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OGH vom 21.01.2004, 9ObA73/03f

OGH vom 21.01.2004, 9ObA73/03f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Eveline Umgeher und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Christa N*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr. Heinrich Keller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte und gefährdende Partei Österreichischer Rundfunk, Würzburggasse 30, 1136 Wien, im Revisionsrekursverfahren nicht rechtsanwaltlich vertreten, wegen Unterlassung (Streitwert EUR 18.168,21) und Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert EUR 3.633,64; Revisionsrekursinteresse EUR 3.633,64), infolge Revisionsrekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 69/00h-11, womit der Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 30 Cga 25/00s-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Entscheidungen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"Einstweilige Verfügung

1.) Zur Sicherung des Anspruchs der gefährdeten Partei auf Unterlassung gegen das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre verstoßender Handlungen der gefährdenden Partei wird dieser verboten, die Meldung gemäß § 8 BezBegrBVG an den Rechnungshof hinsichtlich der gefährdeten Partei anders als in anonymisierter Form, etwa unter Nennung des Namens oder sonstiger zur Identifizierung der gefährdeten Partei führender Kennzeichen, abzugeben und dem Rechnungshof die Einschau zum Zweck der namentlichen Einkommensberichterstattung gemäß § 8 Abs 1 letzter Satz BezBegrBVG zu gestatten.

2.) Diese einstweilige Verfügung gilt bis zur Rechtskraft des in diesem Verfahren ergehenden Urteils."

Die gefährdete Partei hat die Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die klagende und gefährdete Partei (im Folgenden Klägerin) bezog in den Jahren 1998 und 1999 als Angestellte der beklagten und gefährdenden Partei (im Folgenden beklagte Partei) - somit im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses - Bruttobezüge, die die Grenzbeträge nach § 8 Abs 1 Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre (im Folgenden Bezügebegrenzungs-Bundesverfassungsgesetz oder BezBegrBVG) von ATS 1,120.000 (EUR 81.393,57) im Jahr 1998 bzw ATS 1,127.486 (EUR 81.937,60) im Jahr 1999 überstiegen.

Die Klägerin begehrte zur Sicherung ihres - aus dem inhaltsgleich formulierten Klagebegehren hervorgehenden - Anspruches auf "Unterlassung" gegen das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre verstoßender Handlungen, der beklagten Partei zu "gebieten, die Meldung gemäß § 8 BezBgrBVG an den Rechnungshof hinsichtlich der gefährdeten Partei in anonymisierter Form, also ohne Nennung des Namens oder sonstiger zur Identifizierung der gefährdeten Partei führender Kennzeichen abzugeben und dem Rechnungshof die Einschau gemäß § 8 Abs 1 letzter Satz BezBgrBVG nicht zu gestatten." Dazu wurde vorgebracht:

Die beklagte Rundfunkanstalt (nunmehr: Stiftung) unterliege der gesetzlichen Verpflichtung, das entsprechend hohe Einkommen der Klägerin dem Rechnungshof mitzuteilen, der diese Meldungen - nach Jahreswerten getrennt - in einem Bericht zusammenzufassen habe, in den alle Personen aufzunehmen seien, deren jährliche Bezüge und Ruhebezüge den jährlichen Grenzbetrag übersteigen. Der Bericht sei dem Nationalrat, dem Bundesrat und den Landtagen zu übermitteln. Durch die namentliche Veröffentlichung der Gesamtbezüge der Klägerin werde in ihre Grundrechte als Arbeitnehmerin eingegriffen. Eine solche drohende Rechtsverletzung widerspreche der Fürsorgepflicht der beklagten Partei als Arbeitgeber.

