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VfGH vom 12.12.2003, a2/01

VfGH vom 12.12.2003, a2/01

Sammlungsnummer

17095

Leitsatz

Abweisung von Staatshaftungsklagen in Zusammenhang mit Gerichtsurteilen wegen Verletzung der handelsrechtlichen Offenlegungspflicht; kein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht durch Unterlassung der Vorlage der Frage der Gültigkeit der Offenlegungsbestimmungen bestimmter EU-Richtlinien durch den OGH; keine Verletzung des Datenschutzes;

verfassungsgesetzliche Verpflichtung des OGH zur Stellung eines Gesetzesprüfungsantrags beim Verfassungsgerichtshof keine Frage des Gemeinschaftsrechts und daher keine Begründung einer allfälligen Staatshaftung

Spruch

Die Klagebegehren werden abgewiesen.

Die klagenden Parteien sind verpflichtet, in den jeweiligen Verfahren jeweils zur ungeteilten Hand dem Bund die Prozesskosten in der Höhe von

zu A 2/01 € 136,54

zu A141/02 € 1.141,83

zu A142/02 € 5.157,--

zu A144/02 € 1.857,60

zu A145/02 € 1.372,--

zu A146/02 € 1.377,02

binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. In der beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 137 B-VG gegen den Bund wegen € 7.555,61 eingebrachten und zu A2/01 protokollierten Klage einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und deren geschäftsführenden Gesellschafter behaupten die Kläger Schadenersatzansprüche wegen "staatshaftungswürdige[r] Fehlleistung" des Gesetzgebers und einer "staatshaftungsbegründeten Fehlleistung des Obersten Gerichtshofs".

Mit Beschluss vom , Z 6 Ob 77/00t, gab der Oberste Gerichtshof (OGH) einem außerordentlichen Revisionsrekurs gegen eine im Instanzenzug vom Oberlandesgericht (OLG) Linz bestätigende Entscheidung über Zwangsstrafen zur Durchsetzung eines Auftrages an die nunmehr klagenden Geschäftsführer, gemäß §§277 ff. Handelsgesetzbuch (HGB) den Jahresabschluss der nunmehr klagenden GmbH zur Veröffentlichung einzureichen, keine Folge. Schon im Verfahren vor dem Landesgericht Linz haben die nunmehrigen Kläger angeregt, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage der Primärrechtskonformität der ersten und vierten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie, 68/151/EWG und 78/660/EWG, die innerstaatlich durch §§277 ff. HGB umgesetzt wurden, zur Vorabentscheidung vorzulegen. Diese Anregung wird auch im außerordentlichen Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof wiederholt. Der OGH begründet in seinem Beschluss vom , Z 6 Ob 77/00t, ausführlich, dass die beanstandeten Offenlegungsrichtlinien dem gemeinschaftsrechtlichen "Primärrecht" entsprechen würden: Schon in einer früheren Entscheidung des Z 6 Ob 307/99m, habe er ausgesprochen, dass das Urteil "Daihatsu" des EuGH keine Zweifel darüber offen lasse, dass der EuGH die in den genannten Richtlinien normierten Offenlegungspflichten als vertrags- und grundrechtskonform ansehe. Zu den Argumenten des Revisionsrekurses nimmt der OGH wie folgt ergänzend Stellung:

"Wenngleich das Gemeinschaftsrecht keinen kodifizierten Grundrechtskatalog umfasst, ist in Lehre und Rechtsprechung des EuGH anerkannt, dass die durch die EMRK und ihre Zusatzprotokolle gewährleisteten Grundfreiheiten und Menschenrechte den Kernbestand der Gemeinschaftsgrundrechte bilden (Berka aaO Rz 347 ff mwN aus Lehre und Rechtsprechung). So hat der EuGH einen allgemeinen Gleichheitssatz anerkannt, der Ungleichbehandlung verbietet, wenn diese nicht durch das Vorliegen objektiver Umstände von einigem Gewicht gerechtfertigt ist (Berka Rz 348; EuGHSlg 62, 655 - Glöckner Werke AG). Soweit der Revisionsrekurs in der Gleichbehandlung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit Aktiengesellschaften eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes erblickt und meint, Gesellschaften mit beschränkter Haftung müssten in der Frage der Offenlegung den Personengesellschaften gleichgestellt werden, übersieht er den allein maßgeblichen Grund für die in den Richtlinien und deren Umsetzung vorgenommene Gleichbehandlung von GmbHs mit Aktiengesellschaften: Beide Gesellschaftsformen gehören den Kapitalgesellschaften an und sind durch eine massive Einschränkung der Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft Dritten gegenüber gekennzeichnet. Während der persönlich haftende Gesellschafter von Personengesellschaften mit seinem gesamten Vermögen auch für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet, steht den Gläubigern von Kapitalgesellschaften nur das Vermögen der Gesellschaft als Haftungsfonds zur Verfügung. Indem nun die Richtlinien verschärfte Bestimmungen über die Offenlegung bei Kapitalgesellschaften vorsehen und dabei GmbH und Aktiengesellschaft gleich behandeln, tragen sie dem schon in Art 44 Abs 2 litg EG angesprochenen Schutz des Dritten Rechnung. Es ist somit sachlich gerechtfertigt, dass die Richtlinien und deren Umsetzung Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der Frage der Offenlegung nicht gleich den Personengesellschaften behandeln. Von einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes kann daher keine Rede sein. Der Umstand, dass die Zwangsstrafe gegen alle Geschäftsführer verhängt werden kann, findet seine sachliche Rechtfertigung in der jeden Geschäftsführer der GmbH unabhängig von einer allfälligen Geschäftsverteilung treffenden Pflicht zur Rechnungslegung, deren Überprüfung und Unterfertigung.

Nach der hier maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH dürfen auch die Grundrechte des Eigentumsschutzes und der Berufsfreiheit im öffentlichen Interesse bestimmten Beschränkungen unterworfen werden, wenn diese nicht unverhältnismäßig sind und den Wesensgehalt dieser Rechte nicht antasten (Berka aaO Rz 349mwN). Dass die in Bilanz- und Publizitätsrichtlinie vorgesehene Offenlegung wesentlicher Urkunden der Gesellschaft (zu denen auch die Bilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang gehören) und deren Erzwingung dem öffentlichen Interesse an der Offenlegung der Dritten nicht bekannten buchhalterischen und finanziellen Situation der Gesellschaft zum Schutz Dritter sowie zur Sicherstellung eines funktionierenden Wettbewerbs dient, ist evident und bedarf keiner weiteren Begründung. Eine Unverhältnismäßigkeit der dabei angewendeten Mittel ist - wie bereits ausgeführt - genausowenig zu erkennen wie ein Eingriff in den Wesensgehalt dieser Rechte.

...

Der Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten bezieht sich nicht nur auf den Privat- oder Familienbereich, sondern auch auf wirtschaftsbezogene Informationen, wobei den Letzteren dann nur eingeschränkter Schutz zukommt, wenn sie mit gewichtigen Gegeninteressen abgewogen werden müssen (Berka aaO Rz 481). Der Anspruch auf Geheimhaltung setzt in jedem Fall ein schutzwürdiges Interesse voraus. Dem gegenüber sind Beschränkungen des Geheimhaltungsanspruches aus den in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen, so auch zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, wie auch zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen zulässig (Berka Rz 483). Die in den Richtlinien vorgesehene Offenlegung bezieht sich auf Wirtschaftsdaten der Gesellschaft, denen nach den dargelegten Grundsätzen und angesichts des dagegen abzuwägenden Interesses von Dritten an deren Offenlegung von vornherein nur eingeschränkter Schutz zukommt. Beschränkungen des Schutzes sind aber auch aufgrund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen (hier Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) notwendig sind. Gerade dies ist hier der Fall, dient doch die gesetzliche Regelung der Offenlegungspflicht ausschließlich dem Schutz der Rechte Dritter (vor allem Gläubiger oder Vertragspartner der Gesellschaft), um ihnen die in aller Regel sonst nicht zugängliche Information über die finanzielle Lage der Gesellschaft zu ermöglichen."

Der OGH sah sich daher nicht veranlasst, bezüglich der von den Rekurswerbern aufgeworfenen Fragen ein Normenprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof bzw. ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH einzuleiten.

Nachdem die Geschäftsführer auch in weiterer Folge der Offenlegungsverpflichtung nicht entsprochen hatten, wurden über die nunmehrigen Kläger weitere Zwangsstrafen verhängt, die wieder im Instanzenzug bekämpft wurden und zu einem weiteren Z 6 Ob 54/01m, führten, der in seiner zurückweisenden Entscheidung im Wesentlichen auf seine oben angeführte Vorentscheidung zu 6 Ob 77/00t verwies.

2. Weiters wurden zu A141/02, A142/02 und A144/02 - A146/02 gleichartige Klagen von Gesellschaften und deren Geschäftsführern bzw. Vorstandsmitgliedern beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Diesen Verfahren liegen folgende Entscheidungen des OGH und der Oberlandesgerichte Innsbruck, Graz, Linz und Wien zugrunde:

a) Zu A141/02: Mit Beschluss vom , Z 6 Ob 165/00h, wird ein vom OLG Innsbruck als zulässig erachteter Revisionsrekurs gegen eine im Instanzenzug bestätigte, über die nunmehrigen Kläger zur Durchsetzung der handelsrechtlichen Offenlegungspflichten verhängte Zwangsstrafe und gegen die Zurückweisung der Anträge der nunmehr klagenden Parteien, beim EuGH einen Antrag auf Fällung einer Vorabentscheidung zu stellen und beim Verfassungsgerichtshof die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens zu beantragen, unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Rechtsprechung des OGH zurückgewiesen. Dies begründet der OGH ausführlich wie folgt:

"Der erkennende Senat hat in seinen Vorentscheidungen bereits im Einzelnen ausgeführt, weshalb keine Bedenken gegen die Verletzung von Gemeinschaftsgrundrechten bestehen. Weder führe die Verhängung von Zwangsstrafen gegen jeden der Geschäftsführer zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung von Gesellschaften mit mehreren Geschäftsführern, noch übe das Gericht damit unverhältnismäßigen Zwang aus. Im Übrigen sei der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz nicht darauf gerichtet, alle in der menschlichen Gesellschaft oder im Wirtschaftsleben auftretenden Ungleichheiten zu vermeiden; er solle vielmehr verhindern, dass die Rechtsordnung in unsachlicher Weise differenziert und Rechtsfolgen gleicher (vergleichbarer) Sachverhalte unterschiedlich gestaltet werden. Der erkennende Senat hat auch bereits darauf hingewiesen, dass die Grundrechte des Eigentumsschutzes und der Berufsfreiheit bestimmten Beschränkungen im öffentlichen Interesse unterworfen werden dürfen, wenn diese nicht unverhältnismäßig sind und den Wesensgehalt dieser Rechte nicht antasten; dass die in Bilanz- und in der Publizitätsrichtlinie vorgesehene Offenlegung wesentlicher Urkunden der Gesellschaft (zu denen auch die Bilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang gehören) und deren Erzwingung dem öffentlichen Interesse an der Offenlegung der Dritten nicht bekannten buchhalterischen und finanziellen Situation der Gesellschaft zum Schutz Dritter sowie zur Sicherstellung eines funktionierenden Wettbewerbs diene, sei evident; eine Unverhältnismäßigkeit der dabei angewendeten Mittel sei genausowenig zu erkennen wie ein Eingriff in den Wesensgehalt dieser Rechte. Die Möglichkeit, die angestrebte Information in Einzelfällen auch auf andere Weise zu erlangen, nehme der vorgesehenen Regelung nicht ihre sachliche Rechtfertigung.

Der erkennende Senat hat weiters auch darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten in jedem Fall ein schutzwürdiges Interesse voraussetze und Beschränkungen des Geheimhaltungsanspruches aus den in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen (so auch zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer wie auch zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen) zulässig seien, und die gesetzliche Regelung der Offenlegungspflicht gerade dem Schutz dieser Rechte Dritter (vor allem Gläubiger oder Vertragspartner der Gesellschaft) diene, um ihnen die in aller Regel sonst nicht zugängliche Information über die finanzielle Lage der Gesellschaft zu ermöglichen. Den durch die Rechnungslegungsvorschriften Dritten zur Kenntnis gelangenden wirtschaftsbezogenen Informationen komme daher in diesem Sinn nur ein eingeschränkter Schutz zu.

