VfGH vom 12.06.2001, B741/99

VfGH vom 12.06.2001, B741/99

Sammlungsnummer

16171

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung von Maßnahmenbeschwerden gegen die Entfernung von Alttextil-Sammelbehältern durch den Magistrat der Stadt Wien auch hinsichtlich der gemäß dem Wr GebrauchsabgabeG 1966 auf öffentlichem Gemeindegrund aufgestellten Container

Spruch

Der beschwerdeführende Verein ist durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Die Bescheide werden daher aufgehoben.

Die Gemeinde Wien ist schuldig, dem beschwerdeführenden Verein die mit S 59.000,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der beschwerdeführende Verein - eine karitative Organisation - betreibt zur Finanzierung seiner Vereinsziele ua. das Sammeln von Alttextilien. Mit Duldung der Stadt Wien stellte er dazu seit ca. zehn Jahren innerhalb des Gebietes der Gemeinde Wien etwa 140 Alttextil-Sammelbehälter mehrheitlich auf öffentlichem Gut auf. Einige Sammelbehälter befanden sich auf nicht dem Gemeingebrauch gewidmeten Gemeindegrund, ein weiterer Sammelbehälter war auf einer im Eigentum der Post und Telekom Austria AG stehenden Grundfläche aufgestellt.

Für die auf öffentlichem Gut aufgestellten Sammelbehälter existierte für die Ingebrauchnahme von Straßengrund keine schriftliche Vereinbarung zwischen dem beschwerdeführenden Verein und der Stadt Wien. Zum Zeitpunkt der späteren Entfernung der Alttextil-Sammelbehälter lag auch kein aufrechter Bescheid zur Bewilligung des Gebrauchs von öffentlichem Gemeindegrund gemäß den §§1 und 2 des Wiener Landesgesetzes über die Erteilung von Erlaubnissen zum Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund und die Einhebung einer Abgabe hiefür (Gebrauchsabgabegesetz 1966, im folgenden: Wr. GAG), LGBl. für Wien 1966/20, vor. Es liegt dem Verfassungsgerichtshof auch kein Schreiben vor, in dem Zustimmungen nach § 28 Abs 1 des Bundesgesetzes vom , betreffend die Bundesstraßen (Bundesstraßengesetz 1971 - BStG 1971), BGBl. 1971/286, für das Aufstellen der Sammelbehälter auf Bundesstraßengrund erteilt wurden. Die durch das Aufstellen der Sammelbehälter für die Benützung von Straßen erforderlichen straßenpolizeilichen Bewilligungen gemäß § 82 Abs 1 StVO 1960 wurden jedoch erteilt.

Hinsichtlich der auf nicht dem Gemeingebrauch unterliegenden Grundflächen der Gemeinde Wien aufgestellten Alttextil-Sammelbehälter (im Bereich städtischer Wohnhausanlagen) liegen dem Verfassungsgerichtshof Schreiben der Magistratsabteilungen 52 (damals: "Verwaltung der städtischen Wohnhäuser") und 17 (damals: "Wiener Wohnen") vor, in denen unter bestimmten Auflagen "Bewilligungen" für das Aufstellen der Alttextil-Sammelbehälter "gegen jederzeitigen Widerruf" erteilt wurden. Die Post und Telekom Austria AG gestattete mit Schreiben vom das Aufstellen eines Alttextil-Sammelbehälters auf einem ihr gehörigen Grundstück auf unbestimmte Zeit mit der Einschränkung, daß die "Bewilligung" jederzeit widerrufen werden könne.