Die Grundrechtsverletzung ergebe sich aus folgenden Überlegungen: Die namentliche Bekanntgabe der Bezüge stelle sich zunächst als Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz (Art 1 § 1 DSG 2000) dar. Das Bezügebegrenzungs-Bundesverfassungsgesetz (BezBgrBVG) stehe jedoch wie das Datenschutzgesetz 2000 im Verfassungsrang, sodass rechtlich eine innerstaatliche direkte Bezugnahme auf das Grundrecht auf Datenschutz nicht möglich sei. § 8 BezBgrBVG widerspreche aber auch der im nationalen Verfassungsrang stehenden Bestimmung des Art 8 EMRK. Durch die Bekanntgabe gegenüber den gesetzgebenden Organen werde in die geschützte Privatsphäre der Klägerin eingegriffen, weil nach den Intentionen des Gesetzgebers die Bekanntgabe gerade dazu diene, die Öffentlichkeit zu informieren. Die Folgen für die Klägerin reichten von öffentlicher Kritik und Anprangerung bis in den vermögensrechtlichen Bereich herein, da das Einkommen auch Maßstab für das Verhalten Dritter im rechtsgeschäftlichen Verkehr sei. Darüber hinaus widerspreche die Bestimmung des § 8 BezBgrBVG aber auch der RL 95/46/EG vom und somit dem Gemeinschaftsrecht, das auch für innerstaatliche Anwendungen Geltung habe. Dem Gemeinschaftsrecht komme Vorrang vor dem nationalen Recht zu. Soweit die Richtlinie die in Rede stehenden Grundrechte, so auch Art 8 EMRK, konkretisiere, seien diese unmittelbar rechtsverbindlich und gingen so dem nationalen BezBgrBVG vor. Dies führe im konkreten Fall wohl nicht zur völligen Unanwendbarkeit des § 8 BezBgrBVG, weil eine gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation in dem Sinne möglich sei, dass die darin vorgesehene Meldung in anonymisierter Form, also ohne Namensnennung des Einkommensbeziehers, erfolgen könne. Die Aufforderung des Rechnungshofes beschränke sich aber keineswegs darauf. Komme daher die beklagte Partei dieser Aufforderung nach, was zu befürchten sei, dann komme es zur vorgenannten Rechtsverletzung.

Die beklagte Partei beantragte wohl die Abweisung des Klagebegehrens, stellte jedoch das Vorbringen der Klägerin auch hinsichtlich der Gefährdung ausdrücklich außer Streit (§ 266 ZPO).