Aus diesen - zusammengefasst wiedergegebenen - Erwägungen hat der erkennende Senat keine Veranlassung gesehen, der Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens zur Prüfung einer allfälligen Primärrechtswidrigkeit der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie näher zu treten (6 Ob 5/00d; 6 Ob 14/00b; 6 Ob 77/00t).

Eine materiellrechtliche Derogation der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie durch die Datenschutzrichtlinie (95/46/EG) und die Telekommunikationsrichtlinie (97/66/EG), wie auch durch die Verordnung (EG) Nr 515/97 des Rates ist schon deshalb nicht zu erkennen, weil der EuGH aus Anlass seines Daihatsu-Urteiles eine Überprüfung dieser Richtlinien im dargelegten Umfang vorgenommen und erkannt hat, dass die Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber nicht richtlinienkonform erfolgte. Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass der EuGH die in der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie festgelegten Offenlegungsvorschriften als nach wie vor materiellrechtlich gültig erachtet. Dies stellen die Revisionsrekurswerber zwar in Abrede, gehen aber selbst von einer (zumindest allfälligen) Derogation der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien durch späteres Gemeinschaftsrecht aus. Bei Richtigkeit dieser Ansicht hätte der EuGH somit einem Vertragsstaat die Umsetzung eines schon derogierten Sekundärrechtes aufgetragen (Urteil Kommission/Bundesrepublik Deutschland vom [gemeint wohl:

1998], RsC-191/95 = EuZw 1998, 758), bzw in den von den Rechtsmittelwerbern zitierten Vorabentscheidungen (Blanguernon, , RsC-38/89 = EuZw 1990, 96 und Daihatsu-Urteil) die Umsetzungspflicht bejaht, ohne die Geltung der umzusetzenden Richtlinien im Hinblick auf eine Derogation geprüft zu haben. Dass dies tatsächlich der Fall gewesen sein sollte, weil - wie die Rekurswerber meinen - die Verletzung von Primärrecht von den Verfahrensbeteiligten in den zitierten Verfahren nicht releviert worden sei, trifft nach Auffassung des erkennenden Senates im Einklang mit der schon zitierten deutschen Lehrmeinung nicht zu. Der Rechtsvertreter der Rekurswerber führt in seiner 1997 erschienenen Abhandlung aus, dass der EuGH aus Anlass von Vorabentscheidungsersuchen die Primärrechtskonformität jeder Sekundärrechtsnorm prüft (Weh, Vom Stufenbau zur Relativität 183) und dass ferner der EuGH bei fundamental primärrechtswidrigen Ergebnissen im Einzelfall auch unter direkter Umgehung des Sekundärrechtes Primärrecht anwendet und so ein primärrechtskonformes Ergebnis herbeiführt (Weh aaO 156). Wenn der Autor von einer Prüfung 'aus Anlass ...' spricht, kann wohl nur eine amtswegige Prüfung des EuGH gemeint gewesen sein und nicht ausschließlich die Prüfung der mit der Vorabanfrage konkret gestellten Rechtsfragen. Der erkennende Senat hält an seiner bisherigen Auffassung über den präjudiziellen Charakter der bisher zur Umsetzung der l. und 4.

gesellschaftsrechtlichen Richtlinien ergangenen Entscheidungen des EuGH fest. Davon umfasst ist auch die von den Revisionsrekurswerbern (auch zur angeregten Gesetzesprüfung durch den Verfassungsgerichtshof) relevierte Unverhältnismäßigkeit der Richtlinien und der ihnen folgenden gesetzlichen Umsetzungsvorschriften. Die Prüfung auch dieser Frage hatte der EuGH vor seinem Umsetzungsauftrag und vor seiner Bejahung der Umsetzungspflicht vorzunehmen, weil eben - wie schon ausgeführt - Sekundärrecht primärrechtskonform auszulegen ist, wie der EuGH in zahlreichen Entscheidungen immer wieder den nationalen Gerichten aufträgt und selbst dieser Auslegungspflicht unterliegt.

Im Übrigen versteht die Datenschutzrichtlinie unter personenbezogenen Daten nur solche natürlicher Personen (Art2 lita) und berührt nach Erwägungsgrund Nr 14 nicht die Rechtsvorschriften zum Schutz juristischer Personen bei der Verarbeitung von Daten, die sich auf diese beziehen (vgl Ehmann/Helfrich, EG Datenschutzrichtlinie 54 f, 73 f). Die Telekommunikationsrichtlinie hat zum Ziel, einen gleichwertigen Schutz des Rechtes auf Privatsphäre in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Bereich der Telekommunikation, sowie den freien Verkehr dieser Daten zu gewährleisten. Sie steht damit zu den Zielsetzungen der Bilanz- und der Publizitätsrichtlinie in keinem Widerspruch. Gleiches gilt auch für die Verordnung (EG) Nr 515/97 des Rates über die gegenseitige Amtshilfe und Zusammenarbeit de[r] Verwaltungsbehörden und der Kommission. Diese Verordnung regelt Einschränkungen der Weitergabe persönlicher - im Rahmen von Amtshandlungen gewonnener - Daten an Privatpersonen. Ihr Regelungsbereich steht daher in keinem Zusammenhang mit jenem der 1. und 4. gesellschaftsrechtlichen Richtlinien. Der dort zum Ausdruck kommende Schutz der Privatsphäre kann daher nicht in gleicher Weise auf die im Interesse Dritter offenzulegender Unternehmensdaten übertragen werden."

Am , Z 6 Ob 336/00f, gab der OGH einem Revisionsrekurs der nunmehrigen Kläger gegen weitere im Instanzenzug bestätigte Zwangsstrafen zur Durchsetzung von Offenlegungspflichten keine Folge und wies Anträge auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH sowie eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof und auf Aussetzung des Zwangsstrafenverfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über ein schon gestelltes Vorabentscheiungsersuchen des Landesgerichtes Wels zurück. Der OGH verweist in diesem Zusammenhang auf zahlreiche seiner Vorentscheidungen, wo bereits die Auffassung vertreten worden sei, dass die handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen verfassungskonform seien und dass gegen die Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien durch die österreichischen Offenlegungsvorschriften keine Bedenken bestehen. Auch die Richtlinien seien bereits als vertrags- und grundrechtskonform beurteilt worden. Weiters verweist der OGH in diesem Beschluss darauf, dass das Landesgericht Wels in einem Zwangsstrafenverfahren zur Klärung der in Rede stehenden Rechtsfragen ein Vorabentscheidungsverfahren eingeleitet habe, was aber an seiner Entscheidung nichts ändern könne.

b) Zu A142/02: Mit Beschluss vom , Z 6 Ob 201/01d, entschied der OGH über einen außerordentlichen Revisionsrekurs der nunmehrigen Kläger gegen die vom OLG Wien bestätigte Verhängung von Zwangsstrafen zur Durchsetzung der Offenlegungspflichten nach §§277 ff. HGB und gab dem Revisionsrekurs im Hinblick auf die Höhe der Zwangsstrafen teilweise Folge. Die in diesem Zusammenhang gestellten Anträge auf Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art 234 EG durch den EuGH und Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof wurden zurückgewiesen. Der OGH verwies darauf, dass er schon mehrfach "in der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien ... nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs [Verweis auf , Daihatsu] keinen Eingriff in Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft erblickt" habe. Auch wurden die gesetzlichen Offenlegungspflichten nach dem BezügebegrenzungsG und die in diesem Zusammenhang vom Verfassungsgerichtshof an den EuGH gestellten Fragen (VfSlg. 16.050/2000) als nicht vergleichbar beurteilt. Dem vom Landesgericht Wels an den EuGH im Sinne der nunmehrigen Kläger gestellten Vorabentscheidungsersuchen komme für andere Verfahren keine Bindungswirkung zu. Auch bringe die rechtlich noch unverbindliche EU-Grundrechtscharta im hier interessierenden Zusammenhang keine neuen Gesichtspunkte.

c) Zu A144/02: Auch betreffend die in diesem Verfahren einschreitenden Kläger ergingen mehrere Offenlegungsaufträge, die die Verhängung von Zwangsstrafen zur Folge hatten. In diesem Zusammenhang erging ein ausführlich begründeter Z 6 Ob 126/00y, mit dem der Revisionsrekurs der nunmehr klagenden Gesellschaft und ihrer nunmehr klagenden Geschäftsführer gegen einen Beschluss des OLG Graz und Anträge derselben, ein Normenprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten und den EuGH nach Art 234 EG anzurufen, zurückgewiesen wurden. Der OGH verwies auf eine Reihe von Vorentscheidungen (6 Ob 307/99m, 6 Ob 5/00d, 6 Ob 14/00b und 6 Ob 77/00t), in denen er bereits zur Auffassung gelangt sei, dass gegen die in §§277 ff. HGB verankerten Offenlegungsvorschriften keine relevanten Bedenken bestünden, die die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens bzw. die Anrufung des EuGH erforderten. Im Einzelnen führte der OGH Folgendes aus:

"Der Revisionsrekurs verkennt nun nicht, dass die Umsetzung ins innerstaatliche österreichische Recht richtlinienkonform erfolgte, vertritt aber die Auffassung, die zugrunde liegenden Richtlinien verstießen gegen die im Primärrecht der Europäischen Gemeinschaften verankerten Grundsätze. Dazu hat der erkennende Senat in der Entscheidung 6 Ob 307/99m unter Hinweis auf die Entscheidung des , Slg 1997 I-6843 (im folgenden nur Daihatsu-Urteil) bereits die Auffassung vertreten, diese Entscheidung lasse keine Zweifel darüber offen, dass der Europäische Gerichtshof die in den genannten Richtlinien normierten Offenlegungspflichten als vertrags- und grundrechtskonform ansehe. Diese Auffassung hat der erkennende Senat auch in seinen weiteren Entscheidungen 6 Ob 5/00d, 6 Ob 14/00b und 6 Ob 77/00t aufrechterhalten. Sie deckt sich mit der in der deutschen Lehre vertretenen Ansicht (De Weerth, Europarechtliche Sanktionierung der unterlassenen Offenlegung des Jahresabschlusses? in BB 1998, 366 ff), im Verfahren "Daihatsu" sei allen Beklagten klar gewesen, dass die gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundlagen den Erlass der Richtlinien decke, und der Publizitätszwang nicht gegen gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundsätze verstoße. Davon gehe auch der EuGH in seiner bisherigen - näher zitierten - Rechtsprechung aus. So habe er sogar die systematische Sammlung von Daten aus den zu veröffentlichenden Jahresabschlüssen als nicht gegen gemeinschaftsrechtliche Grundrechte verstoßend angesehen.

Der erkennende Senat hat in seinen Vorentscheidungen bereits im Einzelnen ausgeführt, weshalb keine Bedenken gegen die Verletzung von Gemeinschaftsgrundrechten bestehen. Weder führe die Verhängung von Zwangsstrafen gegen jeden der Geschäftsführer zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung von Gesellschaften mit mehreren Geschäftsführern, noch über das Gericht damit unverhältnismäßigen Zwang aus. Im Übrigen sei der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz nicht darauf gerichtet, alle in der menschlichen Gesellschaft oder im Wirtschafsleben auftretenden Ungleichheiten zu vermeiden; er solle vielmehr verhindern, dass die Rechtsordnung in unsachlicher Weise differenziert und Rechtsfolgen gleicher (vergleichbarer) Sachverhalte unterschiedlich gestaltet werden. Der erkennende Senat hat auch bereits darauf hingewiesen, dass die Grundrechte des Eigentumsschutzes und der Berufsfreiheit bestimmten Beschränkungen im vffentlichen Interesse unterworfen werden dürfen, wenn diese nicht unverhältnismäßig sind und den Wesensgehalt dieser Rechte nicht antasten; dass die in der Bilanz- und der Publizitätsrichtlinie vorgesehene Offenlegung wesentlicher Urkunden der Gesellschaft (zu denen auch die Bilanz samt Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang gehören) und deren Erzwingung dem öffentlichen Interesse an der Offenlegung der Dritten nicht bekannten buchhalterischen und finanziellen Situation der Gesellschaft zum Schutz Dritter sowie zur Sicherstellung eines funktionierenden Wettbewerbes diene, sei evident; eine Unverhältnismäßigkeit der dabei angewendeten Mittel sei genausowenig zu erkennen wie ein Eingriff in den Wesensgehalt dieser Rechte. Die Möglichkeit, die angestrebte Information in Einzelfällen auch auf andere Weise zu erlangen, nehme der vorgesehenen Regelung nicht ihre sachliche Rechtfertigung.

