OGH vom 26.01.2006, 8Ob81/05b

OGH vom 26.01.2006, 8Ob81/05b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Thomas Zelger, Rechtsanwalt in Kufstein, gegen die beklagten Parteien 1. B.*****, 2. Huberte M*****, vertreten durch Dr. Andrea Prochaska, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen 69.025,46 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom , GZ 4 R 6/05x-34, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 10 Cg 214/03s-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin 69.025,46 EUR samt 6 % Zinsen seit , 1/3 Promille Rückprovision und Protestkosten in der Höhe von 479,64 EUR binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 11.706,60 EUR (darin enthalten 1.400,70 EUR USt, 3.302,36 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen."

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 7.182,15 EUR (darin enthalten 807,81 EUR USt, 2.335,30 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin erwirkte am im Verfahren 10 Cg 76/96h (Vorverfahren) des Landesgerichtes Innsbruck einen Wechselzahlungsauftrag über 135.000 DM sA (69.025,46 EUR sA) gegen die Beklagten, die ihren Sitz (Erstbeklagte) bzw Wohnsitz (Zweitbeklagte) in Belgien hatten.

Mit Note vom übermittelte das Bundesministerium für Justiz die Mitteilung des belgischen Justizministeriums, dass der Wechselzahlungsauftrag den Beklagten zugestellt worden sei. Gleichzeitig wurde ein Zustellnachweis übermittelt. Als Übernehmerin der Schriftstücke schien jeweils die Zweitbeklagte auf.

Am wurde im Vorverfahren die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Wechselzahlungsauftrages bestätigt.

Die Klägerin stellte am vor dem zuständigen Gerichtshof in Belgien den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Wechselzahlungsauftrages. Das zuständige belgische Gericht erklärte mit Urteil vom den Wechselzahlungsauftrag in Belgien für vollstreckbar.

Dagegen erhoben beide Beklagte Berufung. Das belgische Berufungsgericht sprach in Stattgebung dieser Berufung mit Entscheidung vom aus, dass der Antrag der Klägerin, den Wechselzahlungsauftrag in Belgien für vollstreckbar zu erklären, unbegründet sei. Das belgische Berufungsgericht ging davon aus, dass die Vollstreckbarerklärung gegenüber der Erstbeklagten schon daran scheitere, dass ihr der Wechselzahlungsauftrag niemals persönlich zugestellt worden sei. Die Zweitbeklagte habe den Wechselzahlungsauftrag zwar persönlich übernommen. Allerdings sei die für die Vollstreckbarerklärung erforderliche Bedingung des Art 2.1.d des noch anzuwendenden Abkommens zwischen Belgien und Österreich vom über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedsgerichtssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen nicht erfüllt: Die 14-tägige Einwendungsfrist des österreichischen Wechselmandatsverfahrens könne nicht als angemessene Frist betrachtet werden, die ausreiche, um Bestreitungsrechte ausreichend auszuüben.

Dieses Urteil wurde nach dem insoweit unbestrittenen Vorbringen der Klägerin ihrem Vertreter am übermittelt. Die Übersetzung des Urteils erfolgte nach dem Vorbringen der Klägerin am .

Mit am beim Landesgericht Innsbruck eingelangtem Schriftsatz beantragte die Klägerin im Vorverfahren die Aufhebung des am erlassenen Wechselzahlungsauftrages und die Einleitung des ordentlichen Verfahrens über die Wechselklage mit der Begründung, dass der Wechselzahlungsauftrag der Erstbeklagten gar nicht und der Zweitbeklagten nicht rechtsgültig im Sinne des österreichisch-belgischen Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommens zugestellt worden sei. In eventu, also für den Fall, dass der Wechselzahlungsauftrag nicht aufgehoben werde, beantragte die Klägerin die Einleitung des ordentlichen Verfahrens über ihren Antrag auf Erlassung des Wechselzahlungsauftrages und ein klagestattgebendes Urteil über die Wechselsumme.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom im Vorverfahren wurde die Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Wechselzahlungsauftrages hinsichtlich der Erstbeklagten gemäß § 7 Abs 3 EO mit der Begründung aufgehoben, dass der Erstbeklagten der Wechselzahlungsauftrag nie ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Im Übrigen wurden die Anträge der Klägerin auf Aufhebung des Wechselzahlungsauftrages und auf Einleitung des ordentlichen Verfahrens über die Wechselklage ebenso abgewiesen wie der Eventualantrag.

