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VfGH vom 23.06.1984, A18/84

VfGH vom 23.06.1984, A18/84

Sammlungsnummer

10068

Leitsatz

B-VG Art 137; Klagen einer Gemeinde gegen ein Bundesland wegen vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Finanzausgleich;

Klagslegitimation gegeben

Finanzausgleichsgesetz 1979; Begriff der Finanzkraft in § 10 Abs 4; keine Bedenken gegen diese Regelung

Spruch

Die Klagebegehren werden abgewiesen.

Die Klägerin hat dem Land Vbg. die mit 1316,80 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Marktgemeinde L erhebt Klagen gemäß Art 137 B-VG gegen das Land Vbg. wegen vermögensrechtlicher Ansprüche aus dem Finanzausgleich.

Die Klägerin begehrt (zu A6/82) die Erlassung des Erk.:

"Das Land Vorarlberg ist schuldig, der Marktgemeinde L 11033128,30 S aus den Erträgnissen der gemeinschaftlichen Bundesabgaben (Ertragsanteilen), für die Zeit vom bis , zuzüglich der ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit angefallenen gesetzlichen Zinsen binnen Monatsfrist, bei sonstiger Exekution, zu bezahlen."

Die Klägerin begehrt weiters (zu A18/84) die Erlassung des Erk.:

"Das Land Vorarlberg ist schuldig, der Marktgemeinde L 5721671,10 S aus den Erträgnissen der gemeinschaftlichen Bundesabgaben (Ertragsanteilen), für die Zeit vom bis , zuzüglich 4% Zinsen mit derzeit 138196,25 S binnen Monatsfrist, bei sonstiger Exekution, zu bezahlen."

Die Klägerin stützt ihre Klagen ausschließlich darauf, daß die Regelungen des Finanzausgleichsgesetzes 1979 BGBl. 673/1978 idF BGBl. 569/1981 (FAG 1979) betreffend die Berechnung der Finanzkraft verfassungswidrig seien.

Wie sich aus den Klagebegründungen ergibt, meint die Klägerin damit Bestimmungen, die im textlichen Zusammenhang des § 10 FAG 1979 stehen, welcher lautet:

"§10 (1) Zum Zwecke der Ermittlung der Ertragsanteile der Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben mit Ausnahme der Spielbankabgabe werden zunächst - nach Ausscheidung der auf Wien als Gemeinde entfallenden Quote - die Ertragsanteile auf die Gemeinden länderweise unter Beachtung der im § 8 Abs 2 angeführten Schlüssel rechnungsmäßig aufgeteilt. Von den so länderweise errechneten Beträgen sind 13,5 v. H. auszuscheiden und den Ländern zu überweisen; sie sind für die Gewährung von Bedarfszuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände bestimmt (zweckgebundene Landesmittel).

(2) Die restlichen 86,5 v. H. sind als Gemeindeertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben durch die Länder an die einzelnen Gemeinden nach folgendem Schlüssel aufzuteilen: Vorerst erhalten jene Gemeinden, deren Finanzkraft im Vorjahr den Finanzbedarf nicht erreicht hat, 30 v. H. des Unterschiedsbetrages zwischen Finanzbedarf und Finanzkraft. Die verbleibenden Ertragsanteile sind nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel (§8 Abs 3 dritter Satz) auf alle Gemeinden des Landes zu verteilen.

(3) Der Finanzbedarf jeder Gemeinde wird ermittelt, indem die Landesdurchschnittskopfquote der Finanzkraft des Vorjahres mit der abgestuften Bevölkerungszahl der Gemeinde (§8 Abs 3 dritter Satz) vervielfacht wird. Die Landesdurchschnittskopfquote ergibt sich aus der Finanzkraft (Abs4) aller Gemeinden des Landes, geteilt durch die Volkszahl des Landes (§8 Abs 3 erster Satz).

(4) Die Finanzkraft wird ermittelt durch Heranziehung

1. der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben unter Zugrundelegung der Meßbeträge des Vorjahres (Abs3) und eines Hebesatzes von 300 v. H.;

2. der Grundsteuer von den Grundstücken unter Zugrundelegung der Meßbeträge des Vorjahres (Abs3) und eines Hebesatzes von 300 v. H.;

3. der tatsächlichen Erträge der Gewerbesteuer (nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital) in den Monaten Jänner bis September des Vorjahres und Oktober bis Dezember des zweitvorangegangenen Jahres, jedoch unter der Annahme eines Hebesatzes von 125 v. H."

2. In der Klage zu A6/82 führt die Klägerin zunächst aus, aus der Entscheidung des (veröffentlicht in VfSlg. 9280/1981), in der der VfGH zum Ausdruck gebracht habe, daß er keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung betreffend den abgestuften Bevölkerungsschlüssel habe und sehr detailliert in die Behandlung dieser Frage eingetreten sei, ergäben sich zwei Gesichtspunkte, die auch für das vorliegende Verfahren relevant seien.

Zum einen nehme der VfGH in seiner Entscheidung nach Art 137 B-VG Wertungen und Erörterungen vor, die nach allgemeiner Ansicht einem Gesetzesprüfungsverfahren vorbehalten sein müßten, das er aber nicht eingeleitet habe. Die detaillierte Erörterung zahlreicher Fragen und Aspekte darüber, ob die (für das damalige Verfahren relevante) Regelung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels verfassungskonform oder verfassungswidrig sei, zeige auch, daß der VfGH selbst erhebliche Bedenken gehabt habe. Die Prüfung gesetzlicher Bestimmungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit habe in einem Verfahren nach Art 140 B-VG zu erfolgen und keinesfalls inzidenter im Rahmen anderer Verfahren. Da vorliegendenfalls die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die einfachgesetzlichen Regelungen noch ausgeprägter, in der Tat evident und schwerwiegend seien, scheine die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens dringend geboten. Keinesfalls erscheine es zulässig, eine inzidente Prüfung en passant vorzunehmen und die durch das Gesetzesprüfungsverfahren gegebene Möglichkeit der Rechtsverfolgung zu minimieren.

Zum anderen scheine nach Meinung der Klägerin die Entscheidung des VfGH VfSlg. 9280/1981 auch inhaltlich letztlich nicht haltbar. Daraus ergebe sich "die nachdrückliche Forderung, vorliegendenfalls alle relevanten Akten (Fakten?) der Entscheidung des VfGH zugrunde zu legen und nicht aus dem Umstand, daß bestimmte Bereiche auch für die Berechnung der Finanzkraft tatsächlich maßgeblich sind, im kurzen Wege den Schluß zu ziehen (= Kurzschluß), die Regelung entspreche der Verfassung". Vielmehr werde zu beachten sein, daß viele weitere Gesichtspunkte für die Finanzkraft relevant seien, ohne daß sie in der gegenwärtig geltenden Regelung Berücksichtigung finden.

ArtII des FAG 1979 unterscheide auf der Grundlage des im Finanz-Verfassungsgesetz 1948 BGBl. 45 verankerten Systems der verbundenen Steuerwirtschaft verschiedene Abgaben. Die Bestimmungen des Abschn. B, umfassend die §§7 bis 13, regelten die zwischen dem Bund und den Ländern (Gemeinden) geteilten Abgaben. Sie beinhalteten die zentralen präjudiziellen Regelungen für die von der Klägerin vom VfGH begehrte Entscheidung.

§7 Abs 1 FAG 1979 zähle die gemeinschaftlichen Bundesabgaben auf, deren Reinertrag der Teilung nach Abs 2 des § 7 unterliege; das Teilungsverhältnis sei in § 8 Abs 1 und 2 FAG 1979 festgelegt. Im Rahmen dieser "Oberverteilung" werde auf die Finanzkraft nicht Bedacht genommen. Vielmehr erfolge diese Bedachtnahme im Rahmen der sogenannten "Unterverteilung" nach § 10 Abs 2 des FAG 1979. Dabei würden von den gemäß § 10 Abs 1 FAG 1979 länderweise errechneten Ertragsanteilen der Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben zunächst 13,5 vH für die Gewährung von Bedarfszuweisungen an Gemeinden und Gemeindeverbände ausgeschieden. Die Abs 2 bis 4 des § 10 FAG 1979 seien für den vorliegenden Fall von zentraler Bedeutung. Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß für die Erledigung der gegenständlichen Klage die gesamten Anordnungen des § 10 Abs 2 bis 4 FAG 1979 präjudiziell seien. Allerdings wendeten sich die verfassungsrechtlichen Bedenken "nur" gegen die Regelung betreffend die Ermittlung der Finanzkraft in § 10 Abs 4 leg. cit. Des systematischen Zusammenhanges wegen seien aber auch die Abs 2 und 3 als präjudiziell in die Gesetzesprüfung einzubeziehen. Nach Auffassung der Klägerin liege die Verfassungswidrigkeit der Berechnung der Finanzkraft darin, daß im § 10 Abs 4 FAG 1979 nur einzelne und willkürlich herausgegriffene Gemeindeeinnahmen Berücksichtigung fänden. Insofern bestehe eine besondere Art einer verfassungsrechtlich sanktionierbaren "teilweisen Untätigkeit" des Gesetzgebers.

Die Klägerin legt sodann ihre Meinung darüber dar, welche Bestimmungen des FAG 1979 aufzuheben wären, um den von ihr als verfassungswidrig erachteten Zustand zu beseitigen, und zwar wären dies § 10 Abs 4 zur Gänze und wesentliche Teile der Abs 2 und 3, allenfalls nur Teile des Abs 2 oder des Abs 3.

Zu der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs 4 FAG 1979, betreffend die Regelung der Finanzkraft, wird in der Klage näher ausgeführt:

"A. Allgemeine Erwägungen

Welchen Gemeinden überhaupt ein Vorzugsanteil nach § 10 Abs 2 FAG 1979 zukommt und wie hoch dieser zur Auszahlung gelangt, ist von der Berechnung der Finanzkraft nach § 10 Abs 4 FAG unmittelbar abhängig. Je höher insgesamt die Vorab-Bedienung sogenannter 'finanzschwacher' Gemeinden ist, desto geringer ist die nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel zur Verteilung kommende Masse der verbleibenden Ertragsanteile (letzter Satz des § 10 Abs 2 FAG 1979). Die Regelung des § 10 Abs 4 des FAG 1979 betreffend die Ermittlung der Finanzkraft verstößt aber in eklatanter Weise gegen den Gleichheitssatz, indem sie völlig willkürlich einige, global gesehen wenig aussagekräftige Gemeindeabgaben in die Berechnung einbezieht, wesentliche und tragende Aspekte aber völlig unberücksichtigt läßt. Die Regelung ist aus sich selbst heraus, aber auch unter Bedachtnahme auf das gesamte System des österreichischen Finanzausgleiches grundsätzlich sachwidrig. Die differenzierende Berücksichtigung eines von der Quantität her nur minder wichtigen Teiles (erheblich unter 50%) der Finanz-Realität, die in ihrer Gesamtheit gleich beachtlich ist, vermag durch keinerlei Begründung sachlich gerechtfertigt zu werden.