Der erkennende Senat hat auch darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten in jedem Fall ein schutzwürdiges Interesse voraussetze und Beschränkungen des Geheimhaltungsanspruches aus den in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Gründen (so auch zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer wie auch zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen) zulässig seien, und die gesetzliche Regelung der Offenlegungspflicht gerade dem Schutz dieser Rechte Dritter (vor allem Gläubiger oder Vertragspartner der Gesellschaft) diene, um ihnen die in aller Regel sonst nicht zugängliche Information über die finanzielle Lage der Gesellschaft zu ermöglichen. Den durch die Rechnungslegungsvorschriften Dritten zur Kenntnis gelangenden wirtschaftsbezogenen Informationen komme daher in diesem Sinn nur ein eingeschränkter Schutz zu.

Aus diesen - zusammengefasst wiedergegebenen - Erwägungen hat der erkennende Senat keine Veranlassung gesehen, der Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens zur Prüfung einer allfälligen Primärrechtswidrigkeit der ersten und vierten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie Folge zu leisten (6 Ob 5/00d; 6 Ob 14/00b; 6 Ob 77/00t)."

Einen gleichartigen Beschluss fasste der OGH betreffend dieselben nunmehrigen Kläger am , Zlen. 6 Ob 101/01y und 6 Ob 172/01i, und am , Z 6 Ob 319/02h. Diese Beschlüsse wiederholten bloß die Argumente des Beschlusses zu 6 Ob 126/00y bzw. wiesen auf früher ergangene Beschlüsse des OGH hin.

d) Zu A145/02: Auch der diesem hg. Verfahren zugrunde liegenden Klage gingen mehrere Verfahren wegen Verhängung von Zwangsstrafen zur Erzwingung von Offenlegungspflichten voraus. Revisionsrekurse gegen Beschlüsse des OLG Linz wurden vom OGH mit Beschlüssen vom , Z 6 Ob 210/00a, vom , Z 6 Ob 248/01s, vom , Z 6 Ob 176/02d, und vom , Z 6 Ob 286/02f, zurückgewiesen. Zurückgewiesen wurden ferner auch die Anträge auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof bzw. Vorlage von Fragen an den EuGH. Ausführlich begründete der OGH seinen Beschluss vom , Z 6 Ob 248/01s. Er verwies auf seine Vorentscheidungen zu 6 Ob 54/01m und zuletzt zu 6 Ob 101/01y und 6 Ob 172/01i.

In den Beschlüssen vom , Z 6 Ob 210/00a, und vom , Z 6 Ob 286/02f, verwies der OGH in Kurzbegründungen auf seine Vorentscheidungen.

e) Zu A146/02: Die Kläger zu A146/02 sind zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung und deren Geschäftsführer, über die ebenfalls Zwangsstrafen zur Erzwingung von gesellschaftsrechtlichen Offenlegungspflichten verhängt wurden. Ihre Rekurse an das OLG Innsbruck bleiben ebenso erfolglos wie ihre Revisionsrekurse an den OGH. In seiner Entscheidung vom , Z 6 Ob 214/00i, sah der OGH angesichts seiner oben erwähnten Vorentscheidungen und des Umstandes, dass die Regelung der Offenlegungspflicht ausschließlich dem Schutz der Rechte Dritter dient, keinen Anlass für ein neuerliches Eingehen auf die Frage der Verfassungskonformität der Offenlegungsvorschriften. Aus dem Umstand, dass in Rechtsquellen der Europäischen Gemeinschaft, wie Richtlinien, Verordnungen, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen, wohl die besondere Gewichtung des Datenschutzes zum Ausdruck kommt, könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass der Geheimnisschutz in jedem Fall über gegenläufigen Interessenlagen stehen müsse. Der OGH habe bereits in seinen Vorentscheidungen ausführlich dargelegt, dass keine die Einholung einer Vorabentscheidung Anlass gebenden Bedenken dagegen bestehen, dass bei der Frage der Offenlegung von Unternehmensdaten im Sinn der Offenlegungsrichtlinien die Informationsinteressen Dritter höher zu gewichten seien. Der OGH verwies auf die Entscheidung des , Daihatsu.

In einem weiteren Beschluss vom , Z 6 Ob 6/01b, gab der OGH abermals einem Revisionsrekurs gegen eine zur Durchsetzung der Offenlegungspflicht verhängte Zwangsstrafe keine Folge. Darüber hinaus wies er auch einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über ein Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichtes Wels zurück. Eine Verpflichtung der Gerichte, ihr Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH in einem gleich gelagerten, schon anhängigen Vorabentscheidungsverfahren zu unterbrechen, sei nicht gegeben. Eine gegenteilige Ansicht würde zu dem Ergebnis führen, dass schon das Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichtes für alle übrigen nationalen Gerichte dahingehend bindend wäre, sich der Rechtsansicht des Anfragegerichtes anzuschließen, also selbst eine Anfrage an den EuGH zu richten. Für eine derart weit reichende Unterbrechungswirkung fehle aber jede Rechtsgrundlage im Gemeinschaftsrecht, in der Judikatur des EuGH und im nationalen österreichischen Recht. Unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH in seinem "Daihatsu-Urteil" sieht der OGH weiterhin keine Veranlassung, der Anregung auf Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH näher zu treten.

Nach Verhängung einer weiteren Zwangsstrafe über die nunmehr klagenden Parteien legt das Landesgericht Feldkirch mit Beschluss vom , Z FN 64433 f, dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

"1. Ist die Verpflichtung zur allgemeinen Offenlegung des Jahresabschlusses jeder Kapitalgesellschaft, unabhängig von ihren wirtschaftlichen Verhältnissen, mit den gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Grund- und Menschenrechten, Grundfreiheiten und allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten, insbesondere jenen auf Datenschutz, auf Meinungsfreiheit, auf informationelle Selbstbestimmung, auf Privatsphäre, auf Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, auf Eigentum und auf Erwerbsfreiheit, auf Privatautonomie und auf Beachtung des Sachlichkeitsgebots (der Verhältnismäßigkeit) vereinbar?

2. Würde es nicht eine grundrechtskonformere Alternative darstellen, die Verpflichtung zur Offenlegung von Gesellschaftsdaten auf jene Unternehmen zu beschränken, für die unabhängige Wirtschaftsprüfer die Problematik bestimmter Unternehmenskennzahlen und damit ein besonderes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit festgestellt haben?

3. Sind die Offenlegungspflichten der Ersten und Vierten Richtlinie mit den Grundrechten nach der Europäischen Grundrechtscharta vereinbar?

4. Wurde den Offenlegungsrichtlinien durch die Datenschutzrichtlinie, die Telekomrichtlinie und die Amtshilfeverordnung materiell derogiert?"

Der EuGH erachtet sich in seiner Entscheidung vom , Rs. C-248/01, Pfanner, für die Beantwortung der vorgelegten Fragen als offensichtlich nicht zuständig. Zur Beurteilung der rein gemeinschaftsrechtlichen Frage, ob die vorlegende Einrichtung ein Gericht im Sinne von Art 234 EG ist, stelle der EuGH auf eine Reihe von Gesichtspunkten ab, "wie gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ständiger Charakter, obligatorische Gerichtsbarkeit, streitiges Verfahren, Anwendung von Rechtsnormen durch diese Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit".

Weiters:

"Aus den Akten geht hervor, dass der Rekurs, soweit er vom Landesgericht Feldkirch geprüft wird, und die Vorstellung, die die Antragsteller des Ausgangsverfahrens gegen die vom Landesgericht Feldkirch über sie verhängten Zwangsstrafen erhoben haben, den Charakter einer für dieses Gericht internen Verwaltungsbeschwerde haben.

Zum einen trifft das Landesgericht Feldkirch, wenn es über den Rekurs befindet, keine bindende Entscheidung in einem Rechtsstreit. Gibt es dem Rekurs nicht statt, so muss es ihn dem übergeordneten Gericht übermitteln. ...

Zum andern kann das Landesgericht Feldkirch, wenn es über die Vorstellung entscheidet, nicht als Gericht angesehen werden, da dieser Begriff seinem Wesen nach nur eine Einrichtung bezeichnen kann, die gegenüber derjenigen, die die mit der Klage angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Eigenschaft eines Dritten besitzt. ...

Somit übt das Landesgericht Feldkirch in diesem Rahmen keine Rechtsprechungstätigkeit aus."

3. Das Landesgericht Wels hat in seinem Beschluss vom , Z 27 FR 1195/99g, dem EuGH zu C-182/00, Lutz, folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. Wird durch die in Art 2 Abs 1 litf der ersten Richtlinie 68/151/EWG und Art 47 der vierten Richtlinie 78/660/EWG vorgesehenen Maßnahmen hinsichtlich der Offenlegungspflicht von Kapitalgesellschaften Art 44 Abs 2 litg EGV verletzt, welcher zur Koordinierung jener Schutzbestimmungen ermächtigt, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Interesse der Gesellschafter sowie der Gläubiger vorgeschrieben sind?

2. Wird durch die in Art 2 Abs 1 litf der ersten Richtlinie 68/151/EWG und Art 47 der vierten Richtlinie 78/660/EWG vorgesehenen Maßnahmen hinsichtlich der Offenlegungspflicht von Kapitalgesellschaften Art 44 Abs 2 litg EGV dadurch verletzt, daß die Erforderlichkeit im Hinblick auf den Abbau von Niederlassungsbeschränkungen oder zur Verwirklichung sonstiger Ziele des EWGV (insbesondere die Herstellung einheitlicher rechtlicher Rahmenbedingungen) nicht vorliegt?

3. Ist es mit dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Verhältnismäßigkeitsprinzips vereinbar, daß Art 2 Abs 1 litf der ersten Richtlinie 68/151/EWG in Verbindung mit Art 47 der vierten Richtlinie 78/660/EWG die Unternehmen durch die Verpflichtung zur Offenlegung der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung für jedes Geschäftsjahr unter Strafandrohung zwingt, Geschäftsgeheimnisse preiszugeben, und der vorgesehene Schutzzweck durch andere - weniger eingriffsintensive - Maßnahmen in adäquater Weise erzielt werden kann?

4. Ist es mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundrecht auf Eigentum vereinbar, daß Art 2 Abs 1 litf der ersten

Richtlinie 68/151/EWG in Verbindung mit Art 47 der vierten Richtlinie 78/660/EWG die Unternehmen durch die Verpflichtung zur Offenlegung der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung für jedes Geschäftsjahr unter Strafandrohung zwingt, Geschäftsgeheimnisse preiszugeben, und der vorgesehene Schutzzweck durch andere - weniger eingriffsintensive - Maßnahmen in adäquater Weise erzielt werden kann?

5. Ist es mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundrecht auf Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung vereinbar, daß Art 2 Abs 1 litf der ersten Richtlinie 68/151/EWG in Verbindung mit Art 47 der vierten Richtlinie 78/660/EWG die Unternehmen durch die Verpflichtung zur Offenlegung der Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung für jedes Geschäftsjahr unter Strafandrohung zwingt, Geschäftsgeheimnisse preiszugeben und der vorgesehene Schutzzweck durch andere - weniger eingriffsintensive - Maßnahmen in adäquater Weise erzielt werden kann?"