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab. Es vertrat in ausführlicher Begründung die Rechtsauffassung, dass die beklagte Partei gemäß § 31a Rundfunkgesetz der Kontrolle des Rechnungshofs unterliege und daher zu den im § 8 Abs 1 BezBgrBVG genannten Rechtsträgern zähle und somit auch verpflichtet sei, dem Rechnungshof die Bezüge von Personen mitzuteilen, welche entweder im Jahr 1998 Bruttobezüge von über ATS 1,120.000 (EUR 81.393,57) oder im Jahr 1999 Bruttobezüge von über ATS 1,127.486 (EUR 81.937,60) bezogen hätten. Dies treffe auf die Klägerin für die Jahre 1998 und 1999 zu. Gemäß § 8 Abs 3 BezBgrBVG habe der Rechnungshof die nach Abs 1 leg cit erstatteten Mitteilungen in einem Bericht zusammenzufassen und diesen dem Nationalrat, dem Bundesrat und den Landtagen zu übermitteln. Der Zweck dieser Regelung sei die umfassende Information der österreichischen Öffentlichkeit über die aus öffentlichen Kassen geleisteten Bezüge. Die von § 8 BezBegrBVG geforderte Offenlegung der Bezüge stelle einen Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen dar. Die namentliche Aufnahme von Einkommensdaten von Mitarbeitern der der Rechnungskontrolle unterliegenden beklagten Partei in den Rechnungshofbericht sei nicht gerechtfertigt im Sinne des Art 8 Abs 2 EMRK, weil sie überschießend und auch nicht im Interesse des wirtschaftlichen Wohles des Landes erforderlich sei. Durch die Weiterleitung des Einkommensberichtes an die gesetzgebenden Körperschaften werde der Bericht zwangsläufig Gegenstand öffentlicher politischer Debatten, die einen Schutz der persönlichen Daten der Betroffenen nicht mehr gewährleisten. Rechtliche Verpflichtungen zur Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art 7 lit c RL 95/46/EG ("Datenschutzrichtlinie") könnten nur dann richtlinienkonform sein, wenn sie zumindest die Eingriffsschranken des Art 8 Abs 2 EMRK beachten. Die Aufnahme namentlicher Bezügedaten in den Rechnungshofbericht, soweit sie Mitarbeiter von Rechtsträgern betreffe, die der Rechnungshofkontrolle unterliegen, sei richtlinien- und grundrechtswidrig. Es sei jedoch zwischen der Übermittlung der Daten an den Rechnungshof einerseits und deren Aufnahme in den Rechnungshofbericht andererseits zu unterscheiden. In den Bericht dürften die Daten jedenfalls nur anonymisiert aufgenommen werden. Dabei sei es gleichgültig, ob man § 8 Abs 3 BezBegrBVG in diesem Sinne gemeinschaftsrechtskonform interpretiere oder ob man annehme, diese Bestimmung sei überhaupt gemeinschaftsrechtswidrig. Die bloße, wenn auch namentliche Übermittlung von Bezügedaten der Klägerin durch die beklagte Partei an den Rechnungshof stelle weder einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsgrundrecht des Art 8 EMRK noch gegen die RL 95/46/EG dar. Die begehrte einstweilige Verfügung sei daher schon mangels Bescheinigung des gefährdeten Anspruches abzuweisen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es trat dessen rechtlicher Beurteilung bei. Die Meldung der Daten gemäß den Bestimmungen des BezBegrBVG stelle keine Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstgebers dar; er komme damit nur einem gesetzlichen Auftrag nach. Die weitere Behandlung der Daten durch den Rechnungshof liege nicht in der Ingerenz des Dienstgebers. § 8 Abs 3 BezBegrBVG sehe auch keine Veröffentlichungspflicht vor, sondern lediglich Berichte an den Nationalrat, Bundesrat und die Landtage. Letztlich müssten Personen, die im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen, auch ein höheres Maß an öffentlicher Berichterstattung über ihre privaten Verhältnisse in Kauf nehmen. Es fehle auch die Behauptung und Bescheinigung einer konkreten Gefährdung. Im Übrigen sprach das Rekursgericht aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes ATS 260.000 übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichtes richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die beantragte einstweilige Verfügung erlassen werde.

Die beklagte Partei beteiligte sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Die Revisionsrekurswerberin hält ihren schon in den Vorinstanzen eingenommenen Rechtsstandpunkt aufrecht. Das Rekursgericht verkenne die Realitäten bezüglich der Veröffentlichung der Daten. Sobald namentliche Meldungen an den Rechnungshof erfolgen, sei die Veröffentlichung unausweichlich. Einzige wirksame Maßnahme dagegen sei eine einstweilige Verfügung. Der Rechnungshof habe schon in einer Aussendung angekündigt, dass er den Einkommensbericht unter Namensangabe erstellen werde. Die RL 95/46/EG müsse als Konkretisierung des Grundrechts auf Datenschutz verstanden werden. Der Grundrechtseingriff durch namentliche Veröffentlichung sei unverhältnismäßig. Die Betroffenheit der einzelnen Arbeitnehmer sei groß, der volkswirtschaftliche Nutzen hingegen fragwürdig.

Da der Oberste Gerichtshof - ähnlich dem Verfassungsgerichtshof (KR 1/00) - Bedenken an der Vereinbarkeit des § 8 BezBegrBVG mit dem Gemeinschaftsrecht hegte, legte er mit Beschluss vom , 9 ObA 145/00i, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

"1. Sind die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, insbesondere jene über den Datenschutz (Art 1, 2, 6, 7 und 22 RL 95/46/EG iVm Art 6 [ex-Art F] EUV und Art 8 EMRK) so auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt als Rechtsträger zur Mitteilung und ein staatliches Organ zur Erhebung und Weiterleitung von Einkommensdaten zum Zweck der Veröffentlichung der Namen und Einkommen der Dienstnehmer einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt verpflichten?

