OGH vom 13.04.2010, 14Os5/10g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klein als Schriftführerin in der Strafsache gegen Markus C***** und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 302 Abs 1, 12 dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Markus C***** und Gerald A***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom , GZ 13 Hv 69/09d-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe :
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Markus C***** und Gerald A***** (dieser als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB) jeweils (richtig:) des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach haben von bis in Murau und Bruck an der Mur
(I.) Markus C***** als Rechtspfleger in Verlassenschafts- und Pflegschaftssachen der Bezirksgerichte Murau, Bruck an der Mur und Leoben, sohin als Beamter (§ 74 Abs 1 Z 4 StGB), mit dem Vorsatz, die abwesenden Erben in ihren Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Republik Österreich als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich (§ 5 Abs 3 StGB) missbraucht, indem er in im Urteilstenor einzeln angeführten Verfahren großteils nach vorheriger Enthebung der damaligen Abwesenheitskuratoren, ohne diese zuvor zur Entfaltung von Tätigkeiten oder zur Berichterstattung aufzufordern seinen Freund Gerald A***** als Abwesenheitskurator für abwesende Erben bestellte, aufgrund dessen teilweise lediglich telefonisch erstatteter Berichte dessen Anspruch auf Aufwandersatz bzw Entschädigung für seine Tätigkeiten bestätigte und das gesamte jeweils vorhandene Vermögen vollständig an ihn ausbezahlte, obwohl dem Abwesenheitskurator aufgrund der lediglich geringen Einkünfte in Form von Zinserträgen (Kapitalerträge aus Sparbuchzinsen von 1,75 % bis 3,5 % p.a.) und eines jeweils 10.000 Euro nicht übersteigenden Vermögenswerts (Sparbuchguthaben) und aufgrund nicht erfolgter Nächtigungen in Murau weder eine Entschädigung noch Aufwandersatz in der tatsächlich ausbezahlten Höhe zustand;
(II.) Gerald A***** zu den unter Punkt I angeführten strafbaren Handlungen des Markus C***** dadurch beigetragen, dass er die von diesem für ihn vorbereiteten Protokolle, die in weiterer Folge den jeweiligen Beschlüssen zugrunde gelegt wurden, als Abwesenheitskurator unterfertigte, obwohl er wusste, dass jener seine als Rechtspfleger eingeräumte Befugnis, im Namen der Republik Österreich als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, auf die zu Punkt I näher beschriebene Weise zumindest vorsätzlich missbrauchte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von beiden Angeklagten aus Z 5 und 9 lit a, von Markus C***** überdies aus Z 4 und von Gerald A***** auch aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Markus C*****:
Durch die Abweisung des Antrags auf zeugenschaftliche Vernehmung von „ADir.“ S*****, Manfred E***** und Karin K***** zum Beweis dafür, „dass die vom Angeklagten bewilligten und ausbezahlten Aufwandersätze und Entschädigungen rechtlich gedeckt waren, insbesondere aber der Praxis und den Usancen bei den steirischen Gerichten entsprechen und daher kein strafrechtlich relevantes Verhalten wissentlich vom Angeklagten gesetzt wurde“, wurde der Beschwerdeführer in seinen Verfahrensrechten nicht beeinträchtigt (Z 4), weil der Beweisantrag nicht erkennen ließ, warum der begehrte Verfahrensschritt das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung zielte (RIS Justiz RS0107040). In Bezug auf den angestrebten Nachweis der Gesetzmäßigkeit der Vorgangsweise des Beschwerdeführers kommt hinzu, dass Rechtsfragen nicht Gegenstand der Beweisaufnahme sind (RIS Justiz RS0099342).
Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) wurde die Annahme, Markus C***** habe gewusst, dass Gerald A***** keine Tätigkeiten vor Ort verrichtet und in Murau nicht übernachtet hat, er habe sich weiters in Kenntnis der bestehenden Rechtsvorschriften über diese hinweggesetzt, um dem Angeklagten Gerald A***** einen Zuverdienst zukommen zu lassen, sehr wohl im Einklang mit Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungswerten (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 447 f) mit dem Hinweis auf die teilweise erfolgten, (sonst) nicht erklärbaren Umbestellungen der Abwesenheitskuratoren, die jahrelange Erfahrung des Markus C***** als Rechtspfleger, wonach Gerald A***** nach anfänglich erfolglosen Erhebungen zur Ausforschung der gesuchten Personen keine weiteren (ohnehin zwecklosen) Erhebungen vor Ort durchführen werde, und fehlende Erkennbarkeit einer konkreten Tätigkeit in einzelnen Berichten begründet (US 15 und 16). Mit seiner diesen Urteilserwägungen entgegengesetzten Kritik, wonach sich kein Hinweis dafür ergeben habe, dass die Aussage des Gerald A*****, er habe dem Pflegschaftsgericht immer über seine umfangreichen Erhebungen berichtet, nicht den Tatsachen entsprochen hätte, bewegt sich der Beschwerdeführer im Rahmen einer im Schöffenverfahren unzulässigen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0116732). Die Feststellung, wonach Markus C***** an Gerald A***** Nächtigungsgebühren im Wissen ausbezahlte, dass dieser nie in Murau genächtigt hatte, konnte das Erstgericht auf dessen eigene Angaben stützen, wobei es dessen weitere Deposition, er sei (abgesehen von der jeweiligen Berichterstattung) mehrmals jährlich (zur Durchführung von Erhebungen) in Murau gewesen, mit empirisch einwandfreier Begründung verwarf (US 12).
Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nur vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099431). Der im Rahmen der Mängelrüge in Bezug auf die Urteilskonstatierung, wonach nicht festgestellt werden kann, ob Gerald A***** (neben dem ) auch am in Murau gewesen sei, in diese Richtung erhobene Einwand geht schon deshalb fehl, weil das Erstgericht die Aussage des Markus C***** (ON 16 S 57) in den wesentlichen Teilen richtig wiedergegeben hat (US 14). Die in diesem Zusammenhang auch Unvollständigkeit nach Z 5 zweiter Fall (der Sache nach fehlende Begründung nach Z 5 vierter Fall) behauptende Beschwerde übergeht die logisch und empirisch einwandfreie Begründung der oben genannten Negativfeststellung (US 14), wobei sich das Erstgericht insbesondere auch auf die Diskrepanz zwischen der Aussage des Angeklagten Gerald A*****, er sei am um 11:00 Uhr in Graz weggefahren, und dem Umstand, dass er am bereits für 8:30 Uhr beim Bezirksgericht Murau geladen war, stützen konnte.
Mit der Erklärung, die Ausführungen der Mängelrüge auch zum Vorbringen der Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z 9lit a StPO zu erheben, orientiert sich die Beschwerde nicht an den Kriterien des solcherart herangezogenen Nichtigkeitsgrundes.
Im Übrigen ist zur Rechtsrüge festzuhalten, dass das Erstgericht betreffend den Befugnismissbrauch in den Entscheidungsgründen unmissverständlich davon ausging, dass Markus C***** seinen Freund Gerald A***** lediglich zu dem Zweck zum Abwesenheitskurator bestellte, um ihm einen Zuverdienst zukommen zu lassen, und im Wissen, dass dieser mit Ausnahme geringfügiger Leistungen unmittelbar nach seiner Bestellung keine Tätigkeiten durchführte und niemals in Murau nächtigte, Entschädigungen und Aufwandersatz zusprach (US 6 bis 11). Sämtliche Einwände beider Beschwerdeführer im Zusammenhang mit einer angeblich im Sprengel des Oberlandesgerichts Graz bestehenden Praxis, eine Entschädigung nach § 266 ABGB und einen Aufwandersatz nach § 267 ABGB pauschal (ohne Vorlage von Belegen, ohne Aufgliederung in Entschädigung und Aufwandersatz sowie ohne Anforderung und Überprüfung der erforderlichen Leistungsverzeichnisse) bestimmen zu können, sowie mit einem Vertrauen des Erstangeklagten auf die Rechtmäßigkeit dieser Praxis verfehlen daher mangels Bezugnahme auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe die gesetzmäßige Darstellung (RIS-Justiz RS0099810).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Gerald A *****:
Die im Zusammenhang mit der Frage, ob Gerald A***** wusste, dass Markus C***** vorsätzlich seine Befugnis als Rechtspfleger missbrauchte, nominell verfehlt auch unter dem Gesichtspunkt der Z 5a monierte Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) wegen unterbliebener Erörterung der Aussage des Zeugen Jürgen F*****, wonach es in der Praxis öfters vorkomme, dass eine Pauschalentschädigung festgesetzt werde, und der vom Angeklagten Markus C***** vorgelegten gerichtlichen Entscheidungen betreffend die Rechtsgrundlage der Auszahlung von Entschädigungen (Beilage ./1) liegt schon deshalb nicht vor, weil das Erstgericht davon ausging, dass Gerald A***** (mit Wissen des Erstangeklagten) mit Ausnahme geringfügiger Leistungen unmittelbar nach jeweiliger Bestellung zum Abwesenheitskurator keinerlei Tätigkeit mehr entfaltete, sodass sich die Frage der Zulässigkeit von Pauschalierungen wie bereits oben ausgeführt gar nicht stellt.