In einem Schreiben des Magistrats der Stadt Wien (MA 48) vom an den beschwerdeführenden Verein wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die zu diesem Zeitpunkt auf öffentlichem Gut aufgestellten Alttextil-Sammelbehälter seitens der Gemeinde Wien nur bis auf jederzeitigen Widerruf geduldet seien. Nach einer von der Stadt Wien im Jänner des Jahres 1996 durchgeführten "Ausschreibung", an der sich auch der beschwerdeführende Verein beteiligte, erhielt nach einstimmigem Beschluß des Gemeinderatsausschusses für Umwelt und Verkehrsorganisation vom das Österreichische Kolpingwerk als Bestbieter einen Vertrag über die Sammlung von Alttextilien in Wien auf öffentlichem Gut der Gemeinde Wien und auf Bundesstraßen. Als Vertragsbeginn wurde der vereinbart. Mit Schreiben des Magistrats der Stadt Wien (MA 48) vom wurde der beschwerdeführende Verein mit dem Hinweis, daß auf Grund der öffentlichen Ausschreibung ein Mitbewerber den Vertrag über die Sammlung von Alttextilien auf "öffentlichem Gut und auf Bundesstraßen" erhalten habe, um Kontaktaufnahme ersucht, "um den sukzessiven Austausch (der) derzeitig aufgestellten, bis auf jederzeitigen Widerruf geduldeten Sammelbehälter zu ermöglichen". In der Folge kam es zwischen dem beschwerdeführenden Verein und dem Magistrat der Stadt Wien (MA 48) hinsichtlich der Entfernung der Alttextil-Sammelbehälter zu keiner Einigung, sodaß der beschwerdeführende Verein mit Schreiben des Magistrats der Stadt Wien (MA 48) vom aufgefordert wurde, bis sämtliche in Wien auf öffentlichem Gut aufgestellte Alttextil-Sammelbehälter zu entfernen. Mit weiterem Schreiben vom kündigte der Magistrat der Stadt Wien (MA 48) den vom Verein behaupteten, von der Gemeinde Wien jedoch bestrittenen, "allfällig durch Duldung der Sammelbehälter ... entstandenen zivilrechtlichen Vertrag zur Nutzung des öffentlichen Gutes per " und setzte unter Androhung "entsprechender gerichtlicher Klagen" für die Entfernung der Alttextil-Sammelbehälter neuerlich eine Frist bis . Der Magistrat der Stadt Wien teilte in diesem Schreiben weiters mit, er werde von der in Aussicht gestellten Entfernung der Behälter im Wege der Selbsthilfe (vorerst) absehen.

1.2. Der Magistrat der Stadt Wien (MA 48) ließ am und am 138 im Gemeindegebiet der Stadt Wien aufgestellte Alttextil-Sammelbehälter entfernen. Die Behälter befanden sich mehrheitlich auf öffentlichem Gut. Es wurden aber auch Sammelbehälter entfernt, die sich auf nicht im Gemeingebrauch stehenden Gemeindegrund befanden, und es wurde auch ein Sammelbehälter entfernt, der auf dem Grundstück der Post und Telekom Austria AG aufgestellt war.

1.3. Dagegen brachte der beschwerdeführende Verein einerseits bei verschiedenen Bezirksgerichten Besitzstörungsklagen gegen die Stadt Wien ein. Anderseits erhob er - weil er nicht ausschließen konnte, daß das Verhalten der Stadt Wien als hoheitlich zu qualifizieren sei - beim UVS Wien Beschwerde wegen rechtswidriger Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Über die Besitzstörungsklagen entschieden die Bezirksgerichte in der Mehrzahl meritorisch iS einer Stattgabe des Klagebegehrens; in einem Fall wurde die Besitzstörungsklage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen.

Nachdem die Stadt Wien durch die klagsstattgebenden Endbeschlüsse der Bezirksgerichte ua. dazu verurteilt wurde, die entfernten Alttextil-Sammelbehälter wieder aufzustellen, kam sie diesem "Auftrag" hinsichtlich jener Sammelbehälter nach, für die der beschwerdeführende Verein mit seinen Besitzstörungsklagen in erster Instanz erfolgreich war.

In der Folge wurden in zwölf Rekursentscheidungen des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien die klagsstattgebenden Endbeschlüsse aufgrund Unzulässigkeit des Rechtsweges aufgehoben bzw. jener Endbeschluß des Bezirksgerichtes bestätigt, mit dem eine Zurückweisung der Besitzstörungsklagen ausgesprochen wurde (Beschlüsse vom , Z 34 R 256/98v, vom , Z 36 R 481/98x, vom , Z 35 R 492/98g, vom , Z 35 R 456/98p, vom , Z 35 R 264/98b, vom , Z 37 R 584/98a, vom , Z 36 R 518/98p, vom , Z 36 R 556/98a, vom , Z 36 R 611/98i, vom , Z 36 R 590/98a, vom , Z 34 R 262/98a und vom , Z 36 R 512/98f).

