Anreiz zu künftigem Wohlverhalten zu geben.

Über die allfällige neuerliche Anordnung von Bewährungshilfe (§ 50 StGB) hat das Erstgericht zu befinden (RIS Justiz RS0092156 und RS0092379; Jerabek , WK StPO § 494 Rz 1).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0130OS00033.14Y.0605.000