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OGH vom 27.02.1990, 10ObS5/90

OGH vom 27.02.1990, 10ObS5/90

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtsachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar Peterlunger (AG) und Karl Klein (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dkfm. Alfred M***, Pensionist, 1030 Wien, Fasangasse 24, vertreten durch Dr. Ludwig Pfleger, Rechtsanwalt in Baden, wider die beklagte Partei P*** DER A***,

1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen vorzeitiger Alterspension (Pensionsbeginn), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 32 Rs 183/89-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 6 Cgs 65/89-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am geborene Kläger war bis Ende Februar 1988 Dienstnehmer der Kammer der gewerblichen Wirtschaft in Wien. Erstmals mit Telegramm vom beantragte er bei der beklagten Partei die Gewährung der Alterspension. Mit Bescheid vom anerkannte die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 250 ASVG iVm § 253 b ASVG mit einem Pensionsbeginn gemäß § 86 ASVG am . Die Leistung beträgt ab S 19.750,60 und ab S 20.165,40 monatlich. Auf Grund der Zustimmungserklärung des Klägers wird die Pension ab an die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft überwiesen.

Gegen diesen Bescheid brachte der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage mit dem Begehren ein, ihm die Alterspension nicht erst ab , sondern bereits ab zu gewähren. Zur Begründung seines Begehrens brachte er vor, er habe bereits Ende 1987 den Magistrat der Stadt Wien in Kenntnis gesetzt, daß er als Prüfer für die Verkehrsgewerbe im kommenden Jahr nicht mehr zur Verfügung stehe, da er in den dauernden Ruhestand trete. Dazu verwies der Kläger auf ein an ihn gerichtetes Schreiben der Magistratsabteilung 63 des Magistrates der Stadt Wien vom , das folgenden Wortlaut hat:

"Sehr geehrter Herr Dkfm. Miletich. Sie haben die Magistratsabteilung 63 schon Ende des Vorjahres davon in Kenntnis gesetzt, daß Sie als Prüfer für die Verkehrsgewerbe im kommenden Jahr nicht mehr zur Verfügung stehen, weil Sie in den dauernden Ruhestand treten. Die Juristen der Magistratsabteilung 63, die den Vorsitz bei diesen Prüfungskommissionen führen, bestätigen Ihnen gerne, daß Sie seit März 1988 nicht mehr als Prüfer eingesetzt waren. Mit vorzüglicher Hochachtung Der Abteilungsleiter ..."

Demnach hätte der Kläger zum Ausdruck gebracht, daß er ab März 1988 in den dauernden Ruhestand trete, was extensiv ausgelegt gemäß § 361 Abs 4 lit b ASVG soviel bedeute, daß er eine Behörde davon in Kenntnis gesetzt habe, er werde sich ab März 1988 im dauernden Ruhestand befinden.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und verwies auf das Antragsprinzip im ASVG; ein entsprechender Pensionsantrag sei ihr erst am zugegangen.

