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OGH vom 21.12.2010, 8Ob80/10p

OGH vom 21.12.2010, 8Ob80/10p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei (Antragstellerin) Brigitte Isabella Maria S*****, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Gegner der gefährdeten Partei (Antragsgegner) Eduard Josef S*****, vertreten durch Dr. Andreas Joklik, Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiligen Unterhalts, über den Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 45 R 216/10p 32, mit dem über Rekurs der gefährdeten Partei die einstweilige Verfügung des Bezirksgerichts Döbling vom , GZ 10 C 14/09s 26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die gefährdete Partei ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit 556,80 EUR (darin 92,80 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Antragsgegner verdiente in seinem letzten Arbeitsjahr in 10 Monaten etwa 1.828 EUR und in 2 Monaten 4.475,50 EUR netto. Mit verlor er seinen Arbeitsplatz und bezog dann Krankengeld in Höhe von 1.961,10 EUR monatlich. Nunmehr bezieht er Arbeitslosengeld in Höhe von 43,87 EUR täglich. Einen neuen Arbeitsplatz konnte er trotz intensiver Bemühungen nicht erlangen. Im Zuge der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bekam der Antragsgegner eine Abfertigung in Höhe von rund 14.000 EUR.

Die Antragstellerin bezieht als Teilzeitbeschäftigte ein Nettoeinkommen von 776,47 EUR 14 x jährlich.

Der Antragsgegner ist für zwei Töchter sorgepflichtig. Beide sind Lehrlinge. Die erste ist seit Oktober 2008 im ersten und seit Oktober 2009 im zweiten Lehrjahr (Lehrlingsentschädigung zunächst 405,67 EUR monatlich), die zweite Tochter ist seit Herbst 2009 im ersten Lehrjahr.

Die Streitteile wohnten bis zum Auszug des Antragsgegners im Juli 2008 in der gemeinsamen Gemeindewohnung im 19. Wiener Gemeindebezirk. Seit seinem Auszug lebt der Antragsgegner im Zweitwohnsitz des Ehepaars in einem auf einem Pachtgrund errichteten Superädifikat außerhalb Wiens.

Seit Mai 2009 leistet der Antragsgegner keine Einzahlungen mehr auf das gemeinsame Konto der Ehepartner, von dem die Fixkosten bezahlt wurden. Er leistete jedoch im Juni 2009 die Jahrespacht für den Zweitwohnsitz mit dem Superädifikat.

Der Antragsgegner hat die Antragstellerin auf Scheidung geklagt. In diesem Ehescheidungsverfahren wurde der vorliegende Sicherungsantrag von der Antragstellerin im Wesentlichen mit der Begründung gestellt, dass der Antragsgegner unter Anspannung seiner Kräfte angemessen zum Unterhalt beizutragen habe. Auch trage die Antragstellerin die wesentlichen Fixkosten.

Der Antragsgegner beantragte, den Sicherungsantrag abzuweisen. Die Antragstellerin habe ihren Unterhaltsanspruch verwirkt; er verfüge nur mehr über ein reduziertes Einkommen.

Das Erstgericht bestimmte mit einstweiliger Verfügung den vom Antragsgegner zu zahlenden Provisorialunterhalt für die Zeit vom bis mit 110 EUR monatlich sowie ab mit 174 EUR monatlich und wies das auf weitere 586,64 EUR monatlich bzw 522,64 EUR monatlich ab gerichtete Mehrbegehren ab. Ein Grund für eine Unterhaltsverwirkung sei nicht nachgewiesen worden. Unter Heranziehung der aufzuteilenden Abfertigung sei von einem monatlichen Einkommen des Klägers von weiterhin 2.269 EUR auszugehen, zu dem das Eigeneinkommen der Antragstellerin von 906 EUR hinzuzurechnen sei. Daraus ergebe sich ein Gesamteinkommen von 3.175 EUR. Davon stehe der Antragstellerin unter Berücksichtigung der konkurrierenden Unterhaltspflichten für die beiden Kinder ein Anspruch von 32 %, somit ein Betrag von 1.016 EUR, zu. Unter Berücksichtigung des eigenen Einkommens der Antragstellerin ergebe sich daher ein Unterhaltsanspruch von vorweg 110 EUR. Mit dem Eintritt einer Tochter in das zweite Lehrjahr und dem nunmehr auch von der zweiten Tochter erzielten Einkommen sei jedoch von einem Unterhaltsanspruch der Antragstellerin auf 34 % des Gesamteinkommens auszugehen, somit von einem Betrag von 1.080 EUR, sodass sich unter Abzug des Eigeneinkommens der Antragstellerin von 906 EUR ab Oktober 2009 ein monatlicher Unterhaltsanspruch von 174 EUR errechne.