In seiner Entscheidung vom , Rs. C-182/00, Lutz, verneint der EuGH seine Zuständigkeit, da "die nationalen Gerichte den [EuGH] nur anrufen können, wenn bei ihnen ein Rechtsstreit anhängig ist und sie im Rahmen eines Verfahrens zu entscheiden haben, das auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielt". Wenn das Landesgericht "als Handelsgericht ... über die Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses und des Lageberichts entscheidet", ist es "nicht mit einem Rechtsstreit befasst", sondern führt "nur ein Handels- und Geschäftsregister". Nichts deutet darauf hin, dass "beim Landesgericht Wels ein Rechtsstreit zwischen Antragstellern und einer etwaigen beklagten Partei anhängig wäre", weshalb es damit "keine Rechtsprechungstätigkeit" ausübe.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat die Verfahren A2/01, A141/02, A142/02 und A144/02 bis A146/02 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§§187, 404 ZPO iVm § 35 VfGG).

Die Klagen sind in den wesentlichen Teilen fast wörtlich identisch und zusammengefasst wie folgt begründet:

Die Kläger richten ihren Vorwurf "staatshaftungswürdiger" Fehlleistungen zunächst gegen den Gesetzgeber, der die gemeinschaftsrechtlichen "Offenlegungsrichtlinien" 68/151/EWG und 78/660/EWG "ohne Rücksicht auf Verluste" umgesetzt habe, ohne dass die Republik Österreich auch nur versucht hätte, auf die Nichtigkeit der "Offenlegungsrichtlinien" beim EuGH zu klagen. Weiters gründen die Kläger ihre Klagen auf den Vorwurf einer staatshaftungsbegründenden Fehlleistung des OGH wegen dessen behaupteterweise denkunmöglicher Entscheidung, die Frage der Übereinstimmung der oben genannten "Offenlegungsrichtlinien" in Bezug auf höherrangiges Gemeinschaftsrecht dem EuGH nicht vorzulegen. Nach Meinung der Kläger würden die "Offenlegungsrichtlinien" einen schwerwiegenden Verstoß gegen das im Gemeinschaftsrecht angeblich verankerte Grundrecht auf Datenschutz darstellen. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH würde dem durch die Nichtvorlage von klärungsbedürftigen Fragen des Gemeinschaftsrechts an den EuGH Geschädigten Anspruch auf Schadenersatz aus dem Titel der Amts- oder Staatshaftung zustehen. Bei gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftung gebühre auch der Ersatz der Schäden aus gesetzgeberischer Untätigkeit und seien auch die Höchstgerichte bei einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nicht von der Staatshaftung ausgenommen (Hinweis auf und C-9/90, Francovich und Bonifaci).

Für die Geltendmachung von Schadensfolgen, die im Amtshaftungsgesetz nicht berücksichtigt oder gar ausgeschlossen seien und für die der ordentliche Rechtsweg daher nicht bestehe, sei die Klagsführung nach Art 137 B-VG vorgesehen. Die Kläger machen daher den Ersatz ihres frustrierten Aufwandes für Eingaben aus dem Titel der Staatshaftung geltend, die ihnen nicht entstanden wären, wenn der Gesetzgeber von vornherein pflichtgemäß bei der Umsetzung vorgegangen wäre, in eventu, wenn die Gerichte die nachstehenden, von den Klägern jeweils angeregten Fragen im Zusammenhang mit der gemeinschaftsrechtlichen "Primärrechtskonformität" der "Offenlegungsrichtlinien" dem EuGH vorgelegt hätten:

"1. Ist die allgemeine Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses jeder Gesellschaft entsprechender Größe, ganz unabhängig von deren wirtschaftlichen Verhältnissen, wie sie die Erste, Vierte und Siebte Richtlinie vorzusehen scheinen, mit den im Folgenden dargestellten gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Grundrechten, Grundfreiheiten und allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten, insbesondere jenen auf Datenschutz, auf Privatsphäre, auf Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, auf Eigentum und auf Erwerbsfreiheit, auf Privatautonomie und auf Beachtung des Sachlichkeitsgebots (der Verhältnismäßigkeit) vereinbar?

2. Gebieten die dargestellten Grundrechte nicht die Einrichtung eines Verfahrens, in dem eine betroffene Gesellschaft in einem gerichtsförmigen Verfahren ohne drohende Zwangsstrafen in Frage stellen kann, dass ein öffentliches Bedürfnis zur Veröffentlichung der konkreten Bilanz besteht?

3. Könnte es allenfalls geboten sein und eine richtlinienkonforme Umsetzung darstellen, die Verpflichtung zur Offenlegung von Gesellschaftsdaten auf jene Unternehmen zu beschränken, für die unabhängige Wirtschaftsprüfer die Problematik bestimmter Unternehmenskennzahlen und damit ein besonderes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit festgestellt haben?

4. Besteht ein legitimer Unterschied zwischen veröffentlichungspflichtigen und nicht veröffentlichungspflichtigen Gesellschaftsformen?

5. Ist den beiden Richtlinien mit ihrer bedingungs- und ausnahmslosen Verpflichtung zur Offenlegung bei gänzlicher Verneinung jeden Nichtoffenlegungsinteresses der betroffenen Gesellschaften bzw. bei völligem Fehlen eines Mechanismus zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Offenlegung oder legitimer Geheimhaltungsinteressen allenfalls materiellrechtlich durch die technische Entwicklung, durch spätere Normen des Gemeinschaftsrechts und durch die Entwicklung der allgemeinen Rechtsgrundsätze der Mitgliedstaaten als Grundwerten der Europäischen Gemeinschaft materiell dahingehend derogiert, dass keine Offenlegungspflicht mehr besteht, ja dass aus Gründen des gemeinschaftsrechtlichen Datenschutzes und des gemeinschaftsrechtlichen Anspruchs auf Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen ein gemeinschaftsrechtlich gewährleisteter Geheimhaltungsanspruch besteht?

6. Sind die Offenlegungspflichten der Ersten und Vierten Richtlinie mit Aspekten modernen gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Datenschutzes vereinbar oder wegen Unvereinbarkeit mit dem Datenschutz nichtig?"

5. Das Verfahren zu A2/01 wurde zunächst mit dem Bundeskanzler geführt, der eine Äußerung erstattet und beantragt hat, die Klage als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen. Dies wird wie folgt begründet:

Zunächst weist der Bundeskanzler in seiner Äußerung darauf hin, dass sich der Vorwurf des gemeinschaftsrechtswidrigen Handelns dem Klagsvorbringen zufolge eindeutig gegen den OGH richte, auf dessen Rechtsprechung Einfluss zu nehmen, dem Bundeskanzler aber von Verfassungs wegen verwehrt sei, sodass die vorliegende Klage an den OGH zuzustellen gewesen wäre. Für denkbar hält der Bundeskanzler auch eine Zustellung an den Bundesminister für Justiz als Träger der Justizverwaltung. Dessen ungeachtet nimmt der Bundeskanzler zur Klage zu A2/01 Stellung:

Zunächst hätten es die Kläger unterlassen, sich - so wie vom Verfassungsgerichtshof gefordert (Hinweis auf Vorjudikatur) - expressis verbis auf Art 137 B-VG zu stützen, weshalb die Klage schon aus diesem Grund unzulässig sei.

Weiters beruft sich der Bundeskanzler in seiner Äußerung auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 16.107/2001, wonach grundsätzlich die Amtshaftungsgerichte zuständig seien, wenn der Kläger seinen Anspruch auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechtes stützt, die der Vollziehung zuzurechnen ist, was hier aber der Fall sei. Eine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nach Art 137 B-VG sei daher nur anzunehmen, wenn die anspruchsbegründenden Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen seien. Dem Verfassungsgerichtshof werde von der innerstaatlichen Rechtsordnung auch keine Kompetenz eingeräumt, die materielle Richtigkeit der Entscheidungen anderer Gerichte zu überprüfen.

In der Sache führt der Bundeskanzler aus, dass es im Zusammenhang mit einer Fehlleistung des Gesetzgebers geradezu abwegig sei zu behaupten, dass der österreichische Gesetzgeber eine haftungsbegründende Gemeinschaftsrechtsverletzung zu verantworten hätte, weil er der gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsverpflichtung entsprochen habe. Wäre durch die Umsetzung einer primärrechtswidrigen Richtlinienvorgabe im Ergebnis eine gemeinschaftsrechtswidrige innerstaatliche Rechtslage geschaffen, so könne dieser Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nicht dem nationalen Gesetzgeber zugerechnet werden. Selbst unter der vom Bundeskanzler bestrittenen Annahme, dass die österreichische Umsetzung gesellschaftsrechtlicher Richtlinien betreffend Offenlegung verfassungswidrig sei, würde daraus kein Staatshaftungsanspruch resultieren.

Primär stelle sich die Frage, ob die Verletzung der Verpflichtung zur Vorlage an den EuGH überhaupt einen tauglichen Ansatzpunkt für Staatshaftungsansprüche darstellen könne. Denn nicht jeder Gemeinschaftsrechtsverstoß, sondern nur die Verletzung einer Vorschrift, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, könne Grundlage für eine Haftung sein. Art 234 EG verleihe dem Einzelnen aber keine direkte Einflussmöglichkeit auf die Vorlage, also kein subjektives Recht. Ein Staatshaftungsanspruch bloß wegen der Unterlassung einer Vorlage an den EuGH komme somit mangels Verletzung einer Schutznorm des Gemeinschaftsrechts nicht in Betracht. Darüber hinaus könne ein auf die Verletzung der Vorlagepflicht gestützter Haftungsanspruch angesichts der strengen Haftungsvoraussetzungen ("qualifizierte Verletzung des Gemeinschaftsrechts") nur dann begründet sein, wenn die Nichtvorlage auf "objektiver Willkür" von Seiten des nicht vorlagewilligen Gerichtes beruhe. Für ein derartiges willkürliches Verhalten des OGH bestünden jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Der OGH habe zu Recht von der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens abgesehen und sich dabei auf seine bisherige Rechtsprechung gestützt, in der er bereits zum Ausdruck gebracht hatte, dass das "Daihatsu-Urteil" des EuGH keinen Zweifel darüber offen gelassen habe, dass der EuGH die in den "Offenlegungsrichtlinien" normierten Pflichten von Kapitalgesellschaften als vertrags- und grundrechtskonform ansehe. Es konnte den Klägern aber auch dadurch, dass der OGH kein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet hat, kein Schaden entstehen, weil dieses Vorabentscheidungsersuchen nichts an der Geltung und der Anwendbarkeit der diese Richtlinien in Österreich umsetzenden Normen geändert hätte, wonach weiterhin die Offenlegungspflicht der Kläger bestanden hätte.

6. Sowohl das Verfahren zu A2/01 als auch die anderen hier vorliegenden hg. Verfahren wurden in weiterer Folge mit dem Bundesminister für Justiz geführt. Dieser - in diesem Stadium des Verfahrens teilweise durch die Finanzprokuratur vertreten - hat jeweils die auf die Rechtssache bezughabenden Akten vorgelegt und jeweils beantragt, die Klagen zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen. Alle Gegenschriften sind vor der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom , A36/00, eingelangt:

Zunächst bestritt der Bundesminister für Justiz die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes und schloss sich den Ausführungen des Bundeskanzlers hinsichtlich der Zulässigkeit des Klagebegehrens an.

Auch in materieller Hinsicht habe das Klagebegehren nach Ansicht des Bundesministers für Justiz keine Berechtigung: Bereits die Kausalität der Nichtvorlage der gestellten Fragen an den EuGH sei für den geltend gemachten Schaden nicht gesichert, seien doch die Kläger nicht von den gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien, sondern von den innerstaatlichen, vom OGH anzuwendenden Regelungen unmittelbar betroffen. Aus der bloßen Feststellung der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit einer Richtlinie bzw. ihrer Aufhebung hätten die Kläger erst dann etwas gewinnen können, wenn auch die unmittelbar anzuwendenden innerstaatlichen Normen der §§277 ff. HGB beseitigt werden würden. Der Bundesminister für Justiz betont, dass er nicht befugt sei, dergestalt in die unabhängige Rechtsprechung einzugreifen, dass er Aussagen über die Rechtmäßigkeit höchstgerichtlicher Entscheidung treffen könnte. Daher verweist der Bundesminister für Justiz nur aus allgemeinen Erwägungen auf die vom Bundeskanzler bereits hinreichend dargestellten Gründe zur mangelnden Rechtswidrigkeit der Nichtvorlage. Es sei nur dann von einer haftungsbegründenden Verletzung der Vorlagepflicht auszugehen, wenn die Vorlage "objektiv willkürlich" unterlassen worden sei. Die überaus sorgfältigen Begründungen des OGH stünden dem aber entgegen, in denen auch ausgeführt sei, dass der EuGH die Gemeinschaftskonformität der inkriminierten Richtlinien bereits implizit anerkannt habe (Verweis auf EuGH, Daihatsu).

Schließlich teilt auch der Bundesminister für Justiz die Ansicht, dass die allfällige Verletzung der Vorlagepflicht nach Art 234 EG durch ein letztinstanzliches Gericht schon dem Grunde nach keinen Individualanspruch des Einzelnen zu begründen vermöge.

7. Die Kläger haben weiters in allen Verfahren Repliken, vorbereitete Schriftsätze und ergänzendes sowie abschließendes Vorbringen eingebracht. Zusammengefasst wird Folgendes vorgebracht:

Zuerst weisen die Kläger darauf hin, dass mehrfach und deutlich Art 137 B-VG als Rechtsgrundlage angeführt werde, dass der Schriftsatz ausdrücklich als Klage bezeichnet sei und ein "unverwechselbares" Klagebegehren gestellt werde. Es sei demnach offensichtlich, dass es sich bei der Eingabe um eine Klage nach Art 137 B-VG handle.

Die zentrale Argumentation der Klagen gehe dahin, dass Zivilgerichte vorlagepflichtig gewesen wären. Ob sie dem EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen vorzulegen gehabt hätten, ergebe sich aus der Beantwortung der gemeinschaftsrechtlichen Fragestellung, ob das anwendbare Gemeinschaftsrecht einen "acte clair" darstelle oder einen "legitimate doubt" offen gelassen habe. Aus Sicht der Kläger sei ganz offensichtlich gewesen, dass die maßgeblichen Fragen Zweifel offen gelassen hätten, was sich insbesondere auch aus dem Umstand erhelle, dass das Landesgericht Wels in einem Vorlagebeschluss vom , Z 27 FR 1195/99g, nahezu die gleichen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Gültigkeit der "Offenlegungsrichtlinien" wie die Kläger aufgeworfen habe. Wenn kein "acte clair" vorliege, bestehe Vorlagepflicht, und deren Verletzung verstoße gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und nach Art 6 EMRK. Es gebe auch vom EuGH zur Grundrechtskonformität dieser Richtlinien keine einzige Aussage, weil sich der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren mit den gestellten Fragen zu befassen habe, und im Vertragsverletzungsverfahren die Frage der Grundrechtskonformität von Richtlinien kein zulässiger Prozessgegenstand sei.

Es stünde dem OGH auch nicht zu, nach Meinung der Kläger bestehende Zweifel durch seine eigene Entscheidung zu zerstreuen. Tatsächlich sei der OGH bei eingeräumten Zweifeln verpflichtet gewesen, die Frage der Primärrechtskonformität der "Offenlegungsrichtlinien" dem EuGH vorzulegen, weil dieser das Auslegungsmonopol für unklare Fragen des Gemeinschaftsrechts habe und zudem allein befugt sei, primärrechtswidriges abgeleitetes Gemeinschaftsrecht für nichtig zu erklären.

Zum Argument der Gegenschriften der mangelnden Kausalität der behaupteten Primärrechtswidrigkeit der "Offenlegungsrichtlinien" in Bezug auf den geltend gemachten Schaden führen die Kläger Folgendes aus:

Sollte der EuGH die "Offenlegungsrichtlinien" wegen Verstoßes gegen die Grundrechte aufheben, würde der Verfassungsgerichtshof in der Folge die Umsetzungsnormen des HGB jedenfalls nicht für grundrechtskonform befinden, handle es sich doch bei den geltend gemachten Grundrechten vollumfänglich um verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte. Die beklagte Partei, der Bund, irre auch, wenn sie das Fehlerkalkül für die Staatshaftung auf ein "objektiv willkürlich" gesetztes Verhalten beschränke. Es gehöre geradezu zum Kern der Staatshaftungsrechtsprechung des EuGH, dass eine subjektive Komponente wie die "mala fides" für die Staatshaftung nicht verlangt werde.

Zwar begründe Art 234 EG keinen Individualanspruch des Einzelnen, die österreichische Bundesverfassung garantiere aber jedermann eine Entscheidung durch den gesetzlichen Richter, der in Bezug auf den Ausspruch der Nichtigkeit abgeleiteten Gemeinschaftsrechts nur der EuGH sein könne. Auch Art 6 EMRK garantiere eine Entscheidung durch das zuständige Gericht.

In einem als "ergänzendes Vorbringen" bezeichneten Schriftsatz nehmen die Kläger darüber hinaus jeweils Bezug auf die Entscheidung des , C-138/01, C-139/01, ORF ua., in einem durch ein Vorabentscheidungsersuchen des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 16.050/2000) eingeleiteten Verfahren. In dieser Entscheidung wolle der EuGH die Datenschutzrichtlinien nach den Kriterien der klaren Determinierung und Vorhersehbarkeit der Eingriffsvoraussetzungen, der Orientierung an einem legitimen Eingriffsziel, des zwingenden sozialen Bedürfnisses, der Notwendigkeit des Eingriffes in einer demokratischen Gesellschaft und der Verhältnismäßigkeit der angewendeten Mitteln angewendet wissen. Nach dieser Entscheidung komme es grundsätzlich nicht in Betracht, berufliche Tätigkeiten vom Begriff des Privatlebens auszunehmen. Als Argument gegen die Offenlegung der in diesem Zusammenhang maßgeblichen Daten nenne der EuGH wirtschaftliche Nachteile, die den Betroffenen durch die Offenlegung beim Arbeitsplatzwechsel entstehen könnten. Der erschwerte Arbeitsplatzwechsel eines Arbeitnehmers entspreche zB dem erschwerten Vertragsabschluss wegen nachprüfbarer Gewinnsituation für Unternehmen.

Schließlich werden die Überlegungen der Kläger zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nach Art 137 B-VG und hinsichtlich der Haftung des OGH aufgrund der Vorlagepflicht in diesem Zusammenhang in einem als "abschließendes Vorbringen" bezeichneten Schriftsatz zusammengefasst: Hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsweges nach Art 137 B-VG verweisen die Kläger vor allem auf die hg. Entscheidung vom , A36/00, und auf die Entscheidung des , Köbler. In der Sache nennen die Kläger zwei beim EuGH anhängige Vorabentscheidungsersuchen zweier Landgerichte in Deutschland im Zusammenhang mit den "Offenlegungsrichtlinien" (Rs. C-453/02, Axel Springer AG, und Rs. C-103/03, Weske) und wollen damit aufzeigen, dass die von ihnen geltend gemachten Zweifel an den "Offenlegungsrichtlinien" insoweit bestünden, dass auch eine Vorlagepflicht des OGH bestanden hätte.

8. In der Verhandlung vom , deren Gegenstand zunächst auf den Grund der Ansprüche eingeschränkt wurde, trugen die Parteien ihre Argumente vor und beantworteten die ihnen gestellten Fragen, die sich vor allem auf solche Entscheidungen des EuGH und des Verfassungsgerichtshofes bezogen, die erst nach Einbringung der Klagen ergangen waren. Der Klagsvertreter erklärte, die Ansprüche nicht mehr darauf zu stützen, dass der Bund es unterlassen habe, ein Nichtigkeitsverfahren beim EuGH betreffend die gesellschaftsrechtlichen Richtlinien einzuleiten. Die auf den Grund der Ansprüche beschränkte Verhandlung wurde geschlossen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes:

1.1. Die Kläger leiten ihre Ansprüche, die jeweils auf den Ersatz von Vertretungskosten in den oben angeführten gerichtlichen Verfahren gerichtet sind, aus dem Gemeinschaftsrecht ab. Sie "richten ihren Vorwurf einer staatshaftungswürdigen Fehlleistung zunächst gegen den Gesetzgeber, der die Offenlegungsrichtlinien 'ohne Rücksicht auf Verluste' und in klarem Widerspruch zur Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ... umgesetzt hat".

Ferner gründen die Kläger ihre Ansprüche auf den "Vorwurf einer staatshaftungsbegründenden Fehlleistung des Oberlandesgerichts ..., in eventu des OGHs, wegen dessen denkunmöglicher Entscheidung, das Gemeinschaftsrecht sei so klar, dass keine unklare Rechtsfrage vorliege und somit Verpflichtung zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof [nicht] bestehe".

Die Kläger behaupten also, dass ihren Ansprüchen auf Ersatz von Vertretungskosten sowohl "legislatives Unrecht" als auch Fehlleistungen von Oberlandesgerichten und des OGH zugrunde liegen.

1.2. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es "Sache der Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, zu bestimmen, welches Gericht für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten über diesen [staatshaftungsrechtlichen] Schadenersatz zuständig ist" (zuletzt , Köbler).

Soweit die Kläger ihren Anspruch auf sogenanntes "legislatives Unrecht" stützen, wäre der Verfassungsgerichtshof nur dann zuständig, wenn die anspruchsbegründenden Handlungen oder Unterlassungen nicht einem hoheitlich tätig gewordenen Vollzugsorgan, sondern unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen wären [vgl. VfSlg. 16.107/2001 ("Brennermaut") sowie ]. In den in den Klagen genannten Fällen sind aber Vollzugsorgane, nämlich Gerichte tätig geworden, die eine allfällige Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechtes durch den Gesetzgeber hätten aufgreifen können. Nun stützen die Kläger ihre Ansprüche auch auf Verletzungen des Gemeinschaftsrechts durch Oberlandesgerichte und/oder den OGH. Insoweit Handlungen oder Unterlassungen den Oberlandesgerichten anzulasten wären, wären solche Ansprüche im Amtshaftungswege und nicht vor dem Verfassungsgerichtshof nach Art 137 B-VG geltend zu machen (vgl. hiezu auch die beiden oben genannten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes).

Für die Entscheidung über Klagen über gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsansprüche aus behaupteterweise gemeinschaftswidrigen Entscheidungen von Höchstgerichten, für die ein Amtshaftungsanspruch nicht besteht (§2 Abs 3 Amtshaftungsgesetz - AHG), ist jedoch der Verfassungsgerichtshof im Verfahren nach Art 137 B-VG zuständig (vgl. ).

Der Verfassungsgerichtshof ist zur Entscheidung über die vorliegenden Klagen daher nur insoweit zuständig, als die behauptete Verletzung des Gemeinschaftsrechts einer Entscheidung des OGH zuzurechnen ist:

Wie oben dargestellt ist allen Verfahren gemeinsam, dass Oberlandesgerichte die Rechtsmittel abgewiesen haben. Dagegen erhoben die Kläger jeweils Revisionsrekurse an den OGH. Der OGH entschied nun nicht materiell über die Revisionsrekurse, sondern gab ihnen wegen hinreichend geklärter Rechtslage keine Folge. Die behauptete Verletzung des Gemeinschaftsrechts habe nach Ansicht des OGH nicht stattgefunden, sodass für die Oberlandesgerichte auch kein Anlass zur Vorlage von Fragen an den EuGH gemäß Art 234 EG bestanden habe.

Der OGH hat in seiner Amtshaftungsjudikatur die Haftung gemäß § 2 Abs 3 AHG nicht nur dann ausgeschlossen, wenn ein Höchstgericht selbst in der Sache entschieden hat. Vielmehr meinte der OGH, dass eine höchstgerichtliche Entscheidung auch gleichlautende Entscheidungen der Vorinstanzen deckt, weil es sonst mittelbar zu einer Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der höchstgerichtlichen Entscheidung käme (, JBl. 1994, 185; , 1 Ob 2147/96h, EvBl. 1997/141). Legt man diese Überlegungen jenen Fällen zu Grunde, bei denen der OGH Rechtsmitteln mit der Begründung keine Folge gibt, dass Probleme des Gemeinschaftsrechtes hinreichend geklärt seien, so sind solche Beschlüsse ebenfalls dem OGH zuzurechnen, auch wenn diese Beschlüsse verfahrensrechtlicher Natur sind und der OGH nicht in der Sache selbst entschieden hat. In den Klagen, die Gegenstand des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof bilden, werden somit Ersatzansprüche geltend gemacht, die - wären sie berechtigt - einer Entscheidung eines Höchstgerichtes, nämlich des OGH, zuzurechnen wären.

