OGH vom 10.11.1993, 9ObA255/93

OGH vom 10.11.1993, 9ObA255/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch und Hofrat Amtsdirektor Robert List als weitere Richter in der Exekutionssache der gefährdeten Partei E***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Stefan Duschel und Dr.Robert Starzer, Rechtsanwälte in Wien, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei Franziska K*****, Angestellte, ***** wegen einstweiliger Verfügung, infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 32 Ra 61/93-11, womit der Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 19 Cga 60/93v-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die gefährdete Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies den Antrag der gefährdeten Partei, der Gegnerin der gefährdeten Partei aufzutragen, ihr die Schlüssel eines näher bezeichneten Würstelstandes zu übergeben und dieser zu verbieten, den Würstelstand zu betreten, nach Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens aber ohne Einvernahme der Gegnerin der gefährdeten Partei ab. Es fehle sowohl eine Behauptung und Bescheinigung des klageweise geltend gemachten Herausgabeanspruches als auch eine Behauptung, daß dieser Herausgabeanspruch vereitelt oder dessen Durchsetzung erheblich erschwert werde. Abgesehen davon dürfe eine einstweilige Verfügung die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- übersteige.

Diese Entscheidung bekämpft die gefährdete Partei mit Revisionsrekurs.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Gemäß § 388 Abs 2 EO entscheidet zwar über Anträge auf Erlassung der im § 387 EO genannten einstweiligen Verfügungen in der Regel der Senat in der für die Hauptsache vorgesehenen Zusammensetzung (vgl Kuderna, ASGG § 11 Erl.9). Die Verweisungsnorm des § 388 Abs 2 EO bezieht sich aber lediglich auf die Gerichtsbesetzung (§§ 11 und 12 ASGG); die Anwendung darüber hinausgehender Bestimmungen des ASGG im Verfahren über einstweilige Verfügungen wird damit nicht angeordnet. Die Sonderbestimmungen des ASGG über das Rechtsmittelverfahren - insbesondere § 47 Abs 1 ASGG - haben daher im Verfahren über einstweilige Verfügungen, auch wenn diese im Rahmen eines Verfahrens über eine Arbeitsrechtssache beantragt werden, keine Anwendung zu finden (vgl Kuderna, aaO § 47 Anm 1; Feitzinger-Tades, ASGG § 47 Anm 2; RZ 1990/27; 9 ObA 47/91). Bis zur EO-Nov 1992, BGBl 756, galt somit gemäß §§ 78, 402 Abs 2 EO, daß ein Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist, wenn der angefochtene erstrichterliche Beschluß zur Gänze bestätigt worden ist.

Für den vorliegenden Fall hat sich an dieser Rechtslage im Ergebnis nichts geändert. § 402 Abs 1 EO idF BGBl 1992/756 ordnet einerseits, so wie vorher, die sinngemäße Anwendung des § 521a ZPO über die Zweiseitigkeit des Rekurses im Provisorialverfahren an und bringt andererseits als Neuerung, daß ein Revisionsrekurs nicht deshalb unzulässig ist, weil das Gericht zweiter Instanz den angefochtenen Beschluß zur Gänze bestätigt hat. Aus diesem Zusammenhang folgt bereits, daß § 402 Abs 1 EO auf ein kontradiktorisches Verfahren abstellt. Gemäß § 402 Abs 2 EO gilt Abs 1 leg cit aber nicht für einen Rekurs der gefährdeten Partei gegen die Abweisung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wenn der Gegner der gefährdeten Partei zu dem Antrag noch nicht einvernommen worden ist. Obwohl in dieser Ausnahme von der Ausnahme nur von einem Rekurs der gefährdeten Partei die Rede ist, kann diese Regelung nicht nur auf den Entfall der Rekurs- bzw Revisionsrekursbeantwortung (§ 521a Abs 2 ZPO) bezogen werden. Soll nämlich § 402 Abs 1 EO mangels eines kontradiktorischen Verfahrens schon für den Rekurs nicht gelten, trifft dies umso mehr für einen Revisionsrekurs zu, zumal bei einer Abweisung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ohne Anhörung des Gegners der gefährdeten Partei in der Regel keine solchen Rechtsfragen gelöst werden, die für das (anschließende) meritorische Verfahren Bedeutung haben. Sind das Erstgericht und das Rekursgericht der Ansicht, daß es, wie hier, etwa an entsprechenden Behauptungen und Bescheinigungen fehle, kann der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung mit geändertem Vorbringen ohnehin neuerlich gestellt werden.

Diese Erwägungen werden durch den Bericht des Justizausschusses, mit dem diese Änderungen eingefügt wurden, bestätigt. Die Ausnahme von § 528 Abs 2 Z 2 ZPO soll - vorbehaltlich des § 402 Abs 2 EO - auch auf Rechtsmittelentscheidungen ausgedehnt werden, die über die Bewilligung oder Abweisung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ergehen, weil diesen Entscheidungen wiederholt richtungweisende Bedeutung zukomme (vgl 780 BlgNR 18.GP 2). Damit ist klargestellt, daß sich § 402 Abs 2 EO nicht nur auf die Nichtanwendung des § 521a ZPO, der in diesem Zusammenhang gar nicht erwähnt wird, beziehen kann, sondern auch auf das Revisionsrekursverfahren, da sonst die im ausdrücklichen Zusammenhang mit § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gebrauchte Wendung "vorbehaltlich des Abs 2" keinen Sinn hätte.

Der Revisionsrekurs der gefährdeten Partei ist daher auch nach der neuen Rechtslage unzulässig.

Die Kostenentscheidung ist in § 78 EO iVm §§ 50 und 40 ZPO begründet.