Soweit der Beschwerdeführer eine fehlende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite moniert, übergeht er die ausführlichen Erörterungen des Erstgerichts, aus welchen Gründen es seiner Verantwortung, er habe (auch nach dem ) weitere Tätigkeiten, die den Zuspruch einer Entschädigung und eines Aufwandersatzes rechtfertigen würden, verrichtet, verwarf (US 11 bis 13), und den Hinweis in den Entscheidungsgründen auf die mehrjährige Rechtspflegertätigkeit des Beschwerdeführers (US 16 unten).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) erlaubt eine Bekämpfung der Beweiswürdigung nur insoweit, als sie völlig lebensfremde Ergebnisse derselben durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiserwägungen) aufzuzeigen in der Lage ist (RIS-Justiz RS0118780). Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wie sie die Schuldberufung des Einzelrichterverfahrens einräumt wird dadurch nicht eröffnet (vgl RIS-Justiz RS0119583). Mit dem auf die Aussage des Beschwerdeführers gestützten Vorbringen, dieser habe handschriftliche Aufzeichnungen geführt und diese Markus C***** bei der Berichterstattung zur Verlesung gebracht, setzte sich das Erstgericht auseinander, kam aber unter ausführlicher Würdigung (US 11 bis 13) zum Schluss, dass sich dies lediglich auf den Beginn seiner Tätigkeit als Abwesenheitskurator bezog und er danach keinerlei Tätigkeiten mehr verrichtete. Gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen vermag der Beschwerdeführer damit nicht hervorzurufen.
In seiner auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Rechtsrüge behauptet der Beschwerdeführer zunächst einen Rechtsfehler mangels Feststellungen dahingehend, „dass keine einzige Tatsachenfeststellung vorliege, der Zweitangeklagte habe die Gewissheit gehabt, dass der Erstangeklagte als Beamter einen Amtsmissbrauch durch Auszahlung von Entschädigungsbeträgen begehen wolle“, übergeht dabei aber die ausreichenden (RIS-Justiz RS0103984, RS0108964), entsprechenden Feststellungen auf US 11, wonach Gerald A***** in Kenntnis seiner Verpflichtung zur Rechnungslegung war und daher wusste, dass der Rechtspfleger durch ungeprüfte Ausbezahlung von Entschädigungs- und Aufwandersatzbeträgen, insbesondere durch die Verrechnung von nicht angefallenen Nächtigungsgebühren und die mehrfache Verrechnung je einer Fahrt zur Berichterstattung nach Murau seine Befugnisse missbrauchte, und er ebenso wusste, dass die Auszahlungen der Entschädigungen missbräuchlich erfolgten, weil er keine Tätigkeiten verrichtete. Mit dem Einwand, das Erstgericht habe trotz eines durch die unter Vorlage eines darauf hinweisenden Aufsatzes und von Entscheidungen getätigte Aussage des Angeklagten Markus C*****, er sei davon ausgegangen, Pauschalentschädigungsbeträge festsetzen zu dürfen, in der Hauptverhandlung indizierten Tatsachenvorbringens keine entsprechende Feststellung getroffen, wird abermals bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung bekämpft.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs l StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.