Die Richtigkeit dieser Behauptung wird durch einen Blick auf die Statistik bestätigt. Da es sich bei der gegenständlichen Problematik um eine solche der Unterverteilung, also den Fall der Mittelverteilung auf die Gemeinden handelt, ist eben diese tatsächliche Gemeindeebene die rechtlich relevante Ebene der Fakten. Diesbezüglich stehen zunächst einmal 'Gebarungsübersichten der Bundesländer, Gemeindeverbände und Gemeinden' zur Verfügung, die jährlich vom Bundesministerium für Finanzen und vom Österreichischen Statistischen Zentralamt herausgegeben werden. Im weiteren werden von verschiedenen Bundesländern Gemeindesteuerstatistiken herausgebracht. Schließlich sind auch Finanzstatistiken der Verbindungsstelle der Bundesländer beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung von wesentlicher Bedeutung. Angesichts des Umstandes, daß innerhalb der letzten Jahre - abgesehen von der besonderen Elastizität der Gewerbesteuer - keine gravierenden Unterschiede bestehen, kann hier auf eine ins einzelne gehende Verwertung dieser Statistiken verzichtet werden. Vielmehr genügt es, - die Statistiken früherer Jahre sagen im wesentlichen genau dasselbe aus -, neben jenen statistischen Unterlagen, welche die im folgenden zitierte Literatur verwendet, auf die neueste, sehr instruktive, im Jänner 1982 herausgebrachte neueste Statistik der Verbindungsstelle der Bundesländer 'Das Steueraufkommen der Gemeinden im Jahre 1979' zurückzugreifen (diese Statistik wird im folgenden zitiert: Statistik Verbindungsstelle 1979).

Wenn auch, wie hervorgehoben, die Gemeindeebene für die Berücksichtigung der Finanzkraft der Gemeinden maßgeblich sein muß, ergibt sich allein schon aus den gesamtösterreichischen Zahlen ein eindeutiges Indiz für die grundlegend verfehlte Regelung der Finanzkraft in § 10 Abs 4 FAG 1979. In dieser Regelung sind nur berücksichtigt die Komponenten

Grundsteuer A

Grundsteuer B

Gewerbesteuer (nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital, nicht jedoch Lohnsummensteuer),

und zwar jeweils mit fiktiven Hebesätzen.

Nicht jedoch sind berücksichtigt die für die Finanzkraft ohne jeden Zweifel auch beachtlichen und - wie noch gezeigt wird, zum Teil noch viel bedeutsameren - Gemeindeeinnahmen aus

Lohnsummensteuer

Getränkesteuer einschließlich Speiseeisabgabe

und 'sonstige Gemeindeabgaben';

darüber hinaus werden überhaupt nicht berücksichtigt die überwiesenen Ertragsanteile.

Laut Statistik Verbindungsstelle 1979, 2 f. - dort auch länderweise Gliederung, welche genau dasselbe aussagt - ergeben sich für 1979 österreichweit an Einnahmen

aus Gewerbesteuer 4877465670 S

aus Grundsteuer A 300990001 S

aus Grundsteuer B 2013601554 S

insgesamt also 7192057225 S,

das sind ca. 41,28% der gesamten Gemeindeeinnahmen von 17421695588 S. Hingegen bleiben bei Berechnung der Finanzkraft der Gemeinden völlig unberücksichtigt die weiteren Gemeindeeinnahmen

aus Lohnsummensteuer 4752517925 S

aus Getränkesteuer 2766514416 S

aus 'sonstigen Gemeindeabgaben' 2710606022 S

insgesamt also 10229638463 S.

Das FAG 1979 setzt der Finanzkraftberechnung auch fiktive Hebesätze zugrunde. Aus Vereinfachungsgründen werden im folgenden die faktisch eingenommenen Beträge zugrunde gelegt, da eine Umrechnung auf die fiktiven Hebesätze jeweils für alle 2000 österreichischen Gemeinden vorgenommen werden müßte, was aber weder an der globalen Beurteilung noch an der ausschließlich maßgeblichen gemeindeweisen Betrachtung aus verfassungsrechtlicher Sicht etwas ändert. Vielmehr ergeben sich bei der Umlegung auf die fiktiven Hebesätze noch gravierendere Verzerrungen als dies ohne diesen Vorgang der Fall ist.

Das entscheidende an diesem Zustand ist nun, daß sich aus der gemeindeweisen Aufteilung (s. dazu Statistik Verbindungsstelle 1979 betreffend alle Gemeinden Österreichs) eindeutig ergibt, daß zwischen den berücksichtigten Steuersparten und den viel ertragreicheren, nämlich mehr als 58% erbringenden Steuersparten keinerlei signifikantes Verhältnis, keinerlei sichtbare Relation bzw. keinerlei Korrelation besteht, vielmehr ist die Relation der Beträge aus den einzelnen Einnahmen der Gemeinden jeweils völlig unterschiedlich und ohne jegliche erkennbare und nachweisbare Gesetzmäßigkeit. Die gegenwärtige Regelung basiert vielmehr auf einer rein zufälligen historischen Entwicklung, deren Voraussetzungen aber grundlegend verändert wurden. Auch gilt es schon hier, festzuhalten, daß niemand, auch nicht die Wirtschaftswissenschaften etwa der Ansicht wären, die - willkürlich herausgegriffenen - Sparten der Gemeindeerträge zur Berechnung deren Finanzkraft seien in spezifischer Weise für die wirtschaftliche Leistungskraft überhaupt signifikant. Vielmehr ist das wahre Gegenteil der Fall.

Die Berücksichtigung der Grundsteuer A als maßgeblich bedeutet die Akzeptierung eines Markenkennzeichens besonderer Wirtschaftsschwäche einer Gemeinde, was sich allein aus der global gesehen als Bagatelle zu bezeichnenden Summe von nicht viel mehr als 300 Millionen Gesamteinnahmen in ganz Österreich ergibt.

Gesamthaft ist noch von Interesse, daß den gesamten Gemeindeabgaben von nicht ganz 17,5 Mia S Ertragsanteile der Gemeinden nach Abzug von 13,5% für Bedarfszuweisungen von mehr als 21 Mia S gegenüberstehen (all dies Statistik Verbindungsstelle 1979, 2 f.). Mag man als Grundlage der Berechnung der Finanzkraft einer Gemeinde auch nicht unbedingt darauf bestehen, diese Ertragsanteile mitzuberücksichtigen, ist doch keinerlei Rechtfertigung dafür erkennbar, nur einen ökonomisch und insgesamt tatsächlich nicht signifikanten Sektor gemeindlicher Erträge zu berücksichtigen.

Auf Vorarlberg bezogen tritt dieses Mißverhältnis noch deutlicher zutage (s. Statistik Verbindungsstelle 1979, 2 f., 166 f.), da hier für die Finanzkraftberechnung nur

aus Gewerbesteuer 256583504 S

Grundsteuer A 3820582 S

Grundsteue B 78857023 S

insgesamt also nur 339261109 S

berücksichtigt werden, das sind von gesamthaften Gemeindeabgaben von 900125480 S sage und schreibe nur 37,69%! Hingegen bleiben die mehr als 62% der Gemeindeabgaben, also nahezu 2 Drittel (!), bestehend aus

Lohnsummensteuer 214965749 S

Getränkesteuer 132868110 S

sonstige Gemeindeabgaben 213030520 S

insgesamt also 560864371 S

ohne jegliche Berücksichtigung. Sowohl in Vorarlberg wie auch in allen übrigen Bundesländern sind die gemeindeweisen Unterschiede jedoch noch viel krasser!

B. Verfassungsrechtlicher Maßstab.

Die im Rahmen der vorliegenden Klage präjudiziellen Stellen des FAG 1979, insbesonders dessen § 10 Abs 4, sind anhand des durch Art 7 Abs 1 B-VG und durch Art 2 des Staatsgrundgesetzes von 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger verfassungsgesetzlich garantierten Gleichheitssatzes zu messen, der auch und gerade für die Gesetzgebung gilt (VfSlg. 1451, 2645, 2770 uva.). Darüber hinaus sind für den gegebenen Zusammenhang aber auch § 4 des F-VG 1948 sowie das österreichische Gemeindeverfassungsrecht von Bedeutung.

§4 des F-VG 1948 ist als die für die Verteilung der Abgabenerträge maßgeblichste finanzverfassungsgesetzlich Regelung anzusehen. Nach dieser Verfassungsbestimmung hat die in den §§2 und 3 leg. cit. vorgesehene Regelung in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung zu erfolgen und darauf Bedacht zu nehmen, daß die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden. Da die Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung in Österreich im wesentlichen auf alle Gemeinden Österreichs gleich erfolgt, hat auch die Verteilung der Abgabenerträge auf diese Gemeinden gleich zu erfolgen. Deshalb ist die genannte Verfassungsbestimmung als eine den Gleichheitssatz spezialisierende und diesen verstärkende Verfassungsnorm für die Finanzverfassung zu betrachten.

Das österreichische Gemeindeverfassungsrecht ist ebenso gekennzeichnet durch die grundsätzliche Gleichstellung aller Gemeinden und den Umstand, daß ihnen insgesamt gleiche Aufgaben übertragen sind. Lehre und höchstgerichtliche Rechtsprechung haben dies entsprechend berücksichtigt und sprechen von der abstrakten Einheitsgemeinde als jenem Typus der österreichischen Gemeinde, der der österreichischen Verfassungsordnung zugrunde liegt (s. Oberndorfer, Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, Linz 1971, 68 ff., u. passim; Neuhofer, Handbuch des Gemeinderechts, Wien-New York 1972, 191 ff.; Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 3. Auflage, Wien 1980, 237 ff; Klecatsky - Morscher, Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 3. Auflage, 518 f., 533 ff.). Diese grundsätzliche verfassungsrechtliche Gleichstellung aller österreichischen Gemeinden erheischt, daß der Gleichheitssatz verstärkt und strenger zur Anwendung gelangt als bei Bedachtnahme auf die eingangs zitierten Grundrechtsverbürgungen allein. An differenzierende, also ungleiche Regelungen ist danach ein besonders strenger Maßstab hinsichtlich ihrer Zulässigkeit anzulegen. Dies gebietet darüber hinaus auch die verfassungsgesetzlich garantierte Selbstverwaltung der Gemeinden, weil sich daraus auch die verfassungsrechtliche Pflicht zu entsprechender finanzieller Dotierung ableitet. Diese Notwendigkeit der besonders strikten Anwendung des Gleichheitssatzes ist vor allem auch durch jene Rechtsprechung geboten, wonach es einen selbstverständlichen Auslegungsgrundsatz darstellt, daß Rechtsvorschriften nicht so ausgelegt werden dürfen, daß sie überflüssig und daher inhaltslos werden (VfSlg. 2546, 2688, aber auch 7717; VwSlgNF 3086 F, 6035 A, , 789/63, , 1232/78).