Das Erstgericht wies das Klagebegheren ab. Es führte aus, die Mitteilung der Magistratsabteilung 63 enthalte zwei sich nicht deckende Erklärungen, nämlich einerseits die Verständigung des Klägers, daß er im kommenden Jahr nicht mehr als Prüfer für die Verkehrsgewerbe zur Verfügung stehe, weil er in den dauernden Ruhestand trete, anderseits die Bestätigung an den Kläger, daß er seit März 1988 nicht mehr als Prüfer eingesetzt war. Dies sei ohne rechtliche Bedeutung. Nach dem Wortlaut des § 361 Abs 4 ASVG könne eine solche Mitteilung an die Gemeinde nicht als Antrag behandelt werden, weil sie weder rechtzeitig noch überhaupt im Pensionsakt der beklagten Partei ersichtlich sei. Ein Antrag, also eine erkennbare Willenserklärung darauf gerichtet, daß die Mitteilung als Antrag auf Pensionsgewährung verstanden und behandelt werden sollte, liege nicht vor. Folgerichtig sei eine Weiterleitung an die beklagte Partei unterblieben. Eine Pensionsgewährung zu einem früheren Stichtag sei daher ausgeschlossen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen des geltend gemachten Verfahrensmangels und teilte auch die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Die Behauptung des Klägers, sein Deinstverhältnis bei der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft habe mit Ende Feber 1988 geendet, er habe dort alle erforderlichen Erklärungen für die Beendigung des Dienstverhältnisses und für die Zuerkennung einer Pension durch die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft abgegeben, sei eine im Berufungsverfahren unbeachtliche Neuerung, der aber auch keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukäme, weil nach eigenem Vorbringen die Erklärungen an die Bundeskammer gerichtet gewesen seien. In der Pensionsversicherung gelte grundsätzlich das Antragsprinzip, erst die Antragstellung führe zum Leistungsanspruch. Die Ende 1987 erfolgte Mitteilung des Klägers an den Magistrat der Stadt Wien, er werde im Jahr 1988 in den dauernden Ruhestand treten, sei keine Antragstellung iS des § 361 Abs 4 lit b ASVG. Wenngleich der Antrag auch formlos mündlich oder schriftlich gestellt werden könne, so müsse er zumindest so beschaffen sein, daß der Versicherungsträger darüber ein Ermittlungsverfahren einleiten und einen Bescheid erlassen könne. Die zitierte Mitteilung des Klägers sei eine bloße Absichtserklärung, darüber hinaus sei ein bei der Stadt Wien eingebrachter Antrag des Klägers bei der beklagten Partei nie eingelangt. Den vom Kläger geäußerten Bedenken gegen die Verfassungskonformität des § 86 Abs 3 Z 2 ASVG mit dem Gleichheitsgrundsatz oder dem Grundsatz der Unverletzlichkeit des Eigentums könne nicht gefolgt werden. Es bleibe jedem Pensionswerber selbst überlassen, ob er seinen Pensionsanspruch bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt, dem Erreichen des jeweiligen Anfallsalters geltend mache oder noch weitere Versicherungsmonate zwecks Erzielen eines höheren Steigerungsbetrages erwerben wolle und sohin einen späteren Stichtag für die Pensionsbemessung durch spätere Antragstellung anstrebe. Ein unterschiedlicher Pensionsanfall bei gleichzeitiger Anspruchsentstehung, aber ungleicher Antragstellung, sei keine unsachliche Differenzierung als es jedem Pensionswerber freistehe, zu welchem Zeitpunkt er den den Stichtag und den Pensionsbeginn auslösenden Antrag einbringe. Im übrigen seien Fristen verschiedenster Art, insbesondere auch Fallfristen, bei denen ein Rechtsverlust ohne Verschulden eintreten könne, eine im Rechtsleben gewohnte Erscheinung; der Grund für eine Versäumung der Frist des § 86 Abs 3 ASVG sei rechtlich bedeutungslos. Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes erhob der Kläger Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache. Er beantragt die Abänderung des berufungsgerichtlichen Urteils im Sinne einer Gewährung der Alterspension auch für den Zeitraum vom 1. März bis . Hilfsweise begehrt der Kläger, das Revisionsgericht möge einen Antrag an den Verfassungsgerichtshof auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 86 Abs 3 Z 2 ASVG stellen. Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 361 Abs 1 Z 1 ASVG sind die Leistungsanpsrüche von den Versicherungsträgern ... in der Pensionsversicherung auf Antrag festzustellen. Nach Abs 3 leg.cit. hat der Antragsteller die zur Feststellung des geltend gemachten Anspruches erforderlichen Urkunden und in seinen Händen befindlichen Unterlagen über den Versicherungsverlauf beizubringen. Nach Abs 4 leg.cit. sind Anträge auf Leistungen der Pensionsversicherung bei dem örtlich und sachlich zuständigen Versicherungsträger einzubringen. Wird der Antrag a) bei einem anderen Versicherungsträger oder b) bei einer Behörde der allgemeinen staatlichen Verwaltung eingebracht, so ist er ohne unnötigen Aufschub an den zuständigen Versicherungsträger weiterzuleiten. Er gilt mit dem Tage des Einlangens bei der anderen Stelle als bei dem zuständigen Versicherungsträger rechtswirksam eingebracht. Wird der Antrag bei einer Gemeinde eingebracht, ist er je nach dem Begehren ohne unnötigen Aufschub an einen Träger der Unfall- oder Pensionsversicherung weiterzuleiten und gilt, wenn zwischen der Einbringung bei der Gemeinde und dem Einlangen bei einem Versicherungsträger nicht mehr als zwei Monate verstrichen sind, mit dem Tage des Einlangens bei der Gemeinde als beim zuständigen Versicherungsträger eingebracht. Gemäß § 85 ASVG entstehen die Ansprüche auf die Leistungen aus der Pensionsversicherung in dem Zeitpunkt, in dem die im vierten Teil des ASVG hiefür vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt werden. Soweit nichts anderes bestimmt ist, fallen die sich aus den Leistungsansprüchen ergebenden Leistungen mit dem Entstehen des Anspruchs an (§ 86 Abs 1 ASVG). Nach § 86 Abs 3 Z 2 ASVG fällt eine Pension - wie hier die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer - mit Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen an, wenn sie auf einen Monatsersten fällt, sonst mit dem der Erfüllung der Voraussetzungen folgenden Monatsersten, sofern die Pension binnen einem Monat nach Erfüllung der Voraussetzungen beantragt wird. Wird der Antrag auf die Pension erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so fällt die Pension mit dem Stichtag an. Aus den zitierten Bestimmungen ist abzuleiten, daß für die Feststellung von Leistungsanpsrüchen in der Penisonsversicherung das Antragsprinzip gilt, eine Leistungsgewährung daher nur auf Grund eines Antrags zulässig ist. Im Sinne sozialer Rechtsanwendung ist ein Antrag im Zweifel zugunsten des Versicherten auszulegen. Die Fiktion eines tatsächlich nicht gestellten Antrages läßt sich allerdings auch aus dem Grundsatz sozialer Rechtsanwendung nicht ableiten (SSV-NF 2/52 unter Hinweis auf Oberndorfer in Tomandl, SV-System