Das Oberlandesgericht Innsbruck gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Klägerin nicht Folge und bestätigte den erstgerichtlichen Beschluss mit der Maßgabe, dass die Anträge der Klägerin zurückgewiesen werden.

Den dagegen von der Klägerin erhobenen Revisionsrekurs wies der erkennende Senat mit Beschluss vom , 8 Ob 61/03h als unzulässig zurück.

Über Antrag der Klägerin hob das Landesgericht Innsbruck im Vorverfahren mit Beschluss vom auch die Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des Wechselzahlungsauftrages hinsichtlich der Zweitbeklagten gemäß § 7 Abs 3 EO mit der Begründung auf, dass die im Sinne des belgisch-österreichischen Übereinkommens unangemessen kurze Einwendungsfrist des österreichischen Wechselmandatsverfahrens dazu führe, dass der Wechselzahlungsauftrag auch gegenüber der Zweitbeklagten nicht rechtskräftig und vollstreckbar sein könne.

Am langte beim Erstgericht die Wechselklage der Klägerin aus dem ursprünglichen Wechsel, der zur Erlassung des Wechselzahlungsauftrages im Vorverfahren geführt hatte, über 69.025,46 EUR, gerichtet gegen beide Beklagte, ein. Sie brachte dazu vor, die Erstbeklagte habe sich als Akzeptantin und die Zweitbeklagte als Bürgin gegenüber dem Aussteller, Dipl. Ing. K. M*****, zur Bezahlung der Wechselsumme verpflichtet. Die Klägerin habe den Wechsel durch Indossament erworben.

Die Beklagten erhoben die Prozesseinreden der Streitanhängigkeit und Rechtskraft. Sie wendeten überdies Verjährung ein: Die Einleitung des Wechselmandatsverfahrens habe deshalb keine Unterbrechung der Verjährung nach sich gezogen, weil die Klägerin unrichtigerweise nicht eine Wechselklage, sondern einen Wechselzahlungsauftrag eingebracht habe.

Die Klägerin replizierte, dass die belgische Berufungsentscheidung vom für sie völlig überraschend gekommen sei. Unmittelbar nach Erhalt der Übersetzung des belgischen Berufungsurteiles habe die Klägerin „die Fortsetzung" des Vorverfahrens beantragt. Die Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung sei hinsichtlich der Erstbeklagten am und hinsichtlich der Zweitbeklagten am aufgehoben worden. Die Verjährungsfrist sei jedenfalls ab Erlassung des Wechselzahlungsauftrages bis zu den Aufhebungsbeschlüssen gemäß § 7 Abs 3 EO unterbrochen worden. Die am eingebrachte Wechselklage sei daher rechtzeitig innerhalb der Verjährungsfrist erhoben worden. Der Klägerin könne auch nicht vorgehalten werden, dass sie das Vorverfahren nicht gehörig fortgesetzt habe. Ihr wäre lediglich der - ebenfalls nicht vollstreckungstaugliche - Weg offengestanden, eine neuerliche Zustellung des Wechselzahlungsauftrages an beide Beklagte zu veranlassen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im zweiten Rechtsgang ab, wobei es - in Entsprechung des Auftrages im berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss im ersten Rechtsgang - in das klageabweisende Urteil den Beschluss auf Verwerfung der von den Beklagten erhobenen Streitanhängigkeitseinrede aufnahm. Diesen Beschluss begründete das Erstgericht zusammengefasst damit, dass Identität des Streitgegenstandes nicht vorliege: Der Wechselzahlungsauftrag sei - im Unterschied zu einem klagsstattgebenden Urteil im Wechselklageverfahren - in Belgien nicht vollstreckbar. Wegen der Verschiedenartigkeit der Rechtsschutzziele sei auch Identität der Streitgegenstände nicht gegeben.