Der Verfassungsgerichtshof ist daher unter diesem Aspekt zuständig, über die geltend gemachten Ansprüche in einem Verfahren nach Art 137 B-VG zu entscheiden.

1.3. An dieser Zuständigkeit hat auch Art 7 Z 7 des Kundmachungsreformgesetzes 2004, BGBl. I 100/2003, nichts geändert:

Art 137 B-VG hat seine seither geltende Fassung durch die B-VG-Novelle BGBl. 211/1946 erhalten. Dieses Gesetz wurde durch Art 7 Z 7 des Kundmachungsreformgesetzes 2004, BGBl. I 100/2003, das am in Kraft getreten ist, rückwirkend mit Ablauf des aufgehoben. Diese legistische Vorgangsweise wirft die Frage auf, ob damit auch Art 137 B-VG selbst aufgehoben wurde, was anzunehmen eine Wortsinninterpretation nahelegt. In den Materialien wird die vom Gesetzgeber gewählte Vorgangsweise nicht erläutert. Der Verfassungsgerichtshof interpretiert die - mehrdeutige und überschießend formulierte - Bestimmung des Art 7 Z 7 Kundmachungsreformgesetz 2004 so, dass durch sie nicht die durch die Novelle aus 1946 in das B-VG eingeführten Artikel, sondern nur die Novellierungsanordnungen und ArtIII und IV der genannten Novelle aufgehoben werden. Dafür spricht auch, dass sich im Gesetzgebungsverfahren keinerlei Hinweis auf die Absicht der Aufhebung von Rechtsschutzbestimmungen des B-VG finden lassen. Dem Verfassungsgesetzgeber ist es aber nicht zusinnbar, dass er ohne jede inhaltliche Erwägung wesentliche Bestimmungen über den Rechtsschutz durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts teils ersatzlos (vgl. zB Art 130 Abs 2 B-VG) teils für einen Zeitraum von vier Jahren [Art137 B-VG wird durch Art 1 Z 28 des Kundmachungsreformgesetzes 2004 mit leicht verändertem Text, aber inhaltlich unverändert in das B-VG mit Wirkung vom (wieder) eingeführt] aufheben wollte.

2. Zum Grund der Ansprüche

2.1. Die gemeinschaftsrechtliche Grundlage eines Staatshaftungsanspruches bei gemeinschaftswidrigem Fehlverhalten eines Höchstgerichtes

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , A36/00, im Anschluss an die Judikatur des EuGH (vgl. EuGH, Köbler) ausgesprochen, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch für gemeinschaftswidriges Verhalten ihrer Höchstgerichte haften. Der EuGH führt in der Entscheidung vom , Rs. C-224/01, Köbler, unter Rz 51 bis 59 Folgendes aus:

"51. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes muss ein Mitgliedstaat Schäden, die einem Einzelnen durch Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind, ersetzen, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Die verletzte Rechtsnorm bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß ist hinreichend qualifiziert, und zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang (Urteil Haim, Randnr. 36).

52. Das gilt auch für die Haftung des Staates für Schäden, die durch eine gemeinschaftsrechtswidrige Entscheidung eines nationalen letztinstanzlichen Gerichts verursacht wurden.

53. Was des Näheren die zweite dieser Voraussetzungen und ihre Anwendung bei der Prüfung einer Haftung des Staates für eine Entscheidung eines nationalen letztinstanzlichen Gerichts angeht, so sind - wie auch die Mitgliedstaaten vorgetragen haben, die in dieser Rechtssache Erklärungen eingereicht haben - die Besonderheit der richterlichen Funktion sowie die berechtigten Belange der Rechtssicherheit zu berücksichtigen. Der Staat haftet für eine solche gemeinschaftsrechtswidrige Entscheidung nur in dem Ausnahmefall, dass das Gericht offenkundig gegen das geltende Recht verstoßen hat.

54. Bei der Entscheidung darüber, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, muss das mit einer Schadensersatzklage befasste nationale Gericht alle Gesichtspunkte des Einzelfalls berücksichtigen.

55. Zu diesen Gesichtspunkten gehören u. a. das Maß an Klarheit und Präzision der verletzten Vorschrift, die Vorsätzlichkeit des Verstoßes, die Entschuldbarkeit des Rechtsirrtums, gegebenenfalls die Stellungnahme eines Gemeinschaftsorgans sowie die Verletzung der Vorlagepflicht nach Artikel 234 Absatz 3 EG durch das in Rede stehende Gericht.

56. Ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ist jedenfalls dann hinreichend qualifiziert, wenn die fragliche Entscheidung die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofes offenkundig verkennt (vgl. in diesem Sinne Urteil Brasserie du pecheur und Factortame, Randnr. 57).

57. Die drei in Randnummer 51 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen sind erforderlich und ausreichend, um einen Entschädigungsanspruch des Einzelnen zu begründen, schließen aber nicht aus, dass der Staat nach nationalem Recht unter weniger strengen Voraussetzungen haftet (vgl. Urteil Brasserie du pecheur und Factortame, Randnr. 66).

58. Vorbehaltlich des Anspruchs auf Entschädigung, der bei Erfüllung dieser Voraussetzungen seine Grundlage unmittelbar im Gemeinschaftsrecht hat, hat der Staat die Folgen des verursachten Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben, wobei die im nationalen Schadensersatzrecht festgelegten Voraussetzungen nicht ungünstiger sein dürfen als bei ähnlichen Rechtsbehelfen, die nur nationales Recht betreffen, und nicht so ausgestaltet sein dürfen, dass sie die Erlangung der Entschädigung praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Urteile Francovich u. a., Randnrn. 41 bis 43, und Norbrook Laboratories, Randnr. 111).

59. Nach alledem sind die ersten beiden Fragen dahin zu beantworten, dass der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten zum Ersatz von Schäden verpflichtet sind, die einem Einzelnen durch ihnen zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, auch dann anwendbar ist, wenn der fragliche Verstoß in einer Entscheidung eines letztinstanzlichen Gerichts besteht, sofern die verletzte Gemeinschaftsrechtsnorm bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht. Bei der Entscheidung darüber, ob der Verstoß hinreichend qualifiziert ist, muss das zuständige nationale Gericht, wenn sich der Verstoß aus einer letztinstanzlichen Gerichtsentscheidung ergibt, unter Berücksichtigung der Besonderheit der richterlichen Funktion prüfen, ob dieser Verstoß offenkundig ist. Es ist Sache der Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, zu bestimmen, welches Gericht für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten über diesen Schadensersatz zuständig ist."

Diese Grundsätze auf die vorliegenden Klagen angewandt, führen zu folgendem Ergebnis:

2.2. Die innerstaatliche Rechtslage

Die §§277 bis 281 HGB verpflichten die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften zur Offenlegung von Jahresabschlüssen, Lageberichten und Konzernberichten. Der Umfang der Offenlegung richtet sich im Wesentlichen nach den in § 221 HGB beschriebenen Größenklassen. Ferner regeln die oben genannten Bestimmungen Form, Zeitpunkt und Inhalt der Offenlegung. Gemäß § 282 HGB hat das Registergericht zu prüfen, ob die gemäß §§277 bis 281 HGB offenzulegenden Unterlagen vollzählig zum Firmenbuch eingereicht und ob, soweit Veröffentlichungen vorgeschrieben sind, diese veranlasst worden sind. § 283 HGB sieht die Verhängung von Zwangsstrafen vor, falls die Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder Abwickler der Offenlegungspflicht nicht nachkommen.

Die §§277 bis 283 HGB erhielten mit dem EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz (EU-GesRÄG), BGBl. 304/1996, die für die Verfahren vor den Zivilgerichten, die Gegenstand der hier behaupteten Staatshaftungsansprüche sind, geltende Fassung. Wie dem Text des Gesetzes und den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum EU-GesRÄG zu entnehmen ist, wurden mit der Neufassung dieser Bestimmungen Richtlinien des Rates der Europäischen Union umgesetzt. In den Erläuterungen zu den §§277 bis 283 werden folgende Richtlinienbestimmungen genannt (vgl. RV 32 BlgNR XX. GP, 73 ff.):

* Art 2 Abs 2 litf der Ersten Richtlinie 68/151/EWG zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art 58 Abs 2 EWGV im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. 1968 L 065, S 8 ff. (im Folgenden: PublizitätsRL);

* Art 47 und 51 Abs 3 der Vierten Richtlinie

78/660/EWG auf Grund von Art 54 Abs 3 Buchstabe g) EWGV über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. 1978 L 222, S 11 ff., mehrfach geändert (im Folgenden: BilanzRL);

* Art 38 der Siebenten Richtlinie 83/349/EWG auf Grund

von Art 54 Abs 3 Buchstabe g) EWGV über den konsolidierten Abschluss, ABl. 1983 L 193, S 1 ff., mehrfach geändert (im Folgenden: KonzernRL);

* Art 2 Abs 1 litg, 3, 4, 8 litj und 9 der Elften Richtlinie 89/666/EWG über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften mit bestimmter Rechtsform errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, ABl. 1989 L 395, S 36 ff. (im Folgenden: ZweigniederlassungsRL).

In den Erläuterungen wird auch erwähnt, dass der österreichische Bundesgesetzgeber Teile dieser Richtlinien bereits anlässlich früherer gesetzlicher Maßnahmen vorweggenommen hatte, so insbesondere durch das Rechnungslegungsgesetz, BGBl. 475/1990.

2.3. Die maßgebenden Richtlinienbestimmungen

Die in den Erläuterungen genannten Richtlinienbestimmungen, aus denen die gesellschaftsrechtlichen Offenlegungspflichten abzuleiten sind, lauten im Zusammenhang:

Artikel 2 Abs 1 litf der PublizitätsRL lautet:

"Offenlegung

Artikel 2

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit sich die Pflicht zur Offenlegung hinsichtlich der Gesellschaften mindestens auf folgende Urkunden und Angaben erstreckt:

...

f) die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung für jedes Geschäftsjahr. In das Dokument, das die Bilanz enthält, sind die Personalien derjenigen aufzunehmen, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften einen Bestätigungsvermerk zu der Bilanz zu erteilen haben. Für die in Artikel 1 genannten Gesellschaften mit beschränkter Haftung des deutschen, des belgischen, des französischen, des italienischen oder des luxemburgischen Rechts sowie für geschlossene Aktiengesellschaften des niederländischen Rechts wird die Pflicht zur Anwendung dieser Bestimmung jedoch bis zum Zeitpunkt der Anwendung einer Richtlinie aufgeschoben, die sowohl Vorschriften über die Koordinierung des Inhalts der Bilanzen und der Gewinn- und Verlustrechnungen enthält, als auch diejenigen dieser Gesellschaften, deren Bilanzsumme einen in der Richtlinie festzusetzenden Betrag nicht erreicht, von der Pflicht zur Offenlegung aller oder eines Teils dieser Schriftstücke befreit. Der Rat erlässt die genannte Richtlinie innerhalb von zwei Jahren nach der Annahme der vorliegenden Richtlinie;

..."

Art 47 sowie Art 51 Abs 3 der BilanzRL:

"Offenlegung

Artikel 47

(1) Der ordnungsgemäß gebilligte Jahresabschluß und der Lagebericht sowie der Bericht der mit der Abschlußprüfung beauftragten Person sind nach den in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten gemäß Artikel 3 der Richtlinie 68/151/EWG vorgesehenen Verfahren offenzulegen.

Die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates können jedoch den Lagebericht von der genannten Offenlegung freistellen. In diesem Fall ist der Lagebericht am Sitz der Gesellschaft in dem betreffenden Mitgliedstaat zur Einsichtnahme für jedermann bereitzuhalten. Eine vollständige oder teilweise Ausfertigung dieses Berichts muß auf bloßen Antrag erhältlich sein. Das dafür berechnete Entgelt darf die Verwaltungskosten nicht übersteigen.