Inwieweit die Antragstellerin selbst Fixkosten trage, sei bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs nicht zu berücksichtigen.

Das Rekursgericht gab dem gegen den abweisenden Teil dieses Beschlusses erhobenen Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Die Antragstellerin habe hinsichtlich der von ihr ins Treffen geführten, von ihr getragenen Fixkosten keine Zahlungsaufforderungen an den Antragsgegner gerichtet. Ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber Dritten könnten nicht zu einer Erhöhung ihres Unterhaltsanspruchs führen. Inwieweit die Antragstellerin andere Ersatzansprüche gegen den Antragsgegner geltend machen könne, sei hier nicht zu entscheiden.

Zur Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten des Antragsgegners durch einen Abzug von 6 % verwies das Rekursgericht auf den Provisorialcharakter der vorläufigen Regelung und darauf, dass die Detailfragen erst später endgültig zu klären seien. Da der Antragsgegner für beide Töchter unterhaltspflichtig sei, jedoch beide auch schon über eine Lehrlingsentschädigung verfügten, habe das Erstgericht zu Recht einen etwas geminderten Prozentsatz angenommen.

Zunächst erachtete das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO als nicht zulässig. Über Antrag der Antragstellerin ließ das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs jedoch nachträglich mit der Begründung zu, dass im Hinblick auf die „atypischen Verhältnisse“ auch eine andere rechtliche Begründung denkbar sei, wobei es auch auf die bereits Lehrlingsentschädigung beziehenden Kinder Bezug nahm.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist entgegen diesem geänderten Ausspruch des Rekursgerichts zufolge § 528 Abs 1 ZPO iVm §§ 78 und 402 Abs 1 EO mangels Erforderlichkeit der Beurteilung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels ist der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Rekursgerichts nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO).

Nach ständiger Rechtsprechung wird der Bemessung des Unterhalts des schlechter verdienenden Ehegatten als Orientierungshilfe ein 40%iger Anteil des gesamten Familiennettoeinkommens zugrundegelegt (RIS Justiz RS0012492). Insoweit wird also regelmäßig nicht darauf abgestellt, welche konkreten Aufwendungen der unterhaltsberechtigte Ehegatte hat.

Die von der Antragstellerin herangezogenen Entscheidungen zur Berücksichtigung von Aufwendungen beziehen sich regelmäßig auf den „unterhalts pflichtigen “ Ehegatten, und zwar auf die Berücksichtigung von Aufwendungen bei der Erbringung der Unterhaltsleistung (9 Ob 49/04b, 4 Ob 510/94), bzw auf die Verpflichtung zur Erhaltung der Ehewohnung (so etwa 2 Ob 259/00b, 5 Ob 10/99b oder 7 Ob 629/94 [allerdings keine Verpflichtung zur Tragung der Betriebskosten]).

Soweit sich die Antragstellerin dagegen wendet, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Antragsgegners gegenüber den beiden Töchtern mit 6 % berücksichtigt wurden, obwohl beide schon über ein Eigeneinkommen verfügen, erkennt sie selbst, dass es sich dabei um eine Frage der Bemessung der Unterhaltsansprüche im Einzelfall handelt. Ob im Einzelfall die Bescheinigung eines entsprechenden Einkommens der Kinder bereits im Provisorialverfahren gelungen ist hier wurde die Höhe der Einkommen der Kinder noch nicht abschließend geklärt - und wie dies zu berücksichtigen ist, kann nicht als erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO beurteilt werden (RIS Justiz RS0013475; RS0044088; allgemein Kodek in Rechberger ZPO 3 § 502 Rz 26). Die von der Rechtsprechung zur Unterhaltsbemessung herangezogenen Prozentsätze stellen regelmäßig nur eine Orientierungshilfe dar (RIS Justiz RS0047419 [T1]). Vor diesem Hintergrund stellt die übereinstimmende Einschätzung der Vorinstanzen, die Unterhaltspflicht des Antragsgegners für die beiden Kinder mit einem Abschlag von 6 % zu berücksichtigen, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende unvertretbare Fehlbeurteilung dar.

Mangels erheblicher Rechtsfrage war das Rechtsmittel daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 78, 402 EO sowie auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Antragsgegner hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen (RIS Justiz RS0035962). Der Kostenbemessung war iSd § 9 Abs 2 und 3 RATG die strittige einfache Jahresdifferenz zugrunde zu legen.