Die Klageabweisung begründete das Erstgericht damit, dass der Klageanspruch verjährt sei. Verfallstag des Wechsels sei der gewesen. Eine Unterbrechung der Verjährungsfrist durch die Erhebung der Wechselmandatsklage sei nicht erfolgt, weil die Verjährung nur dann unterbrochen werde, wenn die Klageführung zu einem Ergebnis führe, das eine Durchsetzung des behaupteten Anspruches ermögliche. An dieser Voraussetzung mangle es hier.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Beurteilung, ob die Klägerin das Verfahren gehörig fortgesetzt habe, komme keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Inhaltlich billigte das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Die Klägerin hätte - nach Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung des Wechselzahlungsauftrages - die Wechselmandatsklage zurücknehmen müssen. Damit wäre der Wechselzahlungsauftrag wirkungslos gewesen. Die Klägerin hätte dann ihren auf den Wechsel gestützten Anspruch rechtzeitig durch Wechselklage geltend machen können. Die Zeit vom behaupteten Erhalt der Übersetzung des belgischen Berufungsurteiles am bis zum Einlangen der Wechselklage bei Gericht am sei jedenfalls zu lang.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Klägerin erhobene außerordentliche Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung dazu fehlt, ob die Einbringung einer Klage, die zur Erwirkung eines klagestattgebenden Titels führte, der allerdings nicht im Ausland vollstreckt werden kann, die Verjährung unterbricht. Die Revision ist auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass das Erstgericht in seinem rechtskräftigen Beschluss zwar ausdrücklich nur die von den Beklagten erhobene Prozesseinrede der Streitanhängigkeit durch das Vorverfahren behandelte, dass aber aus der Begründung dieses erstgerichtlichen Beschlusses zweifelsfrei erkennbar ist, dass das Erstgericht die Identität des Streitgegenstandes im Vorverfahren (Wechselmandatsverfahren) mit dem Wechselklagebegehren verneinte. Damit hat das Erstgericht zweifelsfrei zu erkennen gegeben, dass es die erhobenen Prozesseinreden der Streitanhängigkeit und der Rechtskraft für nicht gegeben erachtet, weil auch das Prozesshindernis der Einmaligkeitswirkung der gerichtlichen Entscheidung Identität des Streitgegenstandes voraussetzt (RIS-Justiz RS0108828; RS0041229; SZ 68/103 uva).

Da somit das Erstgericht bindend (Zechner in Fasching/Konecny² III § 503 ZPO Rz 72; SZ 72/76 uva) beide Prozesseinreden verwarf, ist dem erkennenden Senat eine inhaltliche Prüfung der Frage verwehrt, ob im Verhältnis zwischen Wechselklage und jenem Verfahren, in dem die Erlassung des Zahlungsauftrages beantragt wird, das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit bzw nach Ergehen einer rechtskräftigen Entscheidung in einem der Verfahren das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache verwirklicht ist (vgl zum Verhältnis zwischen Wechselklage und Antrag auf Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages SZ 70/169).