(1a) Der Mitgliedstaat der in Artikel 1 Absatz 1 Unterabsätze 2 und 3 bezeichneten Gesellschaft (betroffene Gesellschaft) kann diese Gesellschaft von der Pflicht, ihren Abschluß gemäß Artikel 3 der Richtlinie 68/151/EWG zu veröffentlichen, mit der Maßgabe befreien, daß ihr Abschluß am Sitz der Gesellschaft zur Einsicht für jedermann bereitgehalten wird, sofern:

a) alle ihre unbeschränkt haftenden Gesellschafter Gesellschaften nach Artikel 1 Absatz 1 Unterabsatz 1 sind, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaates als dem Mitgliedstaat der betroffenen Gesellschaft unterliegen, und keine dieser Gesellschaften den Abschluß der betroffenen Gesellschaft mit ihrem eigenen Abschluß veröffentlicht oder

b) alle unbeschränkt haftenden Gesellschafter Gesellschaften sind, welche nicht dem Recht eines Mitgliedstaates unterliegen, deren Rechtsform jedoch den Rechtsformen im Sinne der Richtlinie 68/151/EWG vergleichbar ist.

Ausfertigungen des Abschlusses müssen auf Antrag erhältlich sein. Das dafür berechnete Entgelt darf die Verwaltungskosten nicht übersteigen. Geeignete Sanktionen sind für den Fall vorzusehen, daß die in diesem Absatz vorgesehene Offenlegung nicht erfolgt.

(2) Abweichend von Absatz 1 können die Mitgliedstaaten zulassen, daß die in Artikel 11 bezeichneten Gesellschaften folgendes offenlegen:

a) eine verkürzte Bilanz, in die nur die in den Artikeln 9 und 10 vorgesehenen mit Buchstaben und römischen Zahlen bezeichneten Posten aufgenommen werden, wobei die bei dem Posten D. II der Aktiva und dem Posten C. der Passiva des Artikels 9 sowie bei dem Posten D. II des Artikels 10 in Klammern verlangten Angaben gesondert, jedoch zusammengefaßt für alle betreffenden Posten, zu machen sind;

b) einen gemäß Artikel 44 gekürzten Anhang.

Artikel 12 ist anzuwenden.

Die Mitgliedstaaten können diesen Gesellschaften ferner gestatten, die Gewinn- und Verlustrechnung, den Lagebericht sowie den Bericht der mit der Abschlußprüfung beauftragten Person nicht offenzulegen.

(3) Die Mitgliedstaaten können zulassen, daß die in Artikel 27 bezeichneten Gesellschaften folgendes offenlegen:

a) eine verkürzte Bilanz, welche nur die in den Artikeln 9 und 10 vorgesehenen mit Buchstaben und römischen Zahlen bezeichneten Posten enthält, wobei entweder in der Bilanz oder im Anhang gesondert anzugeben sind:


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-
die Posten C. I. 3, C. II. 1, 2, 3 und 4, C. III. 1, 2, 3, 4 und 7, D. II. 2, 3 und 6 und D. III. 1 und 2 der Aktiva sowie C. 1, 2, 6, 7 und 9 der Passiva des Artikels 9;


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-
die Posten C. I. 3, C. II. 1, 2, 3 und 4, C. III. 1, 2, 3, 4 und 7, D. II. 2, 3 und 6, D. III. 1 und 2, F. 1, 2, 6, 7 und 9 sowie I. 1, 2, 6, 7 und 9 des Artikels 10;


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-
die bei den Posten D. II der Aktiva und C. der Passiva des Artikels 9 in Klammern verlangten Angaben, jedoch zusammengefaßt für alle betreffenden Posten und gesondert für die Posten D. II. 2 und 3 der Aktiva sowie C. 1, 2, 6, 7 und 9 der Passiva;


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-
die bei dem Posten D. II des Artikels 10 in Klammern verlangten Angaben, jedoch zusammengefaßt für die betreffenden Posten, und gesondert für die Posten D. II. 2 und 3;


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b) einen verkürzten Anhang, der die in Artikel 43 Absatz 1 Nummern 5, 6, 8, 10 und 11 verlangten Angaben nicht enthält. Jedoch sind im Anhang die in Artikel 43 Absatz 1 Nummer 6 vorgesehenen Angaben zusammengefaßt für alle betreffenden Posten zu machen.

Dieser Absatz berührt nicht die Bestimmungen des Absatzes 1 hinsichtlich der Gewinn- und Verlustrechnung, des Lageberichts sowie des Berichts der mit der Abschlußprüfung beauftragten Person.

Artikel 12 ist anzuwenden.

...

Prüfung

Artikel 51

(1) a) Die Gesellschaften sind verpflichtet, ihren Jahresabschluß durch eine oder mehrere Personen prüfen zu lassen, die nach einzelstaatlichem Recht zur Prüfung des Jahresabschlusses zugelassen sind.

b) Die mit der Abschlußprüfung beauftragte Person hat auch zu prüfen, ob der Lagebericht mit dem Jahresabschluß des betreffenden Geschäftsjahres in Einklang steht.

(2) Die Mitgliedstaaten können die in Artikel 11 bezeichneten Gesellschaften von der in Absatz 1 genannten Verpflichtung befreien.

Artikel 12 ist anzuwenden.

(3) Im Falle des Absatzes 2 nehmen die Mitgliedstaaten in ihre Rechtsvorschriften geeignete Sanktionen für den Fall auf, daß der Jahresabschluß oder der Lagebericht dieser Gesellschaften nicht nach dieser Richtlinie erstellt sind."

Artikel 38 der KonzernRL (idF vor der Richtlinie 2003/51/EG, ABl. 2003 L 178, S 16):

"Offenlegung des konsolidierten Abschlusses

Artikel 38

(1) Der ordnungsgemäß gebilligte konsolidierte Abschluß, der konsolidierte Lagebericht sowie der Bericht der mit der Prüfung des konsolidierten Abschlusses beauftragten Person werden von dem Unternehmen, das den konsolidierten Abschluß aufstellt, nach dem Recht des Mitgliedstaats, dem dieses Unternehmen unterliegt, gemäß Artikel 3 der Richtlinie 68/151/EWG offengelegt.

(2) Auf den konsolidierten Lagebericht findet Artikel 47 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 78/660/EWG Anwendung.

(3) Artikel 47 Absatz 1 Unterabsatz 2 letzter Satz der Richtlinie 78/660/EWG erhält folgende Fassung: 'Eine vollständige oder teilweise Ausfertigung dieses Berichts muss auf bloßen Antrag erhältlich sein. Das dafür berechnete Entgelt darf die Verwaltungskosten nicht übersteigen.'

(4) Sofern jedoch das Unternehmen, das den konsolidierten Abschluß aufstellt, nicht in einer der in Artikel 4 genannten Rechtsformen organisiert ist und auch nicht für die in Absatz 1 genannten Unterlagen nach innerstaatlichem Recht der Verpflichtung zu einer Offenlegung unterliegt, die der des Artikels 3 der Richtlinie 68/151/EWG entspricht, muß es zumindest diese Unterlagen an seinem Sitz zur Einsichtnahme für jedermann bereithalten. Ausfertigungen dieser Unterlagen müssen auf bloßen Antrag erhältlich sein. Das dafür berechnete Entgelt darf die Verwaltungskosten nicht übersteigen.

(5) Die Artikel 48 und 49 der Richtlinie 78/660/EWG sind anwendbar.

(6) Die Mitgliedstaaten sehen geeignete Sanktionen für den Fall vor, daß die in dem vorliegenden Artikel vorgesehene Offenlegung nicht erfolgt."

Artikel 2, 3, 4, 8 und 9 (auszugsweise) der ZweigniederlassungsRL, soweit sich die Erläuterungen darauf beziehen, lauten:

"Artikel 2

(1) Die Pflicht zur Offenlegung nach Artikel 1 erstreckt sich lediglich auf folgende Urkunden und Angaben:

...

g) die Unterlagen der Rechnungslegung gemäß Artikel 3;

...

Artikel 3

Die Pflicht zur Offenlegung nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe g) erstreckt sich lediglich auf die Unterlagen der Rechnungslegung der Gesellschaft, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, dem die Gesellschaft unterliegt, im Einklang mit den Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 84/253/EWG erstellt, geprüft und offengelegt worden sind.

Artikel 4

Der Mitgliedstaat der Zweigniederlassung kann vorschreiben, daß die in Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b) und Artikel 3 bezeichneten Unterlagen in einer anderen Amtssprache der Gemeinschaft offengelegt werden und die Übersetzung dieser Unterlagen beglaubigt wird.

...

Artikel 8

Die Pflicht zur Offenlegung nach Artikel 7 erstreckt sich mindestens auf folgende Urkunden und Angaben:

...

j) die Unterlagen der Rechnungslegung gemäß Artikel 9;

...

Artikel 9

(1) Die Pflicht zur Offenlegung nach Artikel 8 Buchstabe j) erstreckt sich auf die Unterlagen der Rechnungslegung der Gesellschaft, die nach dem Recht des Staates, dem die Gesellschaft unterliegt, erstellt, geprüft und offengelegt worden sind. Werden diese Unterlagen nicht gemäß den Richtlinien 78/660/EWG bzw. 83/349/EWG oder in gleichwertiger Form erstellt, so können die Mitgliedstaaten die Erstellung und Offenlegung der Unterlagen der Rechnungslegung, die sich auf die Tätigkeiten der Zweigniederlassung beziehen, verlangen.

(2) Die Artikel 4 und 5 finden Anwendung."

Obwohl es nur eine Publizitäts-(Offenlegungs-)Richtlinie gibt, verwenden die Kläger den Begriff "Offenlegungsrichtlinien" in der Mehrzahl. Der Verfassungsgerichtshof geht daher davon aus, dass damit die Gesamtheit der obgenannten Richtlinien, die der Gesetzgeber im HGB und mit dem Rechnungslegungsgesetz umgesetzt hat, gemeint ist.

2.4. Zusammenfassung der Vorwürfe

Die Kläger regten in den Revisionsrekursen an den OGH ebenso wie in den Verfahren bei den Unterinstanzen an, verschiedene Fragen im Zusammenhang mit den "Offenlegungsrichtlinien" dem EuGH vorzulegen sowie beim Verfassungsgerichtshof einen Prüfungsantrag hinsichtlich jener Bestimmungen des HGB zu stellen, die die "Offenlegungsrichtlinien" umsetzten.

Insoweit aber in den Klagen die Unterlassung der Vorlage an den EuGH als haftungsbegründend gerügt wird, führen die Kläger in ihren zusammenfassenden Übersichten aus, dass die Eingaben die Unvereinbarkeit der "Bilanzoffenlegungsrichtlinien" (gemeint offensichtlich jene gesellschaftsrechtlichen Richtlinien, die Offenlegungspflichten enthalten) mit den Grundrechten der Europäischen Gemeinschaft monieren. Die klagenden Parteien behaupten aber nicht, dass der österreichische Gesetzgeber die Richtlinien nicht richtlinienkonform umgesetzt habe.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Kläger dem OGH nicht vorwerfen, er habe die gesellschaftsrechtlichen Richtlinien ohne Vorlage an den EuGH selbst interpretiert, sondern dass mit der Vorlage die Klärung der Gültigkeit der Richtlinien (Art234 Abs 1 litb 1. Fall EG) anzustreben gewesen wäre.

In diesem Zusammenhang legten die Kläger in ihren Revisionsrekursen dem OGH jene Fragen vor, die er an den EuGH stellen möge. Bei mehreren dieser Fragen ist die Relevanz für die vom OGH zu lösenden Probleme nicht recht erkennbar. Sie zielen eher auf die Beantwortung akademischer Fragen ab. Hingegen hat sich der OGH mit dem in der von den Klägern vorgelegten Frageliste ebenfalls aufgeworfenen (einzig relevanten) Problem befasst, ob die im HGB umgesetzten Richtlinienbestimmungen über die Offenlegungspflicht dem Primärrecht widersprechen.

2.5. Zu den Argumenten der Kläger meint der Verfassungsgerichtshof im Einzelnen

2.5.1. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, in einem Staatshaftungsverfahren ähnlich einem Rechtsmittelgericht die Richtigkeit der Begründung des OGH zu überprüfen. Er ist nur berufen zu beurteilen, ob ein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vorliegt. Nach dem Urteil des EuGH, Köbler, müsste ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht durch ein Höchstgericht eines Mitgliedstaates "offenkundig" das Gemeinschaftsrecht und die Entscheidungen des EuGH "verkennen". Auch kommt es auf das "Maß an Klarheit und Präzision der verletzten Vorschrift" und die Vertretbarkeit einer Rechtsansicht an.