1.4. Infolge dieser Rechtsmittelentscheidungen entfernte die Stadt Wien im Zeitraum zwischen dem 4. und durch die MA 48 neuerlich 44 Alttextil-Sammelbehälter und im Zeitraum zwischen 1. und neuerlich 12 Alttextil-Sammelbehälter, die sie zuvor aufgrund der in erster Instanz klagsstattgebenden Entscheidungen wieder aufgestellt hatte. Laut (unwidersprochenem) Beschwerdevorbringen befanden sich diese Sammelbehälter "im Bereich des öffentlichen und privaten Gutes der Stadt Wien bzw. auf Bundesstraßen und auf Privatgrund Dritter".

1.5. Auch gegen diese erneute Entfernung von Alttextil-Sammelbehältern erhob der beschwerdeführende Verein Beschwerden an den UVS Wien wegen rechtswidriger Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.

2. Der UVS Wien wies nunmehr in drei inhaltlich im wesentlichen gleichlautenden Bescheiden vom , Z UVS-02/A/11/00007/98 (hinsichtlich der Beschwerde gegen die Entfernung von 138 Sammelbehältern am und ) und jeweils vom , Z UVS-02/A/11/00026/98 und Z UVS-02/A/11/00032/98 (hinsichtlich der Beschwerden gegen die Entfernung von Sammelbehältern im Zeitraum zwischen dem 4. und sowie im Zeitraum zwischen 1. und ), die Beschwerden als unzulässig zurück, weil nach seiner Rechtsauffassung die Entfernung der Sammelbehälter durch die Organe der Stadt Wien als Akt der Privatwirtschaftsverwaltung von den ordentlichen Gerichten zu beurteilen sei.

Der beschwerdeführende Verein beantragte im Hinblick auf die die gerichtliche Zuständigkeit verneinenden Beschlüsse des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien und den die verwaltungsbehördliche Zuständigkeit verneinenden Bescheid des UVS Wien vom , Z UVS-02/A/11/00007/98, die Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes gemäß Art 138 Abs 1 lita B-VG. Mit Erkenntnis vom , KI-2/99 ua, entschied der Verfassungsgerichtshof den Kompetenzkonflikt dahingehend, daß

"der Unabhängige Verwaltungssenat Wien zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Entfernung von Alttextil-Sammelbehältern des antragstellenden Vereins durch den Magistrat der Stadt Wien am und am insoweit zuständig ist, als es die Entfernung von Alttextil-Sammelbehältern betrifft, die gemäß § 1 Abs 1 des Wiener Landesgesetzes über die Erteilung von Erlaubnissen zum Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund und die Einhebung einer Abgabe hiefür (Gebrauchsabgabegesetz 1966), LGBl. für Wien 1966/20, idF LGBl. für Wien 1982/13, auf öffentlichem Gemeindegrund der Gemeinde Wien, welcher als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient (samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich des darüber befindlichen Luftraumes), aufgestellt waren; hingegen ist das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zur Entscheidung über die Entfernung aller übrigen im Gemeindegebiet der Stadt Wien (auf Bundesstraßengrund, auf nicht dem Gemeingebrauch gewidmeten Gemeindegrund und auf privatem Grund) aufgestellten Alttextil-Sammelbehälter zuständig".

3. Gegen die Bescheide des UVS Wien vom , Z UVS-02/A/11/00026/98 und Z UVS-02/A/11/00032/98 richten sich die vorliegenden, zu B741/99 und B742/99 beim Verfassungsgerichtshof protokollierten Beschwerden, in denen die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit der Erwerbsausübung und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide begehrt wird.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch in beiden Fällen keine Gegenschrift.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat die - zulässigen - Beschwerden gemäß § 35 Abs 1 VerfGG 1953 iVm. § 187 ZPO zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie erwogen:

1.1. Im Erkenntnis vom , KI-2/99 ua, beantwortete der Verfassungsgerichtshof die Frage, ob das Gericht und/oder die Verwaltungsbehörde zur Entscheidung über Ansprüche betreffend die Entfernung von 138 Alttextil-Sammelbehältern zuständig ist, im wesentlichen wie folgt:

"1. Hoheitliche Verwaltung liegt vor, wenn die Verwaltungsorgane mit 'imperium', also unter Einsatz spezifischer staatlicher Befehls- und Zwangsgewalt auftreten. Sie handeln dabei in jenen Rechtssatzformen, die das öffentliche Recht für die Ausübung von behördlichen Befugnissen zur Verfügung stellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kommt es für die Abgrenzung des Gebietes der Privatwirtschaftsverwaltung von dem der Hoheitsverwaltung auf die Motive und den Zweck der Tätigkeit nicht an, entscheidend ist vielmehr, welche rechtstechnischen Mittel die Gesetzgebung zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgaben bereitstellt. Hat der Gesetzgeber den Verwaltungsträger mit keinen Zwangsbefugnissen ausgestattet, so liegt keine Hoheitsverwaltung, sondern Privatwirtschaftsverwaltung vor (vgl. etwa VfSlg. 3262/1957, 6084/1969; vgl. auch Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 29 mwN).

Für die Beurteilung der vorliegenden Anträge gemäß Art 138 Abs 1 lita B-VG ist daher die Frage zu prüfen, ob das Verwaltungsorgan zur Regelung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses vom Gesetzgeber mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet wurde.

2. Die divergierenden Zuständigkeitsentscheidungen betrafen Alttextil-Sammelbehälter, die zum Zeitpunkt der Entfernung 'teils auf öffentlichem Gut der Stadt Wien oder auf Bundesstraßen, teils auf privatem Gut der Gemeinde Wien oder dritter Personen' aufgestellt waren.

3. Zur rechtlichen Natur jener Rechtsverhältnisse die durch die 'Duldung' des Aufstellens von Alttextil-Sammelbehältern auf öffentlichem Gut geschaffen wurden:

3.1. Öffentliches Gut sind Sachen, die im Gemeingebrauch stehen. Nach heute herrschender Auffassung hat der Gemeingebrauch öffentlich-rechtlichen Charakter (vgl. etwa die Nachweise bei Merli, Öffentliche Nutzungsrechte und Gemeingebrauch (1995), 301 FN 435, 382 ff.). Die Regelung des Gemeingebrauchs fällt nicht unter den Kompetenztatbestand des 'Zivilrechtswesens', sondern ist Sache des (Bundes- oder Landes-)'Materiengesetzgebers' des Verwaltungsrechts. Nicht die ordentlichen Gerichte, sondern die Verwaltungsbehörden sind nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Entscheidung von Streitigkeiten über Bestand und Umfang des Gemeingebrauchs zuständig ( SZ 37/4, EvBl. 1966/396, MietSlg. 33.051, Merli, Öffentliche Nutzungsrechte und Gemeingebrauch (1995), 301, 382, Melichar, Die öffentlichen Sachen und der Gemeingebrauch, JBl. 1967, 183).

Den vorliegenden Anträgen liegt der Sachverhalt zugrunde, daß Alttextil-Sammelbehälter in der Mehrzahl auf im Gemeingebrauch stehendem Straßengrund innerhalb des Wiener Gemeindegebietes aufgestellt wurden. Maßgeblich für deren Beurteilung ist die Beantwortung der Frage, ob diese Nutzung über den zweckbestimmten Gebrauch am betreffenden Straßengrund hinausgeht. Aus § 290 ABGB ergibt sich, daß die über den Gemeingebrauch hinausgehenden Nutzungsrechte an einem öffentlichen Gut allgemein als dem Privatrecht zugehörig anzusehen sind (vgl. VfSlg. 3183/1957, 3262/1957, 5395/1966), es sei denn, daß infolge gesetzlicher Regelung ein solches Nutzungsrecht in den Bereich des öffentlichen Rechts verlagert wird. Ob eine 'Hineinhebung' in das öffentliche Recht stattgefunden hat und welcher Art sie ist, 'kann ... nicht ein für allemal, somit nicht durch allgemeine Spekulationen aus einer dem öffentlichen Gut zugeschriebenen doppelten rechtlichen Eigenschaft, sondern immer nur an Hand der im Einzelfalle in Betracht kommenden Vorschrift, oder, falls an sich mehrere Vorschriften zur Verfügung gestanden wären, nach der im konkreten Falle angewendeten Vorschrift beurteilt und festgestellt werden' (so VfSlg. 2918/1955, vgl. auch VfSlg. 2727/1954 und Melichar, Die öffentlichen Sachen und der Gemeingebrauch, JBl. 1967, 183).