Verfahrensentscheidend ist somit allein die Frage, ob - was die Vorinstanzen verneinten - das Vorverfahren im Sinne des § 1497 ABGB die Verjährung der Wechselforderung unterbrach: Die Unterbrechungswirkung der Verjährung tritt gemäß § 1497 ABGB durch die Klage ein. Die Unterbrechungswirkung entfällt rückwirkend dann, wenn das Verfahren entweder nicht gehörig fortgesetzt wird oder wenn kein stattgebendes Urteil ergeht. Keine dieser beiden Fälle liegt hier vor: Der Wechselzahlungsauftrag wurde im Vorverfahren antragsgemäß erlassen. Davon, dass kein „klagestattgebendes Urteil" erwirkt wurde, kann daher hier gerade nicht ausgegangen werden. Die Argumentation des Erstgerichtes, Unterbrechung sei deshalb nicht eingetreten, weil der Wechselzahlungsauftrag nicht vollstreckbar sei, nur ein auch vollstreckbares klagestattgebendes Urteil unterbreche die Verjährung, lässt außer Acht, dass die Vollstreckung des Wechselzahlungsauftrages nur in Belgien zum Scheitern verurteilt ist. Im Inland hingegen war der erwirkte Wechselzahlungsauftrag nach rechtlichen Gesichtspunkten für eine Vollstreckung geeignet. Die Vollstreckung im Inland scheiterte somit nicht an der Tauglichkeit des im Vorverfahren erwirkten Titels, sondern offenbar an den wirtschaftlichen Gegebenheiten (kein Inlandsvermögen der Beklagten).

Aber auch eine „gehörige Fortsetzung" des Verfahrens ist hier zu bejahen: Im Vorverfahren bestand für die Klägerin bis zur Zustellung der abändernden Entscheidung des belgischen Berufungsgerichtes am keinerlei Veranlassung, Verfahrensschritte vorzunehmen: Die Klägerin stellte nach Erwirkung des Titels den Antrag beim zuständigen belgischen Gericht auf Vollstreckbarerklärung des Wechselzahlungsauftrages. Die Klägerin erwirkte zunächst auch ein diesem Begehren stattgebendes Urteil. Erst nach einem mehr als fünf Jahre dauernden Berufungsverfahren erging die - das erstinstanzliche Urteil abändernde - Entscheidung des belgischen Berufungsgerichtes, das eine Vollstreckbarerklärung des Wechselzahlungsauftrages versagte. Erst ab Zustellung dieses Urteils bestand daher für die Klägerin überhaupt Veranlassung, ihren Anspruch weiter zu betreiben. Bei dieser Sonderkonstellation erscheint es daher angebracht, das Wechselmandatsverfahren und die danach eingebrachte Wechselklage als Einheit anzusehen und sämtliche der in beiden Verfahren gesetzten Verfahrensschritte als die Verjährung unterbrechend anzusehen. In Anbetracht der Umstände des Einzelfalls (Zustellung des belgischen Berufungsurteils ; Anträge der Klägerin im Vorverfahren am ; Einbringung der Wechselklage ) sind die jeweiligen Verfahrensschritte auch als rechtzeitig zu betrachten: Die Klägerin hat jeweils in angemessener Frist seit Einleitung des Wechselmandatsverfahrens Schritte gesetzt, die ihre Absicht, die Wechselansprüche gegen die Beklagten durchzusetzen, deutlich machten.

Auch gemessen am vorrangigen Zweck des Verjährungsrechtes, dem Schuldnerschutz (M. Bydlinski in Rummel³ § 1451 ABGB Rz 2a) bestehen keine Einwände gegen das erzielte Ergebnis, weil die Beklagten gerade hier nicht mit Ansprüchen der Klägerin „überrascht" wurden. Vielmehr zeigten sämtliche der von der Klägerin seit Einleitung des Wechselmandatsverfahrens angestrengten Verfahrensschritte das Bestreben der Klägerin, letztlich einen auch in Belgien vollstreckbaren Titel gegen die Beklagten, gestützt auf die Wechselforderung, zu erwirken (RIS-Justiz RS0034765; zum Zweck der Verjährung siehe auch 8 Ob 135/03s).

Da von den Beklagten zielführende sachliche Einwendungen gegen die auch der Höhe nach nicht strittige Wechselforderung nicht erhoben wurden, war dem Wechselklagebegehren stattzugeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich ebenso wie jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO.