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OGH vom 15.07.2011, 8ObS10/11w

OGH vom 15.07.2011, 8ObS10/11w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gillinger und

Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** G*****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei IEF Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen 30.856,44 EUR sA (Insolvenz-Entgelt), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 32/11x-9, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 18 Cgs 210/10h-6, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.751,04 EUR (darin 291,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der späteren Gemeinschuldnerin, einer GmbH Co KG, als Angestellte beschäftigt. Über das Vermögen der Dienstgeberin wurde am der Konkurs eröffnet, die Klägerin begehrt Insolvenz-Entgelt.

Sie ist - neben ihrem Ehemann und einem weiteren Verwandten - mit einem Geschäftsanteil von 50 % des Stammkapitals Gesellschafterin der Komplementärgesellschaft und verfügt in dieser über eine Sperrminorität. Die GmbH ist ihrerseits der einzige Komplementär der GmbH Co KG, einziger Kommanditist ist der Ehegatte der Klägerin. Die Komplementärin ist nach dem Gesellschaftsvertrag zur Geschäftsführung und Vertretung der Kommanditgesellschaft ermächtigt und verpflichtet. Alle Rechtshandlungen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Kommanditgesellschaft hinausgehen, bedürfen jedoch eines Gesellschafterbeschlusses mit einer Stimmenmehrheit von 60 %. Darüber hinaus können, soweit im Vertrag oder im Gesetz nichts anderes bestimmt ist, in allen Angelegenheiten für die Komplementärin bindende Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst werden. Nach den festgelegten Beteiligungsverhältnissen stehen einer Stimme der Komplementärin in der GmbH Co KG zwei Stimmen des Kommanditisten gegenüber.

Das Erstgericht sprach der Klägerin Insolvenzentgelt in Höhe von 3.081,56 EUR samt Anhang zu (unangefochten) und wies das auf weitere 30.856,44 EUR gerichtete Mehrbegehren ab. Der Klägerin stehe in der Komplementärgesellschaft eine Sperrminorität und damit ein beherrschender Einfluss iSd § 1 Abs 6 Z 2 IESG zu, der nach der Rechtsprechung auch auf die Kommanditgesellschaft durchschlage. Sie sei daher - mit Ausnahme der vor ihrer Gesellschaftsbeteiligung verdienten aliquoten Abfertigung - vom Anspruch auf Insolvenz-Entgelt ausgeschlossen.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im klagsstattgebenden Sinn ab. Das Erstgericht sei zu Recht von einem beherrschenden Einfluss der Klägerin in der Komplementärgesellschaft ausgegangen, weil dafür nach ständiger Rechtsprechung auch eine Sperrminorität ausreiche.

Für die Prüfung, ob der Klägerin auch eine beherrschende Stellung in der Kommanditgesellschaft zukomme, sei neben den lediglich dispositiven gesetzlichen Regelungen der §§ 163 ff UGB der davon zulässigerweise abweichende Inhalt des Gesellschaftsvertrags maßgeblich. Nach dessen Bestimmungen komme der Komplementärin als Gesellschafterin im vorliegenden Fall keine beherrschende Stellung zu, weil sie aufgrund der festgelegten Beteiligungsverhältnisse und Beschlusserfordernisse in allen Angelegenheiten der Geschäftsführung jederzeit vom Kommanditisten überstimmt werden könne. Da nach der IESG-Novelle BGBl I 2005/102 Arbeitnehmer nicht mehr wegen einer Mitgliedschaft im geschäftsführenden Organ der Gemeinschuldnerin vom Anspruch auf Insolvenz-Entgelt ausgeschlossen seien, könne die Geschäftsführungsbefugnis der Komplementärin für sich allein keinen Ausschluss der Klägerin nach § 1 Abs 6 Z 2 IESG rechtfertigen.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorgefunden werden könne, ob auch nach der mit BGBl I 2005/102 geschaffenen Rechtslage ein beherrschender Einfluss des Gesellschafters in der Komplementärgesellschaft auf die Kommanditgesellschaft „durchschlägt“.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hält die zusammengefasst wiedergegebenen Rechtsausführungen des Berufungsgerichts für zutreffend und die in der Revision dagegen erhobenen Einwände für nicht stichhältig. Gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO reicht es daher aus, auf die Richtigkeit der Ausführungen der zweiten Instanz zu verweisen und zur Rechtsrüge lediglich wie folgt Stellung zu nehmen:

Die Revision geht auf die Argumente des Berufungsgerichts inhaltlich nicht ein, sondern erschöpft sich im Zitat älterer höchstgerichtlicher Entscheidungen, die sämtlich aufgrund der Rechtslage vor der Anpassung des § 1 Abs 6 IESG mit BGBl I 2005/102 ergangen sind.

Richtig ist, dass der erkennende Senat in der Entscheidung 8 ObS 418/97x (ähnlich auch 8 ObS 200/99s) ausgeführt hat, dass beherrschender Einfluss iSd § 1 Abs 6 Z 4 (nunmehr: Z 2) IESG auch dann gegeben sei, wenn diese Voraussetzungen für Gesellschafter des beherrschenden Gesellschafters der insolventen Gesellschaft bestehen, insbesondere auch, wenn Ansprüche aus der Insolvenz jener Kommanditgesellschaft abgeleitet werden, bei deren Komplementärgesellschaft dem Kläger der vom Gesetz genannte Einfluss zukam.

Die dieser Entscheidungslinie jeweils zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellationen sind aber nicht einschlägig, weil im vorliegenden Fall die Komplementärgesellschaft (atypischerweise) nicht der beherrschende Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist.

Auch wenn man die Klägerin wegen ihres beherrschenden Einflusses in der Komplementär-GmbH modellhaft an deren Stelle denkt, wäre sie in der Kommanditgesellschaft nur eine Minderheitsgesellschafterin mit Geschäftsführungsbefugnis, aber ohne Sperrminorität. Eine solche Gesellschafter-Geschäftsführerin ist - unter der hier unstrittigen Voraussetzung der Arbeitnehmereigenschaft - nach keinem Tatbestand des § 1 Abs 6 IESG vom Anspruch auf Insolvenz-Entgelt ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.