C. Grundsätzliches zur Bedeutung des Gleichheitssatzes für den vorliegenden Fall.

Angesichts dieser eindeutigen Verfassungsrechtslage können im sachlichen Bereich des österreichischen Finanzausgleichswesens ungleiche Regelungen des einfachen Gesetzgebers nur dann vor den der Gerechtigkeit verpflichteten Augen des VfGH Bestand haben, wenn sie sich im einzelnen eindeutig und nachweislich belegbar auf Unterschiede im Tatsächlichen berufen können. In einem so detaillierten, technisierten, feinmaschigen und letztlich in gewisser Weise auch professionellen Normensystem, wie es das österreichische Finanzausgleichswesen darstellt, könnte ein plötzliches und punktuelles Zurückgreifen auf allfällige 'Erfahrungen des täglichen Lebens' (s. VfSlg. 3568, 4154, 5098, 5485, 6260, 6401, 6419, 6471, 7891 aber auch VfSlg. 7996, 8352) nicht hinreichen, die Sachlichkeit der Regelung zu erweisen. Vor kurzem wurde zutreffend darauf hingewiesen (s. dazu das zum 8. Österreichischen Juristentag erstattete Gutachten von Morscher, Das Abgabenrecht als Lenkungsinstrument der Gesellschaft und Wirtschaft und seine Schranken in den Grundrechten, 87), daß die sogenannten 'Erfahrungen des täglichen Lebens' häufig nichts anderes sind als permanent wiederholte, aber durch nichts belegte Vorurteile. Auch wenn man die Kraft des Wortes und darüber hinaus des Geistes insgesamt hoch veranschlagt, können durch solche bloße Worte nachweisliche Fakten nicht verändert, sondern höchstens zu Unrecht verfremdet und übergangen werden.

Auch muß mit allem Nachdruck hervorgehoben werden, daß es an sich nicht Sache der klagenden Marktgemeinde L sein kann, im einzelnen und detailliert den schlüssigen Nachweis der Verfassungswidrigkeit der gegenwärtigen Finanzkraftregelung zu erbringen; dennoch wird sie im folgenden alles wesentliche vorliegende Material vortragen. Zutreffenderweise ist es aber Sache der den Bundesgesetzgeber vor dem VfGH vertretenden Bundesregierung, den - wie hier vorweggenommen werden kann, völlig unmöglichen - Nachweis zu erbringen, daß die gegenwärtige Finanzkraftregelung mit ihrer völlig ungleichen Berücksichtigung der Gemeindeeinnahmen in tatsächlichen Unterschieden ihre Rechtfertigung auch tatsächlich findet (und nicht nur vage finden könnte).

Dabei kann es auch keine Rolle spielen, daß dieser österreichische Finanzausgleich an sich eine Mehrzahl von Gesichtspunkten berücksichtigt und die für verfassungswidrig erachtete 'Vorab-Bedienung' finanzschwacher Gemeinden nur einen Aspekt der Mittelzuteilung unter anderen darstellt. Sicher ist nämlich, daß nicht nur eine Gesamtregelung, sondern auch ihre einzelnen, je für sich abgrenzbaren Teilbereiche der Verfassung voll entsprechen müssen. Ansonsten käme es nämlich bei komplizierten, unsystematischen und von Zufälligkeiten getragenen Sachregelungen wie beim österreichischen Finanzausgleich dazu, daß die Verfassung und vor allem ihre Grundrechte niemals tatsächliche Relevanz erlangen könnten. Denn dann könnte eine für verfassungswidrig erachtete präjudizielle Regelung jeweils unter Berufung auf anderen Regelungen völlig zu Unrecht verfassungsrechtlich immunisiert werden. Das würde zu dem in einem Rechtsstaat unerträglichen Ergebnis führen, daß eine verfassungswidrige Regelung unter Bedachtnahme auf eine andere verfassungswidrige Regelung unangreifbar würde. Die Klägerin glaubt, den Hohen VfGH nicht nachdrücklich genug vor dem Begehen dieses Irrweges warnen zu dürfen.

Ferner ist von Bedeutung, daß für den Bereich des Finanzwesens - wie auch die Hinweise auf die zur Verfügung stehenden, aufeinander abgestellten Systeme der Finanzstatistiken ebenso wie der geradezu ungehemmte Einsatz von EDV und ADV schlagend beweisen - Aspekte der Verwaltungsökonomie eine Typisierung, Pauschalierung oder sonstige Vereinfachung in der hier vorgenommenen grobschlächtigsten Weise keineswegs fordern (vgl. VfSlg. 4409, 4930, 4958, 5022, 5160 u.a.; vgl. zu den diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Grenzen Morscher,

Das Abgabenrecht als Lenkungsinstrument, 83 ff.; Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich als Ergänzung fehlender und als Garant vorhandener Finanzautonomie, Köln 1982, 52 f. u. passim), da alle relevanten Daten nicht nur auf Knopfdruck zur Verfügung stehen und über beliebige Verknüpfung jeder noch so komplizierte Rechenvorgang in Sekundenschnelle abgeschlossen ist, sondern jeder Volksschüler auf Grund der veröffentlichten Daten alle diese Rechenvorgänge leicht selbst vornehmen kann. Abgesehen davon, daß für eine genaue Berechnung überhaupt kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand erforderlich wäre, zeigt ein Durchgehen der 2301 im Jahre 1979 bestandenen österreichischen Gemeinden (etwa anhand der Statistik Verbindungsstelle 1979), daß weder bei nach Bewohnern gemessen großen, noch mittleren noch kleinen, noch all diesen Gemeinden irgendein einheitliches, überhaupt typisierbares Element bei der Unterscheidung der einzelnen Steuereinnahmen besteht. Hier spricht die Statistik ganz ausnahmsweise eine ganz eindeutige Sprache für die Willkürlichkeit der Regelung, nur bestimmte Steuern der Finanzkraftberechnung zugrundezulegen.

Auch ist zu berücksichtigen, daß Prüfungsmaßstab im Gesetzesprüfungsverfahren immer die Verfassungsordnung als solche ist; es geht dabei nicht darum, ob die in Prüfung gezogene gesetzliche Regelung in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte eingreift, was vorliegendenfalls ohne Zweifel auch zutrifft, sondern darum, ob sie gegen verfassungsgesetzliche Normen verstößt (VfSlg. 5921, 7720). Darüber hinaus müßte die Verfassungswidrigkeit einer Norm nicht einmal im Anlaßfall verwirklicht werden (VfSlg. 8533) und es müssen die Umstände, die diese Regelung verfassungswidrig machen, bei der Anwendung der Norm im Anlaßfall keine Rolle gespielt haben (VfSlg. 8009, 8806, , G35, 36/81, G83, 84/81). Zwar wird vorliegendenfalls durch die geltende Rechtslage durchaus auch in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte der Klägerin eingegriffen. Unabhängig davon ist aber bei der Gesetzesprüfung nicht auf ihre Lage bzw. auf die Situation in Vorarlberg Bedacht zu nehmen, sondern auf die Situation der Gemeinden in ganz Österreich.

Umgekehrt handelt es sich bei der Situation der Klägerin nicht um einen 'atypischen Härtefall', der sich bei jeder Abgrenzung zwangsläufig ergeben müßte (s. zu deren Zulässigkeit VfSlg. 3568, 3862, 3714, 3749, 4154, 4925, 5098, 5958, 6260, 6401, 6419, 6471, 7012, 7471, 7996, 8352, 8457, 8871 uva; ferner Klecatsky - Morscher,

Das österreichische Bundesverfassungsrecht 3, 90 ff.; Morscher, Das Abgabenrecht als Lenkungsinstrument 93; vgl. aber auch Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich als Ergänzung fehlender und als Garant vorhandener Finanzautonomie, 52 f.). Alle Statistiken zeigen, daß es einen 'Regelfall' für die Gliederung der gemeindlichen Einnahmen aus Steuern nicht gibt, sondern keinerlei Gesetzmäßigkeiten erkennbar sind und somit für die völlig unterschiedliche Bewertung eines Steuerschillings gegenüber einem anderen Steuerschilling keinerlei sachliche Rechtfertigung gefunden werden kann.

D. Zur Verfassungswidrigkeit im einzelnen.

Der Klägerin ist selbstverständlich bekannt, daß es nach der Rechtsprechung des VfGH dem Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz nicht verwehrt ist, verschiedenste politische Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen und daß der VfGH die 'Richtigkeit' solcher Maßnahmen nicht überprüft (s. VfSlg. 3766, 4973, 5267, 5268, 5862, 6030, 6255, 6929, 7010, 7559, 7996, 8012 uva; beachte ferner Klecatsky - Morscher, Das Österreichische Bundesverfassungsrecht 3, 91 f.; Morscher, Das Abgabenrecht als Lenkungsinstrument, 98 ff.). Insoferne bestehen selbstverständlich grundsätzlich keinerlei Bedenken dagegen, daß der Finanzausgleichsgesetzgeber 'finanzschwachen' Gemeinden vor der 'allgemeinen' Unterverteilung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben auf die einzelnen Gemeinden einen Vorzugsanteil zukommen läßt. Eine solche Regelung ist an sich insoferne ohne Zweifel sachlich gerechtfertigt, als sie solchen Gemeinden die Möglichkeit bieten soll, einerseits ihre wirtschaftliche Situation strukturell zu verbessern und andererseits ihre laufenden Ausgaben, die auch zahlreiche Verpflichtungen beinhalten, überhaupt entsprechend erfüllen zu können. Auch ist eine solche Lösung grundsätzlich in einem Finanzausgleichssystem grundgelegt. Nach der genannten Rechtsprechung des VfGH sind aber in jedem Falle Exzesse völlig unzulässig und völlig ungeeignete Lösungen ebenso (vgl. Morscher, Das Abgabenrecht als Lenkungsinstrument, 94 f., 104 ff.). Eine solche Lösung liegt hier vor, weil ohne jede sachliche Begründung der Finanzkraftberechnung nur ein minderbedeutender Teil der Gemeindeeinnahmen zugrundegelegt wird, hingegen bedeutsame und signifikante Einnahmen für die Wirtschaftsstärke einer Gemeinde wie die Getränkesteuer und die Lohnsummensteuer überhaupt nicht berücksichtigt werden. Bezüglich der Lohnsummensteuer ist auch die Anfragenbeantwortung des Bundesministers für Finanzen, 1876/AB, II-4101 BlgNr 15. GP vom beachtlich, wo es ausdrücklich heißt:

'Zur Darstellung der in diesem Zusammenhang zur Diskussion stehenden Größen ist darauf hinzuweisen, daß das Gesamtaufkommen an Lohnsummensteuer im Jahre 1979 bei rd. 4,75 Mrd. S (davon rd. 1.5 Mrd. S allein in Wien), 1980 bei rd. 5,2 Mrd. S und 1981 bei rd. 5,35 Mrd. S gelegen ist. Der jährliche Zuwachs am Aufkommen beträgt jeweils rd. 7%. Das Aufkommen an Lohnsummensteuer stellt etwa 25% der gesamten Landes- und Gemeindeabgaben dar. Daraus ist zu ersehen, daß es sich hier um eine Abgabe handelt, die für die Gemeinden von der Größenordnung her von besonderer Bedeutung ist, auf die die Gemeinden jedenfalls nicht ohne finanzielle Abgeltung verzichten könnten.'