2. Für den Fall, dass der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die gestellte Frage bejaht: Sind jene Bestimmungen, die einer nationalen Regelung des geschilderten Inhalts entgegenstehen, in dem Sinn unmittelbar anwendbar, dass sich die zur Offenlegung verpflichtete Anstalt auf sie berufen kann, um eine Anwendung entgegenstehender nationaler Vorschriften zu verhindern und daher von der Offenlegung betroffenen Dienstnehmern eine nationale gesetzliche Verpflichtung nicht entgegenhalten kann?"

Mit Urteil vom beantwortete der Gerichtshof in den verbundenen Rechtssachen C-465/00 (VfGH KR 1/00), C-138/01 (OGH 9 ObA 145/00i) und C-139/01 (OGH 9 ObA 201/00z) die Anfragen wie folgt:

"1. Die Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c und 7 Buchstaben c und e der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr stehen einer nationalen Regelung wie der den Ausgangsverfahren zugrunde liegenden nicht entgegen, sofern erwiesen ist, dass die Offenlegung, die nicht nur die Höhe des Jahreseinkommens der Beschäftigten von der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern betrifft, wenn diese Einkommen einen bestimmten Betrag überschreiten, sondern auch die Namen der Bezieher dieser Einkommen umfasst, im Hinblick auf das vom Verfassungsgesetzgeber verfolgte Ziel der ordnungsgemäßen Verwaltung der öffentlichen Mittel notwendig und angemessen ist, was die vorlegenden Gerichte zu prüfen haben.

2. Die Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c und 7 Buchstaben c und e der Richtlinie 95/46 sind in dem Sinne unmittelbar anwendbar, dass sich ein Einzelner vor den nationalen Gerichten auf sie berufen kann, um die Anwendung entgegenstehender Vorschriften des innerstaatlichen Rechts zu verhindern."

Dieses Urteil wurde den Parteien zugestellt und ist damit bekannt, auf die Wiedergabe der Entscheidungsgründe kann daher verzichtet werden.

Der Verfassungsgerichtshof wies - nach Einlangen der vorzitierten Vorabentscheidung - mit Erkenntnis vom , GZ KR 1/00-33, den Antrag des Rechnungshofes, festzustellen, dass dieser befugt sei, zum Zwecke der namentlichen Einkommensberichterstattung gemäß § 8 Abs 1 bis 3 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre, BGBl I 64/1997, in sämtliche Unterlagen des Österreichischen Rundfunks betreffend die von ihm in den Jahren 1998 und 1999 ausbezahlten Bezüge und Ruhebezüge Einsicht (Einschau) zu nehmen, ab. In den Entscheidungsgründen des Verfassungsgerichtshofes heißt es unter anderem:

"Dass der ORF nach der [...] Verfassungsbestimmung des § 31a RFG der umfassenden Gebarungsprüfung durch den Rechnungshof unterlag (und nach § 31a Abs 1 ORF-G auch heute noch unterliegt), ist nicht zweifelhaft [...].

Hingegen war das Begehren des Rechnungshofes, soweit es sich auf die Einschau zum Zwecke der Beerichterstattung nach § 8 BezBegrBVG bezieht, abzuweisen. Dies aus folgenden Erwägungen:

a) Eine Befugnis zur (namentlichen Einkommens-) Berichterstattung iSd § 8 Abs 1 bis 3 BezBegrBVG kommt dem Rechnungshof nach dieser Bestimmung unter der Voraussetzung zu, dass der Rechtsträger, bei dem Einschau gehalten werden soll, auf Grund einer anderen (verfassungs-)gesetzlichen Bestimmung der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegt und dieser Rechtsträger seiner Mitteilungspflicht nicht (fristgerecht und vollständig) nachgekommen ist.

