OGH vom 22.07.2014, 9ObA73/14x

OGH vom 22.07.2014, 9ObA73/14x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Matthias Schachner in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Anton Hintermeier, Mag. Michael Pfleger ua, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen 8.470 EUR netto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 6/14z 37, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach den Feststellungen des Erstgerichts übt der Verpflichtete, gegen den die Klägerin Gehaltsexekution führt, im Betrieb der Beklagten faktisch die Funktion eines Geschäftsführers mit einer Wochenarbeitszeit von jedenfalls mehr als 40 Stunden aus. Die Vorinstanzen gingen im Hinblick auf § 292e EO von einem angemessenen Nettoeinkommen des Verpflichteten von 2.000 EUR aus, woraus ein pfändbarer Betrag von monatlich 363 EUR resultiere. In ihrer dagegen gerichteten Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist mangelfrei, wenn es sich mit dieser überhaupt befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS Justiz RS0043150). Das ist bezüglich der Feststellung, dass der Verpflichtete im Betrieb der Beklagten faktisch die Funktion eines Geschäftsführers mit einer Wochenarbeitszeit von jedenfalls mehr als 40 Stunden ausübt, der Fall (Berufungsurteil S 9 ff).

Dass in dem Begehren nach einer „ersatzlosen Streichung“ der Feststellung, der Verpflichtete sei als faktischer Geschäftsführer für die Beklagte tätig gewesen, keine gesetzmäßig ausgeführte Beweisrüge liegt, entspricht der Rechtsprechung (s RIS-Justiz RS0041835 [T3]).

Die Feststellung der Tätigkeit des Verpflichteten als faktischer Geschäftsführer ist hier aber auch nicht ausschließlich der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen, weil das Erstgericht im Zusammenhalt mit den im Einzelnen festgestellten Tätigkeiten des Verpflichteten offenkundig nur eine zusammenfassende Beschreibung eines Tatsachenkomplexes vornahm (vgl RIS-Justiz RS0043593). Dass das Berufungsgericht die genannte Feststellung nicht „ersatzlos gestrichen“ hat, begründet daher keinen revisiblen Verfahrensmangel.

Bezüglich der Feststellung der konkreten Tätigkeiten führte die Beklagte in ihrer Berufung (S 11 ff) keine Beweisergebnisse an, warum die begehrte Ersatzfeststellung zu treffen gewesen wäre. Auch insoweit ist das Berufungsverfahren mangelfrei.

2. Ob das „angemessene Entgelt“ iSd § 292e EO richtig ausgemessen wurde, ist eine Frage des Einzelfalls und stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar (9 ObA 73/12v mwN).

Selbst wenn man der Beklagten darin folgen wollte, dass hier kein Anwendungsfall des § 273 ZPO vorläge, so wäre für sie nichts gewonnen, weil sie die Angemessenheit des von der Klägerin mit 2.000 EUR netto bezifferten Entgelts in erster Instanz nur mit dem Vorbringen bestritt, dass der Verpflichtete nicht als handelsrechtlicher Geschäftsführer, sondern bloß als Hilfskraft tätig sei und seine Leistungen auch auf Grundlage seiner familiären Verbindungen zur Geschäftsführerin erbringe (ON 3 AS 11 f). Diesem Vorbringen stehen aber die gegenteiligen erstgerichtlichen Feststellungen entgegen. Andere Gründe gegen die vorgebrachte Angemessenheit der Entgelthöhe wurden von der Beklagten nicht genannt, sodass bereits das Erstgericht unabhängig von der Frage der Anwendbarkeit des § 273 ZPO nicht gehalten war, diesbezüglich Zweifel zu hegen. Damit gehen auch die Ausführungen der Beklagten zu entsprechenden sekundären Feststellungsmängeln sowie dazu, dass sie von der Anwendung des § 273 ZPO durch das Berufungsgericht überrascht worden sei, ins Leere.

3. Das Vorbringen der Beklagten, dass die Urkunden Beilagen ./H bis Beilage ./O nicht hätten verlesen werden dürfen, weil es sich um ausschließlich zur Verfahrensvorbereitung angefertigte Vernehmungsprotokolle durch die Finanzbehörden handle, findet keine Grundlage im Akteninhalt. Darüber hinaus ist ein bereits vom Berufungsgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz nicht revisibel (RIS-Justiz RS0106371; RS0042963).

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00073.14X.0722.000