Die oben beschriebene Differenzierung könnte etwa damit begründet werden, daß bestimmte Einnahmen für die Wirtschaftskraft im allgemeinen und die Finanzkraft im speziellen von besonderer Signifikanz und Bedeutung seien. Dies wird aber zu Recht von niemandem, weder im Bereiche der Politik oder gar der Wirtschaftswissenschaften vertreten. Abgesehen von der Frage, ob es zu einer Zeit, in welcher erhebliche Arbeitsplatzprobleme bestehen, zweckmäßig ist, eine Arbeitsplatzsteuer (in Form der Lohnsummensteuer) einzuheben, ist es gerade die Höhe der Lohnsummensteuer, die in besonderer Weise eben diese Finanz- und Wirtschaftskraft kennzeichnet. Gleicherweise ist es die ungetrübte und offenkundig durch nichts trübbare Trinkfreudigkeit der österreichischen Bevölkerung einerseits und der Umstand andererseits, daß der Fremdenverkehr eine Säule der österreichischen Wirtschaft darstellt, der die Getränkeabgabe zu einem besonderen Kennzeichen der Finanzkraft werden läßt. Gerade diese wichtigen Bereiche finden aber bei der Finanzkraftberechnung keinerlei Beachtung. Die Klägerin ist an sich der Meinung, daß, wie ganz allgemein auch im Bereich des Finanzausgleiches, das Prinzip gelten muß, daß jeder Schilling gleich viel wert ist und hier uneingeschränkt das Schilling-Ist-Gleich-Schilling-Prinzip gilt. Die bestehende Regelung verstößt in exzessiver Weise dagegen, ohne daß eine sachliche Rechtfertigung auch nur im Ansatz vorläge. Ist man aber der Meinung, bestimmte Gemeindesteuern seien besonderes Kennzeichen einer besonderen Wirtschafts- und/oder Finanzkraft kann es keinem Zweifel unterliegen, daß dies keinesfalls für die Grundsteuern - weder für die Grundsteuer B noch gar für die Grundsteuer A - gilt, kaum für die Gewerbesteuer, jedenfalls aber für die Lohnsummensteuer und die Getränkesteuer. Aus dieser Sicht erweist sich die geltende Regelung kontrafunktional und in jeder Hinsicht verfehlt, indem sie aus ihrer eigenen Zielsetzung heraus offenkundig gerade die falschen Gemeindeeinnahmen der Finanzkraftberechnung zugrunde liegt. Es handelt sich dabei nicht nur um eine Regelung, deren Richtigkeit vom VfGH nur in extenso zu prüfen wäre, sondern um eine in sich verfassungswidrige Lösung.

Die Ursache dieses Umstandes ist durch die Bedachtnahme auf die historische Entwicklung leicht auszumachen. Pfaundler, Die Finanzausgleichsgesetzgebung 1948/58, 2. Auflage, Wien 1958, 152, weist zutreffend darauf hin, daß sich die nach § 14 des FAG 1956 auf die einzelnen Gemeinden jedes Landes entfallenden Anteile schon seit dem Jahre 1951 nach einem Steuerkraftschlüssel ergeben, 'der eine Aufteilung ausschlielich nach den Ertragsanteilen ersetzt hatte und noch derzeit in Geltung steht'. Die Anwendung des Steuerkraftschlüssel ergebe sich aus der Erwägung, daß die steuerlichen Einnahmen der Länder fast ausschließlich aus ihren Ertragsanteilen an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben bestehen, während bei den Gemeinden auch ihre eigenen Steuereinnahmen 'eine große, ja vielfach überragende Bedeutung haben'. Schließlich finden sich bei Pfaundler (aaO 130 ff.) auch Hinweise auf die damalige große wirtschaftliche Bedeutung der Gewerbesteuer und die dadurch notwendig gewordene finanzausgleichsgesetzliche Regelung (§11 Abs 4 FAG 1956) betreffend den Gewerbesteuerspitzenausgleich. Von Bedeutung ist dabei vor allem, daß seinerzeit eine völlig andere Gewichtung der Gemeindeabgaben bestand. Dementsprechend stellte Neuhofer (vgl. s. dazu im einzelnen Neuhofer, Handbuch des Gemeinderechts, 323 ff., hier 329) schon 1972 nach Darlegung der Rechtslage fest: 'Für die Finanzkraft der Gemeinden sind aber längst nicht mehr allein die Gewerbesteuer und die Grundsteuer maßgeblich, sondern in sehr wesentlichem Maße auch die Lohnsummensteuer und die Getränkesteuer'. Gleicherweise kritisch äußern sich Hammer, Der Finanzausgleich für die Jahre 1959 - 1963, Graz 1959, 34 ff.; Oberndorder, Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, Linz 1971, 29 ff., wonach durch die bestehenden Regelungen - kontrafunktional - bestehende Ungleichheiten geradezu 'verfestigt' würden; schließlich auch Wißgott, Der Finanzausgleich im Österreich der Zweiten Republik, Wien 1973, 65, der wie Oberndorfer zu Recht von einer 'fingierten Finanzkraft' spricht, der nach Meinung der Klägerin in der Realität rein gar nicht entspricht.

Nun ist aber entscheidend, daß - unabhängig davon, ob jemals die Finanzkraftregelung überhaupt verfassungskonform war - nach der durchaus zutreffenden Rechtsprechung des VfGH die Verfassungsmäßigkeit einer Norm in jedem Zeitpunkt, also nicht etwa nur im Zeitpunkt ihres Entstehens gegeben sein muß (VfSlg. 3723, 3810, 5022, 5854, 6770, 7330, 7394, 8004, 8574 u.a.) und daß dieser Grundsatz insbesonders für den Gleichheitssatz gilt (VfSlg. 3754, 3822, 5169). Auch kann sich danach der Maßstab für die Sachbezogenheit einer Regelung im Laufe der Zeit ändern und es kann die Nichtanpassung einer Regelung zu ihrer Verfassungswidrigkeit führen (VfSlg. 5854, 7844, 7974, wohl auch WI-9/79; vgl. auch Morscher, Das Abgabenrecht als Lenkungsinstrument, 47 ff.). Historische Gesichtspunkte können demnach keineswegs die geltende Regelung rechtfertigen, vielmehr beweisen sie die Unsachlichkeit derselben.

Der Umstand, daß auch in der Bundesrepublik Deutschland (s. dazu die neulich erschienene, umfassende Studie von Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich als Ergänzung fehlender und als Garant vorhandener Finanzautonomie, insbesonders auch die 'Ergebnisse' 126 ff.) sowie in der Schweiz (s. dazu Kesselring, Kommunaler Finanzausgleich und Regionalpolitik, Diessenhofen/Schweiz 1979) gleiche Verfassungsprobleme bestehen, darf keineswegs dazu führen, daß sie unter den Tisch gekehrt werden, vielmehr scheint eine verfassungsrechtlich einwandfreie Lösung umso dringlicher geboten.

Die Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften bestätigen im übrigen eindeutig die Verfassungswidrigkeit der geltenden Finanzkraftregelung. Zwar können Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften ohne Zweifel niemals Wertentscheidungen des Gesetzgebers ersetzen (s. insbesonders Antoniolli, Finanzverwaltung und Rechtsstaat, in: FS Huber, Bern 1961, 9 ff., insbesonders 16; Morscher, Das Abgabenrecht als Lenkungsinstrument, 19 ff.). Auch der VfGH hat dies in VfSlg. 5862 zutreffend zum Ausdruck gebracht. Er hat aber genauso zutreffend hinzugefügt, daß die Ordnungsgedanken der Finanzwissenschaft durchaus bei einer Gesetzesprüfung zu beachten sein werden.

Gantner - Theurl, 'Finanzkraft' und 'Finanzbedarf', Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich 1977, 1 ff. (s. dazu auch Theurl, Die Finanzkraft der Tiroler Gemeinden, SoWi Diplomarbeit Innsbruck 1976; ferner Huber, Nochmals: 'Finanzkraft' und 'Finanzbedarf', Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich 1977, 145 ff.; ferner Gantner - Theurl, ebenda 148 ff.; Gantner, Überlegungen zu den Begriffen 'Finanzkraft' und Finanzbedarf, im FAG 1973: Kritik und Reformansätze, in: Matzner (Hg), Öffentliche Aufgaben und Finanzausgleich, Wien 1977, 316 ff., derselbe, Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel als Problem der Länder und Gemeinden, Wien 1978, 49 ff. u. passim) kritisieren insbesonders die Unvollständigkeit der Verwendung des Begriffs Finanzkraft im FAG 1973 und den Umstand, daß dieser Begriff nicht das mißt, was er eigentlich messen sollte (s. Gantner - Theurl, aaO 2). Dabei handelt es sich nicht nur um eine wissenschaftlich fundierte Begriffskritik, sondern um eine, die die Sache als solche betrifft. Sie weisen demnach zu Recht daraufhin, daß in der Definition des § 10 Abs 4 FAG 1973 'nur ganz bestimmte Steuern herangezogen, aber so wichtige Gemeindesteuern wie die Lohnsummensteuer und die Getränkesteuer beiseite gelassen (werden), von den übrigen Gemeindeeinnahmen ganz zu schweigen ... Diese einseitige Bevorzugung bzw. grobe Benachteiligung einzelner Gemeinden ist der Haupteinwand, der gegen den FK-Begriff des FAG vorgebracht werden muß.

Nicht nur der Umstand, daß ein Gutteil der finanziellen Leistungsfähigkeit einer Gemeinde bei der Ermittlur Finanzkraft überhaupt außer Acht gelassen wird, auch die Zusammensetzung derjenigen Einnahmen, die für den FK-Begriff im FAG ausgewählt wurden, bietet Anlaß für Kritik.

Bekannt ist die Konjunkturanfälligkeit der Gewerbesteuer. Der Umstand, daß der Bedarfsausgleich auf der FK des Vorjahres aufbaut, läßt Gemeinden mit schrumpfendem Gewerbesteueraufkommen im laufenden Jahr von mehreren Seiten in die Klemme kommen: Zu den Ausfällen der Gewerbesteuer kommt noch ein fehlender oder der Situation der Gemeinden nicht entsprechender Bedarfsausgleich und eine erhöhte Landesumlage. So ist auch aus dem Flexibilitätsgesichtspunkt heraus der FK-Begriff des FAG völlig unbefriedigend ..., (aaO 5 f.).

Schließlich zeigen ihre Varianten der Finanzkraftberechnung (aaO 11 ff.), zu welchen Verzerrungen und sachlich ungerechtfertigten Ungleichheiten die bestehende Regelung führt. Zu dieser Alternativen-Berechnung werden aber nicht unzulässige Wertungen seitens der Wissenschaft vorgenommen, sondern nur deutlich gezeigt, in welch tiefgreifender Weise die gegenwärtige Finanzkraftregelung an den Tatsachen vorbeigeht, sie ignoriert und deshalb wegen krasser Ungleichheit verfassungswidrig erscheint.

Gleicherweise findet auch Thöni, Finanzierungsprobleme der Gemeinden, Wien 1977, 83 ff., an den geltenden Regelungen nur Kritikwürdiges. Derselbe, Finanzierungsprobleme der Gemeinden, Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich 1980, 181 ff. (186) meint im übrigen, der Finanzkraft- und Finanzbedarf-Ausgleich habe auf Grund der praktischen Handhabung jede Zielorientierung verloren und erörtert die völlige Einseitigkeit und Unvollständigkeit der Regelung.

Auch Hanselitsch, Die Stellung der Gemeinden im österreichischen Finanzausgleich, ÖGZ 1978, 160 ff. (164 f.) übt - obwohl jeweils unmittelbar in die Finanzausgleichsverhandlungen eingebunden - Kritik an der Finanzkraftregelung des dem FAG 1979 analogen FAG 1973, weil sie keinen 'vollständigen Ausdruck der tatsächlichen finanziellen Leistungskraft der Gemeinden, sei und führt dies (aaO 165) auch näher aus. Gleiches gilt auch für Smekal, Finanzausgleich - Föderalismus - Gemeindeautonomie, Österreichisches Jahrbuch für Politik 78, Wien 1979, 371 ff. 386 f., sowie insbesonders für Natter, Die ökonomischen Auswirkungen der Reform des österreichischen Fürsorgewesens aus der Sicht der Gemeinden - dargestellt am Beispiel der Gemeinden Vorarlbergs, SoWi Diss Innsbruck 1980, 120 ff. u. passim.

Insgesamt ergibt sich aus den empirischen Daten, daß ca. 5% der verbleibenden 85,5% (nach Abzug der 13,5% für Bedarfszuweisungen) der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben nach dem für verfassungswidrig erachteten Modus zur Voraus-Verteilung gelangen. Das sind für 1979 gesamtösterreichisch gesehen immerhin von mehr als 21 Mia mehr als 1 Mia in Vorarlberg, wo der Prozentanteil etwas höher ist, von fast 794 Mio S weit mehr als 40 Mio S. Dabei handelt es sich nicht um zu vernachlässigende Größen, die nach völlig unsachlichen Kriterien zur Verteilung gelangen, sondern um beträchtliche Summen, deren mißliche Verteilung gerade in Zeiten der angespannten Gemeindefinanzen wie diesen sich auf die Gemeinden besonders nachteilig auswirkt."

Abschließend werden Kosten verzeichnet.

3. Die Ausführungen in der Klage zu A18/84 stimmen, soweit sie die Sache selbst betreffen, - größtenteils wörtlich - mit den Ausführungen in der Klage zu A6/82 überein.

II. Das Land Vbg. als beklagte Partei erstattete Gegenschriften.

1. In der Gegenschrift zu A6/82 ist einleitend festgehalten, daß das Land den gemäß § 10 Abs 2 FAG 1979 erteilten Auftrag zur Aufteilung der Gemeindeertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben auch gegenüber der Marktgemeinde L gesetzmäßig erfüllt habe. Die ordnungsgemäße Zuteilung der Ertragsanteile sei von der Klägerin nicht bestritten worden. Die Klage baue ausschließlich auf einer anderen als der geltenden und vom Land Vbg. fehlerfrei angewendeten Rechtsgrundlage auf. Beim Klagebegehren handle es sich daher um hypothetische vermögensrechtliche Ansprüche, die von der beklagten Partei nicht geschuldet würden.

Zur Frage der Verfassungswidrigkeit der Regelung betreffend die Berechnung der Finanzkraft werde ausgeführt:

Der VfGH habe in seiner Entscheidung vom A7/80 (VfSlg. 9280/1981) zum Ausdruck gebracht, daß er ua. keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der geltenden Regelung betreffend den abgestuften Bevölkerungsschlüssel habe. Im Klagebegehren der Marktgemeinde L werde zwar ausdrücklich festgehalten, daß sie sich nicht auf die Verfassungswidrigkeit der Regelung eben dieses abgestuften Bevölkerungsschlüssels, sondern auf die Verfassungswidrigkeit der Regelung betreffend die Berechnung der Finanzkraft berufe. Sodann heißt es wörtlich:

"Hiezu wird die Auffassung vertreten, daß eine isolierte verfassungsrechtliche Beurteilung nur eines neben mehreren anderen im Finanzausgleichsgesetz bestimmten Verteilungsschlüsseln für die Aufteilung der Ertragsanteile der gemeinschaftlichen Bundesabgaben nicht möglich ist. Auch bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels ist der VfGH neben einer ausdrücklichen Berücksichtigung der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte von der Stellung dieses Schlüssels im System aller für die Verteilung gemeinschaftlicher Bundesabgaben in Betracht kommenden Schlüssel ausgegangen. Der VfGH kam schließlich zum Ergebnis, daß weder die Normierung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels an sich als einem der Schlüssel für die Verteilung der Erträge aus gemeinschaftlichen Bundesabgaben noch auch die konkrete Regelung, wie sie im FAG 1973 (sie entspricht jener im FAG 1979) getroffen wurde (die Stellung dieses Schlüssels im Systems aller für die Verteilung gemeinschaftlicher Bundesabgaben in Betracht kommenden Schlüssel und im Rahmen der Einnahmen aus Gemeindeabgaben überhaupt sowie die Gestaltung dieses Schlüssels mit den vorgesehenen Möglichkeiten der Korrektur von Härten), Anlaß zu Bedenken gebe, daß die Regelung gegen das Gleichheitsgebot verstoße. Ob die Regelung in jeder Hinsicht zweckmäßig sei, habe aus der Sicht des Gleichheitsgebotes außer Betracht zu bleiben. Daraus kann der Schluß gezogen werden, daß der VfGH keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der im Finanzausgleichsgesetz insgesamt normierten Verteilungsmechanismen zur Aufteilung der Abgabenertragsanteile im Rahmen des Systems der verbundenen Steuerwirtschaft hat."

Das Land stellt den Antrag, das Klagebegehren als unbegründet und kostenpflichtig abzuweisen.

2. Die Gegenschrift zu A18/84 stimmt mit jener zu A6/82 - größtenteils wörtlich - überein.

III. Der VfGH hat die zu A6/82 und A18/84 geführten Rechtsstreite gemäß §§187 und 404 ZPO (§35 VerfGG 1953) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und erwogen:

1. Wie sich aus den - vermögensrechtliche Ansprüche einer Gemeinde aus dem Finanzausgleich betreffenden - Erk. VfSlg. 9280/1981 und 9281/1981 ergibt, sind die vorliegenden Klagen der Marktgemeinde L zulässig und ist auch die passive Klagslegitimation des Landes Vbg. gegeben.

2. Vor Behandlung von Sachfragen ist auf die Darlegungen der Klägerin einzugehen, wonach der VfGH - entgegen seinem Verhalten in dem zum Erk. VfSlg. 9280/1981 führenden Verfahren - verpflichtet wäre, vorliegendenfalls ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten, weil die Bedenken gegen die präjudiziellen Regelungen noch ausgeprägter als damals, "in der Tat evident und schwerwiegend" seien und es keineswegs zulässig scheine, eine inzidente Prüfung en passant vorzunehmen und die durch das Gesetzesprüfungsverfahren gegebene Möglichkeit der Rechtsverfolgung zu minimieren.

Gemäß § 62 Abs 1 idF BGBl. 311/1976 iVm. § 65 VerfGG 1953 hat der VfGH, wenn er von Amts wegen über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zu entscheiden hat, in dem ein solches Verfahren einleitenden Beschluß (dem nur der Charakter einer prozeßleitenden Verfügung zukommt; VfSlg. 3446/1958, 3511/1959) die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen. Zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens reichen schon Bedenken des Gerichtshofes aus, und in einem solchen Fall darf sich der VfGH nicht damit begnügen, sich in den Entscheidungsgründen des Anlaßverfahrens mit den aufgetauchten Rechtsfragen auseinanderzusetzen: er ist vielmehr gehalten, über sie in einem Gesetzesprüfungsverfahren nach Anhören der beteiligten Regierung zu erkennen (VfSlg. 3051/1956).

Mit der Frage, ob Bedenken des Gerichtshofes die Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens notwendig machen, hat es jedoch nichts zu tun, in welchem Umfang der Gerichtshof Ausführungen für erforderlich hält, um die Unbedenklichkeit einer Norm darzutun - etwa um auf das Vorbringen einer Partei zu einer von ihr behaupteten Verfassungswidrigkeit einer Norm zu antworten.

Der VfGH hat zunächst - im Verfahren über die Klagen nach Art 137 B-VG - zu erwägen, ob er die von der Klägerin gegen Bestimmungen des FAG 1979 geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt.

3. Der Bundesgesetzgeber hat den Begriff der Finanzkraft bisher stets im Hinblick auf jene konkrete Regelung, in deren Rahmen auf diese Finanzkraft Bedacht genommen wird, umschrieben. Der Begriff hatte somit einen verschiedenen Inhalt, je nachdem ob er (wie in der Finanzausgleichsgesetzgebung der Jahre 1951 bis 1958 und der Familienlastenausgleichsgesetzgebung der Jahre 1955 bis 1958) dazu bestimmt war, eine Grundlage für die Aufteilung von durch die Gemeinden zu tragenden Lasten - von Beiträgen an Bund und Länder - zu bilden, oder ob er (wie in der Finanzausgleichsgesetzgebung der Jahre seit 1959) nun eine Grundlage für die Aufteilung von Ertragsanteilen an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben auf die Gemeinden darstellt.

a) Auf die Finanzkraft der Gemeinden wurde erstmals mit Wirksamkeit vom bei der durch die FinanzausgleichsNov. 1951 BGBl. 29/1951 (ArtI Z 7) getroffenen Regelung über die Leistung eines ziffernmäßig bestimmten Beitrages der Länder und Gemeinden zum Ausgleich des Bundeshaushaltes (der in anderer Form schon im BG BGBl. 117/1949 und sodann im Finanzausgleichsgesetz 1950 BGBl. 36/1950 § 14 - allgemein als "Notopfer" der Länder und Gemeinden bzw. als "Bundespräzipuum" bezeichnet - vorgesehen war) Bedacht genommen, und zwar in der Weise, daß der auf die Gemeinden jedes Landes entfallende Betrag im Verhältnis der Finanzkraft der Gemeinden aufgeteilt wurde. Die Finanzkraft wurde durch Heranziehung bestimmter tatsächlich erzielter Abgabeneinnahmen (nämlich von Ertragsanteilen der Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben) oder errechneter Abgabeneinnahmen (nämlich bezüglich der Grundsteuer und der Gewerbesteuer) abzüglich bestimmter Aufwendungen für den Betriebsabgang öffentlicher Krankenanstalten und für die Beseitigung von durch Kriegseinwirkung entstandenen Schäden erfaßt.

Eine gleiche Regelung der so erfaßten Finanzkraft enthielt das Finanzausgleichsgesetz 1953 BGBl. 225/1952 in § 14 Abs 1 des mit "Vorzugsanteil des Bundes" überschriebenen Abschn. V (auch idF der FinanzausgleichsNov. 1954 BGBl. 7/1954 und der FinanzausgleichsNov. 1955 BGBl. 9/1955), abgestellt auf die jeweiligen Jahre; ebenso das Finanzausgleichsgesetz 1956 BGBl. 153/1955 § 14 Abs 1 (auch idF der FinanzausgleichsNov. 1958 BGBl. 28/1958), abgestellt auf die jeweiligen Jahre, wobei die Auswirkungen des in § 11 geregelten Gewerbesteuerspitzenausgleiches zu berücksichtigen waren.

Das am in Kraft getretene Familienlastenausgleichsgesetz BGBl. 18/1955 § 23 Abs 5 (§33 Abs 5 gemäß der 1. Nov. BGBl. 52/1956) enthielt - bis zum Inkrafttreten des Finanzausgleichsgesetzes 1959 BGBl. 97/1959 am - für die Beiträge der Länder (Länderbeiträge) zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen eine Bestimmung, wonach die Länder berechtigt waren, den auf sie entfallenden Beitrag bis zu einem bestimmten Höchstausmaß auf die Gemeinden im Verhältnis der Finanzkraft dieser Gemeinden umzulegen, wobei die Finanzkraft in ähnlicher Weise wie im Finanzausgleichsgesetz erfaßt wurde. Auf diese Regelung war in der Regelung über die Aufteilung des Aufwandes für die Ausgleichszulage zu Renten aus der Pensionsversicherung in § 299 Abs 4 ASVG BGBl. 189/1955 und in § 97 Abs 4 GSPVG BGBl. 292/1957 verwiesen.

b) Im Finanzausgleichsgesetz 1959 BGBl. 97/1959 § 6 wird anläßlich der Neuregelung des Finanzausgleiches (die ua. den Vorzugsanteil des Bundes, den Gewerbesteuerspitzenausgleich und die Umlegung von Teilen des Länderbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbehilfen auf die Gemeinden beseitigte) auf die Finanzkraft der Gemeinden in einem anderen Zusammenhang als bisher Bedacht genommen: nämlich bei der Regelung des Schlüssels der nun in zwei Phasen erfolgenden Aufteilung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben auf die Gemeinden, und zwar in der vor der Aufteilung auf die einzelnen Gemeinden nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel (2. Phase) vorzunehmenden Zuweisung eines Vorzugsanteiles an bestimmte Gemeinden, dem sogenannten Bedarfsausgleich (1. Phase; vgl. dazu EB in der RV 637 BlgNR VIII. GP, Bericht des Finanz- und Budgetausschusses 648 BlgNR VIII. GP). Die bisherigen Finanzkraftschlüssel (einerseits für Zwecke der Ermittlung des Gemeindeanteiles am Vorzugsanteil des Bundes, andererseits für Zwecke der Ermittlung des auf die Gemeinden umzulegenden Teiles des Länderbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen) werden durch einen neuen Finanzkraftschlüssel ersetzt; die Finanzkraft wird nun durch die Heranziehung - nicht erzielter, sondern - errechneter Abgabeneinnahmen aus der Grundsteuer und der Gewerbesteuer ermittelt.

Die FinanzausgleichsNov. 1964 BGBl. 263/1963 hat an diesem System nichts geändert. Die dem entsprechende sodann im Finanzausgleichsgesetz 1967 BGBl. 2/1967 § 11 bezüglich der Finanzkraft getroffene Regelung ist der Sache nach von den späteren Finanzausgleichsgesetzen übernommen worden (s. Finanzausgleichsgesetz 1973 BGBl. 445/1972 § 10, Finanzausgleichsgesetz 1979 BGBl. 673/1978 § 10).

4. Die Klägerin erkennt richtig, daß mit dem Wegfall des § 10 Abs 4 FAG 1979 (dessen Beseitigung sie zur Beseitigung des von ihr als verfassungswidrig erachteten Zustandes für notwendig hält) für den - ihrer Meinung nach - zentralen Begriff der Finanzkraft "weder hier noch in anderen Zusammenhängen gesetzliche Anordnungen bestehen". Dennoch stellt sie an den in § 10 Abs 4 FAG 1979 normierten Inhalt des Begriffes der Finanzkraft Anforderungen, die nur darauf zurückgeführt werden können, daß sie diese konkrete Regelung an einem offenbar vorgegebenen - weil ihrer eigenen Auffassung nach gesetzlich nicht normierten - Inhalt des Begriffes der Finanzkraft mißt.

Die Klägerin führt aus, die von ihr behauptete Verfassungswidrigkeit der in § 10 Abs 4 FAG 1979 vorgenommenen Berechnung der Finanzkraft sei darin gelegen, daß "nur einzelne und willkürlich herausgegriffene Gemeindeeinnahmen Berücksichtigung finden", daß die Regelung "völlig willkürlich einige, global gesehen wenig aussagekräftige Gemeindeabgaben in die Berechnung einbezieht, wesentliche und tragende Aspekte aber völlig unberücksichtigt läßt", "aus sich selbst heraus, aber auch unter Bedachtnahme auf das gesamte System des österreichischen Finanzausgleiches grundsätzlich sachwidrig" ist. Bei der Umlegung auf die der Finanzkraftberechnung zugrunde gelegten fiktiven Hebesätze ergäben sich "noch gravierendere Verzerrungen als dies ohne diesen Vorgang der Fall ist". Die Klägerin räumt zwar ein, daß die Finanzkraft nicht "unter Berücksichtigung aller gemeindeeigenen Einnahmen berechnet werden muß, da ja der politische Streit gerade darum geht, welche Einnahmen zur Berechnung der Finanzkraft heranzuziehen sind und diesbezüglich viele Varianten für eine verfassungskonforme Lösung denkbar sind"; aus ihren Ausführungen ergibt sich aber, daß sie der Meinung ist, die Berechnung der Finanzkraft müßte von für die "wirtschaftliche Leistungskraft" signifikanten Sparten der Gemeindeerträge ausgehen und es sei - möge man auch nicht unbedingt darauf bestehen, die Ertragsanteile der Gemeinden an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben mit zu berücksichtigen - doch "keinerlei Rechtfertigung dafür erkennbar, nur einen ökonomisch und insgesamt tatsächlich nicht signifikanten Sektor gemeindlicher Erträge zu berücksichtigen". Allgemein meint die Klägerin, "daß viele weitere Gesichtspunkte für die Finanzkraft relevant sind, ohne daß sie in der gegenwärtig geltenden Regelung Berücksichtigung finden".

Damit macht die Klägerin Gedanken zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen, die in voller Deutlichkeit in der von ihr als Beleg für "die Verfassungswidrigkeit der geltenden Finanzkraftregelung" (das ist der mit der Regelung des FAG 1979 übereinstimmenden früheren Regelung) zitierten Literatur zum Ausdruck gebracht wurden.

Bei Gantner - Theurl ("Finanzkraft" und "Finanzbedarf", in Das öffentliche Haushaltswesen in Österreich, 1977, S 1 ff.) ist dargelegt, daß der Finanzkraft-Begriff des FAG gegen die begriffstheoretischen Kriterien der Ähnlichkeit, der Vollständigkeit und damit der Gültigkeit verstoße. Es heißt dort wörtlich:

"Das Kriterium der Ähnlichkeit ist verletzt, wenn ein Begriff in einer Bedeutung verwendet wird, die von der alltagssprachlichen Verwendung völlig verschieden ist. Würde man interessierte Laien fragen, was sie unter 'Finanzkraft' einer Gemeinde verstünden, so würden sie etwa antworten: 'Unter Finanzkraft verstehe ich eine Angabe über die finanzielle Leistungsfähigkeit einer Gemeinde.' Da im FAG 'Finanzkraft' keineswegs ein Ausdruck für die tatsächliche 'finanzielle Leistungsfähigkeit' einer Gemeinde ist, muß der Vorwurf erhoben werden, die so definierte 'FK' verstoße gegen den Grundsatz der Ähnlichkeit.

Das Kriterium der Gültigkeit verlangt, daß die verwendeten Indikatoren wirklich das anzeigen, was sie anzeigen sollen. Das Kriterium der Vollständigkeit bildet eine notwendige Voraussetzung für die Gültigkeit einer Begriffsbestimmung."

Nach Meinung der Autoren könnte ein Finanzkraftbegriff gebildet werden ("der einen gültigen Gradmesser für die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinde darstellen soll"), der nur bestimmte eigene Steuern einbezieht, und zwar aus dem tatsächlichen Aufkommen aus der Grundsteuer, der Gewerbesteuer, der Lohnsummensteuer und der Getränkesteuer, jeweils auf die Höchsthebesätze als dem Steuerpotential abgestellt.

Und bei Gantner (Überlegungen zu den Begriffen "Finanzkraft" und "Finanzbedarf" im FAG 1973: Kritik und Reformansätze, in Matzner (Herausgeber), Öffentliche Aufgaben und Finanzausgleich, 1977, S 316) heißt es dazu, die beiden Begriffe würden nicht mit einem der alltagssprachlichen Verwendung entsprechenden Inhalt beladen und zeigten auch nicht das an, was sie zu messen vorgäben. So sei "Finanzkraft" laut FAG 1973 keineswegs ein Ausdruck für die "tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit" einer Gemeinde, dennoch würden an diesen Begriff Maßnahmen geknüpft, als ob er dies bedeuten würde, wie zB Verteilung der Last der Landesumlage, der Bedarfsausgleich, die Verteilung der Bedarfszuweisungen (in manchen Bundesländern) oder die Verteilung der Last der Sozialhilfebeiträge auf die einzelnen Gemeinden.

Dieser Ausgangspunkt der Überlegungen der Klägerin ist nach Auffassung des VfGH verfehlt.