Weiters muss - wie sich aus den einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts ergibt - eine auch die Namen der Einkommensbezieher umfassende Offenlegung im Hinblick auf das vom Verfassungsgesetzgeber verfolgte Ziel der ordnungsgemäßen Verwaltung der öffentlichen Mittel notwendig und angemessen sein; andernfalls steht der Anwendung des § 8 (Abs 1 bis 3) BezBegrBVG nach der vom Verfassungsgerichtshof eingeholten [...] Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes Gemeinschaftsrecht entgegen.

b) [...] Es ist daher bloß die Frage zu untersuchen, ob der Anwendung des § 8 BezBegrBVG nicht - aus dem Blickwinkel der den Verfassungsgerichtshof bindenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes - ein gemeinschaftsrechtliches Hindernis entgegensteht.

Ein solches Hindernis für die Anwendung des § 8 BezBegrBVG liegt in der Tat vor. Der Verfassungsgerichtshof kann es dahingestellt lassen, ob die Mittel, mit denen der ORF seine Tätigkeit finanziert, (allenfalls teilweise) als öffentliche Mittel im Sinne der Terminologie des Europäischen Gerichtshofes anzusehen sind; denn auch unter der Prämisse, dass dies zuträfe, ist die Offenlegung der Bezüge und der Namen der Bezieher dieser Bezüge nicht "notwendig und angemessen", um das Ziel der ordnungsgemäßen Verwendung dieser Mittel sicherzustellen.

Es ist völlig unbestritten, dass die Kenntnis der Kostenstruktur eines Unternehmens nicht nur für die Führung des Unternehmens, sondern auch für die Wahrnehmung der Kontrollaufgaben im Unternehmen von entscheidender Bedeutung ist und dass es dabei wichtig ist, auch die Personalkosten in differenzierter Weise zu kennen, was in manchen Konstellationen auch die Kenntnis der Kosten impliziert, die für die Wahrnehmung ganz bestimmter Funktionen durch einzelne Personen entstehen. Diesem Ziel wird freilich durch die Berichterstattung des Rechnungshofes im Rahmen der allgemeinen Gebarungsprüfung, die in detaillierter Weise an die Aufsichtsorgane der geprüften Unternehmungen und die zuständigen Bundesminister zu erfolgen hat (§ 11 Abs 5 RHG), entsprochen sowie weiters durch die regelmäßige Berichterstattung an den Nationalrat gemäß Art 126d B-VG, in der den Anforderungen zur Wahrung des Datenschutzes (Art 8 EMRK, § 1 DSG) und der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse (§ 12 Abs 5 RHG) zu entsprechen ist [...], wobei allenfalls eine Anonymisierung personenbezogener Daten geboten sein kann [...].

Dass darüber hinaus die Veröffentlichung der Bezüge unter Namensnennung der jeweiligen Bezügeempfänger notwendig sein soll, um eine effiziente Mittelverwendung sicherzustellen, ist nicht ersichtlich. Wie der Europäische Gerichtshof in Rz 88 seiner [...] Entscheidung ausdrücklich betont, hat der Verfassungsgerichtshof (- Originalzitat in Rz 88: "die vorlegenden Gerichte" -) (anhand des Art 8 EMRK als Teil des Gemeinschaftsrechts) selbst zu prüfen, ob eine solche Veröffentlichung notwendig ist und in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ziel steht, die Bezüge innerhalb angemessener Grenzen zu halten, wobei der Antwort auf die Frage, ob dieser Zweck nicht auf andere, die Rechtsposition der Bezügeempfänger weniger stark beeinträchtigende Weise erreicht werden kann, Relevanz zukommt. [...]

