VfGH vom 26.11.2002, B730/02
Sammlungsnummer
16717
Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Bescheiderlassung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat im Verfahren betreffend eine Maßnahmenbeschwerde nach Ablauf einer vom Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über eine Säumnisbeschwerde gesetzten Frist
Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 2142 € bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Die beschwerdeführende Partei (eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung) importierte früher Lammfleisch nach Österreich. Die (Einfuhr der) Lieferung vom wurde vom Grenztierarzt anlässlich der Veterinärkontrolle am Flughafen Wien-Schwechat wegen Überschreitung der höchstzulässigen Kühltemperatur zurückgewiesen (§§26 ff. der - vom Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz aufgrund des Tierseuchengesetzes erlassenen - veterinärbehördlichen Einfuhr- und Durchfuhrverordnung 1992, BGBl. 31/1993). Dagegen erhob die Gesellschaft Maßnahmenbeschwerde gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (im folgenden kurz: UVS). (Zur Qualifikation der in Rede stehenden Zurückweisung [bzw. der Ausstellung einer diesbezüglichen Bescheinigung] als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt s. die Beschlüsse Zl. 96/11/0332, und VfSlg. 14.924/1997.)
b) Mangels Entscheidung durch den UVS erhob die Gesellschaft Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (Art132 B-VG). Mit Verfügung vom forderte dieser gemäß § 36 Abs 2 VwGG den UVS als belangte Behörde auf, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen (oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt). Diese Verfügung langte am bei der belangten Behörde ein.
Mit Bescheid vom , Zl. Senat-B-96-026, wies der UVS gemäß § 67c Abs 3 AVG die Maßnahmenbeschwerde als unbegründet ab. Dieser Bescheid wurde der einschreitenden Gesellschaft am zugestellt. Eine Abschrift wurde dem Verwaltungsgerichtshof übermittelt. Dieser stellte mit Beschluss vom das Verfahren über die Säumnisbeschwerde gemäß § 36 Abs 2 VwGG ein.
2.a) Die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde der einschreitenden Gesellschaft wendet sich gegen den Bescheid des UVS vom . Es wird die kostenpflichtige Aufhebung dieses Bescheides beantragt; dies unter anderem mit der Begründung, dass die belangte Behörde nach Ablauf der durch den Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist für die Entscheidung unzuständig gewesen und die beschwerdeführende Gesellschaft somit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden sei.
b) Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor; von der Erstattung einer Gegenschrift nahm sie Abstand.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die einschreitende Gesellschaft ist mit ihrem oben (Pkt. I.2.a) erwähnten Vorbringen im Recht:
Der angefochtene Bescheid wurde durch Zustellung an die Gesellschaft am erlassen. Diese Bescheiderlassung erfolgte somit erst nach Ablauf der dreimonatigen Frist, die der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde in der dieser am zugestellten Verfügung gesetzt hatte (s. oben, Pkt. I.1.b).
2. Nach Ablauf einer vom Verwaltungsgerichtshof im Zuge eines Säumnisbeschwerdeverfahrens gesetzten Frist ist die Behörde zur Erlassung des Bescheides nicht mehr zuständig. Die belangte Behörde hat somit eine Kompetenz in Anspruch genommen, die ihr nicht zugekommen ist, und dadurch die beschwerdeführende Gesellschaft im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (s. VfSlg. 5209/1966, 8683/1979, S 273; 9684/1983, 14.544/1996).
Der angefochtene Bescheid ist daher aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in Höhe von 327 € sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr in der Höhe von 180 €
enthalten.
III. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Fundstelle(n):
FAAAE-08044