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 4605/1963 dargelegt hat, gehören Bestimmungen, die öffentlich-rechtliche Berechtigungen oder öffentlich-rechtliche Verpflichtungen schaffen und die Festsetzung und Feststellung des Inhaltes und des Umfanges bzw. die Sicherung des Gemeingebrauches an den Straßen sowie die Regelung der über den Gemeingebrauch hinausgehenden Benützung von Straßen zum Gegenstand haben, zu den 'Straßenangelegenheiten (ohne Straßenpolizei)'. Diese fallen, soweit es sich nicht um Bundesstraßen handelt (bezüglich derer nach Art 10 Abs 1 Z 9 B-VG die Gesetzgebungs- und Vollziehungszuständigkeit des Bundes gegeben ist), gemäß Art 15 Abs 1 B-VG in die Gesetzgebungs- und Vollziehungszuständigkeit der Länder (VfSlg. 12187/1989; vgl. dazu etwa Krzizek, Das öffentliche Wegerecht (1967), 14 ff.; Öhlinger, Zur Kompetenzlage auf dem Gebiet des Straßenverkehrs II, ZVR 1979, 257 ff.).

3.1.1. Eine landesgesetzliche Norm, die die über den Gemeingebrauch hinausgehende Nutzung von Straßengrund regelt, findet sich im Wr. GAG:

(Es folgt eine auszugsweise Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen des Wr. GAG in der Fassung des LG, LGBl. für Wien 1998/12)

Nach § 1 Abs 1 Wr. GAG bedarf der über die 'widmungsmäßigen Zwecke' hinausgehende Gebrauch (Sondernutzung) von öffentlichem, als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dienenden Gemeindegrund, einer Gebrauchserlaubnis. Über einen Antrag auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis ist diesfalls mit Bescheid abzusprechen (siehe § 2 Abs 4 und § 11 Abs 1 Wr. GAG; vgl. VfSlg. 12187/1989; vgl. auch VfSlg. 8034/1977; Lebitsch, Probleme des Gemeingebrauchs am Beispiel der Benützung von Straßen als Forum der öffentlichen Kommunikation, JBl. 1983, 68 ff., FN 53). Die Erteilung der Gebrauchserlaubnis ist somit ein Akt der Hoheitsverwaltung (vgl. die Erkenntnisse betreffend den - dem § 1 Abs 1 Wr. GAG in den hier wesentlichen Belangen gleichen - § 1 Abs 1 des Wiener Gebrauchsgebührengesetzes, LGBl. 1948/4 - VfSlg. 5101/1965 und 5355/1966 ebenso 3183/1957; dazu etwa Krzizek, Das öffentliche Wegerecht (1967), 73 f.; Melichar, Die öffentlichen Sachen und der Gemeingebrauch, JBl. 1967, 179 ff., hier 184; siehe ferner etwa Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 707).

Die Aufstellung der Alttextil-Sammelbehälter auf öffentlichem, als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dienenden Gemeindegrund iS des § 1 Abs 1 Wr. GAG stellt eine über den Gemeingebrauch in qualitativer Hinsicht hinausgehende Sondernutzung am öffentlichen Gut dar und es liegt sohin ein Rechtsverhältnis vor, das durch das Wr. GAG in das öffentliche Recht übertragen und durch Akte der Hoheitsverwaltung (etwa gemäß der §§5 und 6 Wr. GAG) gestaltet wird.

Für die Beurteilung der Ansprüche betreffend die Entfernung dieser Sammelbehälter durch die Gemeinde Wien ist daher der UVS Wien zuständig.

3.1.2. Die maßgebliche Rechtslage für die Benützung von Bundesstraßen stellt sich wie folgt dar:

(Es folgt eine auszugsweise Wiedergabe der §§3 und 28 des BStG 1971, in der maßgeblichen Fassung)

Mit Verordnung des Bundesministers für Handel und Wiederaufbau vom , BGBl. 1963/131, wurde die Besorgung der Geschäfte der Bundesstraßenverwaltung in den Bundesländern gemäß Art 104 Abs 2 B-VG dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen.