3. ErgLfg. 679 mwH).

Den Vorinstanzen ist beizupflichten, daß - die Richtigkeit dieses Umstandes vorausgesetzt - eine Mitteilung des Klägers an die Magistratsabteilung 63 Ende 1987, er werde als Prüfer für die Verkehrsgewerbe im kommenden Jahr nicht mehr zur Verfügung stehen, weil er in den dauernden Ruhestand trete, auch im Lichte sozialer Rechtsanwendung nicht als ein bei der Gemeinde Wien eingebrachter Antrag auf Pensionsgewährung aufgefaßt werden kann. Auch die Gemeinde Wien hat diese Mitteilung des Klägers offenbar nicht als einen solchen Antrag aufgefaßt, weil sie ihn nicht an die beklagte Partei weiterleitete. Dieser Rechtsauffassung scheint sich auch der Revisionswerber zu beugen; er verweist nunmehr auf ein von ihm im Anstaltsakt liegendes, an die beklagte Partei gerichtetes Schreiben vom , in dem er mitteilt, daß ihm von der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft ab eine Pension zuerkannt worden sei, deren Höhe über der ihm nach dem ASVG zustehenden gesetzlichen Penison liege. Der Kläger erklärte in diesem Schreiben sein Einverständnis, daß die gesamten, ihm seitens der P*** DER A*** gebührenden

Pensionsbezüge abzüglich des Einbehaltes für die gesetzliche Krankenversicherung nach Ablauf des Abfertigungszeitraumes, das ist ab , an die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft in Wien überwiesen werden. Aber selbst bei Berücksichtigung dieses im Anstaltsakt liegenden Schreibens des Klägers wäre für seinen Rechtsstandpunkt nichts zu gewinnen: Wie sich aus einem weiteren, im Anstaltsakt erliegenden Schreiben der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft vom ergibt, wurde das die Pensionsüberweisung betreffende Schreiben des Klägers vom erst unter dem Datum der beklagten Partei übersendet, bei der es erst am einlangte. Da es sich bei der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft um keine Behörde der allgemeinen stattlichen Verwaltung im Sinn des § 361 Abs 4 lit b ASVG handelt, fällt das Schreiben vom nicht unter die günstigere Regelung dieser Gesetzesstelle. Selbst dieses Schreiben wäre daher - unterstellte man seine Antragsfunktion - nicht geeignet gewesen, einen früheren Stichtag als den auszulösen.

Der Revisionswerber konzediert, daß für die Zuerkennung einer Pension zunächst eine Antragstellung erforderlich sei, wei ja sonst der Versicherungsträger gar nicht wisse, daß eine Pension begehrt werde. Damit sei aber nicht notwendigerweise verbunden, daß die Zuerkennung der Pension nur bis zu einem Monat rückwirkend erfolgen könne, selbst wenn die Anspruchsvoraussetzungen so wie in seinem Fall schon seit gegeben gewesen seien. Dem kann nicht gefolgt werden.