5. Es erübrigt sich, die von der Klägerin für verfassungswidrig erachtete Regelung des in § 10 Abs 4 FAG 1979 normierten Begriffes der Finanzkraft begriffstheoretisch zu durchleuchten, da der Gesetzgeber den Begriff selbst definiert hat. Bei einer verfassungsrechtlichen Beurteilung dieses Begriffes kann es nicht darum gehen, ihn an einem außerhalb des Normenzusammenhanges stehenden - wenn auch möglichen - Bedeutungsinhalt des Wortes zu messen. Kein Verfassungsgebot verhält den Gesetzgeber dazu, Worte, die einen Begriff ausdrücken, bei verschiedenen gesetzlichen Regelungen mit dem gleichen Bedeutungsinhalt zu verwenden (vgl. zB die Bedeutung des Begriffes Gewerbebetrieb im Gewerberecht und im Steuerrecht) oder Worte, die auch im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet werden, mit dem dabei üblichen Inhalt im Gesetz zu gebrauchen. Der Gesetzgeber ist nur gehalten, zum Ausdruck zu bringen, was er mit der Verwendung eines Begriffes beabsichtigt. Bei gesetzlich nicht definierten Begriffen genügt es, wenn sich ein Schluß auf ihren Begriffsinhalt aus sonstigen gesetzlichen Regelungen ergibt (VfSlg. 3496/1959) oder auch, wenn dem Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch ein eindeutiger Begriffsinhalt zukommt (VfSlg. 8141/1977). § 10 Abs 4 FAG 1979 enthält nun eine Legaldefinition dessen, was im Regelungszusammenhang als Inhalt des Begriffes der Finanzkraft zu verstehen ist: der Gesetzgeber hat iZm. der Regelung der Aufteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben eine Umschreibung des Ausmaßes und des Kreises der als eine Berechnungsgrundlage heranzuziehenden Abgabeneinnahmen der Gemeinde als Finanzkraft der Gemeinde bezeichnet. Bei einer solchen Regelung verbietet es sich, den Begriff an der Bedeutung zu messen, die ihm allenfalls im allgemeinen Sprachgebrauch zukommt. Der allfällige Inhalt des Begriffes im allgemeinen Sprachgebrauch kann vor allem - mangels diesbezüglicher normativer Anhaltspunkte - keinen verfassungsrechtlichen Maßstab für den vom Gesetzgeber definierten Begriff abgeben.

Wenn von der Klägerin und in der von ihr zur Unterstützung ihres Vorbringens angeführten Literatur darauf hingewiesen wird, daß dem im FAG verwendeten Begriff der Finanzkraft nicht nur bei Verteilung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben auf die Gemeinden Bedeutung zukommt, sondern daß daran auch andere Maßnahmen anknüpfen - wie etwa die Regelung der Landesumlage oder die Verteilung des Beitrages der Gemeinden eines Landes zu den Kosten der Sozialhilfe - so ist damit für eine verfassungsrechtliche Beurteilung im Rahmen eines Ansprüche aus dem FAG betreffenden Verfahrens nichts zu gewinnen. Hier ist dieser Begriff - als ein einfach(bundes)gesetzlicher Begriff - lediglich in seiner Bedeutung im bundesgesetzlich geregelten Finanzausgleich heranzuziehen. Soweit Landesgesetze auf diesen Begriff zurückgreifen - ohne daß dies bundesverfassungsgesetzlich vorgegeben ist - könnte eine Sachwidrigkeit in bezug auf die landesgesetzlich geregelte Materie (vgl. VfSlg. 7973/1976, 8242/1978) nicht dem Finanzkraftbegriff des FAG, sondern nur der jeweiligen landesgesetzlichen Regelung, soweit sie diesen Begriff übernimmt, angelastet werden.

38,60 Für die Entscheidung über die vorliegenden Klagen kommt es lediglich darauf an, ob der VfGH Bedenken gegen die sachliche Rechtfertigung des in § 10 Abs 4 FAG 1979 normierten Aufteilungsschlüssels, soweit dieser die Heranziehung der Grundsteuer- und Gewerbesteuererträge betrifft, hat, also ob die Heranziehung der genannten - mit dem Begriff der Finanzkraft umschriebenen - Abgabeneinnahmen einer Gemeinde eine sachgerechte Komponente innerhalb der getroffenen Regelung darstellt.

Die in § 10 Abs 4 FAG 1979 vorgenommene Umschreibung des Begriffes der Finanzkraft kann für sich allein nicht an der Norm des § 4 F-VG 1948 gemessen werden, wonach die in den §§2 und 3 vorgesehene Regelung in Übereinstimmung mit der Verteilung der Lasten der öffentlichen Verwaltung zu erfolgen und darauf Bedacht zu nehmen hat, daß die Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaften nicht überschritten werden. Die sprachliche Fassung dieser verfassungsgesetzlichen Norm, die eine Konkretisierung des Gleichheitssatzes für das Gebiet des Finanzausgleichs darstellt (VfSlg. 9280/1981), stellt - wie die Verwendung des Wortes "Regelung" in der Einzahl zeigt - auf die Maßnahmen nach den §§2 und 3 (also auf die Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge, auf die Gewährung von Finanzzuweisungen und Zuschüssen, sowie auf die Umlegung des Bedarfes der Länder und Gemeinden und Gemeindeverbände) in ihrer Gesamtheit ab.

6. Die nach § 10 Abs 4 FAG 1979 für die Berechnung der Finanzkraft heranzuziehenden beiden Realsteuern (Sach-, Objektsteuern), die Grundsteuer und die Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital, sind aus dem reichsdeutschen Recht übernommen worden (Rechts-Überleitungsgesetz StGBl. 6/1945, Gesetz über die Anwendung der Vorschriften über die öffentlichen Abgaben StGBl. 12/1945). Ihre rechtspolitische Aufgabe lag in der Vorbelastung des sogenannten fundierten Einkommens, die einerseits durch die wirtschaftliche Besserstellung, die der Besitz dieser Sachgüter dem Steuerpflichtigen gegenüber dem besitzlosen Steuerpflichtigen verleiht, andererseits durch die aus dem Vorhandensein und der Nutzung dieser Sachgüter der Allgemeinheit erwachsenden Aufgaben und Lasten für gerechtfertigt erachtet wurde (Ringelmann - Freudling, Grundsteuergesetz nebst Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen, 1938, S 34; Blümich - Boyens, Gewerbesteuergesetz, 1938, S 12, 21 und 171). Die Anpassung dieser Steuern an die österreichischen Verhältnisse wurde zunächst durch Staats- bzw. Bundesgesetze vorgenommen (Grundsteuer BGBl. 110/1946, Gewerbesteuer StGBl. 38/1945, BGBl. 22/1946) bis durch die Finanzverfassungsgesetzgebung des Jahres 1948 dafür eine eigene verfassungsgesetzliche Grundlage geschaffen wurde, indem die Regelung der Erhebung und Verwaltung dieser Abgaben im Rahmen des § 7 Abs 3 F-VG 1948 der Bundesgesetzgebung vorbehalten ist und der Bund diese Möglichkeit auch beansprucht hat (vgl. derzeit bezüglich der Grundsteuer § 16 Abs 1 FAG 1979, bezüglich der Gewerbesteuer § 13 Abs 3 FAG 1979): und zwar durch das Grundsteuergesetz 1955 BGBl. 149/1955 und das Gewerbesteuergesetz 1953 BGBl. 2/1954.

Beide Steuern sind Gemeindeabgaben (die Grundsteuer eine ausschließliche Gemeindeabgabe gemäß § 14 Abs 1 Z 1 FAG 1979, die Gewerbesteuer bis zum Inkrafttreten des FAG 1979 eine ausschließliche Gemeindeabgabe, seither gemäß § 13 Abs 2 FAG 1979 eine mit der Bundesgewerbesteuer gleichartige Abgabe von demselben Besteuerungsgegenstand).

Bei der Berechnung der Grundsteuer ist von einm Steuermeßbetrag auszugehen, der durch Anwendung der Steuermeßzahl auf den Einheitswert zu ermitteln ist und von den Finanzämtern des Bundes festgesetzt wird (§13 Grundsteuergesetz 1955,§ 194 BAO). Der Jahresbetrag der Steuer ist nach einem Hundertsatz (Hebesatz) des Steuermeßbetrages zu berechnen, der nach Maßgabe der Bestimmungen des FAG, dh. innerhalb eines dort bestimmten Höchstausmaßes durch Beschluß der Gemeindevertretung festgesetzt wird (§27 Grundsteuergesetz 1955,§ 15 Abs 1 FAG 1979). Für die Berechnung und Festsetzung des Jahresbetrages der Grundsteuer sowie für die Einhebung und zwangsweise Einbringung sind die Gemeinden zuständig (§§27, 28 Grundsteuergesetz 1955,§ 16 Abs 1 FAG 1979).

Auch bei der Berechnung der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und nach dem Gewerbekapital ist von einem Steuermeßbetrag auszugehen, der von den Finanzämtern des Bundes festgesetzt wird (§§11 und 14 Gewerbesteuergesetz 1953, § 194 BAO). Die Steuer wird aufgrund des einheitlichen Steuermeßbetrages nach dem im FAG vorgeschriebenen Hundertsatz (Hebesatz) festgesetzt, wenn die Gemeinde die Gewerbesteuer ausgeschrieben (vgl. zu diesem Begriff VfSlg. 5855/1968) hat (§18 Gewerbesteuergesetz 1953, § 13 Abs 4 FAG 1979). Die Erhebung obliegt den Finanzämtern des Bundes (§17 Gewerbesteuergesetz 1953).

Zu bemerken ist, daß die - in § 10 Abs 4 FAG 1979 nicht berücksichtigte - Lohnsummensteuer als dritte Erhebungsform der Gewerbesteuer von den Gemeinden nur neben den beiden anderen Erhebungsformen - nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital - und nicht für sich allein erhoben werden kann (§5 Abs 2 GewStG 1953, § 13 Abs 2 FAG 1979), wobei die Gemeinden ermächtigt sind, durch Beschluß der Gemeindevertretung den Hebesatz der Lohnsummensteuer innerhalb eines bestimmten Höchstsatzes festzusetzen (§13 Abs 4 FAG 1979). Die Lohnsummensteuer ist eine betriebsstättenweise zu berechnende Selbstbemessungsabgabe (Jiresch - Langer, Das Gewerbesteuergesetz, 6. Auflage, 1972, S 215); sie wird von den Gemeinden verwaltet, soweit nicht bundesgesetzliche Vorschriften entgegenstehen (§13 Abs 5 FAG 1979), wie etwa bezüglich der - ausnahmsweisen - Festsetzung des Steuermeßbetrages (§29 GewStG 1953) oder, wenn sich eine Betriebsstätte auf mehrere Gemeinden erstreckt, der Zerlegung des Steuermeßbetrages auf die beteiligten Gemeinden (§36 GewStG 1953) durch die Finanzämter des Bundes.