Im Gegensatz zum Wr. GAG ist die Einräumung einer Sondernutzungsbewilligung nach § 28 BStG 1971 kein Akt der Hoheitsverwaltung:

Zu diesem Ergebnis gelangte der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 3183/1957 zum damals in Kraft stehenden BStG 1948, BGBl. Nr. 59. § 21 Abs 1 BStG 1948 machte jede Benützung der Bundesstraßen und der dazugehörigen Anlagen für einen anderen als ihrer Bestimmung gemäßen Zweck von einer 'Bewilligung' der Bundesstraßenverwaltung abhängig. Der Verfassungsgerichtshof erwog, daß zwar das Wort 'Bewilligung' für die Setzung eines hoheitlichen Aktes zu sprechen schien, jedoch sei die Gegenüberstellung von Bundesstraßenverwaltung und Bundesstraßenbehörden in § 28 BStG 1948 nur dann sinnvoll, wenn den Bundesstraßenbehörden die behördlichen Aufgaben in Vollziehung des Bundesstraßengesetzes obliegen (etwa das Enteignungsverfahren), der Bundesstraßenverwaltung hingegen die Aufgaben im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung. Daher seien die Bewilligungen gemäß § 21 BStG 1948 als Akte zu qualifizieren, 'die aus der nach Privatrecht (§290 ABGB) zu beurteilenden Verfügungsmacht des Grundeigentümers erfließen' (ebenso VfSlg. 5395/1966; zum gleichen Ergebnis kam der Verwaltungsgerichtshof in , und der Oberste Gerichtshof in ; dagegen Neisser, Gemeingebrauch und Zufahrtsrecht, ÖJZ 1967, 597 (600 ff.)).

Der Verfassungsgerichtshof sieht auch nach Erlassung des BStG 1971 keinen Grund, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Der Gesetzgeber hat im BStG 1971 die Trennung zwischen Bundesstraßenbehörden und Bundesstraßenverwaltung aufrechterhalten und hat in § 28 BStG 1971 durch die Ersetzung des Wortes 'Bewilligung' (in § 21 BStG 1948) durch das Wort 'Zustimmung' noch deutlicher hervorgehoben, daß er den Bund im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung tätig wissen werden wollte (vgl. die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum BStG 1971, 242 BlgNR. XII. GP. 30; vgl. Lebitsch, Probleme des Gemeingebrauchs am Beispiel der Benützung von Straßen als Forum der öffentlichen Kommunikation, JBl. 1983, 72). Die Erteilung der Bewilligung von Sondernutzung an Bundesstraßen nach § 28 BStG 1971 stellt daher einen Akt der Privatwirtschaftsverwaltung dar.

Das Aufstellen von Alttextil-Sammelbehältern auf Bundesstraßengrund (wozu gemäß § 3 BStG 1971 nicht nur die Fahrbahnfläche, sondern auch Gehsteige, Rad- und Gehwege, Parkflächen, etc. zu zählen sind; vgl. dazu Merli, Öffentliche Nutzungsrechte und Gemeingebrauch (1995), 192) geht über den 'bestimmungsgemäßen Zweck' der Benützung von Bundesstraßen hinaus:

Im Gegensatz zum Wr. GAG, aus dessen angeschlossenem Tarif sich Rückschlüsse auf den Inhalt des Gemeingebrauchs ableiten lassen, bestimmen das BStG 1971 und die Straßen(verwaltungs)gesetze der Länder den Inhalt des Gemeingebrauchs nicht näher. Aus diesen Gesetzen läßt sich bloß ableiten, daß es sich beim Gemeingebrauch an Straßen um die Benützung zu 'Verkehrszwecken' handelt (für diese Deutung spricht auch der Wortlaut des in Art 10 Abs 1 Z 9 B-VG geregelten Kompetenztatbestandes, wonach die 'Angelegenheiten der wegen ihrer Bedeutung für den Durchzugsverkehr durch Bundesgesetz als Bundesstraßen erklärten Straßenzüge' in Gesetzgebung und Vollziehung in die Zuständigkeit des Bundes fallen).

Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes kann selbst unter Zugrundelegung eines sehr weiten Verkehrsbegriffes (wie etwa Merli, Öffentliche Nutzungsrechte und Gemeingebrauch (1995), 234 ff., und Lebitsch, Probleme des Gemeingebrauchs am Beispiel der Benützung von Straßen als Forum der öffentlichen Kommunikation, JBl. 1983, 76 ff., ihn vertreten) das Aufstellen von Alttextil-Sammelbehältern auf Bundesstraßengrund nicht unter den 'bestimmungsgemäßen Zweck' von Bundesstraßen subsumiert werden. Es handelt sich daher um eine nach § 28 Abs 1 BStG 1971 'zustimmungspflichtige' Sondernutzung. Diese 'Zustimmung' erfolgt im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung.

Zur Entscheidung über Ansprüche betreffend die Entfernung der Alttextil-Sammelbehälter auf Bundesstraßengrund sind daher die ordentlichen Gerichte zuständig.

...

4. Zur Beurteilung der Ansprüche betreffend die Entfernung jener Alttextil-Sammelbehälter, die auf nicht dem Gemeingebrauch gewidmeten Grundflächen innerhalb des Wiener Gemeindegebietes aufgestellt waren:

Die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Entfernung von Alttextil-Sammelbehältern, die sich auf Grundflächen der Gemeinde Wien befanden, die nicht dem Gemeingebrauch dienen, sowie im Zusammenhang mit der Entfernung eines Sammelbehälters, der auf einer - ebenfalls nicht im Gemeingebrauch stehenden - Grundfläche der Post und Telekom Austria AG aufgestellt war, unterliegen nicht dem Regime des Wr. GAG (vgl. § 1 Wr. GAG), wonach für den Widerruf der Gebrauchserlaubnis bzw. die Entfernung dieser Sammelbehälter ein hoheitlicher Akt erforderlich wäre. ... Der Aufstellung der Alttextil-Sammelbehälter liegt demnach ein Rechtsverhältnis zugrunde, das von den ordentlichen Gerichten zu beurteilen ist."

1.2. Der Verfassungsgerichtshof hob den Bescheid des UVS Wien vom , Z UVS-02/A/11/00007/98 und die Beschlüsse des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , Z 34 R 256/98v, vom , Z 36 R 481/98x, vom , Z 35 R 492/98g, vom , Z 35 R 456/98p, vom , Z 35 R 264/98b, vom , Z 37 R 584/98a, vom , Z 36 R 518/98p, vom , Z 36 R 556/98a, vom , Z 36 R 590/98a, vom , Z 34 R 262/98a und vom , Z 36 R 512/98f unter Zugrundelegung folgender Erwägungen auf:

"Im vorliegenden Fall hat der UVS Wien den der Maßnahmenbeschwerde zugrundeliegenden Anspruch zu Unrecht als eine Einheit betrachtet. Daraus ergibt sich, daß seine Entscheidung der Kompetenzlage teilweise entspricht und teilweise widerspricht, ohne daß es möglich ist, den richtigen Entscheidungsteil von dem unrichtigen zu trennen. So ist weder aus dem Vorbringen des antragstellenden Vereines oder aus den vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten noch unter Heranziehung der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom über den Straßenverlauf der Bundesstraßen in Wien, BGBl. 1987/387, ersichtlich, welche der Alttextil-Sammelbehälter im Einzelfall auf Bundesstraßengrund bzw. welche auf der dem Wr. GAG unterliegenden Straßengrund aufgestellt waren. Daher war der Bescheid vom , Z UVS-02/A/11/00007/98, zur Gänze aufzuheben (vgl. VfSlg. 3483/1958).

Der UVS Wien wird bei seiner neuerlichen Entscheidung zu beurteilen haben, welcher Teil des Begehrens dem Wr. GAG unterliegt und wird in diesem Umfang eine Sachentscheidung zu fällen haben.