Die vorgesehene Veröffentlichung stellt einen Eingriff erheblichen Gewichts in das durch Art 8 EMRK geschützte Rechtsgut der Bezügeempfänger dar. Dass ein solcher Eingriff notwendig und angemessen sein soll, um jene Institutionen, die die Bezüge gewähren, zur sparsamen und effizienten Verwendung öffentlicher Mittel anzuhalten, in concreto "die Bezüge in angemessenen Grenzen zu halten", wie dies der Europäische Gerichtshof formuliert, ist nicht erkennbar. [...]

Zusammengefasst ergibt sich also, dass die differenziert ausgestalteten Berichtspflichten über die Ergebnisse der Gebarungsprüfung ausreichend sind, um eine ordnungsgemäße und effiziente Mittelverwendung sicherzustellen, und dass eine darüber hinausgehende namentliche Offenlegung der Bezüge für das vom Europäischen Gerichtshof anerkannte Ziel nicht notwendig und angemessen ist. Die unmittelbar anwendbaren [...] Bestimmungen der Datenschutz-Richtlinie stehen daher der Anwendung jener Bestimmungen des § 8 BezBegrBVG entgegen, die eine namentliche Offenlegung der Bezüge und der Beschaffung von Daten zu diesem Zweck ermöglichen. Diesen Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts hat auch der Verfassungsgerichthof wahrzunehmen, weshalb das Begehren des Rechnungshofes, soweit es darauf gerichtet ist, eine Einschau zum Zweck der namentlichen Einkommensberichterstattung gemäß § 8 Abs 1 bis 3 BezBegrBVG zu erreichen, mangels (anwendbarer) gesetzlicher Grundlage abzuweisen war [...] ."

Diese Erwägungen haben auch im vorliegenden, vom Obersten Gerichthof zu beurteilenden Fall zu gelten.

Die durch die mittlerweile in Kraft getretene Novelle BGBl I 2001/83 des Rundfunkgesetzes (neuer Titel: ORF-Gesetz oder ORF-G) bewirkten Änderungen in der Struktur der beklagten Partei durch Umwandlung in eine Stiftung des öffentlichen Rechts (§ 1 ORF-G) führen zu keiner Änderung in der Beurteilung der beklagten Partei als staatliche Einrichtung, deren öffentlich-rechtlicher Auftrag (§ 1 Abs 2 ORF-G) den Versorgungsauftrag gemäß § 3 leg cit, den Programmauftrag gemäß § 4 leg cit und die besonderen Aufträge gemäß § 5 leg cit umfasst und der zur Hereinbringung rückständiger Programmentgelte - anders als Personen des Privatrechtes - der Verwaltungsweg offensteht (§ 31 ORF-G).

Aus der schon genannten unmittelbaren Wirkung der Bestimmungen der Datenschutz-Richtlinie folgt, dass sich die Klägerin gegenüber der beklagten Partei darauf berufen kann, dass auch diese den Vorrang des Gemeinschaftsrechts betreffend ihre persönlichen Schutzrechte zu achten hat und daher nicht den Auskunfts- und Einschaugewährungspflichten der anderslautenden innerstaatlichen Bestimmung des § 8 Abs 1 BezBegrBVG entsprechen darf, soweit diese im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht steht. Da diese Bestimmung aber nach wie vor Rechtsbestand ist, besteht die Gefahr, dass sie ohne Provisorialmaßnahme von der beklagten Partei befolgt werden könnte.

Obwohl die Formulierung des Unterlassungsbegehrens der Klägerin etwas missverständlich ist (arg Gebot, etwas zu tun), kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass damit kein aktives Tun der beklagten Partei gewollt ist, sondern eine Einschränkung (Verbot) möglicher Auskunftserteilungen und Einschaugewährungen, und zwar ausschließlich im Zusammenhang mit den durch § 8 Abs 1 BezBegrBVG auferlegten Verpflichtungen. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0041254) konnte daher dem Spruch von Amts wegen eine das gewollte Unterlassungsbegehren der Klägerin entsprechende verdeutlichende Fassung gegeben werden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 1 EO.