Die Grundsteuer und die Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital unterscheiden sich also von den anderen Gemeindeabgaben, deren Regelung zufolge § 8 F-VG 1948 der Landesgesetzgebung obliegt, dadurch, daß sie auf einer für alle Gemeinden des Bundes gleichen Rechtsgrundlage beruhen und jedenfalls in den für die Höhe des letztlich zu erzielenden Ertrages maßgebenden Verfahrensabschnitten (das ist bis zur Festsetzung des Steuermeßbetrages) von den Finanzbehörden des Bundes festgesetzt werden; sie unterscheiden sich aber auch von der Gewerbesteuer in der Erhebungsform der Lohnsummensteuer, indem bei dieser Steuer zwar die materiellrechtliche Ausgestaltung auch bundesgesetzlich geregelt ist, die Verwaltung jedoch in größerem Umfang den Gemeinden überlassen ist.

Diese schon im Zeitpunkt der Rechtsüberleitung bestandene Ausgestaltung der Grundsteuer und der Gewerbesteuer war für den Bundesverfassungsgesetzgeber bedeutsam genug, um sie verfassungsgesetzlich zu sichern: die durch den vorletzten Satz des § 7 Abs 3 F-VG 1948 dem Bundesgesetzgeber eingeräumte Regelungskompetenz "hinsichtlich der im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesverfassungsgesetzes (di. ) vom Bund für Zwecke der Gemeinden erhobenen Abgaben" betrifft allein die Realsteuern (vgl. VfSlg. 5357/1966 S 534 und die in diesem Erk. angeführte Vorjudikatur).

7. Die Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge zwischen dem Bund und den Ländern (Gemeinden) ist Sache der Bundesgesetzgebung (§3 Abs 1 F-VG 1948).

Der Bundesgesetzgeber hat im FAG 1979 - was die Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge auf die Gemeinden betrifft - einerseits eine Beteiligung der Gemeinden am Ertrag von zwischen Bund und Ländern (Gemeinden) geteilten Abgaben, andererseits ausschließliche Gemeindeabgaben, insbesondere auch Gemeindeabgaben aufgrund (bundesrechtlich eingeräumten) freien Beschlußrechtes, vorgesehen. Zu den bundesrechtlich den Gemeinden zugewiesenen Abgabenerträgen und Abgaben können - in dem vom Bund nicht beanspruchten verbliebenen Freiraum aufgrund des sogenannten Steuererfindungsrechtes - noch solche auf landesrechtlicher Grundlage kommen (§§7 und 8 F-VG 1948).

Die Regelungen des § 10 Abs 2 bis 4 FAG 1979 betreffen einen Teilvorgang in der Konkretisierung des sogenannten Systems der verbundenen Steuerwirtschaft, welches darin besteht, daß öffentliche Abgaben nicht von den zur Verfügung über den Abgabenertrag berechtigten Gebietskörperschaften selbst, sondern durch eine Gebietskörperschaft auch für Zwecke anderer Gebietskörperschaften erhoben werden, wobei die Aufteilung der Ertragsanteile nach bestimmten Hundertsatzverhältnissen oder bestimmten Schlüsseln erfolgt (vgl. auch VfSlg. 9280/1981). Die genannten Bestimmungen des § 10 FAG 1979 regeln eine der Phasen in der Aufteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben (§6 Z 2 lita F-VG 1948) auf die Länder und Gemeinden, und zwar innerhalb des letzten Abschnittes, der der Teilung der Erträge zwischen Bund, Gesamtheit der Länder und Gesamtheit der Gemeinden (§8 Abs 1 FAG 1979) und sodann der Aufteilung der Ertragsanteile auf die Länder und die Gesamtheit der Gemeinden jedes Landes (§8 Abs 2 bis 8 und § 9 FAG 1979) folgt. Es handelt sich also um eine Regelung, die als Komponente einer komplexen Regelung im System aller für die Aufteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben in Betracht kommenden Regelungen gesehen werden muß.

Die Regelung läßt die - in ihrer sachlichen Rechtfertigung nicht weiter begründungsbedürftige - Tendenz erkennen, eine Beteiligung der Gemeinden an den Ertragsanteilen nach gleichen Gesichtspunkten zu sichern. Sie läßt aber auch eine damit zusammenhängende weitere Tendenz erkennen: nämlich bei der Bestimmung der Schlüssel für die Aufteilung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben weitgehend nicht auf Erträge von Abgaben Bedacht zu nehmen, deren Regelung auf einer autonomen Entscheidung der Länder bzw. der Gemeinden beruht; der Finanzausgleichsgesetzgeber ist offensichtlich bestrebt, innerhalb der auf Abgaben beruhenden Gemeindeeinnahmen die Bereiche der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben und der Erträge der Gemeindeabgaben auseinander zu halten.

Bei Bestimmung der ersten Phase des in § 10 Abs 2 FAG 1979 geregelten Aufteilungsvorganges hat der (für die Verteilung der Abgabenerträge zuständige) Bundesgesetzgeber die gemäß § 8 F-VG 1948 vom Landesgesetzgeber zu regelnden Gemeindeabgaben nicht berücksichtigt. Es darf dabei nicht außer acht gelassen werden, daß Gemeindeabgaben, die auf länderweise verschiedenen Rechtsgrundlagen beruhen (§8 F-VG 1948), in ihrer materiellrechtlichen Ausgestaltung (Abgabegegenstand, Abgabepflichtige, Abgabesatz, Ausnahmeregelungen usw.) verschieden sein können (vgl. VfSlg. 1462/1932, 6755/1972 S 516) und daß eine Bedachtnahme auf die tatsächlich erzielten Erträge aus Gemeindeabgaben im Rahmen der für Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben getroffenen Aufteilungsregelung zu einer Begünstigung jener Gemeinden führen würde, für die und in denen die Möglichkeiten der Abgabenerhebung nicht im gleichen Maße wie in anderen Gemeinden ausgeschöpft sind. Bei der vom Finanzausgleichsgesetzgeber vorgenommenen Trennung der Bereiche der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben und der Erträge der Gemeindeabgaben stellt sich daher die Frage nicht, wie landesrechtlich verschieden ausgestaltete Gemeindeabgaben auf eine für die bundesrechtlich zu regelnde Verteilung der Ertragsanteile objektiv geeignete rechtliche Vergleichsbasis gestellt werden könnten und welche verfassungsrechtlichen Schranken dabei zu beachten wären.

Der Bundesgesetzgeber hat jedoch in den durch § 10 Abs 2 iVm. Abs 4 FAG 1979 geregelten Aufteilungsschlüssel die unter Annahme eines fiktiven Hebesatzes (unterhalb des Höchstsatzes) errechneten Erträge der einzelnen Gemeinden an Grundsteuer und an Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital einbezogen. Es sind dies Erträge von Gemeindeabgaben, die seit Geltung des F-VG 1948 auf eigener verfassungsgesetzlicher Grundlage bundesgesetzlich die gleiche materiell- und formalrechtliche Gestaltung aufweisen und seither auch faktisch in allen Gemeinden des Bundesgebietes in gleicher Weise (in den maßgebenden Verfahrensabschnitten durch die Finanzbehörden des Bundes zum Unterschied von der Gewerbesteuer in Form der Lohnsummensteuer) erhoben werden.

Die mit der Regelung des § 10 Abs 2 iVm. Abs 4 FAG 1979 vorgenommene Aussparung der auf autonomer Entscheidung beruhenden Gemeindeabgaben bei der Aufteilung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben ist im Hinblick auf die Stellung der Gemeinden als selbständige Wirtschaftskörper iS des Art 116 Abs 2 B-VG nicht unsachlich.

Es ist auch nicht unsachlich, wenn der Bundesgesetzgeber bei Regelung des Schlüssels für die Aufteilung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben auf die Gemeinden deren Ertragsanteile selbst unberücksichtigt läßt, denn diese sind ja das Ergebnis des Aufteilungsvorganges. Es ist dabei - wiederholend - darauf hinzuweisen, daß der Gesetzgeber in anderem Zusammenhang, nämlich bei der Aufteilung von Beitragsleistungen an den Bund und andere Rechtsträger sehr wohl auf die Ertragsanteile Bedacht genommen hat (und zwar in der Finanzausgleichsgesetzgebung der Jahre 1951 bis 1958 und der Familienlastenausgleichsgesetzgebung der Jahre 1955 bis 1958), eine Regelung, deren Verfassungsmäßigkeit hier nicht in Rede steht.

Der Finanzausgleichsgesetzgeber verwendet insgesamt für die Aufteilung der Ertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben Schlüssel, die im Ergebnis bewirken, daß die auf diesen Ertragsanteilen beruhenden Gemeindeeinnahmen ausgeglichener sind, als die auf Gemeindeabgaben beruhenden Einnahmen, deren Zufließen sich allein nach dem örtlichen Aufkommen richtet und bei denen die verschiedenen Wirtschaftsstrukturen der Gemeinden (zB Agrargemeinden, Industriegemeinden, Fremdenverkehrsgemeinden) aber auch die rechtstechnische Ausgestaltung der Abgaben (Ababentatbestände) eine wesentlich größere Rolle spielen als bei den Einnahmen aus Ertragsanteilen, sodaß auch die regionalen Unterschiede bei den auf Ertragsanteilen beruhenden Einnahmen geringer sind als bei den Einnahmen aus Gemeindeabgaben (vgl. die diesbezüglichen Hinweise im Erk. VfSlg. 9280/1981).

Bei Beurteilung der Regelung des § 10 Abs 4 FAG 1979 als einer Komponente einer komplexen Aufteilungsregelung kann nicht der Umstand unerwähnt bleiben, daß jede Regelung der Verteilung der Abgabenerträge zwischen dem Bund und den Ländern (Gemeinden) zu Härten führen kann und wird, sind doch die dabei zu berücksichtigenden Verhältnisse der beteiligten Gebietskörperschaften zu unterschiedlich. Es hat deshalb auch der Bundesverfassungsgesetzgeber eine Korrekturmöglichkeit vorgesehen, indem gemäß § 12 Abs 1 F-VG 1948 Bedarfszuweisungen des Bundes und der Länder an die Gemeinden auch zum Ausgleich von Härten vorgesehen sind, die sich bei der Verteilung von Abgabenertragsanteilen ergeben.

Aus den vorstehenden Erwägungen hegt der VfGH keine Bedenken dahin, daß die Bestimmungen des § 10 Abs 4 (als Teil der Regelung des gesamten § 10) FAG 1979 sachlich nicht gerechtfertigt wären und gegen das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot verstießen. Ob diese Bestimmungen in jeder Hinsicht zweckmäßig sind, entzieht sich einer verfassungsrechtlichen Beurteilung, sodaß sich auch die Frage von Bedenken in dieser Hinsicht nicht stellen kann.

8. Die Klägerin begründet die geltend gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche allein mit der Verfassungswidrigkeit der Regelung betreffend die Finanzkraft in § 10 Abs 4 FAG 1979.

Da der VfGH diesbezüglich keine Bedenken hat, sind die Klagebegehren abzuweisen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 41 VerfGG 1953 idF BGBl. 18/1958. Dem nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen Land Vbg. werden die Barauslagen zugesprochen.