Den Beschlüssen des Landesgerichtes für ZRS Wien lag mit Ausnahme des zu GZ 36 R 611/98i protokollierten Verfahrens in allen jeweils unterschiedliche Bezirksgerichtssprengel betreffenden Verfahren der Sachverhalt zugrunde, daß die Sammelbehälter ua. auch auf öffentlichem Gut aufgestellt waren. Das Landesgericht für ZRS Wien ging offenbar unter der - kompetenzwidrigen - Annahme einer abschließenden Regelung der Sondernutzung für im Wiener Gemeindegebiet gelegenen Straßengrund durch das Wr. GAG davon aus, daß jeder Aufstellung eines Alttextil-Sammelbehälters auf öffentlichem Gut ein durch Hoheitsakt zu begründendes Rechtsverhältnis zugrundeliege. Der Klagsanspruch wurde für die auf öffentlichem Gut aufgestellten Sammelbehälter in diesen Verfahren zu Unrecht als eine Einheit angesehen. Die Beschlüsse vom , GZ 34 R 256/98v, vom , GZ 36 R 481/98x, vom , GZ 35 R 492/98g, vom , GZ 35 R 456/98p, vom , GZ 35 R 264/98b, vom , GZ 37 R 584/98a, vom , GZ 36 R 518/98p, vom , GZ 36 R 556/98a, vom , GZ 36 R 590/98a, vom , GZ 34 R 262/98a und vom , GZ 36 R 512/98f, waren daher - ungeachtet des Umstandes, daß die Zuständigkeit nach dem Ausgeführten teilweise gegeben war, - zur Gänze aufzuheben.

Das Landesgericht für ZRS Wien wird bei seinen neuerlichen Entscheidungen zu beurteilen haben, welcher Teil des Begehrens dem Bundesstraßengesetz 1971 iVm. der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom über den Straßenverlauf der Bundesstraßen in Wien, BGBl. 1987/387, unterliegt bzw. welche der entfernten Alttextil-Sammelbehälter sich auf nicht dem Gemeingebrauch gewidmeten Grundflächen der Gemeinde Wien bzw. der Grundfläche der Post und Telekom Austria AG befanden und wird in diesem Umfang jeweils in der Sache zu entscheiden haben."

2. Die unter Punkt II.1.1. und II.1.2. wiedergegebenen Gründe, die den Verfassungsgerichtshof bei der Entscheidung des verneinenden Kompetenzkonfliktes geleitet haben, die Aufhebung des Bescheides des UVS Wien sowie der Beschlüsse des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien auszusprechen, treffen im Lichte des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter auch für die vorliegenden Beschwerden zu:

2.1. Da auch hier die betreffenden Alttextil-Sammelbehälter teils auf Straßengrund, der dem Wr. GAG unterliegt, teils auf Bundesstraßen, teils auf "privatem Gut der Gemeinde Wien oder dritter Personen" aufgestellt waren, hätte die belangte Behörde die Maßnahmenbeschwerden nicht zur Gänze zurückweisen dürfen. Die belangte Behörde hat daher (zumindest zum Teil) in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit abgelehnt, indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigerte. Der beschwerdeführende Verein ist durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden (zB VfSlg. 10374/1985, 11405/1987, 13280/1992).

2.2. Die Bescheide des UVS Wien vom waren ungeachtet des Umstandes, daß die Zuständigkeit des UVS Wien teilweise gegeben war, auch hier zur Gänze aufzuheben:

Um die Frage zu beantworten, inwieweit der UVS Wien zur Entscheidung über Ansprüche betreffend die Entfernung von Alttextil-Sammelbehältern zuständig ist, hätte die Verwaltungsbehörde ein Beweisverfahren über die jeweiligen Aufstellplätze der Sammelbehälter durchführen müssen. Dies nachzuholen, kann nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes in diesen Beschwerdeverfahren sein (vgl. VfSlg. 3483/1958).

Da der UVS Wien auch hier den Anspruch, der den Maßnahmenbeschwerden zugrundeliegt, zu Unrecht als eine Einheit betrachtet hat, ohne daß es dem Verfassungsgerichtshof möglich ist, den richtigen Entscheidungsteil von dem unrichtigen zu trennen, war auszusprechen, daß die Bescheide des UVS Wien vom zur Gänze aufzuheben sind (VfSlg. 3483/1958).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten sind S 9.000,- an Umsatzsteuer enthalten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.