In der Pensionsversicherung richtet sich die Beurteilung, ob, in welchem Zweig der Pensionsverischerung und in welchem Ausmaß eine Leistung gebührt, nach den Verhältnissen am Stichtag. Bei Leistungen aus den Versicherungsfällen des Alters und der geminderten Arbeitsfähigkeit ist die Bestimmung des Stichtages überdies von der Antragstellung auf diese Leistungen abhängig. Wird nämlich der Antrag auf eine solche Leistung erst nach Eintritt des Versicherungsfalles gestellt, so ist der Stichtag der Zeitpunkt der Antragstellung, wenn er auf einen Monatsersten fällt, sonst der folgende Monatserste. Bei diesen genannten Versicherungsfällen kann die Festlegung des Stichtages also vom Versicherten durch die Wahl des Antragszeitpunktes beeinflußt werden; es wird ihm damit ermöglicht, einen Leistungsanspruch erst später geltend zu machen, weil er die Wartezeit noch nicht erfüllt hat oder weil er zur Aufbesserung der Pension noch Versicherungszeiten erwerben will (EB zur RV des ASVG, 599 BlgNR 7. GP; Teschner in Tomandl, SV-System

4. ErgLfg. 379). Die geltende Fassung des § 86 Abs 3 Z 2 ASVG, wonach die dort genannten Pensionen mit Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen anfallen, wenn sie auf einen Monatsersten fällt, sonst mit den der Erfüllung der Voraussetzungen folgenden Moantsersten, sofern die Pension binnen einem Monat nach Erfüllung der Voraussetzungen beantragt wird und wonach die Pension mit dem Stichtag anfällt, wenn der Antrag erst nach Ablauf dieser Frist gestellt wird, beruht auf der 41. ASVG-Novelle, BGBl. 1986/111 (Art. I Z 27). Der österreichischen Arbeiterkammertag hatte darauf hingewiesen, daß in der Pensionsversicherung Leistungsanträge in zunehmendem Maße verspätet eingebracht werden. Als einer der Gründe hiefür wurde angenommen, daß Versicherte, die ihre Anwartschaft gemäß § 247 ASVG überprüfen lassen, häufig vermeinen, die Leistung gemäß § 86 Abs 3 ASVG nicht mehr beantragen zu müssen. Dies brachte für sie den Verlust der Pension für eine Zeit, in der weder Bezüge aus einem Dienstverhältnis, noch von einem Sozialversicherungsträger vorlagen. Dazu kam, daß Leistungsempfänger nicht selten eine Monatspension verloren, wenn Pensionsanträge mit der Post übermittelt wurden und erst einige Tage nach dem Monatsersten, der als Stichtag vorgesehen war, beim Pensionsverischerungsträger einlangten. Für den Versicherten wurde es dann als unverständlich bezeichnet, daß seine Leistung erst mit dem Stichtag nach der verspäteten Antragstellung beginne, obwohl er alle Voraussetzungen zum versäumten Stichtag erfüllt hatte. Nach Meinung des österreichischen Arbeiterkammertages sollte es dabei bleiben, den gleichzeitigen Bezug von Penison und Entgelt aus einem Dienstverhältnis auszuschließen; es sollte aber geprüft werden, inwieweit der Leistungsbeginn vorgezogen werden könne, wenn eine Pflichtversicherung geendet hat, zum ursprünglichen Stichtag alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren und die Antragstellung irrtümlich zu spät erfolgte. Um Härten der geschilderten Art künftig auszuschließen, wurde vorgeschlagen, den Pensionsanfall für Direktpensionen neu zu regeln (EB zur RV der 41. ASVG-Novelle, 774 BlgNR 16. GP, 36).