Der Verfassungsgerichtshof sieht keinen Anhaltspunkt dafür, dem OGH eine derartige qualifizierte Verletzung des Gemeinschaftsrechtes vorzuwerfen:

2.5.2. Der OGH hat die gemeinschaftsrechtliche Frage nicht übergangen. Er hat sie in mehreren Entscheidungen ausführlich behandelt und in anderen Entscheidungen auf diese ausführlichen Begründungen hingewiesen.

Der OGH berief sich unter anderem auf das Urteil des EuGH, Daihatsu, und meinte, dass der EuGH keinen Zweifel offen gelassen habe, dass er die in den Richtlinien normierten Offenlegungspflichten als vertrags- und grundrechtskonform ansehe.

Die Kläger führen hiezu aus, dass der OGH die Rechtsprechungsaufgabe des EuGH verkannt habe. Im Vorlageverfahren habe der EuGH bloß die ihm vorgelegten Fragen zu beantworten. Es sei aber nicht seine Aufgabe, andere Fragen zu erfinden oder den Fragenkatalog zu erweitern.

Zwar ist es richtig, dass dem EuGH im Verfahren "Daihatsu" nicht die Frage vorgelegt wurde, ob die Offenlegungsbestimmungen der Publizitäts- und der BilanzRL gegen Primärrecht verstoßen, doch hat sich der EuGH mit dem Sinn und Zweck der Richtlinienbestimmungen über die Offenlegung beschäftigt und Folgendes festgestellt:

"18. Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g ist in Verbindung mit den Artikeln 52 und 54 EG-Vertrag, wonach die Koordinierung der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften Bestandteil des allgemeinen Programms zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit ist, und mit Artikel 3 Buchstabe h EG-Vertrag zu sehen, wonach die Tätigkeit der Gemeinschaft die Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften umfasst, soweit dies für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich ist.

19. Zudem ist in Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages selbst vom Ziel des Schutzes der Interessen Dritter ganz allgemein die Rede, ohne daß insoweit einzelne Gruppen unterschieden oder ausgeschlossen würden.

20. Der Begriff der Dritten im Sinne des Artikels 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages kann daher nicht auf die Gläubiger der Gesellschaft beschränkt werden.

21. Im übrigen wird das Ziel, die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit aufzuheben, das dem Rat und der Kommission durch Artikel 54 Absätze 1 und 2 in sehr weit gefassten Wendungen aufgegeben ist, nicht durch Artikel 54 Absatz 3 des Vertrages eingeschränkt. Dieser enthält nämlich, wie die Verwendung des Wortes "insbesondere" in Artikel 54 Absatz 3 belegt, lediglich eine nicht abschließende Liste von Maßnahmen, die zur Verwirklichung dieses Zieles zu ergreifen sind.

22. Zu Artikel 6 der Ersten Richtlinie ergibt sich aus deren vierter Begründungserwägung, daß die Offenlegung des Jahresabschlusses hauptsächlich der Unterrichtung Dritter dient, die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht hinreichend kennen oder kennen können. Die Bestimmungen des Artikels 3 der Richtlinie, die die Führung eines öffentlichen Registers, in das alle offenzulegenden Urkunden und Angaben einzutragen sind, sowie für jedermann die Möglichkeit vorsehen, Abschriften der Jahresabschlüsse zugesandt zu bekommen, bestätigen das Bestreben, diese Informationen jeder interessierten Person zugänglich zu machen. Dieses Bestreben findet auch in den Begründungserwägungen der Vierten Richtlinie Ausdruck, in denen auf das Erfordernis hingewiesen wird, hinsichtlich des Umfangs der zu veröffentlichenden finanziellen Angaben in der Gemeinschaft gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen für miteinander im Wettbewerb stehende Gesellschaften herzustellen (siehe insbesondere die dritte Begründungserwägung).

23. Aufgrund all dessen ist zu antworten, daß Artikel 6 der Ersten Richtlinie dahin auszulegen ist, daß er den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, die nur den Gesellschaftern, den Gläubigern und dem Gesamtbetriebsrat bzw. dem Betriebsrat der Gesellschaft das Recht einräumen, die Verhängung der Maßregel zu beantragen, die das nationale Recht für den Fall vorsieht, daß eine Gesellschaft den durch die Erste Richtlinie aufgestellten Pflichten auf dem Gebiet der Offenlegung des Jahresabschlusses nicht nachkommt."

Daraus geht hervor, dass die von der Bundesrepublik Deutschland umgesetzte Regelung in ihrem Anwendungsbereich nach Ansicht des EuGH noch ausgeweitet werden müsse.

Auch wenn der EuGH im genannten Rechtsfall nicht die Frage nach der Gültigkeit der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien über die Offenlegungspflicht zu beantworten hatte, kann dem OGH kein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vorgeworfen werden, wenn er dem EuGH nach Art 234 EG die Frage der Gültigkeit der Offenlegungsbestimmungen der gesellschaftlichen Richtlinien nicht vorgelegt hat, sondern auf Grund der vom EuGH verwendeten Diktion davon ausging, dass der EuGH sich, hätte er Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität der Richtlinien gehegt, einer anderen Argumentation bedient und nicht die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Richtlinie verlangt hätte.

Die Kläger konnten keine Bestimmungen des EG-Vertrags anführen, mit denen die oben genannten Richtlinien in Widerspruch stehen könnten.

Art 286 EG bezieht sich zwar auf den Schutz personenbezogener Daten. Die Aufnahme des Art 286 EG durch den Vertrag von Amsterdam bewirkt, dass die Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. 1995 L 281/31 (im Folgenden: DatenschutzRL) und die Richtlinie 97/66/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation, ABl. 1997 L 24/1, die sich wie jede andere Richtlinie nur an die Mitgliedstaaten wenden, auch von den Gemeinschaftsinstitutionen angewendet werden müssen (vgl. Lenz, EG-Vertrag, 2. Auflage, zu Art 286 EG, Rz 2; Callies/Ruffert, Kommentar des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 2. Auflage, zu Art 286 EG, Rz 1 f.). Dies bewirkt jedoch nicht, dass damit die Datenschutzrichtlinien nicht mehr dem Sekundärrecht angehören würden. Teil des Sekundärrechts ist auch die Verordnung, 45/2001/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr, ABl. 2001 L 008, S 1 ff. Art 287 EG betrifft die Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder von Organen der Gemeinschaft, der Mitglieder der Ausschüsse sowie Beamten und sonstigen Bediensteten zur Verschwiegenheit, unter anderem auch über Unternehmungen, nicht aber Offenlegungspflichten von Unternehmen.

Der von den Klägern behauptete umfassende Datenschutz des Gemeinschaftsrechts ergibt sich vielmehr aus sekundärrechtlichen Vorschriften, insbesondere der DatenschutzRL. Diese Vorschriften stehen auf einer Stufe mit den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien und können schon deshalb kein Maßstab dafür sein, ob andere Richtlinien mit dem Primärrecht vereinbar sind.

Die einzige primärrechtliche Vorschrift, die als Maßstab für primärrechtlichen Datenschutz dienen könnte, ist Art 8 EMRK (vgl. , C-138/01 und C-139/01, ORF ua. - Entscheidung über den Vorlageantrag des Verfassungsgerichtshofes zum BezügebegrenzungsG, VfSlg. 16.050/2000). Es ist aber zumindest umstritten, ob Träger des Grundrechtes nach Art 8 Abs 1 EMRK überhaupt Gesellschaften des Handelsrechtes sein können [vgl. hiezu Wiederin, Art 8 EMRK, in: Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht, Rz 38 (2002)], insbesondere wenn diese Unternehmensdaten zum Schutz der Rechte Dritter (Art8 Abs 2 EMRK), nämlich von Gläubigern und Aktionären offen zu legen sind und keine die Privatsphäre von natürlichen Personen betreffenden Daten offen gelegt werden müssen. Im Übrigen sind solche Schutzbestimmungen im Interesse der Gesellschafter und Dritter auch dem Primärrecht nicht fremd (vgl. Art 44 Abs 1 litg EG, der die Koordinierung solcher Schutzbestimmungen zu Gunsten Dritter verlangt; vgl. auch Lenz, EG-Vertrag, 2. Auflage, zu Art 44 EG, Rz 10).

Die Kläger meinten, dass die Offenlegung der Jahresabschlüsse von Gesellschaften auch zu Rückschlüssen auf die Daten natürlicher Personen, etwa eines Gesellschafters einer Einmanngesellschaft, führen könnte, sodass eine Differenzierung nach Art der Gesellschaft datenschutzrechtlich geboten wäre. Eine solche differenzierte Regelung ist aber sowohl in den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien als auch in den umsetzenden nationalen Bestimmungen des HGB durch Berücksichtigung der Größe und der Art der Gesellschaft vorgesehen (§§221, 277 ff. HGB).

Die von den Klägern zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte betreffen jeweils die Privatsphäre natürlicher Personen und sind auf Offenlegungspflichen von Gesellschaften nicht übertragbar.

Auch die in den Klagen zitierten Urteile des EuGH betreffen keinen allgemeinen Datenschutz zu Gunsten von Handelsgesellschaften. Sie beziehen sich auf datenschutzrechtliche Normen des Sekundärrechts, betreffen die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen durch Organe der EG bzw. der EU - und keine Offenlegungsverpflichtungen - oder das Verhältnis von Auskunftspflichten zu Verteidigungsrechten in einem Wettbewerbsverfahren oder beschäftigen sich mit der Interpretation von Richtlinien und deren Verhältnis zu innerstaatlichen Normen oder die Pflicht der Organe der Gemeinschaft zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen nach Art 287 EG.

Der Hinweis auf die Europäische Charta der Grundrechte der Europäischen Union geht allein deshalb fehl, weil diese Charta (noch) nicht für die Mitgliedstaaten der EU verbindlich ist.

Da die Kläger weder dartun konnten, welche Bestimmung des Primärrechtes, einschließlich der Judikatur des EuGH zu primärrechtlichen Bestimmungen, so klar ist, dass ein Verstoß gegen diese "offenkundig" sein könnte, und auch aus der im Detail begründeten Unterlassung der Vorlage von Fragen zur Gültigkeit der in den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien enthaltenen Offenlegungspflichten kein hinreichend qualifizierter Verstoß des OGH gegen Gemeinschaftsrecht zu erkennen ist, waren die Klagen abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis war nicht mehr darauf einzugehen, ob der OGH in einer firmenbuchrechtlichen Frage überhaupt befugt gewesen wäre, eine Vorlage an den EuGH zu richten (vgl. die Entscheidungen des EuGH in den oben genannten Verfahren "Lutz" und "Pfanner" sowie , Salzmann II).

2.5.3. Die Pflicht des OGH, einen Antrag auf Gesetzesprüfung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen (Art89 Abs 2 B-VG) entspringt nicht dem Gemeinschaftsrecht. Selbst eine pflichtwidrige Unterlassung der Antragstellung könnte daher zu keiner Staatshaftung führen, noch könnte eine Haftung auf das Amtshaftungsgesetz gegründet werden (§2 Abs 3 AHG). Auf die Ausführungen in der Klage zur behaupteten Verfassungswidrigkeit braucht daher nicht eingegangen zu werden. Der Verfassungsgerichtshof hat auch keine Möglichkeit, in diesem Staatshaftungsverfahren von Amts wegen die Verfassungsmäßigkeit der österreichischen Bestimmungen des HGB zu untersuchen, da er sie in diesem Verfahren nicht anzuwenden hat.

III. Dem Bund waren die von der Finanzprokuratur verzeichneten Kosten in dem dem jeweiligen Streitwert entsprechenden Ausmaß zuzusprechen, wobei jedoch die Kosten der Verhandlung nicht für jedes der sechs Verfahren in vollem Umfang zuzusprechen waren. Vielmehr wurden die Kosten für die Verhandlung unter Berücksichtigung des Gesamtstreitwertes und des maximalen Streitgenossenzuschlages von 50 % neu berechnet und auf die einzelnen Verfahren im Verhältnis der Streitwerte verteilt.