Der Revisionswerber weist darauf hin, daß Hinterbliebenenpensionen, mit Ausnahme solcher nach einem Pensionsempfänger, mit dem Eintritt des Versicherungsfalles anfallen, wenn der Antrag binnen 6 Monaten nach Eintritt des Versicherungsfalles gestellt wird (§ 86 Abs 3 Z 1 ASVG). Die unterschiedlichen Fristen in Z 1 und 2 leg.cit. seien verfassungswidrig, weil sie gegen das Gleichheitsgebot verstoßen würden. Der Oberste Gerichtshof teilt diese Bedenken nicht. Der Gesetzgeber ist durch den Gleichheitsgrundsatz verpflichtet, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen (VfSlg. 5727 ua). Differenzierungen sind dann sachlich begründet, wenn sie nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen erfolgen. Wesentliche Unterschiede im Tatsachenbereich müssen zu unterschiedlichen Regelungen führen (VfSlg. 8806 ua). Nur unterschiedliche Regelungen, die nicht in entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen eine Grundlage haben, sind gleichheitswidrig (VfSlg. 8600 ua), wobei unter Sachlichkeit einer Regelung nicht eine "Zweckmäßigkeit" oder "Gerechtigkeit" zu verstehen ist (VfSlg. 4711). Dem einfachen Gesetzgeber kommt auch eine, freilich nicht unbegrenzte rechtspolitische Gestaltungsfreiheit zu, die außer bei einem Exzess nicht der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt und insoweit auch nicht mit den aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitbaren Maßstäben zu messen ist. Innerhalb dieser Grenzen ist die Rechtskontrolle nicht zur Beurteilung der Rechtspolitik berufen (VfSlg. 9583 mwN). Der Gesetzgeber hat bei den unterschiedlichen Fristen für die Antragstellung bei Hinterbliebenenpensionen und allen übrigen Pensionen versucht, an die unterschiedlichen Verhältnisse der Betroffenen anzuknüpfen. Hinterbliebenenpensionen sind die beim Tod des Versicherten anfallenden Pensionsversicherungsleistungen, die auf die Versicherung des Verstorbenen zurückgehen. Es handelt sich dabei um abgeleitete Ansprüche, bei denen die sekundären Leistungsvoraussetzungen durch den verstorbenen Versicherten erfüllt sein müssen. Anders als bei den Versicherungsfällen des Alters und der geminderten Arbeitsfähigkeit wird die Fixierung des Stichtages beim Versicherungsfall des Todes durch die Antragstellung nicht beeinflußt. Die Antragstellung ist bei diesem Versicherungsfall lediglich für den Anfall der Leistung von Bedeutung (Teschner aaO 397). Anspruch auf Witwenpension haben die Witwe und die frühere Ehefrau des verstorbenen Versicherten, Witwerpension gebührt dem Ehegatten nach dem Tod seiner versicherten Ehegattin. Anspruch auf Waisenpension haben nach dem Tod des (der) Versicherten die Kinder. Die Situation der genannten Personen unterscheidet sich im Tatsächlichen von dem der übrigen Pensionswerber so wesentlich, daß die Differenzierung der Antragsfristen sachlich begründet erscheint. Der Revisionswerber hält die genannte Regelung aber auch deshalb für verfassungswidrig, weil sie einen Eingriff in das Eigentum im Sinn einer Enteignung darstelle: Er verliere die Pension für sechs Monate und werde hinsichtlich der von ihm geleisteten Pensionsbeiträge enteignet. Dem ist zu entgegnen, daß die verspätete Antragstellung ausschließlich der Sphäre des Klägers zuzuordnen ist, wobei das Gesetz in keiner Weise darauf abstellt, aus welchen Gründen es zu einer Antragstellung erst nach Eintritt des Versicherungsfalles kommt. Das Gesetz kennt kein Institut, welches den Versicherten vor versicherungsrechtlichen Nachteilen bewahrt, wenn ihm - auch ohne sein Verschulden - eine zeitgerechte Antragstellung nicht möglich war. Auch eine wegen Unkenntnis des Gesetzes verspätete Antragstellung wirkt auf keinen früheren Zeitpunkt zurück (10 Ob S 352/88). Aus welchen Gründen der Kläger den Pensionsantrag verspätet stellte, braucht nicht näher untersucht zu werden. Ein Anhaltspunkt dafür, daß ihm eine rechtzeitige Antragstellung nicht möglich gewesen wäre, ist überdies nicht hervorgekommen und wird vom Revisionswerber auch gar nicht geltend gemacht. Zum andern zielt das Pflichtverischerungsverhältnis nicht auf eine individuelle objektive Äquivalenz von Beitragsleistung und gebotener Sicherung ab: Bei der Beitragsberechnung wird nicht auf das individuelle Versicherungsrisiko, das der einzelne Versicherte darstellt, Rücksicht genommen, sondern mit dem zu erwartenden Gesamtaufwand kalkuliert, der auf die Versichertengemeinschaft umgelegt wird. Es erfolgt aber keine Aufteilung dieses Gesamtaufwandes auf die Versicherten zu gleichen Teilen; vielmehr wird auf das Einkommen des einzelnen Versicherten Rücksicht genommen. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Prinzip des sozialen Ausgleiches (Krejci-Marhold in Tomandl, SV-System 3. ErgLfg. 42). Ist die verspätete Antragstellung - wie im vorliegenden Fall - dem Pensionswerber zuzurechnen, dann kann im teilweisen Verlust von Versicherungsleistungen eine Enteignung nicht erblickt werden.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungspielraum insoweit zu, als er in seinen rechts- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei ist. Gerade im Sozialversicherungsrecht ist eine durchschnittliche Betrachtungsweise erforderlich, die auf den Regelfall abstellt und damit Härten in Einzelfällen nicht ausschließen kann (SSV-NF 3/44 ua). Da der Oberste Gerichtshof die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die hier anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen nicht teilt, sieht er für eine Vorgangsweise nach Art. 140 Abs 1 B-VG keine Veranlassung. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.